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Beilage Dienstag, 26. Juli 1932

Der Abend

Spalausgabe des Vorwards

I. P. Mayer:

Bolschewismus

und Katholizismus

Die meisten wissenschaftlichen Darstellungen des Bolschewismus gehen von einer einseitigen Problemstellung aus: sie untersuchen den wirtschaftlichen Aufbau Sowjetrußlands, das mutmaßliche Ge­lingen oder Nichtgelingen des Fünfjahresplanes oder sie beschränken sich auf die Darstellung der agrarwirtschaftlichen Probleme, die mit dem russischen Wirtschaftsaufbau verbunden sind usw. Eine wirklich umfassende, wenn auch nicht erschöpfende Gesamtdarstellung von Theorie und gesellschaftlicher Wirklichkeit des Bolschewismus hat erst jetzt der katholische Soziologe Waldemar Gurian   veröffent­licht.( Der Bolschewismus. Einführung in Geschichte und Lehre. Verlag Herder u. Co., Freiburg  .) Wer eine religiöse und im Predigerton vorgetragene Auseinandersetzung in diesem Buch vermutet, verkennt den Scharfsinn und die souveräne Material: beherrschung eines modernen katholischen Gelehrten.

Gurian   geht von einer durchaus universalgeschichtlichen Frage­stellung an sein Problem heran( universalgeschichtlich in dem Sinne, wie Max Weber   seine religionssoziologischen Studien angelegt hat). Ein Sech stel der Erdoberfläche wird von 160 Mil­lionen Menschen bewohnt, die der neuen bolschewistischen Heils­lehre" unterworfen sind; diese Heilslehre" hat schon durch ihren gewaltigen Wirkungsradius, der sich ja bekanntlich durchaus nicht auf Sowjetrußland beschränkt, weltgeschichtliche Bedeutung. Für den katholischen Soziologen wird der Bolschewismus dann noch be­sonders durch seine programmatische Feindschaft gegen die katholische Kirche   ein Gegner, dessen Waffen man studieren muß. Auch für uns Sozialisten wird diese Auseinandersetzung zwischen Katholizis­mus und Bolschewismus bedeutsam, weil Gurian   der angeblich prinzipiellen Unvereinbarkeit des Marxismus mit dem Jenseits­glauben der katholischen Kirche   den größten Nachdruck verleiht. Es erhebt sich also vor allem die Frage, ob die westeuropäische Auffassung des Marrismus von Gurians Kritik am Bolsche­wismus getroffen wird.

Im Mittelpunkt dieser Auseinandersetzung steht eine Charakte­ristik der bolschewistischen Lehre vom Menschen, die scharf Wirklich keit und Theorie gegeneinander abgrenzt. Der Glaube an die sozialistische, sich selbst genügende Gesellschaft als das Ziel der Menschengeschichte ist der Ausdruck dieser( bolschewistischen) Auf­fassung vom Wesen des Menschen. Die gesellschaftlich- wirtschaftliche Tätigkeit ist für den Menschen entscheidend. Sie vermag ihn voll und ganz zu befriedigen, da der Sinn des menschlichen Lebens ganz in ihr beschlossen ist." Die gute Organisation dieses gesellschaftlich­wirtschaftlichen Lebens löse alle Fragen des Menschenschicksals, sie mache aller menschlichen Not ein Ende, sie verwirkliche die For­derungen der Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit. Gewiß sei der bolschewistische Diesseitsmensch ein soziales Wesen; ,, aber er ist nicht der ganze Mensch, sondern ein Mensch, dessen Wesen gleichsam verstümmelt, entscheidender Teile beraubt ist Alles Streben des Menschen wird nach diesem Krüppelmesen be= messen, d. h. die wirtschaftliche und gesellschaftliche Tätigkeit be­stimmen die Entwicklung aller Tugenden, des geistigen Lebens usw." Gurian   glaubt, mit diesen,.m. E. den bolfchemistischen Menschen im Kern treffenden Bemerkungen auch den Margismus zu fri tifieren". Die folgende Textstelle möge dies ausdrücklich belegen: ,, Der Marrismus und damit(!) der Bolschewismus sprechen die geheime, verborgene Weltanschauung der bürgerlichen Gesellschaft offen aus, wenn sie die Gesellschaft und die wirtschaftliche Tätigkeit als das Absolute ansehen. Zugleich bewahren sie auch noch ihren ethischen Charakter, wenn sie das Absolute, die wirtschaftende Gesell­schaft, so zu ordnen suchen, daß Gerechtigkeit, Gleichheit und Frei­heit, die ursprünglichen Forderungen des aufsteigenden Bürger­tums, für alle möglich werden."

