Morgenausgabe
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49. Jahrgang
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Sonnabend 17. September 1932 Groß- Berlin 10 Pt. Auswärts 15 Pf.
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Reaktion bedroht Reichseinheit
Gefährliche Pläne.- Zweiheit statt Einheit.
Die Nürnberger Zeitung" veröffentlicht Pläne zur ,, Reichsreform", wie das Kabinett der Barone sie sich vorstellt. Die Grundzüge dieser Pläne werden an unterrichteter Stelle in Berlin bestätigt. Das Blatt teilt mit:
,, Die Politik der bayerischen Regierung gegenüber dem Reich scheint vor einer entscheidenden Kursänderung zu stehen. Unsere Münchener Redaktion hat Spezialinformationen eingeholt, die diesen Wechsel in dem Verhältnis Bayern zum Reich andeuten. Die Reichsregierung soll nämlich eine bereits sehr weitgehende Fühlungnahme mit der bayerischen Regierung durch Herrn von Lersner hergestellt haben.
Man will Bayern für die kommende Reichsreform weitgehende Eventualgarantien der Erhaltung seiner Selbständigkeit anbieten, insbesondere soll es aber seine finanzielle Unabhängigkeit vom Reich erhalten durch entsprechende Aenderung des Finanzausgleichs. Die banerische Regierung selbst hat zu diesen Dingen noch keine Stellung genommen. Es ist aber anzunehmen, daß sie sich jetzt äußern wird.
Entgegen der ursprünglichen Absicht der Reichsregierung, die tommende Reichsreform nach einem Hugenbergschen Plan durchzuführen, der die preußische und die Reichsregierung zwar in einer Hand vereinigen sollte, aber die preußische Verwaltung bestehen ließ, hat sich die Regierung Papen nunmehr entschlossen, nach
eigenen Gedanken noch einen Schritt weiterzugehen und auch die preußische Verwaltung mit der Reichsverwaltung Döllig zu vereinigen.
Die preußischen Provinzen werden Reichsländer werden mit stark dezentralisierten Befugnissen und Aufgaben einer Verwaltung. Die Länder ,, alter Ordnung" Bayern , Württemberg, Baden und Sachsen dagegen werden in ihrer jekigen Form bestehen bleiben, sie sollen sogar eine verstärkte Daseinsgarantie erhalten, indem ihnen wesentliche Teile ihrer
früheren zurückgibt.
finanziellen Selbständigkeit
Einzelheiten sind in diesen Punkten allerdings noch nicht festgelegt, wenngleich angenommen werden kann, daß der neue Vertrauensmann der Reichsregierung in den Ländern, Freiherr Don Lersner, bereits komplette Borschläge nach flaren Plänen gemacht hat.
Wie das Blatt weiter hört, will Herr von Papen selbst nach Beendigung der gegenwärtig afuten innerpolitischen Auseinander segungen seinen Antrittsbesuch in Bayern machen. Ferner beabsichtigt Innenminister von Gayl eine Reise durch die bayerische Ostmark anzutreten mit anschließendem Besuch Münchens ."
Es handelt sich hier um sehr ernste Pläne. Je schmaler sich die Grundlage erweist, auf der das Kabinett Papen steht, um so größer die Pläne, die sie entwirft- und um so verderblicher!
Zunächst einmal: diese Pläne würden auf eine völlige Aenderung der Reichsverfassung hinauslaufen, und wir vermögen nicht zu erkennen, wie die Regierung Papen diese Pläne auf den verfassungsmäßig vorgeschriebenen Wegen verwirklichen könnte.
Vor allem aber: die Verwirklichung dieser Pläne würde nicht eine Reichsreform bedeuten, sondern eine Zerreißung des Reichs!
Als seinerzeit die Pläne zur sogenannten ,, fleinen Reichsreform" abgeschlossen wurden, wurde ebenfalls eine unterschiedliche Behandlung Preußens und der übrigen Länder vorgesehen, aber die Bedenklichkeit dieser Pläne wurde gemildert durch den unverkennbaren Zug zu immer größerer Reichseinheit, der durch das Projekt hindurchging, durch die Tendenz zu größerer ,, Verreichlichung", wie man damals in schauderhaftem Deutsch sagte.
