Unbilliges Verlangen.
Oer Sturm W/'iS in Köln mußte ausgelöst werden(fr hatte von Hitler die Einlösung seiner Versprechungen erwartet.
„-- Alles könnt ihr von unferm geliebten Führer verlangen, nur das nicht!" Amerika und Gowjetrußland. Reue Verständigungsversuche.
Von den Großmächten haben nur noch die Bereinigten «taaten von Nordamerika die Sowjetunion „nicht aner» kannt". Zwischen den beiden großen Reichen zu beiden Seiten des nördlichen Pazifik bestehen immer noch keine diplomatischen und konsularischen Beziehungen, wenn auch das Geschäftsleben diese Lücke bereits über- sprungen hat. An russischen Annäherungsversuchen hat es nicht gefehlt, aber die USA . blieben hartnäckig, und die scharfe Polizeiaktion gegen die Sowjethandelsgesellschaft „Amtorg" in New Nork vor einigen Jahren hatte eine be- deutende Verschlechterung des gegenseitigen Verhältnisses zur Folge. Nun scheint darin ein Wandel bevorzustehen, woran vielleicht— das Vordringen Japans auf dem asiatischen Kontinent nicht ganz ohne fördernde Kraft ist. Aus Moskau wird gemeldet, daß demnächst Stalin auf kurzer Welle zu Amerika sprechen wolle— natürlich nicht um bolschewistische Propaganda zu machen, sondern um Verständigung anzubieten. Folgende New-Dorker Mel- dung zeigt, daß auch dort eine Anbahnung versucht wird, wenn auch mit der schwerwiegenden Forderung einer Anerkennung russischer Vorkriegsschulden: Seit geraumer Zeit schweben Gerüchte über Anbahnung von Verhandlungen zwischen USA und Rußland , die die Aner- kennung der Sowjetregierung zum Ziel haben. Die Aner- kennung soll abhängig gemacht werden von der grundsätzlichen Anerkennung der russischen Vorkriegsschulden an USA. -Bürger, wobei allerdings«in erheblicher Abstrich vorgenommen werden wllrße, und wobei auch die auf Grund der Anerkennung von Rußland auszugebenden Bonds zur chälfte noch zum Ankauf amerikanischer Erzeugnisse durch Rußland verwendet werden sollen. Der amerikanische Außen- Vertreter der Standard Oil Company of New Aork und der Bech- lehem Steel Company, Mr. I v y Lee, soll auf dem Wege nach Moskau sein, um zunächst inoffizielle Erörterungen zu pflegen.
Sollt« hierbei eine Aussicht aus Erfolg entstehen, so hat Lee den Austrag, für die Standard Oil Co. Verhandlungen über eine Kon- Zession zur Ausbeutung stillgelegter Oelfelder von B a t u m an- zuknllpfen und Aufträge für die Bethlehem Steel Company herein- zuholen. Aufwertung altrussischer Guthaben. Ein Urteil in USA . Im vorsowjetischen Rußland haben«ine Menge ausländischer Banken und Versicherungsgesellschaften Niederlassungen unterhalten, die umfangreiche Geschäfte mit russischen Bürgern gemacht haben. Die Währung Alt-Rußlands ist durch den Weltkrieg bereits sehr stark entwertet worden, in Sowjetrußland hat sie auch die letzte Spur ihres Wertes verloren. Viele der ehemaligen Kunden dieser ausländischen Banken und Versicherungsgesellschaften sind seither Emigranten geworden, und sie haben verschiedentlich versucht, ihre zu vollem Wert eingezahlten Gelder zurückzuerhalten. Nunmehr hat der O b e r st e G e r i ch t s h o f des nordamerikanischen Staates A l b a n y solchen Rückgabeansprüchen russischer Emigranten recht gegeben und zunächst ist daraufhin ein im alten Rußland einge» zahltes Guthaben von 1,9 Millionen Zarenrubeln bei einer Bank in den USA . beschlagnahmt worden. Alle gerichtlichen In- stanzen haben diese Beschlagnahme bestätigt. Nach dem erwähnten Urteilsspruch soll das Guthaben bis zu einem Betrag von 69 Pro- zent seines nominellen Wertes in Dollar ausgezahlt werden. Das Urteil stützt sich darauf, daß jene ausländischen Banken und Versicherungsgesellschaften die in Rußland eingenommenen Gelder rechtzeitig ins Ausland transferiert oder in die Heimat- Währung dieser Unternehmungen umgewechselt hätten, wodurch sie der Entwertung dieser Gelder entgangen seien? somit wäre es nur recht und billig, daß sie den Gläubigern wenigstens den größeren Teil dieser vollwertig geleisteten Einzahlungen wiedergäben. Selbswerständlich geht dieser Prozeß zwischen Emigranten und ausländischen Unternehmungen, die längst nicht mehr Niederlassun- gen in der Sowjetunion haben, den heutigen russischen Staat n.i ch t» an.
