Die beiden Wahlgänge zur Reichspräsidentenwahl, die Landtagswahl und die Elternbeiratswahl im Juni haben den Kampfesmut und die Opferwilligkeit der Berliner Sozialdemokraten für den letzten großen Wahlkampf um den Reichstag nicht beeinträchtigt.
Ueber allen Veranstaltungen lag nicht nur eine fampfes frohe, sondern eine siegeszuversichtliche Stimmung.
Wer die gewaltige Lustgartendemonstration am 4. Juli erlebte, die anläßlich des Verbots des Vorwärts" zu einer Kundgebung wurde, wie sie seit den Revolutionstagen Berlin nicht mehr sah, der wußte, daß die Sache der Sozialdemotratie gut stand. Der Vorbeimarsch am Fehrbelliner Platz, draußen im Westen, gab, soweit dies möglich war, ein noch gesteigerteres Bild äußerster Kampfbereitschaft.
Vielleicht gaben die beiden, beispiellosen Aufzüge der Eisernen Front mit den letzten Anstoß zu dem Vorgehen der Reaktion gegen die sozialdemokratischen Minister in Preußen. Man erkannte die große Anziehungskraft der Eisernen Front und wollte mit der Beseitigung der preußischen Minister und des Berliner Polizeipräsidenten auch Entwicklung und Auftrieb für die Sozialdemokratie unterbinden.
Hätte die Eiserne Front bis zum Wahltag die Möglichkeit gehabt, die noch vorgesehenen zwei Lustgartendemon strationen und den Marsch durch das faschistisch perseuchte Steglih durchzuführen, bestimmt wäre das Wahlresultat für die Sozialdemokratie günstig beeinflußt
worden.
Der 20. Juli hat aber bei den Wählerschichten, die an der Peripherie des politischen Lebens stehen, gegen die Sozialdemokratie gewirkt.
Massen, die den Ereignissen ferner standen und die Absichten der Reaktion nicht erkannten, waren gefühlsmäßig auf Aktionen eingestellt, wie sie die Eiserne Front in der damaligen Situation nicht verantworten konnte. hods; ins
Das hat bestimmt die Wahlchance der Sozialdemokratie verschlechtert.
Demagogen in den verschiedenen Parteien haben aus der verantwortungsvollen Haltung von SPD. und der Gewerkschaften obendrein noch für ihre Agitation Kapital zu schlagen versucht.
Wie wenig die kommunistische Forderung nach dem Generalstreit selbst bei kommunistischen Arbeitern Anklang fand, geht daraus hervor, daß auf einer kommunistischen Betriebsarbeiterkonferenz nur ein Vertreter der Belegschaft des Astaniermerfes sich für den Generalstreit aussprach.
Die Wahlaussichten der Sozialdemokratie waren immerhin nach dem 20. Juli nicht mehr so gut, wie vor dem Eingreifen der Reichsregierung. Die Sozialdemokratie mußte mit dieser Verschlechterung der Wahlchancen rechnen, aber sie durfte nicht das Spiel der Reaktion spielen. Selbst dann nicht, wenn die Wahlaussichten etwas getrübt wurden. Der selbstlosen Arbeit gerade der ehrenamtlich tätigen Funktionäre ist es zu danken, wenn sich die Sozialdemokratie trotzdem in dem schwersten aller Wahlkämpfe gut behaupten
fonnte.
722 064 sozialdemokratische Wähler wurden am 31. Juli in Berlin gezählt. Gegenüber der Landtagswahl vom 24. April rund 76 000 Stimmen Berlust!
Aber auch diese 76 000 Stimmen sind der Partei nicht verloren gegangen. Wurden doch zur Reichstagswahl in Berlin genau 304 000 Stimmscheine ausgestellt. Da hier nur drei große Parteien in Frage kommen, SPD., KPD . und NSDAP., so ist man nicht unbescheiden, wenn man ein reichliches Fünftel der Berliner Stimmscheinwähler der So zialdemokratie zurechnet.
Soziologisch gesehen ist heute die SPD . mehr als die KPD . die Partei der noch in Arbeitstehenden und somit viel leicht noch stärker an den Stimmscheinwählern beteiligt, wie oben angegeben. Die Stimmscheinwähler haben nicht nur in
ben benachbarten Kreifen ihrer Wahlpflicht genügt. Viele
Arbeiter und Angestellte werden auch in anderen ferner gelegenen Wahlkreisen ihr Wahlrecht ausgeübt haben.
Diese Arbeiter und Angestellten können nicht wie viele Leser des Angriff" ihren Urlaub selbst wählen und verschieben.
