1932
Der Abend
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Brand- Sturm 12
10 Pf.
Nr. 366
B 178 49. Jahrgang
SA.- Gemeinschaft der Brandstifter festgestellt
In der vergangenen Nacht wurden mehrere Straßenviertel durch die Polizei planmäßig beobachtet. Hierbei erfolgte ein Ueberfall von etwa 40 Personen auf zwei Beamte in Zivil. Es wurden insgesamt fünf Personen festgenommen, die sämtlich im Besik von Waffen waren.
Es
Der am 1. August beabsichtigte Anschlag gegen das Gewerkschaftshaus ist aufgeklärt worden. Die Aften gehen heute der Staatsanwaltschaft zu. sind acht Täter, die angeben, SA. - Leute vom 12. Sturm zu sein; unter ihnen befindet sich auch der Sturm führer.
Auch eine vollendete und vier versuchte Brandstiftungen am 1. August in KönigsbergKalthof haben ihre Aufklärung gefunden. Die Aften gehen ebenfalls der Staatsanwaltschaft zu. Fest genommen sind 13 Täter, die angeben, eben falls dem Sturm 12 der SA. anzugehören.
Abbau aller Verwaltungen.
Die eine politische Leistung des„ neuen Systems". Königsberg , 5. August.( Eigenbericht.) Oberpräsident Dr. Siehr hat sein Rücktrittsgesuch eingereicht. Siehr gehört der Deutschen Staatspartei an und steht feit elf Jahren an der Spize der Provinz Ostpreußen . Sein Rück tritt ist eine Folge des Kurswechsels in Preußen. Sein Vertreter, der Vizepräsident Steinhoff, Mitglied der Sozialdemokratischen Partei, ist durch Bracht telegraphisch seines Amtes enthoben. Damit sind nun alle staatlichen Verwaltungen in Königsberg verwaist. Sie werden sämtlich, wie Preußen ,,, kommissarisch" verwaltet.
Bombenwurf auf Reichsbank.
Es tnallt weiter in Ostpreußen .
Löten, 5. Auguft. In der Nacht zum Freitag wurde auf die Reichsbank nebenstelle in Lögen ein Bombenanschlag verübt. An der Hauptfront in der Hindenburg- Straße des Reichsbankgebäudes wurde an den Pfeilern, die einen vorgebauten Balkon tragen, eine Bombe niedergelegt und zur Entzündung gebracht. Der gußeiserne Sprengkörper, der eine starte Ladung gehabt haben muß, explodierte mit lauter Detonation, die in weitem Umkreis gehört wurde. Es wurde der untere Teil des einen Pfeilers, an dem die Bombe niedergelegt war, beschädigt, die Scheibe zu dem großen Fenster des Kassenraumes zersplittert und durch die Splitter an der Betondecke des Kassenraumes und des Balkons weitere Beschädigungen angerichtet. Wenige Augenblicke nach der Explosion eilten Publikum und Polizei herbei, die einhellig aussagen, daß sie in den Zugangsstraßen feine verdächtigen Personen gesehen hätten. Lediglich von einem gegenüberliegenden Grundstüd wurde im Dunkel der Nacht kurz nach der Explosion ein verdächtiger Mann beobachtet, der sich eiligst in Richtung des nahen Bahnhofs enfernte.
Unterstützung der Mörder.
Die Hitler- Preffe billigt die Schandtaten.
In einem Artikel, in dem ,, das Standrecht gegen die roten Mordhorden" und das Notwehrrecht der SA. gefordert wird, erklärt der von Hitler selbst herausgegebene ,, Bölkische Beobachter":
Berfehlte Maßnahmen
Die Todesstrafe nur eine Ablenkung
Blatt, weil es in gerechtem Zorn über die Niederschießung seines Eine Verwarnung erhielt das sozialdemokratische Chefredakteurs etwas von Vergeltung geschrieben hatte.
