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Morgenausgabe

Nr. 417 A 203

49. Jahrgang

WLchentltch 75 Pf. monatlich 3,25 M, (davon 87 Pf. monatlich für gustrl- lung ins Haus) im voraus zahlbar, Postbezug 3,37 M. einschließlich SO Pf. Poitzeitungs- und 72 Pf, Postbestellge­bühren. Aus landsabonnement 5,85 M, vro Monat; für Länder mit ermäßig- tem Druckfachennorto 4,85 M. Bei Ausfall der Lieferung wegen höherer Gewalt besteht lein Anspruch der Abonnenten auf Ersaß, Erscheinungswetse und Anzeigenpreise siehe am Schluß des redaktionellen Teils,

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Sonntag 4. September 1.932 Groß-Äerlin 15 Z)f. Auswärts 20 pf.

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Jentvalorgan der Gozialdemokrattschen Partei De«tschla».W�

Redaktion und Verlag: Berlin SW 68. Lindenstr. 3 kternspr,; Dönhoff{k 7) 292297. Telegramm-Adr.: Sozialdemokrat Berlin ,

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Gegen Junker um Schloibaranel Durch sozialistische Aktion zur Freiheit!

Heute wird dem Reichspräsidenten das Wirtschafts- Programm des Kabinetts der Barone als Not- Verordnung zur Unterzeichnung vorgelegt, am Dienstag soll die neue Notverordnung veröffentlicht werden, Herunter mit den Löhnen, herauf mit dem Profit das ist der Sinn des Papen-Planes. Steigende Entbehrungen der Massen und wachsendes Einkommen der Kapitalistenklasse sollen den Kapitalismus retten! Im Zeichen des Feudalismus ist die Papen-Regierung angetreten, im Zeichen des Großkapitalismus wird regiert! Welche Legitimation hat diese Regierung, außer daß sie vom Reichspräsidenten ernannt und vom Herrenklub ausgewählt ist? Es steht hinter ihr eine hauchdünne Schicht, deren wirtschaftliche und politische Macht in einem schreienden Ver- hältnis zu ihrer Personenzahl steht. Man nehme eine Mit- gliederliste des Herrenklubs und der ihm befreundeten Herren- gefellschaften im Lande zur Hand und die Zahl der Köpfe wird schon die Zahl derer übersteigen, die heute Deutschland regieren wollen! Großkapital! st en und Junker geben diesen Listen das Gepräge, Großkapitalisten und Junker, das find die gesellschaftlichen Kräfte, auf die das Kabinett der Barone sich stützt. Die Schwerindustrie und der Großgrundbesitz sollen in Deutschland diktieren, Sie führen den Klassenkampf von oben, und das Kabinett der Barone verkündet sein Programm. * Großkapitalisten und Junker das sind die Klassen, die das Volk hemmungsloser Ausbeutung und Unter- drückung unterwerfen wollen. Mit ungeheurem Lärm toben sie gegen dendas Volk zerreißenden Marxismus", gegen denKulturbolschewismus ". Rettet die deutsche Familie, so schreien sie, rettet die deutsche Kultur, rettet die Sittlichkeit, rettet das Christentum! 2lber sie meinen: rettet den Profit, rettet die ge- sellschaftliche Monopolstellung des Großbesitzes, rettet den Kapitalismus! Je lauter sie gegen Kulturbolschewismus und Marxismus schreien, um so tiefer wollen sie das Volk in Un- kultur, Elend und Untertanentum stoßen! Sie hoffen jetzt auf eine neue Wellenbewegung der Kon- junktur, die das Medusenantlitz des Kapitalismus, das die Krise enthüllt hatte, wieder verschleiern soll, Sie jubeln über die Milliardengeschenke, die ihnen das Kabinett der Barone ankündet, sie tanzen um das goldene Kalb, sie spekulieren wieder fieberhaft an der Börse. Was verschlägt es ihnen, was das Papen-Programm für die Arbeiterschaft, für die Hungernden bedeutet? Was oerschlägt es ihnen, daß die Geschenke an das Großkapital die Organisierung der nächsten Krise bedeuten, die Garantie da- für, daß die nächste Wellenbewegung der Konjunktur nach unten noch entsetzlicheres Elend über das Volk bringen muß als diese Krise dank der großkapitalistischen Wirtschafts- Politik der gegenwärtigen Regierung, die eine kapitalistische Reinigung vor dem Wiederanstieg der Konjunktur verhindert!' Der Großkapitalismus, der von der Regierung der Ba- rone Milliardengeschenke erhält, soll unter seinen Füßen das Recht und die Freiheit der Arbeiterschaft zerstampfen und ihren Kulturwillen zerbrechen, damit die Ausgebeuteten nicht mehr kämpfen können das ist der heißeste Wunsch dieser Klassen! * Die Herrschaft der Junker und Schlot- barone hat Deutschland ins Unglück gerissen. Sie hat in den Krieg geführt und hat den Weg aus dem Kriege heraus versperrt, als er hätte begangen werden müssen! Schwerindustrie und Großgrundbesitz waren die Kräfte, die hinter dem Programm der Verbände im Kriege standen, das mit seinen irrsinnigen annexionistischen Forde- rungen eine Lücke des Versailler Vertrages geworden ist. Diese Klassen hoben die Stabilisierung der Reichsfinanzen ach dem Kn?a« sadostert. sie tragen Schuld an der Inflation und sind ihre Nutznießer gewesen! Das Großkapital war der große Zerstörer des deutschen Mittelstandes! Großkapital und Junkertum haben die faschistische Bs-

