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Qmlieila 3ileine Skimme aus Wallen/ Von Siran SteUbui Es war ein Feiertag, Fronleichnam, Vom frühen Morgen war ich unter dem blauen Himmel durch die alten, reichen Straßen Veronas gegangen. In der heißesten Mittagsstunde lockte mich in der Stradone Scipio Mästet ein Haus, in feinen schattigen Hof einzutreten. Bon weit hinten sah eine Marmornymphe durch feinen Springbrunnenstrahl keusch und neu- gierig zu mir herüber. Sehr behutsam, sehr leise näherte ich mich durch den Torweg. Von oben schoß Sonne und blaue Lust in die Zwischenhöfe, Dämmerung, warm und kühl zugleich. Im letzten Hof, dicht bei meiner Nymphe angelangt, sah ich überrascht, daß der Springbrunnen das einleitende Motw eines wunderschönen Gartens war. Weiter rechts, im Grünen, von Palm- geblätter überschattet, saß ein Mädchen, nicht ganz jung... gerade so jung und so alt wie eine Frucht zur Zeit ihrer Reife. Sie trug ein Kleid von sattgelber Farbe, um chre weißen Schuhe wuchsen Blumen. Ihre blauen Augen italienisch blaue Augen sahen' mich an. Gerade wollte ich mit einer Entschuldigung einen Schritt; rückwärts tun im gleichen Augenblick überraschte mich ein Räuspern. Ein Stuhl wurde vorgerückt eine Dame, sehr hager, sehr lächelnd, trat hinter der Marmornymphe hervor, die sie bisher w!« ein gütiger Engel verborgen hatte. ,D, bleiben Sie nur", sagte sie in breitem Englisch,Sie be> wundern das Haus, das sind wir gewohnt. Sie verstehen mich?" Das junge Mädchen sprach kein Wort. Dos ist das Charak-: teristikum der schönen Frauen, diese höllische Jnachtnahme ihrer Zunget und das ist das Kainszeichen der häßlichen, diese Zügellosig- I feit, deren Attacken der männliche Teil der Menschheit dann aus-( zuhalten hat. Meine Angelsächstn fragte mich nach meinen Ein- l drücken. Was ich zu dem Amphitheater meinte? Sie hätte schon ein größeres gesehen. Ob ich in der Kirche an den Piazza Santa Anastasia den Bettler aus Marmor mit dem Loch in der Hose ge- sehen hätte? Ich hatte nicht. Sie vertraute mir an, daß dies Loch sich gerade am Knie befinde. Lebensgroß, wachegelb das Gesicht und gebückt, müsse er eine schwere Marmorschale tragen zur Strafe für irgendeine Sünde. Ich wollte mich empfehlen. Das junge Mädchen sah in ihr Buch. Und das Haus der Eapulet?" fragte die Dame. Capulet?" Einen Augenblick später schlug ich mir vor den Kopf. Die ersten Strophen des Chors sprangen mir durchs Gehirn, Capulets und Montagues, Vetter Tybalt, die Amme, der Apo- theker... Romeo und Julia   waren in Verona   zu Haus! Wie? Das Haus der Capulet   ist noch zu sehen?" Waren Sie denn noch nicht am Grabe?" An welchem Grabe?" Vor Erstaunen wurden ihre Augen rund.An welchem Grabe!" In einem rasenden Italienisch wandte sie sich an das junge Mädchen, vermullich um ihr mitzuteilen, daß ein Mensch. der schon sechs Stunden in Verona   weilte, noch nicht am Grabe.. Aber an welchem Grabe?" rief ich. Mit langen, männlichen Schritten lief die Angelsächsin durch den Garten davon. Wir sahen der Verschwindenden nach. Drei- mal, in drei verschiedenen Sprachen, wandte ich mich an das Mädchen. Jedesmal sah sie mich an, lächelte, schüttelte leise dos italienifch-dunkelblond umrahmte Gesicht. Endlich versuchte ich's auf Italienisch  . Aber die typische Schüchternheit des Fremdlings in der anderen Sprache ließ mich auch meinen kleinen Besitz an Vokabeln