Herrn von Popens Optimismus. Voll I-ödv. Während weite Kreise Deutschlands der Meinung sind, die Regierung P a p e n habe sich mit anerkennenswerter Festigkeit in eine sichere Sackgasse hineinmanövriert, tönt uns aus dem Munde des Kabinettchefs die fröhliche Versicherung entgegen:„Wir werden noch lange im Amte sein!" Zur gleichen Stunde, in der dieser überraschende Optimis- mus offenbar wird, nennt der„Angriff" des Herrn Goebbels in seiner wie immer zurückhaltenden Sprache die a m t- lichen Verlautbarungen der Regierung Papen- Schleicher über die Abmachungen mit Hitler„widerlegte Lüge n", was Herrn von Papen seinerseits nicht hindert zu versichern, daß er keinen Grund hat, Herrn Hitler nicht zu glauben. Angesichts dieser vollendeten Harmonie muß sich der er- staunte Mitbürger die Frage vorlegen: Sind die neuen Man- ner sehenden Auges in diese Situation hineingesteuert? Ich glaube nein. Sie hatten sich ein ungefähres Bild der zukünf- tigen Entwicklung zurechtgelegt, das nur einen Fehler hatte: das Bild war falsch! Sie glaubten an die zugesagte Unter- stützung des sogenannten„Präsidial-Kabinetts" durch die Nationalsozialisten, und gerade der dramatische Zusammen- stoß zwischen dem Reichspräsidenten und Hitler am letzten Sonnabend hat offenbart, welche entscheidende Rolle diese Zu- sage in der Kalkulation der Regierung Papen gespielt hat. Als ich nach der plötzlichen Entlassung Brünings an hoch st er Stelle die Grundlosigkeit dieses Re- gierungswechsels zur Sprache brachte und dabei die Frage aufwarf, auf wen sich das neue Kabinett im Parla- ment stützen wollte, erfolgte der sofortige Hinweis, daß man diese Unterstützung von den Nationalsozia- l i st e n erwarte. Auf meinen Einwand, daß diese Partei doch selbst an die Macht wolle und nicht gewillt sei, andere Regie- rungen zu tolerieren oder zu unterstützen, erhielt ich die bün- dige Antwort: das ist jetzt anders geworden, wir haben die Zusicherung dieser Unterstützung erhalten. Gegenüber diesen präzisen Erklärungen mußte ich trotz aller inneren Zweifel kapitulieren und ichver st eheheute mehr als vorher d i e Enttäuschung und Entrüstung der Regierung und des Reichspräsidenten über diesen, ich will nicht sagen, Wortbruch, aber über die Täuschung, der sie zum Opfer gefallen sind. Die Tatsache, daß die knappe Unterhaltung Hindenburg -Hitler nicht in der üblichen Form einer Beratung am Tisch stattfand, sondern „stehenden Fußes" abgewickelt wurde, ist deshalb wohl nicht so sehr auf die Zusammensetzung der Unterhändler als auf diese Empörung zurückzuführen. Denn ob das Gerücht der Nichtbeteiligung der Nationalsozialisten an den kommenden Reichstagsverhandlungen zutreffend ist oder nicht, eins bleibt bestehen, das Kabinett Papen kann im Reichs- tag keine Mehrheit finden. Es hat im vollen wie im teilweise verlassenen Hause nur etwa vierzig bis fünfzig Stimmen für sich und damit ist die Möglichkeit seiner ver- fassungsmäßigen Existenz beendet. Welchen Ausweg aus diesem Dilemma man auch sucht, nur einer davon würde sich auf dem Boden der Verfassung halten: die erneute Auflösung des Reichstags. Was auch sonst erwogen, geprüft, begutachtet wird, k e i- ner dieser Vorschläge bleibt auf dem Boden der Verfassung. Der Reichstag wird am 30. August zu- sammentreten. Irgendein Versuch, diese verfassungsmäßige Vorschrift nicht auszuführen, hat niemand unternommen. Die Sammlung des Reichstags um ein sachliches Regierungs- Programm des Aufbaues und der Arbeitsbeschaffung, viel- leicht sogar der teilweisen Verstaatlichung von Teilen der Ur- Produktion, Kürzung der Direktoren- und anderer hoher Ge- hälter— so einleuchtend der Versuch sonst auch wäre, er schafft die Mißtrauensvoten nicht aus der Welt, die nach den haarsträubenden Uebergriffen der Regierung unvermeidbar sind und zur Annahme kommen. Der Versuch, das Mißtrauensvotum aus ent- gegengesetzten Motiven für unwirksam zu er- klären, ist undurchführbar. Er widerspräche dem Sinne wie dem Wortlaut der Verfassung, allen Traditionen des eigenen Landes und der übrigen parlamentarisch regierten Staaten. Vertagung des Reichstags, um der Regierung das Arbeiten auf Grund einer Ermächtigung oder eigener Macht- Vollkommenheit zu ermöglichen, kann nur durch eine Mehrheit beschlossen werden und die ist nicht