Gleichheit durch Abrüstung!

Ein Artikel de Brouckeres.

Brüssel , 3, September. Zur deutschen Initiative in der Abrüstungsfrage nimmt heute der sozialistische Senator de Brouckere, ein Mitglied der belgischen Delegation aus der Abrüstungskonferenz, imP e u p l e" Stelluyg. Die Forderung nach Gleichberechtigung, schreibt er, kann uns nicht erschrecken, sondern erscheint uns als an sich ganz natürlich. Es wäre ein Wahnsinn zu glauben, daß Europa dauernd unter einem System der Ungleichheit leben und sich organisieren kann, de Brouckere tritt sodann für die Gleichheit durch Abrüstung ein. Die allgemeine Demobilisierung, schreibt er. müsse zwar in Ab schnitten, aber mit größter Beschleunigung völlig durchgeführt werden, und s o werde es zur Gleichheit durch die Ab- rüstung kommen. Für Gefahren, die durch ein a u f g e r ü st e t e s Deutschland entstehen könnten, seien die Alliierten selbst verantwortlich. Wir haben, so fährt de Brouckere fort, diese Entwicklung immer vorausgesehen für den Fall, daß die Alliierten von 1914 starrsinnig bis an die Zähne bewaffnet bleiben würden in offenkundiger und flagranter Verletzung der von

ihnen eingegangenen Verpflichtungen, Angesichts der neuen Tat- fache, so schließt de Brouckere, mühten sich alle Gutgesinnten zu beiden Seiten des Rheins zusammenfinden, um zu verhüten, daß die Welt neuerdings dem Kriege zusteuert. Einmütigkeit im französischen Kabinett. Paris , 3. September. (Eigenbericht.) Das französische Kabinett befaßte sich am Sonnabend mit dem deutschen Memorandum über die militärische Gleichberechtigung, Halbamtlich wird dazu mitgeteilt, daß über die Beurteilung des Memorandums innerhalb der französischen Regie- rung völlige Uebereinstimmung herrsche. Die deutschen Aufzeichnungen würden nunmehr mit allen Regierungen geprüft werden, die sich dem Lausanner Vertrauensabkommen angeschlossen hätten. v. Schubert bei Mussolini . Rom , 3, September, Mussolini empfing heute den deutschen Botschafter von Schubert, mit dem er sich über die Frage der deutschen Wehrforderungen unterhielt,

wegung in Deutschland finanziert, sie sind die Gönner des Nationalsozialismus gewesen, die ihn großgezogen haben! Sie haben von jeher ihr Treiben mit der nationalen Phrase maskiert, sie haben sich überheblich als die einzigen nationalen Kräfte gepriesen, und je brutaler und egoistischer sie ihre Klasseninteressen gefördert haben, um so lauter haben sie gepredigt: alles für Deutschland ! Alles für Deutschland ? Alles in Deutschland für sie, alles für die Millionäre das war von jeher ihre Parole! Diese Klassen sind das Unglück des Volkes und des Vater- landes, die wahren Verderber der Kultur und der Wirtschaft! Sie haben immer die christliche Phrase mit der nationalen zu verbinden gewußt, wenn sie ihre Macht- und Herrschafts- ansprüche gegen das Volk vertreten haben!