Seit fünf Tagen wartet die Deffentlichkeit auf den verheißenen| amtlichen Bericht über die Königsberger Attentate. In lakonischer Kürze übermittelt die Polizei jezt einige Teilergeb nisse, aus denen bereits hervorgeht, daß die Taten von der All das richtete sich nicht gegen die Mordtaten, sondern gegen nationalsozialistischen SA. planmäßig organi- den Protest! Die Regierung mag sich auf den Standpunkt fiert sind. Sowohl das Attentat auf das Gewerkschaftsstellen, daß bei der durch die Morde erzeugten Siedehize auch dem haus, wie eine Reihe weiterer Branstiftungen sind von Angehörigen des SA. - Sturmes Nr. 12 verübt worden. gänzen. Trotz der unflätigen Beschimpfungen, die der Angriff" Eine Gesamtdarstellung würde dieses Bild noch erheblich ergegen jeden richtete, der die Nationalsozialistische Partei als Urheberin der Morde und Attentate in Königsberg feststellte, läßt sich die Wahrheit nicht mehr aufhalten. Auffällig ist nur das 3ögern der Regierung, die volle Wahrheit bekanntzugeben. Aus ihi würde allerdings sofort die Frage an die Regierung entstehen, marum fie gegen eine derartig mordverseuchte. Organisation feine Spezialmaßnahmen erläßt. Es würde sich sofort zeigen, daß die Androhung der Todesstrafe gegen alle weniger eine Maßnahme als vielmehr eine Ablenkung
ist. Die Königsberger Attentäter werden sowieso von dieser Drohung nicht betroffen werden, gemäß dem Rechtsgrundsatz, daß jede Tat nur mit der Strafe belegt werden kann, die zur Zeit ihrer Begehung dafür ausgesetzt war.( Dieser Grundsatz soll allerdings im Dritten Reich nicht mehr gelten!)
Die allgemeine Androhung der Todesstrafe erübrigt feinesfalls die Frage, was denn besonders gegen die Organisation der NSDA P. geschieht, aus deren Mitte
Serien von Attentaten nach gemeinschaftlicher Verabredung ausgeführt worden sind. Wir schrieben bereits, daß es sich um eine politische, nicht um eine kriminelle Angelegenheit handelt. Die Regierung weiß das auch, denn sie hat nach den Königsberger Attentaten auch politische Maßnahmen verhängt, aber merkwürdigerweise nur Maßnahmen, die den Protest gegen die Mordtaten bestrafen.
Verboten wurden nacheinander zwei kommunistische Flugblätter, die sich mit den Attentaten beschäftigten.
Verboten wurde jede politische Demonstration anläßlich des Leichenbegängnisses der Opfer.
Das Reichsbanner Schwarz- Rot- Gold hat bei der bayerischen Staatsregierung gegen die Duldung dieser intellektuellen Unterstützung des Mord terrors durch den Völkischen Beobachter" telegraphisch Protest erhoben.
Hamburg , 5. August. ( Eigenbericht.) Am Donnerstag führte die Altonaer Polizei in mehreren SA. - Lokalen Haussuchungen durch, deren Ergebnisse wieder zahl= reiche Waffenfunde waren. In einem SA.- Lokal in Steilshoop wurden bei den SA. - Leuten ein Trommelrevolver, eine Gaspistole und ein Dolch gefunden. Bei dem Wirt wurde eine nicht angemeldete Selbstladepistole beschlagnahmt. In einer als Die verzweifelten Ausbrüche des Volkszornes sollten S.- Kaserne hergerichteten Werkstatt fanden sich unter den den verantwortlichen Trägern der Staatsgewalt klar zum Bewußt- Bodenfliesen ein Trommelrevolver, ein Terzerol, Schlagringe, sein bringen, daß man mit paritätischer Behandlung in Aus- Dolche, Totschläger und Patronen. Auf einem Kleingartengelände nahmezeiten nicht mehr durchkomme. Es müsse einmal festgestellt in Stellingen wurden bei zwei NSDAP. - Mitgliedern eine geladene werden, daß es ein Unterschied sei, ob sich Waffen in nationalfozia- Pistole und zwei Trommelrevolver mit 48 Schuß Munition listischen Händen befänden oder in den Händen marristischer Ver- beschlagnahmt. brecher. Es tomme auf die Gesinnung und nicht auf den Tatbestand an. Eine Verhängung von Todesstrafen hätte nur Sinn, wenn sie sich gegen den Träger des Mordwillens richte und nicht gegen den, der der Mordseuche mit der Waffe entgegentrete.
