Beilage
Freitag, 5. August 1932
Krife in aller Welt...
Auch im Orient!/ Von Nathan Gurdus
Ueber die ganze Welt reicht heute der große Einfluß des internationalen Kapitals. Die Krise, in der wir leben, ist eine Krise des Kapitals, eine kapitalistische Krise, und so leiden alle Länder unter ihr. Unterschiede von Rassen und Völkern, Gegenfäße von Erdteilen, alles hat die furchtbare Krise hinweggenommen und die Not in der ganzen Welt unter die eine Parole: Arbeitslosigkeit" gebracht. Not und Hunger auch über dem Orient! Ueber Wüsten ist die Krise gegangen und selbst in die Hütten der Beduinen in Arabien gedrungen.
Man bekommt einen außerordentlich interessanten Bericht über die augenblickliche Lage in Aegypten und Syrien . In diesen zwei Ländern spielt die Industrie überhaupt keine Rolle. Es sind Länder, die ausschließlich von den Erzeugnissen ihres Bodens und von den Bodenschätzen leben. Die Krise hat aber doch mit derselben Stärke gewütet und besonders schwer das ohnehin arme und in furchtbaren Verhältnissen lebende Landproletariat getroffen. In Aegypten hat die Krise zunächst in den Großstädten angefangen, besonders in Kairo . Diese und andere Städte Aegyptens leben zum größten Teil von dem Touristenstrom, der aus der ganzen Welt sich nach Aegypten ergießt, oder vielmehr ergoß... Aegypten war das Land der Lurusreisenden. Man kann sich schwer vorstellen, welch ungeheuren Luxusaufwand die Bourgeoisie der ganzen Welt bei ihren winterlichen Rendezvous trieb. Durch diesen Strom der amerikanischen und europäischen Millionäre wurde Kairo aus einer kleinen orientalischen Stadt zu einem europäischen Lupusparadies. Die Straßen, die Hotels, die Kaufhäuser und Cafés dieser Stadt könnten auf dem Kurfürstendamm oder auf der Rue de la Pair stehen und würden selbst da durch ihre Eleganz und ihren geschmacklosen Lurus auffallen. Kairo wurde immer größer. Die armen Fellachen und Berber aus dem flachen Lande strömten nach Kairo , hier konnte man in der Nähe der Touristen- Lurusstraßen sein Glüd" machen. Das Eingeborenenviertel von Kairo wurde furchtbar überfüllt.
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Glücklich aber wurde niemand von den armen Eingeborenen trotz des Lurus von nebenan. Der Geldstrom der Touristen floß in wenige Taschen arabischer Großeffendis und grie= chischer Kapitalisten, die das Monopol des ganzen Fremdenbetriebes in Aegypten übernommen hatten. Die eingeborenen Arbeiter und Handwerker sowie die Kleinbauern, die zwar für die Fremdenindustrie arbeiteten, lebten auch in den glanzvollsten Zeiten in großer Not. Der Lohn für ihre Arbeit und die Preise für ihre Produkte, die sie bekamen, spotten jeder Beschreibung. Als Beispiel fei erwähnt, daß man als Tourist in Aegypten für die Tages: miete eines Kamels an das Hotel 5 ägyptische Pfund, das maren über 100 Mart bezahlen mußte, während der arme Kameltreiber, dem auch das Tier gehörte und der den ganzen Tag in glühender Sonne hinter den Millionären im Sattel zu Fuß laufen mußte, 10 Piaster, das sind 2 Mark, be= tam, und aus diesem Gelde das Kamel füttern, das Flicken des Sattelzeugs bezahlen und noch selbst mit der Familie leben mußte Und da wundern sich die Herren Touristen, wie aufdringlich man in Aegypten nach Batschich( Trinkgeld) schreit!
