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Das /sabotierte� Eondergericht Eleben Freisprechungen und eine Geldstrafe. Bieleseld, ZI. September.(Eigenbericht.) Eine der seltsamsten Sondergerichtsoerhandlungen, die bisher überhaupt durchgeführt wurden, spielte sich heute in Viele- feld ab. Auf der Anklagebank saßen neben vier National- s v z i a l i st e n vier junge Republikaner. Die Nationalso- Zialisten waren des einfachen bzw. des schweren Landfriedensbruches angeklagt, während die Republikaner wegen gemeinschaftlicher gefähr- licher Körperverletzung äls Angeklagte neben ihnen saßen. Die Verteidiger der sämtlichen Angeklagten hatten in dieser Sache einen gemeinsamen Schritt beim Zustizministerium getan, der von dort an den Generolstaatsanwalt in Hamm weiter- gegeben worden war. Da die Vorfälle weit vor dem Erlaß der Notverord- n u n g für die Sondergenchle lagen, hatten sie beantragt, das Ver- fahren dem ordentlichen Gericht zu überweisen und es vorläufig bis zu einer endgültigen Stellungnahme des preußischen Staatsrats zu vertagen. Die Ablehnung dieses Antrages durch den General- ftaatsanwalt traf erst während der Verhandlung ein. Die Angeklagten und ihre Verteidiger gingen jedoch g e- schloffen gegen das Sondergericht an, indem sie beider- seits von vornherein erklärten, daß man auf das Recht der Reben- klage verzichten wolle, weil man auch seinem schärfsten Gegner nicht wünsche, daß er von einem Sondergericht abgeurteilt würde. In der Tat versuchten beide angeklagten Gruppen im Laufe der Verhandlung sich gegenseitig nicht zu belasten. Auch die Zeugenaussagen brachten keine Ausklärung. Der Staatsan- walt erklärte das als einen glatten Sabotageakt gegen- über dem Sondergericht, der leider gelungen fei. Etwas Derartiges müsse in Zukunft mit allen Mitteln unterbunden werden. Er konnte nur für einen der Angeklagten, der bereits in der Vor- Untersuchung sich selbst belastet hatte eine dreimonatige Gefängnis- strafe beantragen, während er für die übrigen sieben Angeklagten auf Freispruch mangels ausreichender Beweise plädierte. Die Ver- leidiger plädierten nicht. Das Gericht selbst sprach die siebe» Angeklagten antragsgemäß srei, während einer wegen Korperverletzung in zwei Fällen zu 250 Mark Geldstrafe verurteilt wurde. Der Borsitzende des Sondergerichts sagte in der Urteilsbegründung, daß es erfreulich sei, daß einander feindliche Parteien in der- artige Weise sich zu einem Burgfrieden, den man auch für das öffentliche Leben wünschen könne, zusammengefunden hätten. So bedauerlich das auch an und für sich für die öffentliche Ordnung fei, ist in diesem Falle eine Aufklärung der Vorgänge dadurch ver- eitelt worden.