Daß von den 76 000 Wählern die am 24. April SPD. wählten und am 31. Juli ausfielen, viele Tausende in den Nachbarkreisen von Berlin für die SPD. stimmten, geht aus folgenden Beispielen hervor:
Der Schamlosigkeit die Krone!
Der Mörder wird zum Opfer umgelogen.
Das Berliner Nazi- Organ hegt feit Tagen zum Mord. Weder der Reichsinnenminister, noch der stellvertretende Reichskommissar für Preußen haben die Dreckschleuder bisher ver warnt, viel weniger
"
verboten.
In seiner Dienstag- Ausgabe fezt das Blatt die Aufreizung der politischen Leidenschaften fort. In Fegen zerrissen"- Scheußlicher Mord an einem SS.- Mann“ lauten die dreispaltigen Ueberschriften, und dann wird dem gruseligen Nazi- Spießer in Form eines eigenen Drahtberichtes aus Breslau mitgeteilt, daß in der Nacht zum Dienstag ber SS. - Mann Jente in Reichenbach von Reichsbannerleuten auf scheußliche Weise ermordet worden ist: ,, Jente befand sich auf dem Nachhauseweg, als plötzlich aus einem am Wege befindlichen Gebüsch ein Sprengförper mit fo großer Genauigkeit auf ihn geworfen wurde, daß sein Körper durch die weithin hörbare Explosion buchstäblich zerfetzt wurde. Er ist seinen schweren Berlegungen auf dem Transport nach dem Krankenhaus erlegen."
Als die Berliner Nazi- Dreckschleuder ihre Meldung in die Welt fette, lag bereits ein polizeiamtlicher Bericht über den Borfall in Reichenbach vor. Danach wollte Jente auf einen sozialdemokratischen Redakteur einen Handgranatenanschlag verüben. Die Handgranate explodierte aber noch in der Hand des nach dem Nazi- Blatt„ auf scheußliche Weise" ermordeten Jenke, riß nach dem Nazi- Blatt ,, auf scheußliche Weife" ermordeten Jenke, riß ihm eine Hand ab und brachte Jente noch andere schwere Verlegungen bei, denen er auf dem Wege ins Krankenhaus erlag.
auf einen Sozialdemokraten, dem der Attentäter zum Der Tatbestand ist also der, daß ein Attentats plan Opfer fiel, bewußt zu einem Verbrechen auf den Ber brecher umgelogen und ebenso bewußt auf die Wiedergabe der polizeiamtlichen Darstellung verzichtet wird!
Am 1. August hat der stellvertretende Reichskommissar Bracht die Preffe aufgefordert, sich jeder Aufputschung der Leidenschaften auch durch unrichtige Berichterstattung" zu enthalten. Andernfalls hat sie schärffte Eingriffe in ihre Freiheit zu gewärtigen."
Wir fragen den Mann der neuen Staatsführung": Ist der Fall der Aufputschung der Leidenschaften ,, durch unrichtige Berichterstattung" angesichts des oben geschilderten Borfalls bei der Berliner Nazi- Dreckschleuder nunmehr endlich gegeben oder wie lange noch soll man auf seine„ Eingriffe" gegen diese Burschen warten?
Wer hat mit Mord gedroht?
Der Brief des Reichenbacher SA- Führers.
Wie die Bundespresse stelle des Reichsbanners auf Grund genauer und eidlich erhärteter Unter suchung feststellt, hat der SS. - Mann Jente nach dem Redakteur Paesche eine Bombe werfen wollen, ist aber selbst von dieser Bombe zerrissen worden.
A
Paesche erhielt am 21. d. 3. von dem Reichenbacher SA.- Führer Todelffy einen offenen Brief mit voller Unterschrift, in dem ihm mitgeteilt wurde, daß sich sein Schicksal in nächster Zeit erfüllen werde.
Die Bundesleitung des Reichsbanners und Redakteur Paesche haben Einschreiten gefordert und besonders den stellvertretenden gegen die schamlose und verbrecherische Lügenhette des Angriff" bei den zuständigen Reichs- und Staatsbehörden sofortiges Reichskommiffar für Preußen, Dr. Bracht, unter Bezugnahme auf feine letzte Warnung um schärfste Maßnahmen gegen das Berliner nationalsozialistische volksverheßende Lügenblatt ersucht.
Schluß mit dem Terror!
Breslau , 9. August.( Eigenbericht.)
Die zuständigen Instanzen des Reichsbanners, des ADGB., des ful- Bundes und der Sozialdemokratischen Partei Schlesiens haben folgendes Telegramm an den Reichspräsidenten gerichtet: In letter Nacht elf Revolver- und Handgranaten- Attentate auf Republikaner allein in Mittelschlesien . Schlesiens staatstreue Bevölkerung bittet um Ihren Schuh."
