Nr. 433 49. Jahrgang
1. Beilage des Vorwärts
Bei Max Rothe.
Ueberführung ins Zuchthaus Luckau. - Wiederaufnahmeverfahren muß kommen.
Ein Mitglied unserer Redaktion stattete, auch in seiner Eigenschaft als Gaujugendführer des Reichsbanners, dem vom Sondergericht zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilten Reichsbannermann Max Rothe einen Besuch ab, um thm die Grüße der Berliner Jungbannerleute und des ,, Vorwärts" zu überbringen. Mag Rothe ist gestern aus dem Gefängnislazarett, wohin man ihn wegen seines durch den Hungerstreik bedrohlich gewordenen Gesundheitszustandes hatte bringen müssen, wieder in seine Zelle zurückgeführt worden. Man hat ihm mitgeteilt, daß er in den nächsten Tagen in die Zuchthausanstalt Luckau übergeführt werden soll. Inzwischen hat das Gericht die schriftliche Urteilsbegründung fertig gestellt und dem Verteidiger übersandt. Ein Studium dieser Urteilsbegründung ergibt zwingend, daß dieses Urteil der Kammer Tolk dringend der Nachprüfung bedarf, wenn überhaupt noch Menschlichkeit und Ge. rechtigkeit Geltung haben sollen.
jeder
Es ist nicht ganz leicht, einem Strafgefangenen einen Besuch abzustatten. Ist man schließlich im Besitz des wichtigen Erlaubnisscheines, auf dem es heißt, daß Eßwaren, Getränke, Tabat und dergleichen nicht mitgebracht werden dürfen, und daß Mißbrauch des Besuches zu unerlaubtem Verkehr die fofortige Entfernung des Besuchers zur Folge hat", folgt stunden langes Warten im Gefängnis Alt- Moabit. Der Warteraum des Untersuchungsgefängnisses reicht fast niemals für die Masse der Besucher aus, und so stehen Männer und Frauen auf den Gängen umher und warten, bis sie an der Reihe sind. Es sind meist Menschen, denen man ansieht, daß sie nicht auf Rosen gebettet sind.
Die Not bringt so manchen Menschen in dieses Haus, das er unter geordneten Verhältnissen nur vom Hörensagen kennen würde. Die Leute sizen oder stehen stumm und sorgenvoll teilnahmslos nebeneinander. Keiner fümmert sich um den anderen, und jeder ist froh, daß sich der andere nicht um ihn fümmert. Es wird fast gar nicht gesprochen. Dafür hört man die ewige Musik dieser Häuser, das immerwährende Klappern von Schlüsseln und das Anschlagen der zahllosen Signalflingeln. Im Warteraum leuchten von Zeit zu Zeit zwei Transparente auf, die den Besucher ins Sprechzimmer rufen. Auf diese erleuchteten Tafeln sind aller Augen gerichtet.
Drei Worte:„ Fünf Jahre Zuchthaus!" Schließlich wird auch der Besucher des Gefangenen Mar Rothe durch das Aufflackern des Leuchtsignals gerufen. Es geht über einen fleinen Hof, ein paar Stufen empor in eine kleine Stube, die als Sprechzimmer dient, wo Rothe und ein Gefängnisbeamter schon warten. Händeschütteln und Freiheitrufe sind
die Begrüßung. Der„ Gefangene Nr. 2468" und sein Kamerad, der ihn besucht, um ihm Trost und Verbundenheit auszudrücken, dürfen Platz nehmen. Sie ſizen sich gegenüber, in der Mitte hat sich der Beamte plaziert. Man hat so oft davon gesprochen, daß fünf Jahre Zuchthaus eine furchtbare Strafe seien. Was die fünf Jahre Zuchthaus" wirklich bedeuten, wird einem erst erschreckend klar, wenn man dem Geschlagenen hier gegenübersigt. Der Gefangene Rothe sieht in der Gefängniskleidung besonders start mitgenommen aus. Sein Gesicht ist bleich, die Augen liegen tief. Er ist sichtlich bewegt und fämpft mit Tränen, als er von der Anteilnahme hört, die seine Kameraden und Genossen ergriffen hat, und als er hört, daß der Vorwärts" sich für ihn mit allen Kräften eingesetzt hat und weiter einfegen wird. Wir kommen auf die Urteilsbegründung zu sprechen. Mit immer steigender Erregung, so daß selbst der Beamte beruhigend auf ihn einwirkt, versucht er klarzumachen, daß er unschuldig sei.