Die Pläne von heute aber führen nicht zu größerer Einheit des Reichs hin, sondern sie zerstören die Reichseinheit! Die Zerschlagung Preußens und die Umgestaltung seiner Provinzen zu Reichsländern soll erkauft werden durch eine verhängnisvolle Auflockerung der Beziehungen zwischen den übrigen Ländern und dem Reich, mit dem Zugeständnis einer Selbständigkeit, die die geltende Verfassung nicht tennt! Neben das Reichsland Preußen tritt ein Kranz von Ländern, die weniger fest zum Reich gehören, an die Stelle eines ein heitlichen festen Gefüges ein Kern mit einer lockeren Außenschicht!
An die Stelle der deutschen Einheit tritt eine deutsche Zweiheit!
Eine Fülle von Problemen knüpft sich an dies Projekt. Was ist aus dem Gedanken der politischen Flurbereinigung in Norddeutschland geworden? Warum wird neben den Ländern Bayern , Baden, Württemberg und Sachsen nicht auch Hessen aufgeführt? Wie würde fünftig die Konstruktion des Reichsrats aussehen? Verfolgt man diesen Plan des Rabinetts der Barone in seine Konsequenzen, so erkennt man, daß er weit rückwärts führt in die Vergangenheit, nicht nur bis zur Bismardschen Konstruktion, sondern zurück bis in die Vorstufen deutscher Reichseinheit vor 1871! Aus der einheitlichen deutschen Republik müßte nach diesen Plänen ein konglomerat von Ländern verschiedenen
Rechts und verschiedener Reichsnähe werden! Wird das einheitliche Band erst aufgelockert, so ergeben sich weitere Perspektiven! Wenn beispielsweise Bayern , wie es angedeutet wird, eine Ausnahmestellung und die finanzielle Unabhängigkeit vom Reich erhält, so werden die monarchistischen Tendenzen in Bayern größere Chancen haben als heute!
Diese Pläne enthüllen stärker als anderes die verderbliche Rolle des Kabinetts der Barone und seinen reaktionären Charakter! Der Kern dieser Pläne für die Kräfte, die hinter Papen stehen, ist die Eroberung Preußens auf dem Bege über diese sogenannte ,, Reichsreform". Sie wollen die
Duldung ihrer Machteroberung und Machtbefestigung in Preußen bezahlen mit einer Auflockerung des Gefüges des will sich in Preußen in Gestalt des Kabinetts der Reichs! Der Agrar- und Industriefeudalismus Barone so festiegen, wie seinerzeit das Herrenhaus in Preußen festsaß und jeden Fortschritt und jede Entwicklung zur Demokratie hemmte. Nicht von ungefähr wird gerade jetzt das Drängen von Stahlhelm und anderer Organisationen stärker, die von der Regierung Papen eine Abschaffung des bemokratischen Parlaments fordern!
Die treibenden Kräfte, die Junker und die Schlofbarone, wollen lieber Deutschland als buntfchedige Musterkarte von Ländern verschiedener Berfassung, als eine demofratische Reichseinheit!
Das verbirgt sich hinter den Projekten, die in unverantwortlichen Kreisen geschmiedet werden! Die Reaktion will Preußen erobern. Sie will Preußen ohne preußische Volksvertretung beherrschen. vertretung beherrschen. Sie will ihre Macht durch das Kommando über die preußischen Erekutivorgane stabilisieren wie einen rocher de bronce. Für die Volksrechte bleibt da tein Raum mehr!
Es ist ein Projekt das für die norddeutsche Reak= tion charakteristisch ist! Diese norddeutsche reaktionäre Macht würde wie eine Pickelhaube die Länder überschatten, deren Verbindung zum Reich gelockert werden soll; sie würde wie ein Alpdruck über den Ländern liegen und die Kräfte der Freiheit und der Demokratie niederdrücken, die sich in
Der Wortlaut des Absagebriefs.