Die Ineinssezung, die Gurian   zwischen Margismus und Bol­schemismus vornimmt, ist keineswegs berechtigt. Marg hat diese Auffassung des Sozialismus ausdrücklich als privaten Kommunis mus abgelehnt, der Persönlichkeit, Bildung und Zivilisation ver­nichtet und die gesellschaftliche Entwicklung auf einen Zustand zurückschraubt, der nichts anderes bedeutet als die Rückkehr zur unnatürlichen Einfachheit des armen und bedürfnislosen Menschen, der nicht über das Privateigentum hinaus, sondern noch einmal bei demselben angelangt ist".( Vgl. Karl Marg, Der historische Materialismus, Bd. I S. 293.) Also gerade der echte und unverfälschte Marrismus stellt dem terroristischen Bolschewis­mus ,, menschliche Rücksichten" entgegen, als deren Trägerin Gurian  allein die Kirche anzusprechen geneigt scheint.

Gurian   versucht die Notwendigkeit der Kirche soziologisch zu be= gründen. Man möchte diesen Versuch fast als einen soziologi­schen Gottesbeweis bezeichnen. Ich kann aber nicht ein­sehen, weshalb dieser Gottesbeweis stichhaltiger wäre als die anderen, die uns in der Geschichte der europäischen   Theologie und Philosophie überliefert sind. Gewiß besitzt der Mensch ,, Traditionen und Leidenschaften, die keine gesellschaftliche Aenderung aufheben tann... Er ist ein Mensch, auf den stets ein gewisser Zwang aus­geübt werden muß, weil er sonst gerade zu einem menschlichen sozialen Berhalten nicht zu gewinnen wäre. Der wirkliche Mensch fann nie Träger einer sich selbst genügenden Gesellschaft sein; wenn er diese sich selbst genügende Gesellschaft schaffen will, so wird er zum Tyrannen". Der sich selbst genügenden Gesellschaft stellt Gurian  eine Gesellschaft gegenüber, in der die innere Führung der Menschen an die Kirche übergeht. Daß aber eine sich selbst ge­nügende Gesellschaft prinzipiell unmöglich sein soll, fann aus der bols chemistischen Wirklichkeit nicht ausreichend begründet werden.

Der Diesseitigkeitscharakter des Marxismus deckt sich keines­wegs, wie gezeigt worden ist, mit der bolschewistischen Auffassung vom Menschen. Jedoch auch in der bolschewistischen Wirklich teit macht sich neuerdings eine Tendenz bemerkbar( ich stütze mich hier auf das ausgezeichnete Buch von Klaus Mehnert   über ,, Die Jugend im Sowjetrußland"), die sich entschieden gegen die seelische Berarmung und Normalisierung des Menschen wendet. Die ursprünglich lage und experimentierende Gestaltung der erotischen Beziehungen ist von einer strengen und nicht zu leugnenden ethi- schen Auffassung abgelöst worden, die in den von Mehnert mitgeteilten Richtlinien für die Errichtung von Jugendfommunen folgendermaßen formuliert wird: Die Kommune hält vorüber­gehende geschlechtliche Bindungen für vollkommen unzulässig. Als Die einzig richtige Entscheidung der Geschlechtsfrage gilt ihr die dauernde und feste, auf Liebe begründete Ehe. Eine solche Ehe kann nur das Ergebnis einer gegenseitigen Freundschaft, seelischer Nähe

Der,., Wohlfahrtsstaat"

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Stimmungsbild aus einem Berliner   Arbeitsamt

Man schreibt uns:

Die Notverordnung Papens  , die beträchtliche Erspar­niffe auf Kosten der Arbeitslosen- und Krisenunterstützungsempfänger Dorsieht, bringt für die Arbeitsämter eine gewaltige Mehr­belastung an Arbeit. Die Leidtragenden sind die Arbeitslosen. War schon früher der Aufenthalt vor den Zahlstellen, das Schlange­stehen", um die paar Mark Wochenunterstützung abzuheben, nicht angenehm, so sind die Verhältnisse jetzt katastrophal geworden. War früher eine Wartezeit von% 4 bis 1 Stunde das Gegebene, so kann man sich jetzt auf 2 bis 4 Stunden gefaßt machen. Die Zahlstelle des Arbeitsamtes Pankow   ist ein großer und reichlich mit Fenstern versehener Raum. Aber wenn 600 bis 700 Frauen zu gleicher Zeit dort eingepfercht sind, so eng, daß es unmöglich ist, den Arm zu heben und man drei Stunden warten muß, so ist der Aufenthalt unerträglich.