Braunschweig , 5. Auguff.( Eigenbericht.) Die Sprache ist eindeutig und flar. Hitler hält es für Die Pläne auf Einstellung der SA. in den staatselbstverständlich, daß seine braunen Salzsteuersoldaten nächtlichen Machtapparat sind perfekt. Der Vorsitzende der Deutschlicherweile Republikaner in ihren Wohnungen abschießen, die nationalen in der Stadt Braunschweig , Dr. Langbarthel, hat die Gemeuchelten und Bedrohten aber dürfen keine Notwehr üben. Errichtung einer nationalsozialistischen Hilfspolizei
Protest Grenzen gezogen werden müssen. Dazu wäre eine Rgirung äußerstenfalls berechtigt, wenn sie zuvor bewiesen hätte, daß von politisch gegen den Mord und die Mordorganisationen vorzugehen. ihr aus alles, aber auch alles geschieht, um auch Hier aber ist keinerlei politische Maßnahme zu verzeichnen, so daß die Tatsache bestehen bleibt: Gegen den Protest hat man politische Maßnahmen ergriffen, aber keine politischen Maßnahmen gegen die Mörder und ihre Organisation. Das ist der springende Punkt.
Papenregierung und Hitlerterror. Französische Vermutungen.
Paris , 5. August.( Eigenbericht.) Das Zögern der Reichsregierung, gegen die nationalsozialistische Terrorheze vorzugehen, wird in der französischen Presse scharf kritifiert und mit der Abhängigkeit der Regierung von der Nazipartei begründet.
So meldet der Berliner Korrespondent des Petit Parifien": Die zögernde Haltung des Präsidialkabinetts Schleicher- Papen weist von neuem auf die Beziehungen hin, die zwischen der Regierung und der Hitler Armee bestehen. Man hat so den Beweis, daß das Kabinett es nicht magt, Beschlüsse zu fassen, die eventuell in verschiedenen Provinzen die Reichswehr mit den Nazitruppen in Konflikt bringen könnten, die in die meisten Terrorakte verwickelt sind."
Der Berliner Korrespondent des ,, Echo de Paris" telegraphiert: Nachdem das Reichskabinett schon zu lange die Exzesse der Hitlerianer geduldet hat, zögert es noch, der öffentlichen Meinung Genugtuung zu geben, die energische Maßnahmen fordert. Nichts fann besser zeigen, bis zu welchem Grade diese Regierung, die sich als unabhängig ausgibt, in Wirklichkeit von der NSDAP . vollkommen abhängt."
zugegeben und hinzugefügt, daß die Deutschnationalen Klagges hierzu ihr Einverständnis erteilt hatten, nachdem auch der Stahlhelm an einer Hilfspolizei beteiligt wird.
Die auf Staatsfoften unterhaltene Parteifruppe des Herrn Klagges wird das Land noch mehr unsicher machen, als es bisher durch die SA. geschehen. Um einen Vorwand gegenüber der Reichsregierung zu haben, behaupten die Väter des Plans, durch die SA.Polizei würden dem braunschweigischen Staat kosten erspart"! Die SA.- Polizei soll bereits in den nächsten Tagen in Funffion treten. Was tut die Regierung Papen gegen diese offensichtliche Berhöhnung der Reichsautorität?
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Zuvor und danach.
Wir können doch auch nicht zaubern."
So sprach der Naziministerpräsident Granzom in der ersten Sigung des Hauptausschusses des neugewählten Mecklenburgischen Landtags, am Dienstag, dem 2. August. Dieser Ausspruch war die Antwort auf einen sozialdemokratischen Antrag, das Arbeitsbeschaffungsprogramm, das die Nazis von der früheren Regierung gefordert hatten, nunmehr zu verwirklichen.
Von der früheren Regierung haben die Nazis eingestandener maßen Unmögliches verlangt. Jegt, wo sie selber ausführen follen, was sie gefordert haben, gestehen sie:
,, Wir können doch auch nicht zaubern!"
Wir wußten das vorher. Aber jetzt begreifen es allmählich auch die betrogenen Wähler, wie die Reichstagswahlen in Mecklenburg gezeigt haben.