Der Abend
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Nr. 444
B 214
49. Jahrgang
Heute mittag erhielten wir durch den Ferndrucker die sensationelle Meldung des Wolffschen Telegraphenbüros zugestellt:
Bon der Reichskanzlei wird mitgeteilt: Dem Reichskanzler sind aus Anlaß des durch Rundfunk verbreiteten Regierungsprogramms eine so ungemein große Anzahl von 3ustimmungserklärungen aus allen Teilen des Landes zu
gegangen, daß er sich zu seinem Bedauern außerftande sieht, fie alle persönlich zu beantworten. Er übermittelt daher auf diesem wege seinen herzlichen Dank allen denen, die sich in der Not des
Baterlandes mit heißem Herzen als kämpfer in die Reihen der Front„ Mit Hindenburg für Deutschlands Erneuerung" stellen.
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Das ist doch noch die wahrhaft patriarchalische Art der Staatsführung, sie erinnert an die Zeiten, in denen die Statistik eine Geheimwissenschaft und die Veröffentlichung einer statistischen Zahl Hochverrat war. Eine ungemein große Anzahl von 3ustimmungserflärungen" das flingt so, wie wenn ein Greis am 80. Geburtstag gerührt inseriert: mir ist eine so ungemein große Zahl von Glückwünschen zugegangen, und da es dann meiterzugehen pflegt: außerstande um auf diesem Wege, so geht es auch in dieser Berlautbarung nach dem Schema des Danfinserats eines Jubilars weiter. Wie schön würde sich diese Berlautbarung als Inserat mit freundlicher Umrandung im Ring", dem Organ des Herrenklubs, ausnehmen!
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Herr von Papen hat Zustimmungserflärungen erhalten. Wir erfahren leider nicht, ob es 200 oder 500, ob 1000 oder gar 5000 maren. Auch werden wir nicht informiert, ob die Zahl der Zustimmungserklärungen die Zahl der Mitglieder des Herren klubs und der Herrengesellschaften im Lande ereicht. Es stimmt uns bedenklich, daß in dieser Verlautbarung auf die gebräuchliche Formel ,, aus allen Teilen des Landes", nicht die andere, sonst gebräuchliche Formel folgt ,, und aus allen Kreisen der Bevölkerung". Wir sind nun einmal der schönen patriarchalischen Herzlichfeit entwöhnt, die nicht nach Zahlen fragt, wenn der Landesherr der Liebe seiner Untertanen versichert wird. Wir pflegen die harte Nüchternheit der Zahlen, und wir messen die Zu stimmung der Bevölkerung nicht an den Glückwunschschreiben, die Herr von Papen erhält. Wir sehen vielmehr zwei ganz eindeutige Ziffern: 512 Stimmen, die im Reichstag gegen Papen, 42 Stimmen, die für ihn abgegeben worden sind. Wir glauben nicht, daß die Zahl der Briefe, die Herr von Papen erhalten haben kann, diesen Eindrud ver= wischen fann.
Aber es ist ja eine bekannte Sache: je kleiner das Häuflein der Getreuen, um so herzlicher die Beziehungen! Je näher die Freunde Papens ans einanderrücken, um so deutlicher wird der Gegensatz: dort Papen und seine Getreuen, hier das Volf!
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Die Herren suchen eine Partei. Die Bayerische Volkspartei wird vom Herrentlub umworben • In der Papen- Presse wird auf Grund der Unterredung, die am Montag zwischen dem Reichskanzler und dem bayeri schen Ministerpräsidenten sowie dem bayerischen Staatsrat Schäffer stattgefunden hat, geflissentlich die Behauptung verbreitet, daß diese Unterredung zu einer weitgehenden Entspannung des Verhältnisses zwischen Bayern und dem Reich geführt habe. Darüber hinaus wird erklärt, daß die Bayerische Volkspartei sich in Zukunft feineswegs mehr so eng an die Zentrumspolitit anzulehnen gedenke, wie das bisher der Fall ge wesen sei.
Diese Behauptungen sind nach Informationen von zuverlässiger Seite ebenso irrig und falsch wie die Meldungen, die seit Wochen über den Eindruck der Papen- Regierung und ihrer Maßnahmen im Auslande durch offiziöse Quellen in Deutschland verbreitet werden. Der bayerische Ministerpräsident und Staatsrat Schäffer haben vielmehr die maßgebenden Persönlichkeiten des Zentrums noch am Montag über den Verlauf ihrer Besprechungen in der Reichsfanzlei unterrichtet und zugleich betont, daß die Bayerische Volkspartei auch in Sufunft sowohl in politischer als auch in wirtschaftlicher
Ungeheuerliche Lügen des„ Angriff" über eine bescheidene Angelegenheit
Der Angriff" hat gestern eine spaltenlange Lobhudelei| Das hat den Angriff" zu folgenden Schlagzeilen begeistert: auf seinen Borgesetzten Goebbels veröffentlicht. Goebbels Dr. Goebbels in Wien . Desterreich huldigt hat eine Versammlungsrede in Wien gehalten. dem Gauführer Berlins ." Unter dieser marktschreie=
Die feinen Leute
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Goebbels bringt seiner Frau den Hoffnicks bei
Hinsicht aufs engste mit dem Zentrum zusammenarbeiten und zu sammen marschieren werde. Von irgendwelchen Absichten und Be reform oder anderer Probleme, merde die Zentrumspartei jederzeit schlüssen der Bayerischen Volkspartei , sei es hinsichtlich der Reichsrechtzeitig und so informiert werden, daß die Beschlüsse in gegen jeitiger Uebereinstimmung gefaßt werden könnten.