Ich kam gegen ½21 Uhr zur Zahlstelle. Als ich den Raum betrat, schlug mir eine betäubende Luft entgegen. Die ,, Schlange" reichte bis nahe an die Tür. Das kann heute bis 3 Uhr dauern", sagt eine Frau, die einen vierjährigen Jungen an der Hand führt, der nicht zu bewegen ist, die Mutter zu verlassen. Eine andere Frau hat ihr zweijähriges Kind im Kinderwagen mitgebracht, den sie nahe der Tür stehen läßt. Ich stehe kaum ein paar Minuten, als gellendes Schreien ertönt. Schon wieder eine ohnmächtig", sagt eine Frau ein paar Reihen vor mir. Eine bleiche Frau wird von zwei Männern fortgetragen. Die Sanitäter haben alle Hände voll zu tun. Alle paar Minuten wird eine ohnmächtige Frau in den Sanitätsraum getragen, ganz abgesehen von denen, die noch die Kraft haben, sich selbst den Weg aus dem Gedränge zu bahnen und freideblaß auf eine Bank sinken oder sich an eine Säule lehnen. Ich kann das nicht mehr sehen", sagt eine Frau neben mir ,,, mir wird schon jetzt schlecht." Eine halbe Stunde später trug

man auch sie fort.

Ein ohrenbetäubender Lärm herrscht im Saal. Das empörte Reden der Frauen, die Stimmen der Beamten, die die Namen auf­rufen, das Schreien der Kinder, die nach ihren Müttern verlangen; hier flirrt eine Fensterscheibe, dort fliegt eine Tür zu; dazwischen

Anna Blos  :

die gellenden Schreie, wenn wieder eine Frau ohnmächtig wird oder gar Schreifrämpfe und Wutanfälle bekommt; dann wieder wie im Chor, der Ruf: Fenster auf, Fenster auf, wir ersticken."

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Inzwischen bahnen sich wieder zwei Sanitäter mit einer ohn= mächtigen Frau den Weg durch unsere Reihe. Wenn wir nur alle ohnmächtig würden", meint meine Nachbarin; ,, vielleicht befämen sie dann Mitleid und Einsehen."

,, Wie kommt es nur, daß es heute so voll ist?" wundert sich eine Frau. Jetzt sehen wir erst, daß nur zwei, statt wie sonst vier Zahl­stellen in Betrieb sind. Vermutlich werden die übrigen Angestellten Jeder Krisenunterstützungs­für die Umorganisierung gebraucht. empfänger muß einen neuen Antrag stellen, der wieder neu bearbeitet werden muß und als Unterlage für die Bedürftigkeitsprüfung dient, eine ungeheure Mehrbelastung für das Personal! Deshalb müssen wir solange stehen.

Um 1 Uhr ist eigentlich Schalterschluß. Jetzt haben wir 2 Uhr, und es ist noch kein Gedanke daran, abgefertigt zu werden.

,, Ich habe keinen Pfennig mehr im Hause", sagt meine Nach­barin ,,, und die Kinder haben Hunger. Ich kann nicht mehr stehen; aber wenn ich jetzt weggehe, dann bekomme ich kein Geld..." främpfe. Sie sind alle geschwächt, diese Frauen, gesundheitlich nicht mehr auf der Höhe. Monatelange Arbeitslosigkeit untergräbt auch die stärkste Gesundheit. Wie wird's erst auf der ,, Wohlfahrt" aus­sehen, wo die noch Aermeren sind? Und wie bitter wird die Stim­mung erst sein, wenn die neuen, stark gekürzten Sätze zum ersten Male zur Auszahlung gelangen?

Die Frau vor mir schluchzt laut auf, bekommt nervöse Schrei­

Aber macht euch flar, ihr Arbeitslosen, wer daran schuld ist! Nicht der kleine Kassierer dort vorn, der sich mit Mühe aufrecht halten kann, gehetzt, gejagt, seit heute früh, ohne einen Bissen essen zu können. Auch nicht der Vorsitzende des Amtes. Auch nicht die Franzosen oder die Juden, wie die Nazis uns gern einreden möchten. Wir sind alle Opfer des Kapitalismus und seiner Krise und Opfer der unsozialen Notverordnung. Denkt gut dar= über nach, und zieht bei der Wahl am 31. Juli eure Konsequenz.

