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BERLIN Donnerstag 25. August 1932

B 195 49. Jahrgang

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plünclei'ungsn in EteirtKen SA. terrorisiert dauernd die Stadt Spiel mit dem Feuer

Zeuthen , 25. August. ((Eigenbericht.) Hebet die nationalsoziali st ischen Krawalle, die bisher von der Polizei in unglaublicher Langmut geduldet werden Heines und Röhn, konulen wiederholt troh des Demon­strationsverbots ungehindert Hehreden an die johlenden SA.RIassen halten gibt die Polizeipresjeslelle jetzt einen Bericht heraus. Ihm ist zu entnehmen, daß am Mittwoch, gegen ö Uhr abends, in der Gortenstraße Schausensterjcheiben eingeschlagen und in der Bahnhosslrahe im Volkshaus gleichfalls Zensier- scheiden zerstört wurden. Dabei wurde ein Rational- sozialist als Täter seslgenommen. Gegen Ml Uhr abends zogen dann 300 bis 400 Rationalsozialisten, zum Teil in Uniform, um das Gerichtsgebäude. Schuhpolizei trieb sie ausein­ander. Zu gleicher Zeit sammelten sich aus einem anderen Platz der Stadt mehrere hundert Personen an. Auch hier schritt die Schuhpolizei ein und»rieb die Menge, ohne von der Masse Ge­brauch zu machen, auseinander. Um'.�11 Uhr abends wurden aus der Bahnhosslrahe die Schaufenster derOberschlesi- scheu Volks stimme"(Zentrum) eingeschlagen, nachdem kurz zuvor in der Gymnasialstraße zwei Zensterscheiben der Mah­nung eines Dr. Goldstein eingeschlagen wurden. Um 11 Uhr wurden aus der Bahnhosstrahe dir Schaufensterscheiben der Zirma Steinhauer u. Tiefenbrunn eingeschlagen. Die Auslagen wurden geplündert. Ein Täter wurde fest- genommen. Es handelt sich um einen Arbeiter Fischer, der angibt, ein paar Hosen mitgenommen zu haben. Um 12 Uhr nachts versuchten an der Ecke der Schul- und Klucko- wiher Straße junge Burschen die Zensterscheiben des kom­ munistischen Büros einzuschlagen, sie zertrümmerten ober die Zensterscheiben eines angrenzenden Kellers. Um 11 Uhr nachts wurde aus der Sahnhofslroße ein Personenkraftwagen sichergestellt und die sechs Insassen auf Grund des Demonstrations­verbots und wegen fortgesetzten ruhestörenden Lärms verhaftet. Insgesamt wurden neun Personen von der Polizei im Lause der Vorfälle am Mittwochabend in Beuthen verhaftet, von pri­vater Seite wird berichtet, daß bei den Räumungsaktionen der Polizei insgesamt 20 Personen, meist Rationalsozialisten. verletzt wurden, einige von ihnen schwer. Oberpräsident verbietet Kundgebungen. Auf Grund der neuesten Zusammenrottungen und Krawalle in Beuthen hat jetzt der Oberpräsident von Oberschlesien zwei Polizeivcrordnungcn erlassen, die sofort in Kraft treten. In der ersten Verordnung wird die Beförderung von Per­sonen zu politischen Zwecken mit Lastwagen verboten. Die zweite Verordnung verbietet jede Zusammenrottung von Einzel- Personen oder Gruppen in den Straßen des Gebietes um das Strafgericht in Beuthen . Auch das Besahren des genannten Stadtbezirks mit Lastkrastwagen zur Personenbeförderung wird verboten. Das Gericht wird also einem Bannmeilenschutz unter- warfen. Brutale Offenheit. Programm Hitlers : Mensch nicht gleich Mensch- Tat nicht gleich Tat Seele nicht gleich Seele! München , 25. August. Z«völkischen Beobachter" schreibt Alfred Rosenberg in einem Artikel u. a sür das heute herrschende, alle gesunden Selbst- erhallungsinslinkle des Volkes überkrustendeRecht" sei es be­zeichnend. daß Mensch gleich Mensch sein soll. Die gleiche Justiz habe während der wahnsinnigsten Inflation erklärt. Mark sei gleich Mark, und dieser Irrsinn desobjektiven" Denkens kostete Taujende von Menschenleben, der Ration aber ihr gesamtes ge­spartes Volksvermögen. Run seien dieObjektiven"aus Beuthen besonder« stolz, prahlen mit ihrer unbestechlichen Justiz, die keine politische Läge berücksichtige, wir aber erklären, daß diese Berück­sichtigung das wesentliche bei allen Prozessen zu sein habe. Mensch sei nicht gleich Mensch. Tat nicht gleich Tat.