Aber so wie die armen Kameltreiber mußten auch alle anderen ägyptischen Proletarier während der Zeit des größten Lurus leben. Heute ist die Lage noch niederschmetternder, denn auch der karge Verdienst ist nicht mehr da. Die Luxushotels stehen leer, in Kairo und Lursor sizen nur noch einige Engländer und Amerikaner herum, armselige Ueberbleibsel des Touristenprunkes. In der Eingeborenenstadt herrscht größte Not. Handwerker, Arbeiter und Kleingewerbetreibende sind arbeitslos, Unterstützung gibt es natürlich nicht und so beginnt der Rückstrom aus den Städten auf das Land, wo die Krise aber auch schon festen Fuß
gefaßt hat. Die Bauern können ihre Produkte nicht mehr absezen, die armen Fellachen müssen die furchtbaren Pachtbeträge an die Großgrundbesitzer zahlen, welchen buchstäblich halb Aegypten gehört und die in London sizen und unbarmherzig die Bauern von der Scholle treiben, wenn sie auch nur einen Monat im Rückstand bleiben! In London haben die Herren Rennställe für das englische Derby und Rennställe kosten Geld. Was ist da schon, wenn eine Fellachenfamilie, vertrieben von Haus und Boden, in den Nil springt... Aegyptens Hauptausfuhr besteht aus Rohbaum= wolle und davon leben auch die Kleinbauern. Nun, man braucht nur den internationalen Marktbericht von der Baumwollbörse zu lesen, um zu wissen, wie es diesen Bauern in der Nilebene geht.
SCHOTTLAENDER REKLAME
Schluß Verkauf
Es lohnt sich nicht mehr, die Baumwolle zu pflücken und die Bauern lassen sie auf dem Felde stehen und bauen wenigstens etwas Getreide an, um Essen zu haben.
Die Krise geht bis in die Beduinenzelte. Selbst diese sorgenlosen Nomaden und Bewohner der Wüste können aus ihrer Viehzucht nicht mehr den Lebensunterhalt bezahlen, sie können nicht mehr die Gelder für die Weidenmiete aufbringen, und so essen sie die eigenen Herden, bis sie vor dem Nichts stehen, auf dem letzten Kamel in die Stadt reiten und die Regierungsbeamten anflehen, sie vor dem Hungertode zu retten.
Ein anderes Land im Orient, Syrien , hat fruchtbare Gebiete, in welchen Getreide und Wein wächst, für das ganze Land genügend mit seinen großen Araber- und Drusenstämmen, die über einen riesigen Viehbesiz verfügen. Hier sollte es scheinen, müßte die Krise schweigen; aber nein, auch Syrien ist auf die Ausfuhr angewiesen, auf die Ausfuhr nach anderen Ländern des Orients und selbst nach Europa . Syrien führt besonders aus Seide, Wolle und Del. Und schon die Nennung dieser drei Ausfuhrprodukte muß das wirtschaftliche Urteil über Syrien sprechen. Die Wolle liegt in den Häfen, die Seide wird verschleudert und das Del gießt man in den syrischen Sand. Denn oft lohnt es sich nicht mehr, die Frachtspesen selbst nach Palästina zu bezahlen, und auch im
Verfallene Reichtümer der Kaiserstadt
Im Winter 1770/71 brach das reiche Mongolenvolk der Tor= guten( Ostkalmüken), 70 000 3elte mit 400 000 Männern, Frauen und Kindern, von seinen Weideplätzen an der Wolga auf, um aus der Herrschaft der Russen zu entfliehen und ins Chinesische Reich zurückzukehren. Auf dieser einzigartigen Völkerwanderung der Neuzeit wurde in 7 Monaten ein Weg von 3000 Kilometern durch winterkalte Steppe und sommerglühende Wüste zurückgelegt. Die ungeheuren Strapazen dieser raftlosen Wanderung wurden noch durch die blutigen Kämpfe mit den Russen, Kosaken, Kirgisen und anderen Völkern erhöht, die entweder das flüchtende Volk zurückhalten wollen oder ihm den Durchzug durch ihr Weideland zu vermehren suchten. So war der Leidensweg gegen Osten mit ungezählten Opfern befät: 3 mei Drittel der Ausgewanderten erlagen den Entbehrungen oder den Angriffen der Feinde, der gesamte riesige Bestand an Vieh ging verloren. Bettelarm, in Lumpen ge= hüllt, ausgemergelt, frank und irr, erreichten die Trümmer des einst ſo ſtolzen Stammes die Ufer des Ili und damit das Reich der Mitte, das Ziel ihrer Sehnsucht.