Der Absagebrief der Reichsregierung an die Ab| Leider muß festgestellt werden, daß die deutschen Bemühungen rüstungstonferenz ist am Donnerstag dem Präsidenten der Konferenz, Henderson, übermittelt worden. Der Brief lautet:
,, In den Verhandlungen der Generalfommission, die der Annahme der Resolution vom 23. Juli d. J. vorausgingen, hat der Führer der deutschen Delegation die Gründe dargelegt, aus denen die deutsche Regierung diese Resolution ablehnen mußte. Er hat dabei ausgeführt, daß nach dem Stande der Konferenzverhandlungen die Frage der Gleichberechtigung der entwaffneten Staaten nicht mehr länger ohne Lösung bleiben dürfe. Dementsprechend hat er bei diesem Anlaß die Erklärung abgegeben, daß sich die deut. sche Regierung
an den weiteren Arbeiten der Konferenz nicht beteiligen könne, bevor eine befriedigende Klärung der Frage der Gleichberechtigung Deutschlands erfolgt sei.
bisher
zu feinem befriedigenden Ergebnis
geführt haben. Unter diesen Umständen sehe ich mich zu meinem Bedauern genötigt, Sie davon in Kenntnis zu setzen, daß die deutsche Regierung der Einladung zu der am 21. September d. 3. beginnenden Tagung des Büros der Konferenz nicht Folge leisten kann.
Die deutsche Regierung ist nach wie vor der Ueberzeugung, daß eine radikale Durchführung der allgemeinen Abrüstung im Interesse der Sicherung des Friedens dringend geboten ist. Sie vird die Arbeiten der Konferenz mit 3nteresse verfolgen und sich je nach deren Verlauf über ihr weiteres Verhalten schlüssig werden."
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Nachdem die Resolution gleichwohl zur Annahme gelangt ist, steht schon jetzt fest, daß die künftige Abrüstungskonvention außerordentlich weit hinter dem Entwaffnungsregime des Versailler Vertrages zurückbleiben und daß sie sich von diesem hinsichtlich der Art und Weise der Abrüstung wesentlich unterscheiden wird. Damit die Frage unmittelbar aktuell geworden, wie es mit der Anwendung des fünftigen Regimes auf Deutschland werden soll. Es liegt auf der Hand, daß ohne Beantwortung dieser Frage eine Regelung der einzelnen fontreten Punkte des Abrüstungsproblems nicht möglich ist. Nach Ansicht der deutschen Regierung fann nur eine Lösung in Selbstverständlich ist sie aber nach wie vor zu einem Betracht kommen, die Lösung nämlich, daß
alle Staaten in bezug auf die Abrüstung denselben Regeln und Grundsätzen unterworfen werden
und daß für keinen Staat ein diskriminierendes Ausnahmeregime gilt. Es tann Deutschland nicht zugemutet wer den, an den Verhandlungen über die in der Konvention festzulegenden Abrüstungsmaßnahmen teilzunehmen, solange nicht feststeht, daß die gefundenen Lösungen auch auf Deutschland Anwen= dung finden sollen.
Um diese Voraussetzung für ihre weitere Mitarbeit in der Konferenz so schnell als möglich zu verwirklichen, hat sich die deutsche Regierung inzwischen bemüht, eine Klärung der Frage der Gleichberechtigung auf diplomatischem Wege herbeizuführen.
Ueber die weitere Behandlung der Frage der Gleichberechtigung Deutschlands wird von zuständiger Seite mitgeteilt, daß die Reichsregierung nicht beabsichtigt, die am letzten Sonntag überreichte französische Note schriftlich zu beantworten. Sie bedauert feſtstellen zu müssen, daß diese Note das Problem der Gleichberechti gung sowohl in seinen Voraussetzungen wie in seinen Folgen unrichtig auffaßt und daß sie in feinem wesentlichen Punkte eine Annäherung an den deutschen Standpunkt zeigt, wie er in dem Von deutschen Memorandum vom 29. August dargelegt wurde. einer Fortsetzung des Meinungsaustausches auf dem Wege des Notenwechsels glaubt die Reichsregierung sich feine Förderung der Sache versprechen zu fönnen. Meinungsaustausch auf dem Wege mündlicher diplomatischer Unterhaltungen bereit. Der Reichsaußenminister hat am Freitag den französischen Botschafter in Berlin empfangen und ihm eine entsprechende Mitteilung gemacht. Im gleichen Sinne sind auch die übrigen Regierungen verständigt worden, die von der Reichsregierung mit der Angelegenheit befaßt worden waren.
Weitere zehn Jahre polnisch- französisches Militärbündnis?
Wie die kommunistische Humanité" meldet, ist der franzöfisch- polnische Militärvertrag, der am 15. September abgelaufen ist, von der französischen Regierung nicht gekündigt worden. Der Berzicht auf die Kündigung bedeutet nach Artikel 11 des Abkommens, daß der Vertrag auf weitere zehn Jahre verlängert werde.