,, Wenn ich geschossen hätte", so ruft er aus, ,, würde ich ruhig und still meine Strafe tragen. Aber ich bin unschuldig!"
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In der Urteilsbegründung heißt es:„ Der Angeklagte Caro macht aus seiner kommunistischen Gesinnung kein Hehl. Auch der Angeflagte( Rothe. Red. d..„ V.") steht daran hat das Gericht feinen 3weifel gesinnungsmäßig der Kommunistischen Partei nicht fern." Unser Genosse weist darauf hin, daß er vor Gericht ausgesagt habe, zum ersten Male an jenem verhängnisvollen 17. Juli das kommunistische Verkehrslokal von Prochnow in der Simeonstraße betreten zu haben. Dieses Lokal ist inzwischen eine SA. Kneipe geworden und der geschäftstüchtige Herr Wirt, der noch vor sechs Wochen mit den Kommunisten pattierte, läßt sich jezt stolz mit den Hitlerburschen für den„ Angriff" photographieren. Rothe weist weiter darauf hin, daß er stets allen fommunistischen Irrfinnsparolen scharf ablehnend gegenübergestanden hat und während seiner Tätigkeit als Führer des Tempelhofer Jungbanners einige Kameraden ausgeschlossen hat, weil sie auf den kommunisti schen Leim gekrochen waren. Seine letzte Hoffnung ist das Wiederaufnahmeverfahren! Er weiß, daß bei einer genauen Nachprüfung seine Unschuld sich erweisen muß.„ Es ist so furchtbar", flagt er, so abgeschlossen zu sein!" Die Zeit ist um, schon weist der Beamte höflich, aber mit Nachdruck darauf hin, daß die Besuchszeit bereits um einige Minuten überschritten ist. Noch ein Händedruck, zwei Rufe Freiheit!" der Gefangene Nr. 2468 wird hinausgeführt.
Erschüttert steht man wieder auf der Straße. Während draußen das Getriebe erbarmungslos uninteressiert weitergeht, droht da innen ein Mensch zugrunde zu gehen. Ein Mensch, der sich schuldlos weiß, und dem um der Gerechtigkeit willen Gelegenheit gegeben werden muß, seine Unschuld vor aller Welt zu erweisen.
Mordgeständnis im D- Zug.
Der Frauenmörder schildert das Verbrechen an der Sprachlehrerin. In den gestrigen Abendstunden traf auf dem Anhalter| Frau B. eine entsprechende Beute finden würde. Nachdem er sich Bahnhof mit dem fahrplanmäßigen Zuge aus Stutt in den Zimmern umgesehen hatte, glaubte er immer mehr, daß er gart um 6.42 Uhr der Polizeitransport ein, mit dem der Mörder der Frau Bruscato nach Berlin gebracht wurde. Am Sonntag hatte sich Kriminalkommissar Dr. Bartsch in Begleitung des Kriminalsekretärs Hasenbank nach Stuttgart begeben, um den 23 Jahre alten Friedrich Stark abzuholen. Die Beamten fuhren am Dienstag früh 7.30 Uhr von Stuttgart ab. Unterwegs legte der Mörder dem Kriminalkommissar Dr. Bartsch gegenüber ein Geständnis ab, das sofort noch im Zuge aufgenommen wurde und dessen Protokoll elf Seiten umfaßt.
Die Reichsbahndirektion hatte in dem Zug im dritten Wagen hinter der Lokomotive ein besonderes Abteil für den Polizei transport reserviert. Die Fenster waren verhängt worden. Während sich der Mörder bisher in Stuttgart immer geweigert hatte, An
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gaben über den Mord zu machen und dauernd Ausflüchte_ge= brauchte, legte er jetzt während der Eisenbahnfahrt: das Ge= ständnis ab. Danach wollte er sich wie er es schon zwei Tage zuvor gemacht hatte auch bei Frau Bruscato einmieten, um einen Diebstahl zu begehen. Am 4. und 5. September hatte er schon an anderen Stellen Diebstähle begangen und wohnte eigentlich noch in dem Heim in der Dessauer Straße. Es war am Dienstag, dem 6. d. M., als er gegen 12 Uhr bei Frau Bruscato vorsprach. Frau B. führte ihn durch die Wohnung und zeigte ihm einige Räume. Es gefiel ihm dabei insbesondere das Zimmer, in dem bisher ein Fräulein 5. gewohnt hatte, und in dem dann der Kampf um fünf Mark.