Dies ungeheure Ereignis der modernen Geschichte war auch für das Chinesische Reich von großer politischer Bedeutung, denn die Torguten waren das letzte mongolische Volk, das bis dahin außerhalb der chinesischen Regierungsgewalt gestanden hatte. Durch die Rückwanderung hatte der Sohn des Himmels" wieder alle Mongolen unbestritten in seiner Herrschaft. Kaiser Ch'ien lung, der die Torguten mit reichen Geschenken und Lebensmitteln an der Reichsgrenze empfangen ließ und ihnen neue Weidepläge zuteilte, hielt dieses Ereignis für eines der ruhmreichsten und glücklichsten feiner langen Regierungszeit. Er ließ in Jehol , dem prachtvollen kaiserlichen Sommerfig außerhalb der großen Mauer, einen Tempel errichten, damit durch seine Herrlichkeit ,, die ganze Begebenheit verewigt und für immer glaubhaft gemacht würde".
Der Klostertempel Potala in Jehol ist der schönste mongolisch lamaiſtiſche Tempel Chinas , der von Sven Hedin auf seinen zahlreichen Forschungsreisen aufgefunden werden konnte. Und Hedin hat eifrig nach dem schönsten Tempel Umschau gehalten, hatte doch ein reicher Landsmann Hedins in Amerika ihm beträchtliche Mittel zur Fortführung seiner wissenschaftlichen Arbeiten und Expeditionen in Zentralasien mit der Bedingung zur Verfügung gestellt, daß Hedin von dem schönsten mongolisch- lamaistischen Tempel eine naturgetreue Nachbildung herstellen sollte.
Der nie ermüdende Forscher lieferte aber nicht nur die naturgetreue Nachbildung, sondern er versenkte sich sofort in die Geschichte des Tempels und der Stadt, in der er errichtet ist. So ist in der plastischen Darstellungskunst Hedins ein Buch ent
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Letzte Musterung...
Der Abend
Spatausgabe des Vorwärts
Orient ist man ,, modern" ,,, europäisch modern" und sorgt für ge= nügend hohe 3ollmauern.
Syrien hat 2½ Millionen Einwohner. Die französische Mandatsverwaltung nennt keine Zahlen, aber jedem Kenner ist es be= kannt, wie groß die Not heute auf dem flachen Lande ist und wie groß die Zahl der Hungernden und Arbeitslosen. Man weiß in den Städten Syriens ganz genau, was es bedeutet, wenn an einem Vormittag La stautomobile mit Lebensmitteln in die üste stampfen. Wieder ein Stamm am Verhungern! In den Hafenstädten Syriens und Aegyptens stehen Tausende und warten auf Schiffe, die kommen sollen, um mit neuen Waren aus= zufahren. Vergebens, auch der Schiffsverkehr ist gelähmt und die tausenden Hafenarbeiter und Auslader leben von Abfällen der wenigen zu verladenen Nahrungsmittel. Ist es da ein Wunder, menn ein amerikanischer Gelehrter, der diese Länder kürzlich bereiste, mit Entsetzen die vielen Krankheiten unter den Eingeborenen fest= stellt und sagt, daß jedes Kind in diesen Ländern unter= ernährt sei?
Die Pracht der europäischen Kolonisation, der Glanz der euro päischen Touristen ist erloschen. In den orientalischen Ländern nennt man die Krise das große Unglück aus Europa ". Von der ,, europäischen Pracht" ist im Orient nur eins geblieben: die bunten Uniformen der französischen und englischen Soldaten, denn auch an den hungernden Eingeborenen vorbei macht man Paraden mit schöner Musik in schönem bunten Tuch. Ganz wie in Europa ... Unterschiede schwinden. Der braune, der schwarze, der weiße und der gelbe Mensch, sie fühlen alle genau so den Hunger und sie fühlen alle genau so bei dem Anblick der großen und teuren Kriegsschiffe, die überall herumschwimmen, daß etwas auf dieser schönen Erde nicht richtig ist...