Ad doch Lohnsenkung? Tatsachen zum Papen-Programm. Lohnreduklionen sind das A und O des Papen -Programms. Die Tarife werden schon jetzt masienhast gekündigt, wir stellen folgendes fest: Räch einer Aufstellung des Internationalen Arbeits- a m t e s vom Rlai 1932 find, wenn man den Stand der Stunden- l o h n f ä h e von 1929 100 fetzt, bis zum ersten Vierteljahr 1932 die Löhne im Durchschnitt wie folgt gesunken:

in Deutschland aus..... in den Vereinigten Staaten auf in England aus......

84.9 88,7 96.0

Diese Zahlen zeigen, daß nicht nur die Senkung der Stunden- lohnsähe sehr erheblich gewesen ist, sondern auch, daß sie in Deutsch - land mit dem sogenanntenstarren Tarissystem" viel weiter ge- gangen ist als in den wichtigsten anderen Ländern. 3m neuestenvierteljahrshest zur Sonjunktursorschung" wird folgende Ausstellung über die Wirkungen von Arbeitslosigkeit, Lohn- und Gehaltssenkung gegeben. Vom 4. Vierteljahr zum 1. Vierteljahr des darauffolgenden 3ahres sank das mittlere Arbeitseinkommen:

1928 29 um. 1929/30

5 v. h.

1930/31 um. 1931/32.

10 o. h. 16.

Die erste Zahlenreihe zeigt die Gefahr, daß das Ausland sich aus Lohndumping berufen darf, der Export also weiter gefährdet wird, wenn die Löhne noch stärker sinken. Die zweite Zahlenreihe enthüllt die Lebensgesährlichkeit weilerer Saufkrastverringerungen. Aber die Barone hoffen auf eine Ankurbelung der Wirtschaft durch Lohnsenkung bis zum Existenzminimum!

Sie sind heute wieder christlich und national, und um so lauter wird ihr Feldgeschrei, um so schärfer der Klassen- kampfcharakter ihrer Zielsetzungen gegen das arbeitende Volk hervortritt. Aber der Nebel ihrer christlich-nationalen Phrasen verhüllt nicht mehr dicht den brutalen Klassenegois- mus, der sich dahinter verbirgt. Das Organ der christlichen Gewerkschaften,Der Deutsche", setzt hinter das Christentum der besitzenden Klassen und ihre christlichen Phrasen große Fragezeichen: Wir hatten ja auch schon vor dem Umsturz 1918 einen christlichen Staat. Auch in ihm wurde nicht selten von den regierenden Männern recht fromm, gott- und kircheu- gläubig gesprochen. Viel geholfen hat das nicht. Der un- heilvolle Siegeszug des Materalismus wurde davon nicht aufge- halten, und zwar aus dem ganz einfachen Grunde nicht, weil allzu- oft die frommen Worte ohne die praktische Nutzanwendung blieben. Es ist eine unbestrittene Tatsache, daß der jetzt mit Recht bekämpfte Materialismus von einer dünnen Oberschicht des Volkes seinen Ausgang genommen hat. So wurde das Volk imchrist- lichen" Staat trog frommer Worte arm an Leib und Seele gemacht." Aehnliche Fragezeichen setzt der Nazigraf Reventlow hinter die christlichen Phrasen der Junker und Schlotbarone in einem Aufsatz imReichswart", der überschrieben ist Herr v, Papen : Generaldirektor Gottes." Diese Fragezeichen bestätigen und rechtfertigen den Arg- wohn, den die Sozialdemokratische Partei von jeher gegen- über einer Politik vertreten hat, die als christlich und national firmiert!* * Im Zeichen der christlich-nationalen Phrase wollen Schwerindustrie und Großgrundbesitz eine Diktatur der Reaktion in Deutschland errichten. Sie wollen abermals wie vor dem Kriege das Volk aus- schalten. Sie wollen abermals die deutsche Außenpolitik lenken nach ihren Klasseninteressen und sie würden sie abermals in die Katastrophe reißen, und das Volk mit! Die Macht dieser Klassenkräfte muß niedergekämpft werden, damit das deutsche Volk leben und seine Zukunft in Freiheit neugestalten kann! Der Kampf gegen den Kapitalismus ist der Kampf gegen die Verderber Deutschlands in Schwerindustrie und Großagrariertum! Dieser Kampf ist sozialistische Aktion! Wir wollen nicht, daß eine hauchdünne Schicht von Menschen, die auf ihre wirtschaftliche Monopolmacht pocht.