vergessen. Kopfschütteln. Schweigen. Wir sahen uns an. Die Angelsächsin, mit Hut, Mantel und Sonnenschirm, kam gelaufen.Kommen Sie! Haben Sie eine Besuchskarte bei sich?" Sie ließ mir keine Zeit, sich zu wundern-, keine Zeit zu einem A rivederla"... Er hätte mir gleichgültig bleiben können, dieser Abschied von einem jungen Mädchen, von dem mich nicht der Abgrund zwischen zwei Völkern, sondern der Grenzpfahl zwischen zwei Sprachen trennte. Noch einmal sah ich mich nach ihr um. Sie sah wieder ins Buch. Shakespeare   ist niemals in Verona   gewesen, er hat Verona  nicht gekannt, er hat aus Verona   eine Hafenstadt gemacht", erzählte meine Begleiterin in demselben rasenden Tempo, in dem sie die Füße setzte, die unbestrumpft und hager aus den weißen Segeltuch- schuhen in den Mantel wuchsen.Ein italienischer Offizier, der die Geschichte von den feindlichen Familien selber miterlebt hatte, schrieb sie auf. Denn er war verwundet worden und konnte nichts Besseres mehr tun als Geschichten schreiben Und so kam die Ge- schichte über Venedig   nach England, wo unser unvergleichlicher Shakespeare... Aber er hat aus Verona   eine Meerstadt gemacht, das war nicht recht von ihm.. Wir überguerten eine breite, staubige Straße, an deren einer Seite sich die Befestigungen mit typischem Skaligergesicht hinzogen. Rechts lag scheinbar eine Kaserne.  Gleich sind wir da", sagte die Angelsächsin. Wo? wollte ich fragen. Sie lief so besessen drauflos.Wollen wir zu einem Grabe?" fragte ich:der Kirchhof liegt dort, links hinunter." Sie lachte mich mit ihren erlebnishungrigen Augen an.Wir wollen in die Via del Pontiere", sagte sie hastig,zu einem Grabe, jawohl. Es liegt an einem Platz, wo zweimal jährlich Pferdemesse abgehalten wird. Gedulden Sie sich noch hundert Schritte!" Wir kamen an einem Fruchtverkäufer vorbei.Da sind wir." Vor der Pforte schellte sie, wir sahen auf einen riesigen Plan. zur Linken die Reihen der Pferdeställe. Eine Pförtnerin kam, ließ uns ein, führte uns das heißt, sie führte nur mich, die Angel- sächsin rannte voraus. An einem anscheinend besonders aufregenden Punkt angelangt, wandte sie sich um und winkte mir mit beiden Armen. Aber von nun an war sie wie verwandelt. Sie wurde heilig und ernst und verlangte von mir ebendieselbe seelische Haltung. Ratlos sah ich die Pförtnerin an, die nur ihre Muttersprache ver- stand. Aber schon hatte mich die Angelsächsin an das Ziel unseres Eilmarsches befördert. Es ist mit einemmal sehr still. Ich bin in einer Art von Ka- pelle. Sie ist klein und naturverbunden. Nebenan ist ein Garten. Eine weiße Shakespearebüste, laubüberdacht- Sein allesdurch- dringender Blick steht mich an. Eine Weide hängt tief. Ich habe begriffen, ohne daß wer mir das sagte: Romeo und Julia   liegen hier in einem Grab zusammen. In diesem Augenblick ist mein Weltbild ein anderes. Ich denke an den mir liebsten Menschen es ist nicht das italienische Mädchen im Rymphengarten, mein Herz ist in Deutschland  . Oder ist es unten, da unten, verwandelt in Romeos Herz am Herzen Giuliettas, meiner deutschen   Giulietta? Träumt e» von der Ewig» fest einer Umschlingung, vom endlosen Traum und sei'» auch der Traum des Vergehens? Dies Stück Erde  ... und feine Illusion, daß es das mächtigste Symbol der Liebe, der Liebestreue, berge... Zwiespältig, weiß ich nicht mehr, wessen Anwesenheit es ist, die mich hier so ergreifend umgibt. Ist e» das