Mord geschah.
Frau B. verlangte von ihm, daß er auf den Mietpreis eine Anzahlung von 5 Mark leiste. Im ersten Moment tat er das, bedauerte es aber bald darauf, weil er nicht wußte, ob er bei der
sich in seinen Erwartungen getäuscht habe. Frau Bruscato hatte inzwischen den Raum verlassen. Friedrich Start ging jetzt hinaus, rief die Frau ins Zimmer herein und verlangte von ihr, daß sie ihm die 5 Mark zurückgebe. Selbstverständlich weigerte sie sich. In der Folge entstand um diese 5 Mart ein Streit, in dessen Verlauf der junge Bursche die Frau niederschlug. Dabei biß fie ihn in den Daumen. Start empfand darüber heftige Schmerzen und griff der Frau nach dem Hals.
Er faßte ein Tuch, schlang es ihr um den Hals und drehte es zu, bis sich die unglüdliche Frau nicht mehr rührte. Alsdann warf er sie über das Ruhebett, wo sie dann auch als Leiche gefunden wurde. In aller Ruhe machte sich Start jetzt daran, die Wohnung zu durchsuchen. Aus dem Portemonnaie der Frau B. nahm er sich etwas Kleingeld, nahm sich auch seine 5 Mark zurück und durchsuchte dann den Schrank des Dr. Wantrupp,
aus dem er diverse Kleidungsstücke stahl. Die Tat hatte sich etwa um 22 Uhr abgespielt. Noch eine ganze Stunde blieb der Mörder am Orte seines graufigen Verbrechens und verließ dann ungehindert das Haus. In seinem Geständnis bestreitet er, sich an der Frau
vergangen zu haben.
Dieses Geständnis wurde während der Fahrt protokolliert. Als der Kriminalkommissar Dr. Bartsch ihn aufforderte, das Zimmer, in dem sich die Bluttat ereignete, aufzuzeichnen, tam er sofort der Aufforderung nach. Der Mörder brachte in der Skizze alle Einzel
heiten an.
Beim Eintreffen des Transportes auf dem Bahnhof hatte sich draußen auf dem Platz vor dem Bahnhof schon eine zahlreiche Menschenmenge angesammelt, die vor dem Portal das Auto der Berliner Mordkommission gesehen hatte. Die Abführung des Mörders geschah aber so schnell, daß die Neugier der Menschen nicht befriedigt wurde. Ein Aufgebot von Schupos hatte den Platz um den Bahn hof abgesperrt.
Mittwoch, 14. Geptember 1932
Erhaltet die Schulspeisung!
Sozialdemokratischer Dringlichkeitsantrag im Rathaus. Die fozialdemokratische Stadtverordnetenfraftion
hielt geffern ihre erfte Sihung nach der Sommerpauſe im Rathaus ab. Nach Erledigung der Tagesordnung der morgigen Stadtverordnetenfißung und einer ausgedehnten Debatte über die Pläne zur Umgestaltung der Berliner Verwaltung wurde ein Dringlichkeitsantrag angenommen, der den Schuh der durch Sparmaßnahmen bedrohten Schulspeisung von Kindern Erwerbslofer bezweckt. Der Antrag hat folgenden Wortlaut:
Durch Verfügung des Oberbürgermeisters vom 5. Juli 1932 ist die Schulmittags Freispeisung durch die Einführung einer Bezahlung des Mittagessens für Kinder von aus öffent lichen Mitteln Unterstützten so stark eingeschränkt worden, daß namentlich in den vorwiegend proletarischen Bezirken die Gefundheit zahlreicher Kinder gefährdet ist. Die überwiegende Mehrheit der Eltern erklärt sich außerstande, von den gekürzten Unterstützungssägen die Beträge zu zahlen, die gefordert werden. Die Stadtverordnetenversammlung wolle daher beschließen:
Der Oberbürgermeister wird ersucht, in eine beschleunigte Prüfung über die praktische Auswirkung der Verfügung vom 5. Juli 1932 einzutreten mit dem Ziele der Wiederherstellung der Schulmittags- Freispeifung in dem vor dem Erlaß der Berfügung bestandenen Ausmaß. Sollten die in den Bezirkshaushalfen kap. VII, 2. Ausgabe Tif. VI Post 4 für diesen Zwed vorgesehenen Mittel nicht ausreichen, erwartet die Stadtverordnetenversammlung eine entsprechende Vorlage.
