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BERLIN Montag

1. Auguſt 1932

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Der Abend

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Nr. 358

B 174

49. Jahrgang

SA.- Aufruhr in Königsberg

Hitlerbanden dringen in die Wohnungen von Republikanern und schießen.- Brandbomben Brandbomben auf Parteihäuser. auf Parteihäuser.- Gewaltakte der Enttäuschten im ganzen Reiche.

Königsberg , 1. August.( Eigenbericht.) Am Montagmorgen um 6.05 Uhr wurde auf das Verlagsgebäude der Königsberger ,, Volkszeitung", das Otto Braun - Haus, ein Bombenatten­tat verübt. Eine Anzahl von Nationalsozialisten kam an der Haupteingangstür des Otto- Braun­Hauses vorbei und warf etwasechs mit Benzin und Brandzündergefüllte Flaschen durch die mit Kupferblech beschlagene Tür. Sofort entstand ein Feuer, das das ganze Haus verqualmte und die Gefahr mit sich brachte, das ganze Verlags­gebäude in Brand zu sehen. Von den in dem Gebäude anwesenden Verlagsangestellten wurde der Brand gelöscht. Einer der Täter hatte Spritzer des bren­nenden Benzins auf seinen Anzug erhalten und lief hell brennend und unterstützt von seinen Spieß gesellen die Tragheimer Kirchenstraße entlang nach dem Tragheimer Kirchplatz, aller Wahrscheinlichkeit nach dem dort befindlichen Heim der National sozialisten . Der Anschlag ist sicher von langer Hand vorbereitet, denn das Attentat erfolgte nachdem die Hauswache das Gebäude kurz vorher ver­lassen hatte.

Um dieselbe Zeit wurde durch zwei etwa 40 bis 45 Jahre alte Männer der.

Chefredakteur der Königsberger Volkszeitung", Genosse Wyrgatsch, in feiner Wohnung überfallen und durch einen Schuß in den Oberschenkel ver: letzt. Die beiden Männer hatten an der Woh­nungstür geläutet. Die Frau unseres Genoffen hatte in der Meinung, daß der Milchmann da sei, die Tür geöffnet. Die beiden Männer drangen so­fort in die Wohnung ein und schossen in der Woh

nung auf den Genossen Wyrgatsch.

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Der neue Reichstag

Die Verteilung der Mandate

Nach den bis Montag, 11,45 Uhr, vormittag vorliegenden amtlichen Meldungen wird der neue Reichstag 607 Ab­geordnete umfassen. Diese Zahl verteilt sich wie folgt auf die einzelnen Parteien: NSDAP . 230, Sozialdemokraten 133, kommunisten 89, Zentrum 75, Deutschnationale 37, Bayerische Volkspartei 22, Deutsche Bolfspartei 7, Staatspartei 4, Christlich- sozialer Bolts­dienst 4, Deutsche Bauernpartei 2, Landbund( Württembergischer Bauern- und Weingärtnerbund) 2, Wirtschaftspartei 1, Deutsches Landvolk 1.

Bei der Berrechnung der Mandatszahlen ist hierbei von den Wahlabkommen ausgegangen worden, die zwischen den einzelnen Parteien hinsichtlich der Verrechnung ihrer Reſtſtimmen getroffen worden sind.

Bis zu dem Tage, an dem Herr von Hindenburg den Reichskanzler Brüning wegschickte, hatte Deutschland eine Regierung, die sich zur Not auf eine Reichstagsmehrheit tüzen fonnte. Mißtrauensanträge und Anträge auf Auf­hebung der Notverordnungen wurden regelmäßig abgelehnt. Niemand kann sagen, wie lange dieses Notsystem noch funk­tioniert hätte aber immerhin, es funktionierte.

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Dann begann das große Topfschlagen. Sein Ergebnis liegt in den Ziffern der gestrigen Reichstagswahl vor. Späte­stens Ende August muß der Reichstag zusammentreten. Ihm werden sofort Anträge vorliegen, der Reichsregierung von Papen das Mißtrauen auszusprechen und die von ihm erlassenen Notverordnungen aufzuheben.

