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BERLIN  Montag 15. Auguft

1932

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Der Abend

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Nr. 382

B 186

49. Jahrgang

Hitlers Mussolini- Wahn

Seine wörtliche Forderung an Hindenburg

Ueber den Verlauf der entscheidenden Unter redung zwischen dem Reichspräsidenten und Adolf Hitler   erfährt man von zuständiger Seite zwar nur wenige, dafür aber um so sensationellere Ein­zelheiten. Der Satz in der amtlichen Verlaut­barung vom Sonnabendabend, wonach Hitler   an den Reichspräsidenten   die Forderung gestellt hätte ,,, ihm die Führung der Reichsregierung und die gesamte Stattsgewalt in vollem Umfange zu über: tragen", wird von unterrichteter Stelle dahin er

läutert, dak

Hitler für sich die gleiche Stellung und die gleichen Vollmachten wie Mussolini   nach dem erfolgten Marsch auf Rom  " verlangt hätte. Diese Forderung ist wörtlich in dieser Form crhoben worden.

Nun wird erst recht klar, warum der Reichspräji: dent mit einem kategorischen Rein geantwortet hat, denn die Auslieferung der Staatsmacht an Hitler  unter solchen Voraussetzungen und in solchem Um fange würde auf einen glatten Verfassungsbruch hin ausgelaufen sein.

Freiwillige Gegenleistungen?

Bezüglich der Stelle des Kommuniqués über die von Hitler   vor den Reichstagswahlen abgegebenen Erflärungen", wonach er eine vom Vertrauen Hindenburgs berufene nationale Regierung unter ſt üzen würde, wird darauf hingewiesen, daß es sich selbstverständ­lich um Erklärungen handelt, die nicht etwa unmittelbar vor der Wahl, sondern zur Zeit des Kanzlerwechsels Ende Mai abgegeben wurden; also zweifellos in jener Unterredung zwischen Hitler   und Hindenburg   am 30. Mai, die der Betrauung

Bapens unmittelbar voranging.

Die von den Nationalsozialisten stets abgeleugnete Existenz von Bindungen zwischen Hitler   und der Reichsregierung wird also nicht mehr bestritten, nur wird sonderbarerweise behauptet, daß diese Bindungen einseitig waren und daß die Regierung Papen   ihrer­feits teine Verpflichtungen eingegangen wäre!

-

Die verschiedenen politischen Gegenleistungen der Regierung z. B. Aufhebung des Uniformvers bots, Reichstagsauflösung usw. werden von Re­gierungsseite als freiwillige Handlungen bezeich net, zu denen sie durch keinerlei Bindungen ver­pflichtet gewesen sei.

Es wird jetzt Sache der Nationalsozialisten sein, sich zu dieser Darstellung zu äußern, nach der Hitler einseitige Bindungen eingegangen wäre, ohne sich jene Gegenleistungen ausdrücklich zu fichern. Sollte er wirklich ein so schlechter Diplomat sein, wie aus dieser offiziösen Version heute hervorzugehen scheint?

Auflage für Goebbels  .

Aber Der Doktor" droht.

Der heutige, Angriff" muß an der Spize eine Auflage"-Nach richt bringen, in der sein Schwindel über den Bombenwerfer Jente in Reichenbach richtig gestellt wird.

Aber Goebbels   bietet gleichzeitig eine neue Bombe". Seinen Leitartikel Die Macht an Hiller!" schließt er mit dieser Drohung:

,, Darüber aber soll kein Zweifel bestehen: Im Zwielicht bleiben wir nicht. Entweder gibt man uns die Macht, dann tragen wir die Verantwortung, oder aber man verweigert uns die Macht, dann stehen wir in der Opposition und fechten. Es wird dann so sein, daß jene Regierung, die sich bei ihrem Beginn etwas voreilig mit dem schmückenden Beiwort der nationalen Konzen= tration" ausstattete, auf den erbitterten Widerstand des gesamten nationalen Deutschland  , das heute unter unserer Führung

steht, stößt.