vorhanden. Die Befug- nis des Reichspräsidenten , das Kabinett aus eigenem zu halten und die Session des Reichstags durch sein Machtwort zu schließen und zu eröffnen— eine Befugnis, die ihm durch Volksbegehren zugewiesen werden könnte, wie manche meinen— sie ist in der Verfassung nicht vorgesehen, ebensowenig das unbeschränkte Weiter- amtieren eines gestürzten und geschäftsführenden Kabinetts. Es würde nicht nur nach innen verfasfungs- widrig, sondern auch nach außen nur beschränkt verhand- lungsfähig fein. Aenderung des Wahlgesetzes in bezug auf kleinere Wahlkreise und Persönlichkeitswahl— wofür manche unter uns suh früher eingesetzt haben— oder in bezug auf Wahlalter und erste Kammer sind nur in einfacher oder qualifizierter Mehrheit mög- lich, wenn man aus. dem Boden der Verfassung bleiben will. Soviel Kopfzerbrechen man auch aufwendet, soviel Auswege man auch ersinnt, jeder einzelne führt zu dem Bruch oder der Beugung der Verfassung, die auch von den Mitgliedern des gegenwärtigen Kabinetts beschworen worden ist. Der einzige Weg, der zur Not auf dem Boden der Ver- fassung bleibt, ist also eine neue Auflösung des Reichstags, die mit irgendeinem konkreten Fall des Ver- sagens des Parlaments begründet sein könnte. Sie ist ein Weg, aber kein Ausweg, sie verlängert die Sackgasse, in die
uns die Herren Papen-Schleicher geführt haben, aber sie öffnet sie nicht. Der Reichstag ist einberufen. Am 30. August und den folgenden Tagen hat Herr von Papen das Wort. Er muß dem deutschen Volke zeigen, wie er es weiter führen will, nachdem er die Führung anderen Händen so bereitwillig ab- genommen hat.
GA.-Feme arbeitet. Wieder ein SA.-Mann von„Kameraden" niedergemacht Köln . 18. August(Eigenbericht). Wieder wird ein Ueberfall von SA.-Leuten auf einen SA.» Mann gemeldet. In Grevenbroich wurde ein junger National- s o z i a l i st überfallen und mit Messern so zugerichtet, daß er wahr- scheinlich sein Leben lang ein Krüppel bleiben wird. Die Täter sind verhaftet. Nur mit Mühe kennte sie die Polizei vor dem Volkszorn schützen. Der hinterlistige Ueberfall erfolgte, weil der National- sozialist sich gegen die Beschuldigung gewehrt hatte, er habe Partei- gelder unterschlagen. Seine SA.- Kameraden lauerten ihm deshalb auf und behandelten ihn nach den Me- t h o d e n, die ihnen von ihren Führern gelehrt werden. Bei einem Kaufmann in Köln -Lindental erschienen zwei uni- formierteSA.-Leute und versuchten mit Gewalt eine Forderung von 299 Mark einzutreiben, die ein Mitglied der NSDAP , an den Kauf- mann zu stellen, aber der Gauleitung seiner Partei überschrieben hatte. Die beiden Burschen, die mit Gewalt in die Wohnung ein- dringen wollten, erklärten, sie würden nicht«her gehen, bi« sie da»
Geld bekommen hätten. Im Notfall würden sie Verstärkung herbei- holen. Ein Angestellter des Kaufmanns rief das Ueberfallkommando herbei, das die beiden Burschen mitnahm. Vor einiger Zeit veröffentlichte die„Rheinische Zeitung " das Rundschreiben eines Kölner nationalsoziallftifchen Gruppenführers, der seine Parteigenossen ersuchte, ihm Lebensläufe einzusenden, da demnächst 4899 pensionsberechtigte Inspektoren nach staatlichen Gehaltssätzen für die A r b e i ts d i e n st p f lich t allein im Gebiet Köln-Aachen eingestellt würden. Jetzt ist dieser nationalsozialistische Stellenvermittler wieder aus der Nazipartei ausgetreten. Bekannten, die ihn nach dem Grund fragten, antwortet« er:„Ach, die könne aach nix"._ 470 Demonstranten vor dem Vichter. Nachspiel zu der Münchener Nazidemonstration. München , 18. August.(Eigenbericht.) Am 19. Juni d. I. hatten etwa 399 Nationalsozialisten trotz des damals noch bestehenden Unifarmverbots in voller Ausrüstung vor dem Haufe des Ministerpräsidenten Dr. Held demonstriert. Die Burschen wurden größtenteils verhaftet und ein Teil von ihnen bereits am übernächsten Tag dem Schnellrichter zugeführt und abgeurteilt. Inzwischen kamen aber dem Richter wegen der durch die Aufhebung des Uniformverbots veränderten Rechtslage Zweifel und er sprach einen Angeklagten frei.— Der Staatsanwalt erhob mit Erfolg Revision beim Obersten Landesgericht. Das freisprechende Urteil wurde aufgehoben. Demnach werden sich also in den nächsten Tagen 479 Demonstranten vor dem Schnellrichter zu verantworten haben.