Angebliche Pläne der Regierung. Zentrum warnt vor Versassungsexperimenten

DerPetit Parisien" will von einem Vertrauensmann aus der nächsten Umgebung des Reichskanzlers von Papen das genaue innenpolitische Programm der Reichsregierung für die > ächsten Monate erfahren haben. Nach dem Zusammentritt des Reichstags werde die Reichs- regierung am 3. September ihre Regierungserklärung verlesen, der dann die allgemeine Aussprache folgen werde. Da mau aber voraussehe, daß die Aussprache mit einem Miß- trauensvotum ende, werde sie vorzeitig abgebrochen und der Reichstag aufgelöst werden. Ende Oktober würden dann Neuwahlen stattfinden unter der ParoleFür einen arbeitsfähigen Reichstag ". Wenn auch der neue Reichstag, wie vorauszusehen wäre, wieder arbeitsunfähig sein sollte, würde auch er kurz nach seinem Zusammentritt aufgelöst werden. Dann aber würde Reichs- Präsident von chindenburg eine allgemeine V o l k s a b st i m- m u n g ausschreiben mit folgendem Programm: da» viahlaller von 20 auf 25 Jahre zu erhöhen und ein Ober- Haus oder einen Senat einzurichten! DerPetit Paristen" fügt hinzu, daß die Reichsregierung über dieses Programm vollkommen einig fei, nachdem jede Hoffnung auf eine Mitwirkung Hitlers an der Regierung aus- geschlossen sei. Warnung vor Verfassungsbruch. Mit den Plänen, die hier, auch wieder auf dem Umwege über das Ausland, dem deutschen Volke bekanntgegeben werden, be- schästigt sich besonders die Zentrumspresse in ernster und warnender Form. Das Berliner Zentrumsorgan, dieGermania ", nimmt am Donnerstag in einem LeitartikelDer Weg der Ver- f a s j u n g" eingehend zu den Plänen Stellung.Wir sind", so erklärt dieGermania ",gewiß die letzten, die sich der Erkenntnis von der Reformbedürftigkeit der Weimarer Verfassung verschließen. Wir erkennen insbesondere an, daß eine Aenderung des Wahlrechts und eine Lösung der preußischen Frage zu den wichtigsten Aufgaben dieser Reformarbeit gehören. Aber für alles, was auf diesen Gebieten zu geschehen hat und auch geschehen muß, gibt es, wenn man nicht noch größeren Schaden an­richten will, nur einen Weg, nämlich den der Verfassung." Die Mehrheit des deutschen Volkes sei dem Gedanken weitgehender Reformen keineswegs verschlossen, sie verlange nur, daß sich alles auf verfassungsmäßigem Wege vollzieht.Wir warnen des- halb auf das nachdrücklich st e davor, daß die Reichs- regierung von den verfassungswidrigen Ratschlägen, die ihr mit einem überaus verdächtigen Eifer von ihren Freunden erteilt werden, irgendwelchen Gebrauch macht. Die Zentrums- partei und andere große Gruppen des Volkes würden jeden Versuch zu einem in den Methoden verfassungswidrigenUmbau" des Staates mit den schärfsten Mitteln bekämpfen und vor keinem Wege zurückschrecken, der einer solchen schwerwiegenden Situation angemessen wäre.