Freitod Heinrich Dehmels.
Durch Veronal vergiftet aufgefunden.
In seiner Wohnung, in der Potsdamer Str. 118, ist gestern
nachmittag Dr. Heinrich Dehmel, der Sohn Richard Dehmels, Wie die ärztliche Untersuchung ergab, tot aufgefunden worden. hatte Dehmel vermutlich schon am Montagabend eine so starke Dosis Veronal zu sich genommen, daß er aus seiner Betäubung nicht mehr aufwachte.
Als Arzt trat Dr. Dehmel stets als wahrer Helfer und Freund seiner Mitmenschen auf. An der Einrichtung der Eheberatungsstellen hat er ganz besonders starken Anteil. Literarisch sind verschiedene aufklärende Werke aus seiner Feder von Bedeutung.
Die Tat des Lebensmüden wurde von Hausbewohnern entdeckt, die sich darüber wunderten, daß den ganzen Tag das Licht in der Wohnung brannte. Als auf Klopfen niemand öffnete, rief man die Polizei, die sich gewaltsam Einlaß verschaffte. Es scheint nicht ausgeschlossen, daß auch finanzielle Sorgen am Selbstmord des Arztes mitbestimmend waren. Die Leiche iſt zunächst beschlagnahmt und ins Schauhaus gebracht worden.
Einbrecher besuchen Zieh.
Schmuck und Schuhe gestohlen.
Ein verwegener Einbruch ist im Warenhaus Tietz in der Belle- Alliance- Straße 1-3 verübt worden, bei dem die Täter für etwa 5000 Mark Schmuck, Schuhe und Anzüge erbeuteten.
Die Kolonne fam vom Grundstück des neben dem Warenhaus befindlichen Post amtes über den Hof. Die Diebe stiegen an der Feuerleiter der Hoffront bis zum dritten Stod hinauf, zertrüm merten dort eine Scheibe und kletterten hinein. Sie packten zahlreiche Gold- und Schmucksachen zusammen, fuchten das Schuh- und Kleiderlager auf, puppten" sich in der Nacht dort oben an und nahmen noch eine ganze Anzahl von Kleidungsstücken mit. find unerkannt entkommen.
Arbeiter schwer verunglückt.
Sie
Im Betriebe der Firma Cassirer A.-B. in der Kepplerstr. 1/10 in Charlottenburg ereignete sich gestern ein schwerer Arbeitsunfall. Bon einer Drahtziehmaschine löfte sich aus noch ungeflärter Ursache eine große Holzspule. Der 38 Jahre alte Arbeiter Karl Habermann aus Alt- Glienicke wurde von der Spule so unglücklich ge= troffen, daß er mit einer Kopfverlegung bewußtlos zu Boden sank. Durch die Feuerwehr wurde H. ins Westend - Krankenhaus gebracht.
Der
Im Gebenten des großen Naturforschers und Geographen Alexander v. Humboldt , dessen Geburtstag sich heute zum 163. Male jährt, legte gestern vormittag der Geschäftsträger von Guatemala , Gregorio Diaz, am Grabe Humboldts im Tegeler Schloßpart, das noch heute im Befize der Familie v. Humboldt sich befindet, zwei Kränze nieder, den einen im Auftrage der Republik Guatemala , den zweiten als Zeichen der Verehrung seitens der Gesellschaft für Geographie und Geschichte in Guatemala. schlichten Feier wohnten außerdem bei ein Urenfel des großen Toten, Wilhelm v. Humboldt , Geheimrat v. Heinz und Dr. Wittich von der merikanischen Gesandtschaft. Alexander v. Humboldt hat fich unvergängliche Verdienste um die wissenschaftliche, geographische Erschließung der Länder des süd- und mittelamerikanischen Rontinents erworben. Seine große Reise, die er dorthin unternommen hat, galt lange Zeit als Vorbild für alle wissenschaftlichen Reisen und Expeditionen überhaupt.
Des
Rauchers häufige Klage:
meiner Zigarre nach
Gegen Ende läßtd. Geschmack
überwindet
MARKE
NOCH& NOCH NO 10
N° 10 10
N: 15 15
Verursacht durch
besondere Pflege die unsere Tabake
vor d.Verarbeitung durchmachen schmeckt die NOCH& NOCH
bis zum
letzten Ende
Raucht
und in allen U- Bahnhöfen.