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Was wird das Schicksal dieser Anträge sein? Abgelehnt Ein ähnliches Attentat wurde auf das Verlags: fönnen sie nur werden, wenn sich gegen sie eine Mehrheit gebäude der Hautungschen Zeitung verübt. Auch auf vom Zentrum bis zu den Nazis zusammen die Wohnung des kommunistischen Reichstagsabge: findet! Zentrum und Nazis müßten gemeinsam alle gegen ordneten Schütz wurde ein Ueberfall ausgeführt, bei die Regierung gerichteten Anträge ablehnen und damit der dem ein Mädchen verlegt wurde. Der kommunistische gesamten Innen- und Außenpolitik Papens Stadtverordnete Sauff wurde in seiner Woh einschließlich nung erschossen. In der Wohnung des vorausanne! nachträglich ihre Zustimmung erteilen. Ge­einigen Tagen in den Ruhestand versekten Regie- schieht das, so ist die Situation klar, und für das Weiter­rungspräsidenten von Bahrfeld wurde ein Ueber- regieren wie bisher ist eine verfassungsmäßige Grundlage fall verübt, bei dem von Bahrfeld einen Schuß gegeben. Aber wenn diese schwarzblaue Tolerierungsmehr­durch beide Arme erhielt. Der Verletzte gehörte heit nicht zustande kommt was dann? der Volkspartei an.

Der Polizeibericht.

Königsberg , 1. August. Wie die Pressestelle des Polizeipräsidiums in einer Mitteilung bestätigt, sind nach den bisherigen Feit stellungen außer auf den früheren Regierungspräsidenten von Bahrfeldt in der Nacht zum Montag noch Anschläge auf 2 Kommunistenführer und 2 SPD. - Führer verübt worden. Von Bahrfeldt wurde an einem Arm und beiden Händen verletzt. Wie auf ihn, so erfolgten die Ueberfälle auf die Sozialdemokraten und Kommunisten ebenfalls in den Wohnungen. Die Ueberfallenen lagen zum Teil noch in ihren Betten. Der Kommunist auff wurde im Bett durch zwei Kopfschüsse und einen Brust­schus sowie durch einen Stich in den Oberarm schwer verletzt. Der Kommunist Schütz wurde bei dem Anschlag auf ihn nicht getroffen. Dagegen wurde ein in seinem Hause wohnendes junges Mädchen durch zwei Knieschüsse verletzt. Der sozialdemokratische Chefredakteur Wyrgatsch erhielt zwei Oberschenkel schüsse, und der sozialdemokratische Lagerverwalter 3ir pins wurde durch einige Schüsse ebenfalls schwer verletzt. Brandbombenanschläge wurden auf das Otto Braun Haus, in dem sich die sozialdemokra▪ tische ,, Königsberger Volkszeitung" befindet und auf das

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Eine Regierung, die ein Mißtrauensvotum erhalten hat, muß zurücktreten. Eine auf Grund des Art. 48 erlassene Notverordnung muß aufgehoben werden, wenn der Reichstag es verlangt. Aber damit ist es noch nicht getan. Die zurück­getretene Regierung muß durch eine andere ersetzt werden, die das Vertrauen des Reichstags findet; an die Stelle auf­gehobener Verordnungen müssen andere Maßnahmen treten, die vom Reichstag sanktioniert werden. Andernfalls ist ein verfassungsmäßiges Regieren nicht mehr

möglich.

Es wäre interessant zu wissen, ob sich die politisierenden Kavaliere, die Deutschlands Schicksal in ihren Händen halten, diese Konsequenzen auch schon richtig überlegt haben!