Ganz ähnlich äußert sich auch der Pressedienst der Zen- trumspartei. Besonders deutlich wird das Landesorgan des württembergischen Zentrums, indem es schreibt: Auf nichts könnte sich die Regierung bei dem Versuch, eine Versassungsreform durchzuführen, stützen als auf ihren d i k t a- torischen Willen. Möge ein guter Genius sie und das deutsche Volk davor bewahren, daß sie einen solchen Weg beschreitet! Welche Rechtsverpslichlung könnte denn eine mit dem Artikel 48 dem deut­ schen Volk ausgezwungene Verfassung haben? Sieht die Regierung nicht, wie rasch eine gewisse Partei ihre ohnehin problemati- sche Legalität aufgeben würde, wenn die von deutsch - nationaler Seite geforderteRevolution von oben" einsetzte?... Der Weg des Kabinetts wird aber aller Wahrscheinlichkeit nach nicht bloß zu einer Ignorierung des Reichstags und seines Votums, sondern zur Auflösung des' Parlaments führen... Da eine Neuwahl unter dem gegenwärtigen Wahl- recht keine starke Aenderung in den Mehrheitsverhältnissen bringen könnte, würde eine s ol che Neuwahl n! ch t m e h r statt- finden. Vielleicht gibt es Kräfte, die auf dieses Ziel zusteuern, um dann dem Volke sagen zu können:Ihr seht es, mit dem Reichstag ist nichts zu machen. Was bleibt uns anderes übrig als ohne ihn zu regieren?"... Ohne Reichstag , ja gegen seinen aus­drücklichen willen, wird sich die Regierung dann an die Ausführung ihrer Pläne begeben. Was ist zu erwarten? Die sehr tiefgreifende Aenderung des Wahlrechts, die so schwierige Neuord- nung des Verhältnisses zwischen Reich und Ländern, die heftig um- strittene Schaffung eines Oberhauses. Und schließlich als das Schwerwiegendste die Zrage der Staatsform überhaupl, die Wiedereinführung der Monarchie. Wäre es ein bloßes Gerücht, was darüber verlautet, würden wir diese Möglichkeit hier nicht nennen. Aber es handelt sich um mehr als ein bloßes Gerede. Die Männer des aus langer Hand vorde- retteten Kabinetts haben sehr weitreichende Pläne. Sie fühlen sich auch sehr stark. Allein sie würden sich über die Wirkung der Parole:W iederaufrichtung der Monarchie" wundern. Wer dem deutschen Volke jetzt statt Brot und Arbeit die Monarchie wiedergeben möchte, der spielt nicht nur mit dem Feuer, er legt Feuer an das Haus des deutschen Volkes. Die verantwortlichen Stellen feien darum aufs entschiedenste gewarnt, solche Gedanken zu er- wägen." Der Weg abseits der Verfassung", schließt das württembergische Zentrumsblatt,ist leicht beschritten, aber nie- mand weih, wohin er fuhrt. Bald könnte er im Chaos enden, aus dem auch die Bajonette nicht mehr heraushelfen." Gerüchte um Koalitionsgespräche. In verschiedenen Berliner Blättern wurde mitgeteilt, daß zwischen dem Zentrum und den Nationalisozialisten K o a l i t i o n s- befprechungen in Stuttgart stattgefunden hätten. Angeb- lich sollten auch Brüning undStraßer an den Verhandlungen teilgenommen haben. Diese Meldungen werden vom Zentrum wie auch von den Na- tionalsogialisten dementiert. Dagegen wird vom Zentrum zu- gegeben, daß führende Vertreter dieser Partei in Stuttgart zu- sainmengekommen sind, um die politische Lage zu besprechen.

Züns Deutsche, darunter alte Zrontkämpser, sollen erschossen werden, weil ein pole, der zugleich Bolschewik war. erschlagen wurde. Eine derartigeJustiz" wende sich gegen den elementaren Selbsterhal­tungsinstinkt einer Ration. Der Rationalsozialimus sehe hier auch wellanschaulich ein. Zur ihn sei nicht Seele gleich Seele, nicht Mensch gleich Mensch, für ihn gebe e« keinRecht an si ch". sondern sein Ziel sei der starke deutsche Meusch, sein Bekenntnis sei der Schutz dieses Deutschen , und alles Recht und Gesellschaftsleben, Politik und Wirt­schost habe fich nach dieser Zwecksehung einzustellen. Der deutsche Botschafter in Moskau . Herr v. D i r k se n. bsiucht zur Zeit Odessa und u. a. auch die Erholungskolonien m der Nähe.

Unglück aus Zeche Günnes. Zwei Bergleute schwer, andere leicht verletzt. Gladbeck , 25. August. Aus der ZecheM athios Stinnes" platzte während des Schichtwechsels am Füllort eine der großen Luftdruck- leilungen, durch die bis auf sechs Atmosphären komprimierte Luft in den Schacht geleitet wird. Die gerade mit dem Förderkorb ankommenden Bergleute wurden durch den Luftdruck a n die Wand geschleudert und durch die umherfliegenden Sohlenslücke verletzt. Zwei Bergleute mußten mit schweren Quetschungen und Verwundungen in das Snappschast»- lazarell übergeführt werden, eine weitere Anzahl von Bergleuten trug bei dem Unglück Verletzungen leichterer Ratur davon.