An den Reichsinnenminister wurde dieses Telegramm zufammen mit folgendem Schreiben brieflich geschict:
Beiliegendes Telegramm als Ausdruck ernster Sorge für unsere Heimatprovinz haben unterzeichnete Organisationen heute an den Herrn Reichspräsidenten abgefandt. Wir erwarten von Ihnen energische Abwehr des Terrors, dem alle republikanischen Staatsbürger Schlesiens seit dem 20. Juli 1932 ausgesetzt sind, andernfalls Notwehr- Aktionen der Terrorisierten in bedrohliche Nähe gerückt sind."
Gewerkschaftliche Einheitsfront. Aufruf an die ostpreußische Bevölkerung.
königsberg , 9. Auguft.( Eigenbericht.) Die freien, christlichen und Hirsch- Dunderschen Gewerkschaften und der AfA- Bund fordern die oftpreußische Bevölkerung in einem gemeinsamen Aufruf auf, fich in Zukunft gegen alle Terroristen energisch zur Wehr zu sehen.
Die Gewerkschaften sehen in den fortgesetzten Terrormaßnahmen eine wirtschaftliche Gefahr für Ostpreußen . Sie erwarten insbesondere von ihren Mitgliedern, daß sie sich zum Schuh des Eigentums der Institutionen der Gewerkschaften zur Verfügung stellen. Fehlgegangener Anschlag auf Gewerkschaftshaus.
Breslau , 9. August.( Eigenbericht.)
In Strehlen wurde am Dienstagabend in unmittelbarer Nähe des Gewerkschaftshauses eine große Bombe gefunden. Die Bombe hatte ihr Ziel verfehlt und war ins Gras gefallen, so daß fie nicht explodierte. Die Bombe wurde auf Veranlassung des Landrates Weese fachmännisch untersucht. Es stellte sich heraus, daß der benutzte Sprengstoff nicht aus dem Steinbruch Strehlen stammt, sondern aus der Sprengstoff Fabrik Reimsdorf bei Magdeburg .
Im Kreise Teltow wurden in den Gemeinden Klein Verhaftungen in Schleswig- Holstein .
Röris 1080 Stimmscheine gezählt bei 478 Einwohnern. Die SPD . erhielt 484 Stimmen, also 6 Stimmen mehr, als Klein- Röris Einwohner hat.
In Miersdorf wurden 2370 Stimmscheine gezählt bei 678 Einwohnern. Die SPD . erhielt 803 Stimmen, 5 Stimmen mehr, als Miersdorf Einwohner hat.
In Schulzendorf bei Eichwalde wurden 2509 Stimmscheine gezählt bei 761 Einwohnern. Die SPD . erhielt 838 Stimmen, 77 Stimmen mehr als Schulzendorf Einwohner hat.
Im Kreise Beeskow wurden in Wernsdorf 1465 Stimmscheine bei 1009 Einwohnern gezählt. Die SPD . erhielt 580 Stimmen, weit mehr als die Hälfte
der Einwohner.
Errechnet man, daß drei Fünftel aller Einwohner durchschnittlich wahlberechtigt sind, so ist das Resultat für die Partei noch weit günstiger.
Derartige Beispiele lassen sich viele anführen aus Niederund Oberbarnim, aus Ost- und Westhavelland uſm.
Die Wahlen im Hochsommer sind eben für Großstädte wie Berlin fein Gradmesser für die Stärke der einzelnen Parteien.
Das trifft auch bestimmt für andere Industrieorte und Kreise zu. Daß die NSDAP . am 31. Juli zur stärksten Partei wurde, braucht uns Sozialdemokraten nicht allzusehr schmer zen. Denn wenn die SPD . Jahre hindurch an erster Stelle
hörige ber nationalsozialistischen SS. unter dem In Schleswig- Holstein sind seit Sonnabend sieben AngeBerdacht, die letzten Bombenattentate begangen zu haben, verhaftet worden. Weitere Verhaftungen stehen bevor.
Die einzelnen Attentate und die Beteiligung der verhafteten Nationalsozialisten sind bereits soweit geklärt, daß die Akten voraussichtlich noch heute der Staatsanwaltschaft über geben werden. Ein Teil der Verhafteten ist im Oberlandesgericht in Kiel , der andere der Staatsanwaltschaft in Altona zugeführt
worden.
Schleswig- Holstein wirb folgender amtlicher Bericht herausgegeben: Ueber die Verhaftungen wegen der Sprengstoffanschläge in
stand, so war das die Folge der Zerrissenheit des deutschen Bürgertums. Die NSDAP . hat fast alle bürgerlichen Barteien von Bedeutung aufgefogen, und wir Sozialdemokraten haben jezt die Pflicht, unter unseren Fahnen die Arbeiterschaft zu fammeln.