Das Ergebnis von Eireja. Ein Eubventionsfonds für Eüdosteuropa- fönst nichts! Die Konferenz von Strefa, auf der über Hilfsmaßnahmen für die südosteuropäischen Staaten beraten wurde, hat als Cr- gebnis nur ein mageres Kompromiß gebracht. Dieses Kompromiß ist eine Vereinigung der deutschen , französischen und italienischen Vorschläge. Es besteht in einem Bericht des Wirtschaftskomitees der Konferenz, der einstimmig angenommen wurde. Der Bericht sieht als einzig greifbares Ergebnis die Bildung eines Fonds in höhe von 7S Millionen Schweizer Franken vor, der den füdosteuropäischen Ländern(Ungarn . Rumänien , Süd- flawien und Bulgarien ) eine Preisaufbesserung für ihre Getreide­produktion gewähren soll. Diese Preisausbesserung soll sich auf die Getreidemengen beziehen, die im Durchschnitt der drei?ahre von 1929 bis 1931 exportiert wurden. Das sind 16 Mill. Doppel- zentner Weizen, 15 Mill. Doppelzentner Fultergerste, 13,5 Mill. Doppelzentner Mais, 4,9 Mill. Doppelzentner Roggen, 3 Mill. Doppelzentner Brauereigerste und 1 Million Doppclzentner hoser. Es ist vorgesehen, daß für jeden Doppelzentner Weizen 2 Schweizer Franken und für die anderen Getreidearten je Doppelzentner 1,5 Franken gezahlt werden. Die Agrarländer haben sich dafür ver- pflichten müssen, eine liberale Handelspolitik zu treiben, ohne daß dafür im einzelnen Feststellungen getroffen wurden. Aber die Rechte derjenigen Länder, die mit diesen Staaten Meist- begünstigungsverträge abgeschlossen haben, sollen in keiner Weise beeinträchtigt werden. Wie sich die Einzahlungen in diese Fonds auf die einzelnen europäischen Industrieländer verteilen werden, steht noch nicht fest. Die Feststellungen sollen von dem auf der Konferenz ein- gesetztenEuropäischen Studientomitee" getroffen werden. Deutschland wird keinerlei finanzielle Beitragsleistungen zu erfüllen haben, da es mit den südosteuropäischen Agrarstaaten Verträge abgeschlossen hat, in denen diesen bei der Einfuhr von Weizen, Futtergerste und Mais nach Deutschland Vorzugs- Zölle eingeräumt werden. Eine wirksame Hilfe für die südosteuropäischen Staaten, die mehr oder minder vor dem finanziellen Zusammenbruch stehen, kann in dem Konferenzergebnis von Strefa nicht erblickt werden. Die vorgesehenen Preiszuschüsse können die Lage der süd- osteuropäischen Landwirtschaft nicht durchgreifend bessern, um so weniger, als kein einziges Land, auch Deutschland nicht, ein« Abnahmeverpflichtung für lüdosteuropäisches Getreide«ingegangen ist. Die Ausfuhr der jüdosteuropäischen Staaten aber besteht zu etwa vier Fünfteln in der Getreideausfuhr. Sie sino also nur bei einem hohen Getreideexport überhaupt in der Lage, eine liberal« Handelspolitik zu treiben. Die viel wich- tigeren Fragen, wie die Außenhandelsbeziehungen der südosteuropäi. sehen Länder und wie ihre Staatsfinanzen verbessert werden können, sind in Stresa kaum in Angriff genommen worden.

Großfeuer in Neukölln. Zwei Dachflühle in Flammen. Durch ein heftiges Feuer wurden heute früh die Dachflühle des Vorderhauses und Seitenflügels Sander st ratze 4 in Reu- kölln nahezu zerstört. Die Feuerwehr war stundenlang mit der Bekämpfung des Grotzseuers beschäftigt. Kurz nach 8 Uhr wurde das Feuer von Hausbewohnern bs- merkt. Auf dem Treppenflur des Vorderhauses machte sich starke Verqualmung bemerkbar, und bald darauf schlugen aus den Bodenluken die hellen Flammen empor. Es scheint, daß der Brand lange Zeit unbemerkt geschwelt hat, denn als die Feuerwehr mit v-er Löschzügen an der Brandstelle eintraf, hatte das Feuer vom Vorderhaus bereits auf den Seitenflügel übergegriffen Sofort wurden sechs Schlauchleitungen und ein Dutzend Rauchschu�geräte in Betrieb genommen. Trotz aller Be- mühungen der Wehren brannten die beiden Dachstühle zum größten Teil nieder.

Mar Elevoat und fein Werk

Zu seinem Tode

Mitten aus einem unerhört reichen Schaffen ist Slevogt ab- berufen worden. Er stand jenseits des Parteienstreits um Kunst- richtungen, wie Corinth , obwohl er gleich diesem gewohnheitsmäßig zum Impressionismus gerechnet wurde. Jetzt, da man fein Werk als abgeschlossen betrachten kann, wird man gestehen, daß er bei manchen Einschränkungen ein großer Maler, ein größerer Gestalter in echt deutschem Sinne gewesen ist. Die großen Ausstellungen, die vor vier Jahren seine Lebensarbeit vor uns ausgebreitet haben, haben uns eindringlichst die universelle Bedeutung dieses sehr deutschen Künstlers erwiesen; sie waren ungewöhnlich gut zusammen- gestellt und ergänzten einander zu einem überreichen Gesamtbild. Damals ist Slevogt zu seinem 66. Geburtstag in so würdiger Weise gefeiert worden, und es ist nicht müßig, daran zu erinnern. Wenige Tage vor Vollendung seines 64. Gebrutstages ist er heim- gegangen, in seinem pfälzischen Landsitz, nach einer eben vollendeten