Gegenüber einem Reichstag, der sich den Staatsaufgaben versagt, ist die sogenannte Präsidialregierung" die einzig tatsächlich übrig bleibende Möglichkeit. Eine solche Präsidialregierung darf aber dann nicht eine Partei= regierung sein, wie es die Regierung van Papen, trotz aller Ableugnungsversuche, in Wirklichkeit ist. Eine Fort­setzung des bisherigen Kurses würde von der Mehrheit des deutschen Volkes als ein Versuch empfunden werden, ihren Willen zu vergewaltigen. Eine Regierung, die über die Schandtaten von Nationalsozialisten den Schleier verstehen­der Liebe breitet, hat nicht das Recht, den kommunisten in der Weise entgegenzutreten, wie das in letzter Zeit ge­schieht. Ein solches Messen mit zweierlei Maß muß das Rechtsgefühl des Volkes aufs tiefste verlegen und über kurz oder lang eine völlige Zersegung des Staates herbeiführen. Neuerdings ist die Tatsache zu verzeichnen, daß sich selbst die Deutsch nationalen wegen moralischer und physischer Mißhandlungen, denen sie von seiten ihrer Bundes­genossen ausgesetzt sind, hilfesuchend an die Regierung wen­den. Den 37,3 Proz. deutscher Volksgenossen, die die Prügel­politik der Nazis billigen, stehen 62,7 Proz. gegenüber, die sich nicht prügeln lassen wollen. Es ist unser Wunsch, daß unsere Parteigenossen im Lande die Führung dieser Mehrheit übernehmen mögen.

Die Vorfälle in Königsberg zeigen, daß es so wie bisher keinen Tag weitergeht. Wenn es dieser Regierung nicht gelingt, die ,, aufbauwilligen Elemente", auf die sie sich stüßt, von verbrecherischen Handlungen abzuhalten, dann soll sie schleunigst tun, wozu sie angesichts des Wahlergebnisses sowieso schon verpflichtet wäre, nämlich ihren Auftrag an den Reichspräsidenten zurückgeben.

Die Sozialdemokratie und mit ihr die ganze Masse der sozialistisch gesinnten Arbeiterschaft ist aus diesem Wahlkampf mit gestärktem Selbstbewußtsein hervorgegangen. Auch die Stärkung, die das Zentrum erhalten hat, weil es im Kampfe gegen den Faschismus stand, ist ein deutliches Zeichen der Zeit. Das Volk in seiner großen Mehrheit will feine Nazidiktatur.

Die nationalsozialistische Pressestelle erläßt eine Kund­gebung, in der sie versichert, der NSDAP . könne ,, das Recht auf die Staatsführung im Reich nicht mehr ge­nommen werden". Sie sei auch entschlossen ,,, dieses Recht für sich in Anspruch zu nehmen."

Die NSDAP . hat selbstverständlich das Recht, über die Bildung einer Reichstagsmehrheit, mit der sie regieren zu können hofft, zu verhandeln. Daß die Sozialdemokratie zu einer solchen Mehrheit in der allerschärfster Opposition stehen würde, versteht sich von selbst. Ein Versuch der Nationalsozia­listen, sich auf anderem Wege der Führung zu bemächtigen, würde wohl zur Katastrophe, nicht zum Erfolg führen!

Verhaf=

Gebäude der demokratischen ,, Hartungschen Zei| pressestelle in einzelnen Fällen Nationalsozialisten tung" ausgeführt, wobei sich die Haustüren entzündeten. einwandfrei festgestellt worden. In beiden Fällen konnten die Flammen durch Hand- tungen sind bisher noch nicht erfolgt. feuerlöscher schnell erstickt werden.

In dem Warenhaus Epa wurden vier Fensterscheiben eingeschlagen. In dem Stadtteil Hufen wurde ver. sucht, drei Tankstellen anzustecken, und in einer Waffenhandlung wurden drei Pistolen gestohlen. Der Täter fonnte sofort gefaßt werden.

Papens ,, nationale" Garde. Nazis schießen auf die Polizei.

Dortmund , 1. August.

Zu einem Feuergefecht zwischen Polizei und

Bei den Anschlägen sind nach Mitteilung der Polizei- Nationalsozialisten tam es hier am Sonntag gegen 23.30