Vorkämpferinnen

Minna Cauer   und Else Lüders  

und Wahrheit. Menschen vergehen; Ideen währen ewig." So stand Minna Cauer   auch dem Sozialismus sehr nahe. Sie glaubte an die Macht der Masse, doch nur einer erzogenen Masse, und sah es als Aufgabe unferer Zeit an, die Masse zu erziehen. Es war eine ihrer größten Freuden, daß bei Kriegsausbruch die bürgerlichen und die sozialdemokratischen Frauen zusammengingen.

Der zehnte Todestag von Minna Cauer  ( 3. August) und| oder jener Menschen willen, sondern im Namen der Gerechtigkeit der 60. Geburtstag von Else Lüders  ( 27. Juli) lenken erneut unsere Aufmerksamkeit auf zwei verdienstvolle Vorfämpferinnen der Frauenbewegung, die zeitlebens durch treue Freundschaft mit einander verbunden gewesen sind. Wer den Eindruck der starken Persönlichkeit Minna Cauers nicht mehr erlebt hat, dem wird sie lebendig durch die Biographie, die Else Lüders   im Leopold- Kloz Berlag, Gotha  , als ihre berufenste Schülerin über sie veröffentlicht hat. Man möchte dieses Buch, zusammengestellt aus Tagebuch blättern, Briefen und persönlichen Erinnerungen, in die Hände der jungen Generation legen, denn ein mitreißendes Vorbild ist diese einzigartige Persönlichkeit in all ihrer Lieblichkeit, ihrer Größe und ihrer Tragit", wie Else Lüders   Minna Cauer   nennt.

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Das Leben Minna Cauers verkörpert zugleich das tiefste Glück und das tiefste Leid, das Irdischen zuteil wird. Immer hat sie zu denen gehört, die vorwärts wollen im Leben. Immer hat ihr Herz heiß geschlagen für die, die verfolgt und verkannt wurden. Und es erscheint mir besonders bedeutungsvoll, daß in dieser Zeit, in der die Frauenbewegung so oft verhöhnt wird als eine Art Rettungsanter für alte Jungfern, hingewiesen werden darf auf diese Führerin, die glückliche Gattin und Mutter war und als solche alle Höhen und Tiefen des Schicksals des Weibes erleben durfte. Lernen und Lehren halfen ihr, den Verlust um ihr verlorenes Glück zu überwinden. Eigenes Erleben( es wurde ihr gesagt:, Witwen haben sich zu fügen; nach dem Tode des Mannes gelten sie als Null.") führte die zunächst Kinderlose, später zum zweiten Male Witwe Gewordene zur Frauenbewegung. Der Kampf war schwer in jener Zeit. Wir enden tragisch und leiden ein Martyrium, wenn wir die Zukunft zu früh in die Gegenwart hineintragen wollen," schrieb sie einst prophetisch. Wie faum eine Frau war Minna Cauer   Vorfämpferin neuer Gedanken. Sie ersehnte für ihr Volk eine demokratische Ver­fassung und eine freiheitlich- fortschrittliche Entwicklung, denn nur unter diesen Bedingungen erschien ihr die erstrebte Gleichberechti­gung der Frau erreichbar. Immer stand sie auf dem radikalen Flügel der Frauenbewegung. Das brachte es mit sich, daß die Zahl ihrer Anhänger flein war, daß sie viele Feinde hatte. Schon damals beschäftigte sie sich mit der Frage: Wie kann der Bund Deutscher Frauenvereine   eingreifen, um der Besserung der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Lage der deutschen Frauenwelt gerecht zu werden?" Die gleiche Frage beschäftigt ja auch heute die jüngere Generation sehr start. Immer bekannte Minna Cauer  : Ich arbeite weder für die noch nicht reife Frau, noch um den Männern zu gefallen, auch nicht, um die öffentliche Meinung zu schonen. Ich arbeite für eine Idee, für eine neue Weltanschauung, nicht um dieser

und Gemeinsamkeit der Interessen des Mädchens und des jungen Mannes sein. Eine Ehe ohne Liebe, auf Grund gegenseitiger Ge­fälligkeiten und leichtsinniger Geschlechtszufallsbeziehungen, die ver­schiedene häßliche Erscheinungen zeitigen müssen, bekämpft die Kom­mune auf das schärfste." Wenn diese Erklärung der Behauptung des russischen Cherechts widerspricht, die dahin geht, daß es auf die Treue der Gatten nicht ankomme, weil das Zusammenleben der Geschlechter fein Besigverhältnis begründe, so wird doch immerhin die Richtung auf eine Verinnerlichung und Normierung des Gemeinschaftslebens ersichtlich.