Arbeit, die dem Unermüdlichen am herzen lag wie die geistig ganz anders orientierten, technisch sreilich artverwandten Fresko-Malereien inNeu-Kladow(jetzt im Kronprinzen-Palais) und im B r e m e r Ratskeller, und die er selbst ahnungsvoll als seine legte be- zeichnet hat: den Wandgemälden in der Ludwigshasener Friedenskirche. Max Slevogt war am 7. Oktober 1868 in Landshut a. d. Isar geboren. Es war ein Künstlerdasein voll glücklichster Voraus- setzungen und Uebereinstimmung zwischen Temperament, Bestimmung und Wollen, wo Geblüt und Erziehung sich zu einer oorbestimmten Harmonie oerbanden: beneidenswertes Schicksal eines begnadeten Menschen. Alles, was Slevogt hernach und außerhalb dieses schönen Lebens- und Begabungskreijes widerfahren und von ihm zu einer fast nicht übersehbaren Produttionssülle verarbeitet worden ist, wirkt doch nur wie eine Folge seines geschlossenen Jugendkreises. Man muß wissen, daß er schon vom vierten Lebensjahr an gezeichnet, daß

er auf der Schule die Odtssfee, den hannibalszug und andere Lese- früchte ständig in Illustrationen umgesetzt 1885 kam er nach München in die D i e z s ch u l e, die ihm mit ihren Malproblcmen die Phantasie einstweilen austrieb; Paris 1889 und Italien fügten nichts Wesentliches hinzu; erst Böcklin erregte ihn heftig wieder 1894 in München , und dessen Fabulier- kunst wurde ihm zum wahren Prüfstein, an dem sich in der Folge die beiden Seiten seines Genius erprobten und mit Bewußtsein schieden. Zunächst versuchte er, in München , und mit Hilfe von Rembrandt , das Phantasieclement mit malerischer Form zu ver- schmelzen; leidenschasterfüllte Visionen wie der Totentanz und vor allem das berühmte Triptychon des Verlorenen Sohnes (1898) beschränkten sich ganz auf farbige Lösung im Oelbild. Aber im gleichen Jahr 1898 schon begann er seine Entwürfe zu Ali Baba in zeichnerischer Skizzenform niederzuschreiben; und wahr- scheinlich ist es die endgültige Uebersiedlung nach Verlin 1961, die ihm zu seinem heil die geistige und seelische Kraft des Entschlusses gab, auf malerischem Wege nur mehr Naturwahrheiten zu suchen, seine überreich strömende Phantasie aber im Illustrativen, in Zeichnung und Graphik zu verwirklichen. In diesem Entschluß ist Slevogts Größe beschlossen. Sein Talent war zwiespältig, und es war schwierig, auf dem langwierigen Umweg über die Farbe und das umjängliche Oelbild den Reichtum seiner Vorstellungen zu fassen. Indem er erkannte, daß seine ur- sprünglichsten Gaben illustrativer Natur waren, konnte er zum gr ö ß t e n Illustrator der Deutschen nach Menzel empor- steigen: er befreite seine Phantasie von der drückenden Last mal- technischer Voraussetzungen und gab sein Eigenstes in unerschöpflich quellenden Zeichnungen zu Dichtergebilden. Diese graphischen Folgen haben seine Kunst erst populär gemacht: sie sind zum ureigensten Besitz unseres Volkes geworden, voll von deutscher Erfinderlust und Drastik, der Romantik so nahe wie allen Abgründen brutaler Wirk- lichkeit, Schnörkel tiefsinniger Fabulierlust, kindlichem Verständnis so zugänglich wie dem feinsten Raffinement des 5lunstfreundes, und ganz erfüllt vom Bewußtsein musikalischer und dichterischer Schönheit. In seinem gemalten Werk ist darstellerische und formale Spannung in einem ähnlichen Umfang verkörpert, wenn auch nicht ganz auf der Basis höchster Qualität. Es gibt aus allen Epochen Gemälde von Slevogt , die den Reiz der Farbe vom krassen Realis- mus bis zu verträumter Romantik offenbaren, von der wilden Phantaftik des Totentanzes(1896) bis zu der atmosphärischen Wahrheit seiner pfälzischen Landschaften. Manchmal ist man ver- sucht zu sagen, er fei in erster Linie als Maler ein Meister des Lichts in der Landschaft, so vollendet gelingt ihm der Einklang von Luft, Farbigkeit, Landschastsausbau und Seele der Natur. Doch überwiegt auch hier oft das Jmprovisatorifche. Was nicht auf den ersten Anhieb gelang, wurde nicht immer durch Fleiß bezwungen, und eigentlich find auch hier die schönsten Früchte Skizzen und Entwürfe, wie bei den Illustrationen. Das Wesen deutscher Be- gabung, abgesehen vom zusammentragenden Fleiß genauester Naturhingabe(die Slevogt nicht gegeben war), zeigt sich in seinem Werk mit wundervoller Offenheit: der Reichtum des Einfalls, die Stärke dramatischer Darstellung, die Intensität des Ausdrucks. Lsul?. SeKmickt.