Die Berliner Sozialdemokraten werden es als ihre Ehrenpflicht betrachten, in den bevorstehenden schweren Kämpfen an erster Stelle zu stehen. Es gibt auch nach der Wahl für uns fein Ruhen und Rasten, bis die Freiheit durch den Sozialismus Wirklichkeit geworden ist!
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In der Nacht zum 1. August find in Schleswig- Holstein , und zwar in Altona , Uetersen , Elmshorn , Barmstedt , Marne , Lunden , Krem pel, Rendsburg und Glüsing Handgranatenanschläge verübt worden. Die geworfenen Handgranaten betonierten an allen Orten mit Ausnahme von Altona , wo sie unversehrt sichergestellt werden tonnDie Angriffe richteten sich gegen Wohnungen und Verkehrslokale von Kommunisten, ferner gegen Wohnungen und Geschäftshäuser sowie gegen Organisationen und Personen, die der So zialdemokratie nabestehen. Zu weiteren Sprengstoffanschlägen ist es noch in der Nacht vom 3. und 6. August in Kiel gefommen, und zwar wurden dort die Synagoge und das Kare Stadt- Gebäude durch Sprengförper beschädigt. Die Anschläge in der Provinz führten überall zu mehr oder weniger großen Sach
beschädigungen.
und zwar in Rendsburg , Meldorf , Wesselburen und Elmshorn . Die Ermittlungen haben bisher zu fieben Festnahmen geführt, ( Bemerkenswert an diesen Feststellungen ist, daß auch der eine in Braunschweig verhaftete S2. Bombenattentäter aus Rendsburg stammt. In dieser Stadt scheint sich also eine regelrechte Brutstätte für Bombenattentäter zu befinden.)
Die Festgenommenen sind Nationalsozialisten und gehören überwiegend der SS. an. Nach dem etwa 30jährigen Arbeiter Hans Rohweder aus Lütjenwestedt , der zuletzt in Rends burg wohnte, wird gefahndet. Er ist bei einem Anschlage am linken Oberschenkel verwundet worden und hält sich verborgen.
In unmittelbarem Zusammenhang mit den Sprengstoffanschlägen steht zweifellos ein Anschlag auf die Wohnung des andjägers in Erfde bei Norderstapel . Dort wurden in der Nacht zum 1. August mehrere Schüsse von außen durch die Fenster abgegeben, wobei die allein im Hause anwesende Frau des Land jägers in Lebensgefahr geriet. Auch dort sind zwei Nationalsozia der andere der SA. angehören will. liſten als Täter festgenommen worden, von denen der eine der SS.,
Synagogen- Attentäter ermittelt?
Kiel , 9. Auguft.( Eigenbericht.) Unter dem Berdacht, bei dem Sprengstoff- Attentat auf die Kieler Synagoge und das Warenhaus Karstadt mitgemirft zu haben, waren vier Nationalsozialisten festgenommen worden. Drei wurden inzwischen wieder freigelassen.
In der Wohnung der noch in Haft befindlichen ,, aufbaumilligen Kraft" wurde eine Stielhandgranate und eine Brow ningpistole mit 10 scharfen Schüssen gefunden. Ein sozialist wurde dem Gerichtsgefängnis zugeführt.
richterlicher Haftbefehl ist erlassen. Der festgenommene National
Granatenfund in der Synagoge.
Mißhandlung eines ausländischen Besuchers.
In einer Kölner Synagoge wurde eine Granate eines deutschen Feldgeschüßes gefunden und der Polizei übermittelt. Vor einer anderen Synagoge wurden drei Besucher von Nazis an= gepöbelt und belästigt. 3wei retteten sich durch die Flucht in die Synagoge, der dritte, ein Deutsch Schweizer aus Zürich , der zur Beerdigung seiner in Köln verstorbenen Mutter hier meilte, wurde niedergeschlagen und erlitt eine schwere Kopfverlegung, die zu seiner Einlieferung in ein Krankenhaus führte.
Die Polizei nahm sechs Nazis fest, die die Frechheit besaßen, Baffanten nach Waffen zu durchsuchen. Einer der Burschen war im Besiz einer geladenen Pistole.
Ein Schwerverwundeter.
Bunzlau , 9. Auguft. Auf das SA.- Heim in der Gartenstraße wurden gestern früh, furz nach 2 Uhr, mehrere Revolverschüsse abgegeben, ohne jedoch jemand zu treffen.
Etwa eine halbe Stunde später entwickelte sich ein Handgemenge zwischen SS.- Leuten und Kommunisten, in dessen Verlauf Schüsse abgegeben wurden. Ein Nationalsozialist erlitt eine Schußverlegung am Hals.