Auch auf anderen Gebieten des seelischen Lebens zeigt sich diese Tendenz zur Berinnerlichung. In dem bekannten Tagebuch des Studenten Kostja Rjabzem wird eine bezeichnende Si tuation wiedergegeben. Der Vater Kostjas liegt im Sterben. Ein Freund, den Kostja nach seiner Meinung über den Tod befragt, antwortet: Was soll man viel davon halten? Erstens hoffe ich überhaupt nicht zu sterben, es wird schon irgendeine Erfindung da­

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Minna Cauer   erlebte die Verwirklichung des Frauenstimmrechts. Es brachte ihr manche Freude, doch auch in der politischen Stellungnahme der Frauen manche Enttäuschung. Oft erlebt man es ja, daß die Saat, die man ausstreut, andere Früchte trägt als die erhofften. Minna Cauer   gehörte zu den Menschen, die leidend und unterliegend die Menschheit vorwärts führen".

Ihre Biographin Else Lüders   sammelt den Kreis derer um sich, die das Andenken Minna Cauers in Ehren halten. Sie gehört zu den bedeutendsten und liebenswürdigsten Erscheinungen der heutigen deutschen Frauenwelt. Nachdem sie von 1906 bis 1919 in dem von dem Führer der Sozialreform, Professor Dr. Ernst France, geleiteten gemeinnüßigen Büro für Sozialpolitik tätig gewesen war, wurde sie am 1. Januar 1920 in das Reichsarbeitsministerium berufen. Hier bearbeitet sie als Oberregierungsrat hauptsächlich die sozialpolitischen Fragen der Arbeiterinnen und weiblichen Ange­stellten und wirkt für den erhöhten Schutz der erwerbstätigen Jugendlichen, für Mutterschuh, für den Schutz der Heimarbeiter u. a. Daneben hat sie als Freundin und Mitarbeiterin Minna Cauers eine starte Vortragstätigkeit und eine reiche literarische Tätigkeit ent­faltet, sowohl für die von Minna Cauer   geleitete Zeitschrift ,, Die Frauenbewegung" wie für die von Ernst France herausgegebene Zeitschrift ,, Soziale Pragis". Sie plant noch die Herausgabe eines Ergänzungsbandes Minna Cauer   in Briefen an ihre Freunde". Wie tief und dankbar Minna Cauer   die verehrungsvolle Freund­schaft von Else Lüders   empfunden hat, geht aus den Worten hervor, die sie bereits 1899 an ihre so viel jüngere Freundin schrieb: ,, Daß Sie meine treue Mitarbeiterin geworden sind, ist für mich ein Schatz, den ich sehr hoch einzuschäßen weiß, höher, als Sie ahnen."

In Liebe und Treue, rein und leuchtend hat Else Lüders   das Bild ihrer mütterlichen Freundin gestaltet. Sie hat im Sinne Minna Cauers weitergestrebt und gearbeitet für die, die auf der Schattenseite des Lebens stehen. So sind die Namen dieser beiden Frauen untrennbar verbunden mit der Frauenbewegung aller Richtungen, und wir wünschen Else Lüders   zu ihrem 60. Geburts­tage, daß sie noch lange die Möglichkeit habe, ihre eigene Lebens­arbeit durchzuführen und das Andenken Minna Cauers lebendig zu erhalten.

gegen geben. Sollte ich aber doch sterben, so sterbe ich eben." Kostja aber notiert sich in seinem Tagebuch: Es ist etwas ganz anderes, wenn jemand stirbt, der einem nahe steht, wie zum Beispiel mein Vater jetzt. Ich kann doch nicht an diesem Bett stehen und Ueberlegungen anstellen, daß das die Materie ist, die sich in ihre Bestandteile auflöst..."

Gurian   wird zugeben müssen, daß sogar im gesellschaftlichen Leben Sowjetrußlands der ganze und unverfümmerte Mensch gelegentlich zum Durchbruch gelangt. Aber es ist wichtig, daß auf die Gefahr der Absolutsegung von Technik und Wirtschaft in Sowjetrußland so eindrucksvoll hingewiesen worden ist.

Gurian   hat seine Kritik des Bolschewismus in einer sorgfältig fundierten Darstellung der geschichtlichen und gesellschaftlichen Vor­aussetzungen des heutigen Rußland veranfert, an die eine Geschichte der bolschemistischen Theorie und Praris anschließt. Jedes ernst­hafte Studium des Bolschewismus wird an dieser Arbeit nicht vor. übergehen können.