Um den Ausgang diefes Kampfes braucht uns nicht bange zu fein. Was man uns heute vermeigert, das wird man uns morgen geben müssen. Nicht darum, weil wir die Sympathien der noch Regierenden besigen, sondern weil es in der unerbittlichen und ehernen 3 mangsläufigfeit der deutschen   Entmid= Iung unumstößlich und unerschütterlich begründet liegt. Herr von Papen geht einen schweren Gang. Die Gefehlichkeit der Ge­

Luther gegen Papen

Um die Finanzierung des Wirtschaftsprogramms

beschaffungspläne der Reichsregierung sind infolge der Das große Wirtschaftsprogramm und die Arbeits politischen Wirren der letzten Wochen völlig in den Hintergrund getreten. Wie es heißt, will die Reichsregie rung jetzt in allernächster Zeit mit ihrem Wirtschaftspro­gramm vor die Oeffentlichkeit treten.

Im Zusammenhang mit dieser bevorstehenden Bekanntgabe des Arbeitsbeschaffungsprogramms der Papen  - Regierung weiß der Hugenbergsche Montag" von einem schweren konflikt zwischen der Reichsbankleitung und der Papen  - Regierung zu berichten.

Danach soll die Verkündung des Wirtschaftsprogramms vor den Reichstagswahlen an der Finanzierung gescheitert sein, da die Reichsbank sich seinerzeit weigerte, die notwendigen kredite bereitzustellen. Das Blatt behauptet, daß die Reichsbant sich auch heute noch den Finanzierungsplänen der Reichsregierung widersetzt. Da ein anderer Weg der Geldbeschaffung so gut wie ausgeschlossen sei, würde der erste Schritt der Regierung zu Beginn der kommenden Woche sein, die Reichsbank durch geeignete Maßnahmen zu veranlassen, ihren bisherigen Stand­punkt zu ändern.

Diese Meldung des der Regierung naheftehenden Hugenberg­Organs muß in der Oeffentlichkeit alarmierend wirken. Welcher Art sollen die geeigneten Maßnahmen" sein, die das

schichte kann keine Macht der Welt aufhalten. Bajonette mögen zu vielem gut sein. Aber man kann auf die Dauer nicht darauf fizzen.

In ruhiger und sicherer Entschlossenheit tritt die Bewegung an. Ihr Ziel ist unverändert wie immer: Die Macht an Hitler  !"

Sitzung des Reichskabinetts.

Heute nachmittag.

Das Reichskabinett wird am Montagnachmittag zu einer Sitzung zusammentreten, um sich mit der allge­meinen Lage zu beschäftigen.

ftandes gegen unfolide Finanzierungen veranlassen sollen? Be­| Reichsbanfpräsidium zu einer Aufgabe seines bisherigen Wider­absichtigt das Kabinett Papen   etwa eine Notverordnung, welche die Unabsehbarkeit des Reichsbankpräsidenten beseitigt?

Ein derartiges Vorgehen der Reichsregierung würde in scharfem Widerspruch zu dem Reichsbankgesetz von 1930 stehen, denn dieses Gesetz sieht vor, daß vor einer Aenderung des Reichsbankgesetzes die Einwilligung der Reparationsbank in Basel  ( B33.) gefichert sein muß. Auf welchem Wege will also die Regierung den Widerstand des Reichsbankpräsidiums beseitigen?

Das Programm der Reichsregierung zur Arbeitsbeschaffung hat 130 Millionen Mark für Straßen- und Kanalbauten vorgesehen. Die Kredite für diese Arbeiten laufen legten Endes bei der Reichs­bank zusammen. Außerdem sind für Arbeiten ähnlicher Art und für andere industrielle Aufträge 200 bis 250 Mill. Markt vor­gesehen, die gleichfalls von der Reichsbant, als letzter Hand, finanziert werden sollen. Bei diesem Posten hat die Leitung der Reichsbank Schwierigkeiten gemacht. Getrennt von diesen beiden ersten Arbeitsbeschaffungsplänen läuft das Projekt der Hausrepara­turen, das kürzlich an dem Widerstand der Hausbesitzer gescheitert ist und das Siedlungsprojekt, für das 100 Mill. Mark in dem Etat bereitgestellt sind.

tonter Form abgebligt ist, weiß man bei den Nazis augenscheinlich nicht, wie man sich zunächst weiter verhalten soll. Deshalb die Vertagung, deshalb auch der Urlaub für die SA.!

erfülle. Nachdem Hitler   bei Hindenburg   jedoch in so be

Sonntag der vier Millionen.

Massenflucht aus der Stadt.

- Vier tödliche Badeunfälle.