Französischer Frontfilm. .MarmorhauS". Nach all dem patriotischen Kitsch und den subalternen Kasernen- hosschwänten der letzten Zeit wird noch einmal die Erinnerung an die guten und packenden Kriegsfilme, anWestfront 1918" und an Im Westen nichts Neues" wachgerufen. Der französische FilmDie hölzernen Kreuz e", Regie Raymond B e r n a r d, steht seinen großen Vorgängern an Routine und Wissen um dramatische Wirkung um einiges nach: aber er übertrifft sie womöglich noch in der unerhörten Schilderung des Schlachtfeldgrauens. BeiIm Westen nichts Neues" gab es ein raffiniert ausgeklügeltes Wechselspiel zwischen Heimat, Etappe und Front, und das Schicksal einer Generation wurde am Schicksal scharf herausgearbeiteter Typen gezeigt. Das Unmenschliche war vermenschlicht. In denhölzernen Kreuzen" spielt die Heimat kein«, die Etappc kaum eine Rolle und die Vordergrund-Soldaten sind wenig typisiert: dafür plauzt und pardauzt die entfesselte Front in einem infernalischen Furioso: immerhin nicht ohne Gliederung und nicht ohne Steigerung. Prinzipiell Neues über das Fronterleben ist nicht mehr zu sagen. Ein paar neue Nuancen indessen werden ihm abgerungen. hin und wieder einmal taucht ein Frontbild auf, das posenhaft wirkt und anSchlachtfeldpanorama" erinnert. Lange hält es frei- lich niemals vor. Der Gewittersturm der Granaten fegt es im Nu fort. Ein« Meisterleistung der Regie ist der Einzug der verdreckten Frontsoldaten in das Etappendorf. Die heimlich immer vorhandene antimilitaristische Tendenz kommt in dieser Szene ohne Aufdring- lichkeit, rein aus der Konfrontation der Tatsachen heraus, wunder- voll zum Durchbruch. Vielleicht ist das Beste, was man über diesen erfreulichen und guten Film sagen kann, daß man die Nationalität der handelnden vergißt und daß Form und Farbe der Uniformen ohne Bedeutung werden. H. B. Phoiographierte Operette. Gräfin Mariza " im Primus-Valast. Wie oft ist das den filmfchaffenden Herrschaften in den letzten zehn, zwölf Jahren nicht gesagt worden:Photographiert doch um Gottes willen nicht das Theater, es kommt ja nichts dabei heraus!" Was hat's genützt? Sie lernten nichts zu und machen immer das» selbe. Diesmal haben sie Drehbuchverfasser Friedemann-Frederich mit dem Regisseur(Richard Oswald ; immerhin Richard Os- wald!!) offenbar ein Stillhalteabkommen getroffen; Strophe um Strophe der Leharfchen Liedlein wird abgesungen und herunter- gegeigt, ohne daß es den lieben Leuten auch nur einfiele, die Kamera-Einftellung zu ändern, ohne daß es chnen in den Sinn käme, daßstehende Szene" ein Opernbegriff ist, der im Wörter- buch eines Filmregisseurs gar nicht vorhanden fein darf! Oder halten es die Trefflichen vielleicht fürAuflösung des Musikalischen ins Filmische", wenn der Sänger zwischendurch mal ein Gläschen genehmigt, ein« Zigarette entzündet oder aber, wenn er eine Strophe sitzend, eine andere stehend, die dritte vielleicht in Großaufnahme ins hell lautlackende Publikum schmettert? Oswald kann auch anders, wir wissen es: um so ärger, wenn er diese kindisch«. dilettantische, silmhistorisch-anriquierte Angelegenheit unter seinem biamen hinauegehen läßt. Hubert M a r i s ch k a benimmt sich haargenau wie auf der Operettenbühne; mit dem selbstverständlichen Erfolg, daß er un»