Grab? Das Monument? Di» Literatur? Die Literaturl Da« Wort ist mir heilig in diesem Augenblick. Ich gehe wieder zu Shakespeare   hinüber. Nein, es ist nicht die Erde, es find nicht die zerfallenden Gebeine, die sich einmal umschlungen hielten das ist es nicht, was mich ergreift. Es ist das Gefühl, als ob ihre Umarmung, ihre Treue ins Ewige eingekettet, eingeschmiedet, eingeschrieben sei... durch ihren Dichter. Aber da werde ich heftig am Aermel geschüttelt. Ich erwache zur anderen Wirklichkeit, und meine für einen Augenblick, es wäre die Pförtnerin, die mich an den Eintrittspreis mahnen will. Nein, die Dame zu meiner Rechten ist's, sie hält mir schweigend chre Be- suchskarte unter die Nase, und mm legt sie bewegt und still dies Kärtchen auf das Grabmal nieder zu einigen Tausenden anderer Kärtchen, zu einer verwelkenden Blume, deren Bringerin statt zur Mutter Gottes hierher gswollfahrtet kam. Ueberall liegen die Karten, die Namen, herum englische, deutsche, italienische, fron- zöstsche, polnische, nordische, spanische. Die ganze Menschheit hat sich hier wie in einem Erdmittelpunkt getroffen, in einem Gefühl, in dem alle einig sind oder es zu fein glauben. Die Geschichte ist hier ober noch nicht zu Ende, leider. Auf die angelsäsische Dame hatten diese Minuten eine für mich entsetzliche Wirkung. Ihr einsame» Herz fühlte sich zum Herzen hingezogen, und da sie die Pförtnerin mit Entreepreis und mancia hinaus- geschickt hatte, war mein Herz in der Tat da? ihr nächste und das einzige in der Runde. Sich für die Dauer auf ein Symbol zu konzentrieren, scheint nur künstlerischen Naturen, aber nicht solchen Damen gegeben zu sein. Nun was soll ich Ihnen sagen sie kam mir mtt ihrem Herzen   das heißt mit der fleischlichen Um- kleidung desselben so nahe, daß ich, entweder aus Mitgefühl oder aus Angst vor den Augen Shakespeares, rasch hinausging, auf den weiten Plan, in die andere Well, wo es eine Anlage von Ställen und ein« Gymnafttihalle gab... Geldkreislauf. Faschismus und Liebe Liebe, die jener großen, ewigen Shakespeares auf Grund eines Mißverständnisse» zu gleichen glaubt, SDeulldte SosfaHffen Wilhelm Liebknecht  (1S26 1900). Die Zeit der Verschwörungen, der Putsche, der Straßenschlachten ist vorbei. Andere Zeiten andere Formen des Kampfes. Das ganze Stteiten um die Taktik ist ein Streit um des Kaisers Bart. Die Frage der Taktik ist keine Prin- zipienfrage, keine theoretische Frage es ist eine Frage der Praxis. Das Ziel und der Zweck gegeben ist die Praxis nur eine Frage der Mittel, die durch Prüfung der Verhältnisse und Be- rechnung der Machtfaktoren gelöst wird. Mit der politischen Taktik ist es wie mit der militärischen. Alexander der Große   kam nicht aus mtt der thebanischen Schlachtordnung: den Römern genügte nicht die Phalanx der Mazedonier: das Mittelalter schuf sich seine eigene Taktik: die neuere Kriegsgeschichte bringt fast für jeden Krieg eine neue Taktik. Und der nächste Krieg, falls die Vernunft der Menschen oder die Logik der Tatsachen noch einen Krieg im großen Stll zuläßt, wird sich eine neue Takt'k zu schaffen haben, ent- sprechend der Revolutionierung der Walsen und sonstigen Zer- störungs- und Mordmaschinen durch die moderne Technik. Die politische Taktik früherer Zeiten genügt nicht mehr für die Gegenwart. Wie aus dem militärischen Schlachtfeld hat der Einzelkampf, Hot das Handgemenge Mann gegen Mann aufgehört. Es