standen, das uns die Geschichte der Kaiserstadt und die Blütezeit der Mandschudynastie lebendig werden läßt.( Sven Hedin , Jehol, die Kaiserstadt", mit einem Lageplan und 78 Abbildungen in Buch- und Kupfertiefdruck nach Handzeichnungen und Photographien, | F. A. Brockhaus, Leipzig , geh. 6,80 M., Leinen 8,30 M.). Es ist besonders reizvoll, von den großartigen Festen, Siegesfeiern und pomphaften Empfängen am Hof, von den Intrigen der Günftlinge und Streber, von den Liebesabenteuern der Kaiser und dem Einfluß verschwenderischer Mätressen zu lesen in einer Zeit, in der China nach Ueberwindung der Dynastie eine neue Staatsordnung aufzubauen bemüht ist. Aber auch die großen politischen Geschehnisse werden, soweit sie die Kaiserstadt geprägt haben, in die lebendige Darstellungen einbezogen, vom opferreichen Zug der Torguten an bis zu den Bemühungen der berühmten Kaiserinwitwe Jehonala Tsi- Hi um Erhalt und Festigkeit des Drachenthrones. Allerdings spielen auch bei den historischen Ereignisser genau wie bei den Hofskandalen hohe Persönlichkeiten in völlig einseitiger Geschichtsbetrachtung die erste Rolle.
Am stärksten und eindrucksvollsten sind die Schilderungen, die Hedin von dem ungeheuren Reichtum der Kaiserstadt und ihren zahlreichen prunkvollen Tempeln gibt. Das ist ein Reichtum, der die chinesische Kunst in ihrer höchsten Entfaltung zeigt und ihre Größe und Formenfülle erkennen läßt, trotzdem der Verfall der Dynastie, der Zahn der Zeit und große und kleine Diebe Wertvolles und Unersetzliches bereits zerstört haben. Ausgezeichnete photographische Aufnahmen und Handzeichnungen Hedins und seiner Mitarbeiter führen uns die Schätze chinesischer Kunst auch plastisch vor Augen und sind eine wertvolle Ergänzung des großartigen neuesten Sven- Hedin- Buches. Wilhelm Tietgens.
Ein Affe erhängt sich Von der Tat eines Affen, die ganz den
Eindruck eines Selbstmordes machte, berichtet der Direktor des 300= logischen Garten der englischen Stadt Chester, Mottershead: ,, Bei
meiner langen Erfahrung in der Beobachtung von Tieren habe ich niemals erlebt, daß ein Tier absichtlich Selbstmord beging. Der Affe aber scheint so etwas getan zu haben. Er belustigte zuerst die Befucher, indem er etwa zwei Meter von einem Seil abnagte, das in seinem Käfig hing. Dann trug er den Strick zu einem Baum im Käfig und befestigte ihn mit einem Ende an einem Zweig. Aus dem oberen Ende machte er eine Schlinge, die er sich mit großer Ueberlegung und Sorgfalt um den Hals legte. Dann zog er den Knoten fest zusammen, kletterte so hoch, wie der Strick reichte, und sprang mit voller Wucht vom Baum herunter. Der Tod trat sofort ein." Gründe für diese Handlung weiß Mottershead nicht anzugeben; er hält die Tat des Affen für einen Selbstmord. Alle Zuschauenden, die zuerst über das poffierliche Wesen des Tieres so sehr gelacht hatten, waren tief erschüttert. Die übrigen Affen werden streng beaufsichtigt, damit sie nicht etwa dieses ,, neue Spiel" nachahmen.
Nochmal, in zwölfter Stunde, alle Abteilungen geprüft, es ist alles bereit: Mein
Saison- Schluß- Verkauf
hat am 1. August begonnen. Nun heran ihr Herren, an die letzte und billigste Kaufgelegenheit der Saison. Preise? Sie werden staunen! Mehr sage ich nicht! Kommen Sie nur- Sie sparen viel Geld.
S. JOSEPH
Schöneberg, Hauptstraße 1