rischen Selbstreflame wird im Angriff" berichtet:
,, Zwei Tage hindurch stand Wien wieder einmal im Zeichen des Hakenkreuzes. Um 11.30 Uhr vormittags hatte sich bereits eine viel tausendköpfige Menschenmenge vor dem Bahnhof angesammelt, um Dr. Goebbels bei seiner Ankunft zu begrüßen... Nur mit allergrößter Mühe konnte unsere SS. verhindern, daß der Bahnhof von der begeisterten Menge nicht einfach gestürmt wurde. Es sah einen Augenblic recht bedenklich aus."
Es war alles ganz anders! Knapp bevor der Zug heranrollte, aus dessen Schlafwagenfenster Herr Dr. Goebbels seine grüßende Hand zu einer unübersehbaren Masse erheben zu fönnen hoffte, waren immer bloß erst ungefähr 500 Menschen versammelt, die nicht mehr werden mollten. Dort, wo in drei Reihen nebeneinander die Autotaris stehen, machten ein paar fleine Grüppchen ,, Bewegung", eine Ehrenfompagnie der SA. hielt das rote Tuch mit dem Hakenkreuz hoch und etliche Führer waren sehr sichtlich nervös, als sie die Kläglichkeit dieses mit großen Worten angekündigten Empfanges sehen mußten.
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Der Empfang selbst war- dem mageren Häuschen der Unentwegten angemeffen alles eher denn gewaltig. Faschistengruß, Händedruck und der Versuch jener von den Nationalsozialisten so gerne geübten Litanei: ,, Deutschland erwache Juda verrecke!"
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Als am Abend Herr Dr. Goebbels den Zug bestieg, um wieder nach Berlin zu fahren, weinten ihm insgesamt wohf= gezählte zweiundzwanzig Hafenkreuzler je eine einsame Träne nach.
Die ,, Neue Freie Presse" fonstatiert: Man muß objektiv feststellen, Goebbels hat Pech gehabt." 500 Leute zum Empfang, 22 zum Abschied, das nennt der Angriff":„ Desterreich huldigt dem Gauführer Berlins ." Arme„ Angriff"-Leser!
Führung bringen zu können, sei vollständig gescheitert. Die Regierung stehe vor einem Scherbenhaufen.
kommunisten, die Versammlung durch Geschrei zu stören. Zu Beginn der Rede Grzesinskis versuchten eine Anzahl von Sie warfen mit Tomaten nach dem Redner. Bon Jungsozialisten wurden die Kommunisten rasch aus dem Saale herausgeworfen, so daß die Versammlung dann einen ungestörten Verlauf nehmen fonnte. Die Kommuniffen find in Dänemark eine vollkommen be
Tagung des Parteiausschusses. beutungsloſe Gruppe. Es iff bezeichnend für fie, daß fie ausgerechnet
Klar zum Gefecht!
Heute vormittag ist der Parteiausschuß der Sozialdemokratie zusammengetreten, um die letzten Vorberei tungen zur bevorstehenden Reichstagswahl zu treffen. Nach einem Referat des Parteivorsitzenden Otto Wels fand die allgemeine politische Aussprache statt, die am Nachmittag fortgesetzt wird.
Grzesinski in Kopenhagen . Kommunistische Störungsversuche rasch unterbunden.
Kopenhagen , 20. September. ( Eigenbericht.) Am Montagabend sprach im Gewerkschaftshaus Genosse Grzesinski in einer Veranstaltung der Lesegesellschaft der Arbeiter. Genosse Grzejinski hielt eine scharfe Abrechnung mit der Papen- Regierung. Das Experiment dieser Regierung, die sich eingebildet habe, die Nationalsozialisten unter ihre
einen sozialdemokratischen Redner zu stören versuchten, als dieser in schärffter Form gegen die reaktionäre deutsche Regierung polemisierte!
Die Diskontsenfung. Zentralausschuß für Mittwoch einberufen.
Wie WTB.- Handelsdienst erfährt, ist der Zentralausschuß der Reichsbank auf morgen, Mittwoch, dem 21. September, 11 Uhr, einberufen. Wie wir hierzu aus Banffreisen noch hören, dürfte nach Aufhebung der Diskontbindung die Frage einer Diskontsentung um 1 Prozent erörtert werden.