kann noch vorkommen, aber nicht als Taktik, sondern als Epi- szde, als Zwischenfall Wie auf dem militärischen Schlachtfelde sind es die Massen, die ihre Kraft zu entfalten, den Ausschlag zu geben haben. Der politische Kamps ist wesentlich ein Klassen- kämpf ein Kampf der Arbeiterklasse gegen die in verschiedene Parteigruppen zerklüftete Klaste der Besitzenden, in deren Händen die Machtmittel der kapitalistischen   Gesellschaft sind. Gegen diese riesigen Mochtmtttel kann nur die Wucht organisierter Masten auf- kommen. Der Klastenkampf muß als Massenkamps geführt werden. Organisierte Massen ins Feld zu bringen, das ist unsere nächste Aufgabe. Und so läuft diese unsere politische Tätigkeit der Tätigkeit des Militarismus parallel, der ebenfalls die Mafien für sich zu organisieren sucht freilich zu entgegengesetzten Zielen: die Sozialdemokratie im Dienste der Zivilisation, der Mili- tarismus im Dienste der Barbarei, SleMro-Mmlilk Oskar Pierlings neue Wufiklnflrumente/ Von Vlargol epfteln Nicht um Musikinstrumente mitelektrischem Antrieb", um so­genannte elektromechanische Musikinstrumente handelt es sich bei der bereits patentierten Erfindung von Oskar Vierling  , sondern um eine Tonelekttisizierung zum Zwecke der Klangveredlung und Klangverbesserung, Der junge Akustikforscher ging von dem Eedattken aus, daß ! man versuchen müsse, aus den Ton vor dem Erklingen einzuwirken, j Denn der mechanisch schwinge-rde Ton ist sowie er hörbar im Räume steht unbeeinflutzbar und alle heutigen physikalischen Er- kenndusse nützen dann nichts mehr. Vierling schattete darum den natürlichen Resonanzboden an Tasten- und Streichinstrumenten üblicher Konstruktion aus, so daß der Ton direkt unhörbar wurde. Die Schwingungen der Saiten fangen Magneten   auf und ver- wandeln sie in elektrische Schwingungen, Dieseelekttisizierte" Musik wird immer noch ohne hörbar geworden zu sein in ein nach seinen Forschungen konstruiertesTonwandlungs- laboratorium" geleitet, in dem elektrische Spulen und Kondensatoren auf den Klang einwirken, bevor er dann schließlich aus dem Laut» sprecher erklingt. Die Spielart ttp elektrifizierten Klaviers der elektrifizierten Geige bleibt unverändert, nur hat der Spieler noch Pedale zur Regulierung der elektrischen Hilfsmittel zu bedienen. Das Neuartige der Vierlingschen Methode ist«» also, daß der mechanisch erzeugte Ton unserer gebräuchlichen Musikinstrumente durch seine Erfindung vor dem Erklingen elekttifiziert wird und da- durch alle Emwirtungsmöglichkeiten, die der heutige Stand physi- kau-sch-akustrschsr Erkenntnis bittet, praktisch anwendbar werden. Oskar Lierlings Verfahren stellt die Elektrizität in den Dienst der Musik, indem es dem Instrumentenbau neue Wege erschließt und Musikern ohne technische Umschulung beim Spiel chrer altge- wohnten Instrumente wesentlich verbesserte und erweiterte Wir- kungsmöglichkeiten erschließt. Da Vierling u. a auch Klaviere alz   Tonquells benutzt, ist da- mit zugleich die Konsttuktton des ersten mehrstimmigen elektrischen Musikinstruments gelungen. Die früheren elektrischen Musik- instrumenteThereminovox" des russischen Profestors T h e r e m i n, das elektrisch« Tasteninstrument von Jörg Mager  , dasTrautonium", das T r a u t w e i n in der Rundfunk- versuchstelle der staatlichen Hochschule für Musik erbaute sie alle waren einstimmig. Fast gleichzeitig mit Vierling hat Professor