Der gestrige heiße Sonntag trieb die Berliner   Bevölkerung in Scharen hinaus an die Ufer der Spree   und der Havel  , und wer in den Nachmittagsstunden durch die Straßen der Stadt ging, fah leere

Verwirrung bei der NSDAP  . afttätten. Die luft- und fonnenhungrigen Großstädter hatten dem

Führertaguug abgesagt. SA.   auf Urlaub.

=

Nach feierlichen Ankündigungen sollte am Dienstag und Mittwoch dieser Woche eine große nationalsozialistische Führertagung" statt­finden, an der alle nationalsozialistischen Abgeordneten zum Reichs­tag und zu den Länderparlamenten teilnehmen sollten. Wegen dieser Führertagung, die nach den letzten großspurigen Mitteilungen auch politische Maßnahmen gegen die Reichs regierung beschließen sollte, ist von dem Landtagspräsidenten Kerri die Tagung des Preußischen Landtags   hinaus: geschoben worden mit der Begründung, daß das Parlament traditionsgemäß auf die Tagungen großer Parteien Rücksicht nehme. Ein neuer Termin für den Zusammentritt des Landtags ist bisher nicht festgesetzt worden, Kerrl stellt sich vielmehr gegen alle formellen Anträge taub.

Jetzt plötzlich ist aber

auch die Führertagung der Nationalsozialisten auf unbestimmte Zeit vertagt worden. Gleichzeitig wird bekannt, daß Hitler oder fein Stabschef Röhm der SA.   einen Urlaub auf eine Woche bewilligt haben.

Die Vertagung der Führerzusammenkunft in Verbindung mit dieser Urlaubs" gewährung an die SA.   lassen klar erkennen, daß im nationalsozialistischen Lager eine starke Verwirrung Plaz gegriffen hat, daß man vor allem nicht weiß, nach welcher Richtung der Führer" und die Führung gegenwärtig streben.

In gewohnter Arroganz haben Hitler   und die Seinen bis zum Sonnabend geglaubt, einfach fordern zu dürfen, in der Er­wartung, daß man ihnen bedingungslos jeden Wunsch

fleinernen Meer den Rücken gekehrt und wer nur irgendwie Gelegen­heit und das nötige Fahrgeld hatte, fuhr an die Flüsse und Seen der näheren Umgebung Berlins  . Die Berliner   Berkehrs­m Pttel zusammengenommen beförderten annähernd vier Mil­lionen Menschen. Das beweist am eindringlichsten die Massen­flucht aus der Stadt.

Wie immer hat die BVG. den Hauptanteil an dem gewaltigen Ausflugsverkehr. Die Bilanz für Sonntag schließt mit 2125 000 beförderten Fahrgästen. Davon entfallen auf die Straßen­bahn 1 302 000, auf die U- Bahn 472 000 und auf den Autobus bedeutend verstärkt durchgeführt und außer zahlreichen Einsatzwagen 472 000 ausgegebene Fahrscheine. Der Straßenbahnbetrieb murde fuhren die Bahnen zum großen Teil doppelbehängt. Die Reichs­bahn steht mit 1600 000 Reisenden an zweiter Stelle. Am stärksten war der Verkehr nach Wannsee Nikolassee. An den Sperren dieser Stationen wurden rund 100 000 Fahrkarten abge­geben, das ist die höchste Zahl, die hier überhaupt jemals erreicht worden ist. Grünau   folgt mit 43 000 und Friedrichshagen­Rahnsdorf mit 32 000 b3m. 19 000 Ausflüglern.

Die Berliner   Dampferlinien nahmen den rollenden Konkurrenten einen Teil der Arbeit ab. Die Nobiling- Reederei bei­spielsweise beförderte rund 18 000 Fahrgäste. Der Hauptanteil fällt auf den Verkehr nach dem Berliner   Osten, aber auch der Berkehr in Richtung Brandenburg   weist eine hohe Frequenz auf. Auch die kleineren Reedereien hatten vollbesetzte Dampfer und brachten Zehn­tausende hinaus in die bekannten und beliebten Ausflugsorte. Der Badebetrieb forderte wieder einige Todesopfer.

In vier Fällen konnten den Berunglückten keine Hilfe mehr gebracht werden.

Der Arbeiter- Samariter- Bund   hatte vollauf zu tun; überall waren die hilfsbereiten Hände der Arbeitersamariter zur Stelle.