säglich komisch wirkt, was freilich nicht seine Schuld ist. Dorothea Wieck unvergeßliches Menschenantlitz inMädchen in Uni- form", hier ist sie kaum wiederzuerkennen, eine albern« Film- puppe wie hundert andere. Szöke Szakall ist der einzige Licht- blick des Ganzen, eines Ganzen, das in die Joachimsthgler Straße gehört, wo man zur Belustigung des Publikums Filme aus jener Zeit zeigt, in der man eigentlich noch gor nicht filmen konnte.>v. Die humorvolleGlimme zum Tag". Zeitgemäßes im Rundfunk In Moabit tagen jetzt die Sondergerichte. Moabit ist plötzlich sür jeden aus dem Volke ein Begriff geworden: Kriegsgericht wird hier gehalten gegen die eigenen Bolksgenossen. Jahrzehnte, Jahr- hunderte Zuchthaus und Todesstrafen lauern im Hintergrund: zer- störte Jugend, vernichtete Familien, Heimsuchungen bis ins dritte und vierte Glied. Es ist zeitgemäß, heute über Moabit zu sprechen. Aber was wußte die Berliner Funkstunde, die in den letzten Wochen so oft die VokabelGefühl" aus freiherrlichem und nationalsozia- listischcm Munde zu den Hörern trug, in ihrerStimme zum Tag" von Moabit zu sagen? Ein Herr Otto Paust erzähltehei­teres aus Moabit "! Auch in den Moabiter Gerichtsgängen, erklärte er,kichert das Lachen, flattert der Humor"; er berichtete schauderhaft affektiert von irgend einer Bagatellverhandlung. Der Rundfunk ist eben amtliches Regierungsblatt geworden, das den wohlverwalteten Staat zum Gebrauche für Untertanen abbildet. Die Stimme zum Tag", falls sie nicht von verstorbenen Oberhof - Predigern, Gerichtsanekdoten oder Zugvögeln zu künden weiß, fällt aus. Allerdings auch von der Mondfinsternis hatte sie Kenntnis genommen: aus besonderer Sympathie für diese komische Verdunke- lung sogar fünf Tage vor ihrem Eintritt! Womit die Stimme zum Tag" doch sicher ihre besondere Fortschrittlichkeit dargetan hat. lz. , /Lunggesellen". Kleines Theater. Die ehemalige Rotterplantage steht jetzt leer. Gestern abend wurde sie zu einem einmaligen Spiel geöffnet. Von einer unbe- kannten Autorin Maria Ferber wurde mit unbekannten Kräften einmalig ein Stück aufgeführt, das sicher nie wieder oas Licht der Rompen erblicken wird. Im Publikum machten sich gruppenhafte Zusammenhänge geltend; die ganze Verwandtschaft der Autorin es muß eine ziemlich große fein war versammelt, und sie hatte ihre Karten bezahlt. So unwichtig der Abend ist, vielleicht ist hier doch ein Anfang für ein« neue Theaterorganisation sichtbar: das Familientheater. Bisher waren wir der Meinung, daß die Familie für den jungen Künstler meist eine Hemmung bedeutet, gegen die er sich erst durchsetzen muß. hier aber sah man den kulturfördernden Einfluß der Familie oder der Freundschaft(jüdisch: Mischpoche). Und so wird man vielleicht in Zukunft an den Theatern lesen: hier können Familien Stücke aufführen. Die Zeiten sind schlecht für das Theater und man muß alle Möglichkeiten ins Auge fassen. Auch in theaterrechtlichcr Beziehung war der Abend nicht ohne Interesse. Am meisten Heiterkeit löste die Korridorklingel aus man hätte das Stück auchDie verhängnisvolle Klingel" nennen können. Sollte man den Klingellieferantcn nicht auf dem Zettel nennen? Erheblicher aber ist ein anderes Problem: haben Frei- berger(Leute mit Freikarten) das Recht, sich auf eigene Hand zu amüsieren?_c.