Nernst   ein elektrisches Klavier, denNeo-Bechstein", konstruiert, der auf dem gleichen Prinzip beruht. Oskar Vierling   hat seine Instrumente im Heinrich-Hertz- Institut   fertiggestellt. Sie wurden erstmalig auf der Münchener  Rundfunktagung 1931 öffentlich vorgeführt. Ihre besondere Be- deutung für den Rundfunk besteht darin, daß sie ohne Mikrophon ächerwellenüberttagbar sind und der von Vierling nach seiner Methode konstruierte Lautsprecher für Rundfunksendungen jeder Art vervollkommnete Abhörmöglichkeiten bietet. Auch für Tonfilmaufführungen ist sein« Apparatur verwendbar und hat bei Probevorführungen in einem Kino alle Anwesenden durch die erstaunliche Verbesserung de» Klanges ge- radezu verblüfft. Von der Wirkung für Grammophonmusik kann ich mich in Vierling? Versuchsraum im Heinrich-Hertz-In- stitut selbst überzeugen: die gespielte Platte vom Meistersinger- Vorspiel klingt täuschend wie Originalorchesterspiel unerhört plastisch heben sich oll« Instrumentengruppen mit arteigenem Klang gegeneinander ab die Musik hat zudem einen sehr reizvollen, eigenartig entmaterialisierten Klang die Lautstärke ist vom zqr- testen Pianissimo bi» zum stärksten Fortisstmo variabel, ohne daß etwas von der Tonschönheit und Tonklarheit verloren geht. Da- durch ist dieser Lautsprecher für Musik auf Vierlingschen Instru- menten, für Rundfunksendungen, für Schallplatten, für Tonfilme sowohl im kleinen, wie in größten Räumen und im Freien geeignet. Das Dierlingsche Versuchstafteninslrument war ein kleines, an sich ziemlich wertloses Picuuno. Wenn man aber darauf spielt, so scheint die Musik, die au» dem Lautsprecher ertönt, von einem ganz besonder» wertvollen, tonschönen Flügel herzukommen. Di« Laut- stärke ist hier beliebig wandelbar, so daß der Pianist zum Beispiel al» Orchestersolist ohne jeden Kraftauswand an lauten Stellen das Tutti übertönen kann. Als Begleiter ohne besondere Borsicht»- maßregeln klanglich zurücktreten kann, also seine Bemühungen auf differenziertere Dortragsnüancen zu konzentrieren in der Lage ist. Alle individuellen Besonderheiten de» Anschlag, kommen un- gehindert durch. Auch die Eigentümlichkeiten des benutzten Instru- mente» bleiben erhalten, so daß also eine nach Vierling» Artelek» 1 trisizierter" Bechstein- Blüthner- Steinway- Flügel untereinander weiter durchaus verschieden klingen würden. Bei der Verwendung solcher, schon vop Natur aus klangschöner Instrumente ergeben sich natürlich noch wesentlicher verbesserte Klangwirkungen, als auf solch kleinem Versuchspianino. Da nicht nur Klangstärke und Klangfarbe durch Pedal« variabel, sondern auch die Nachhallzetten beliebig wandelbar sind, ist der Kardinalfehler de» Klaviers das unbeeinflußbare Verklingen des einmal angeschlagenen Tones behoben. Der Pianist kann ohne besondere Anschlazskünste gehaltene Akkorde, getragene Cantablle- stellen in bisher unerreichbarer Klangschönhett zum Dortrag bringen. Diese Wandelbarkett der Nachhallzeiten und der Klangfarben ermöglicht es aber ckuch, das Vierlingsche elektrifizierte Klavier durch llmschsUungen scheinbar in ein Harmonium und in eine O r< g el zu verwandeln. Es hat etwas geradezu Märchenhaftes, aus dem Lautsprecher die Klangwellen einer Rissenorgel naturähnlichst zu vernehmen, wenn man auf dem kleinen Piano spielt. Weitere Umschaltungen bewirken, daß plötzlich Streich- und Blas instrumente zu erklingen scheinen, wenn man die Tasten herunterdrückt. Man könnte ein ganzes Orchester aus solchen Tasteninstrumenten zusammenstellen. Vierling denkt vor allem daran, daß die Einbeziehung eines oder mehrerer derartiger klang- farben-oariabler Klaviere in den Orchsstersatz den Komponisten der Zukunft neuartige Instrumentierungsmöglichkei» t e n bistet, Auch eine Violine zeigt mir Vierling, die mindestens so un- scheinbar ausschaut, wie das Pianino. Ein billiges Derfuchsinstru- ment ober wenn man seinen Ton nach Durchgang durch Vier» lings elektrischen Kasten aus dem Lautsprecher vernimmt, glaubt man die edelste alte Geige zu hören. Hinzu kommt noch das eigen- tümlich vergeistigte Timbre dieserelektrischen" Musik. Und da auch bei Streichinstrumenten der Tonstärkengrad beliebig wandelbar ist, könnte in einem Orchester, das Vierlingsche Streichinstrumente spielt, die Besetzungsstärke wesentlich reduziert werden, wodurch er- höhte Präzision und Elastizität im Zusammenspiel erreichbar wäre. Da Blasinstrumente auch ohne elektrische Beimischung intensiveren und schlackenloseren Klang haben, hat sich Dierlmg mit ihrer Elektrifizierung nicht befaßt. Man könnte ruhig gewöhnliche Blas- instrumente neben elektrischen Stteichinstrumenten spielen. Da sedes Stteichinstrument auf Vierlings Art bearbeitet wer- den kann, könnt« jeder Violinist sein altgewohntes Instrument ohne Veränderung seiner Spielart weiter benutzen und nur durch Be- dienung einiger Pedale derartig verbesierten Klang erzielen. Ins- besondere die tiefen Frequenzen der Baßgeige wären dann viel klangvoller. Es geht Vierling nicht um sensationelles Aufseben, das er leicht mtt seinem so verblüffend variablen elektrischen Wunderinsttument hervorrufen könnte, sondern der junge aus Bayern   gebürtige Erfinder arbeitet mit sachlichstem Ernst lediglich auf Klangverbesse- rungs- und Deredelungsmöglichkeiten im Dienste der Musik hin. Als Kirchenchorfängerknabe von klein auf mit Musik vertraut, wurde er durch seinen bastelfreudigen Dater schon früh auch zur Be- schäftigung mit technischen Dingen angeregt. Später kam er zu- nächst zu einem Schlosser in die Lehre besuchte dann das Tech- nikum und schließlich die Universität Mit den Erfahrungen, die bei den Versuchen mit dem kleinen Pianino gewonnen wurden, hat Vierling im Lauf dieses Jahres einen neuen Flügel gebaut, der die beschriebenen musikalischen Möglichkeiten bietet und bereits als konzertfähige» Instrument aus­gebaut ist. Dieses Vierlingsche Instrument wird auf der diesjährigen Großen Berliner Funkausstellung im Rahmen einer Schau des Heinrich-Hertz-Institutss zu sehen und zu hören sein, und voraus- sichtlich in der kommenden Konzertfoison in Berlin   und auswärts vorgeführt werden. Nach Vierling» Verfahren lassen sich nicht nur elekttische Spezialinstrumente herstellen, sondern man kann auch normale Musikinstrumente in einzelnen, verbesierungsbedürfttgen Lagen elekttifizieren", Do hat er z. B. bei guten Flügeln, deren Di»kant- wn nicht tragfähig genug war. durch einen elektrischen Einbau diesen schwachen Ton verlängert und verstärkt, so daß nun über den ganzen Tonbereich de» Instrumentes ein gleichmäßiger, voller Klang erreicht wurde, ohne daß durch die teilweise elektrische Bei- Mischung hörbare Unterschiede entstanden sind. Solche Klaviere sind besonders geeignet für Zusammenspiel mit Orchester, Schall- platten- und Rundfunkmttwirkungen.