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BERLIN  Montag 26.September 1932

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Nr. 454

B 219

49. Jahrgang

Notwehr gegen Lohnabbau

Erfolgreiche Abwehrstreiks- Antworten an Schäffer

In der Spinnstoffabrik Zehlendorf   ist der Abwehr­fampf der Arbeiter gegen den angefündigten Cohnabbau auf Grund der Notverordnung erfolgreich beendet worden. Nachdem am Sonnabend die zweite Schicht nicht mehr zur Arbeit erschienen war, hat die Firma den Arbeiterrat zu sich gebeten und sich mit ihm dahin verständigt, daß der Anschlag wieder zurüd­gezogen wird, in dem für die 31. bis 40. Arbeitsstunde in der Woche die Senkung der Tariflöhne um 40 Pro3. angekündigt worden war. Daraufhin ist am Montag die Arbeit wieder aufgenommen worden.

Gleichfalls erfolgreich beendet wurde der Abwehrstreit der Hilfsarbeiter bei der Buchdruckerei Otto Elsner, die fich gegen einen Lohnabbau richtete, der auf Grund eines verbindlichen Schiedsspruches vorgenommen werden sollte. Die Firma hat sich bereit erklärt, Leistungszulagen in der Höhe zu zahlen, daß der in dem verbindlichen Schiedsspruch vorgesehene Lohnabbau damit wieder ausgeglichen wird. Die Streiftage werden den Hilfsarbeitern voll bezahlt, jedoch wird die durch den Streif verlorengegangene Arbeitszeit durch eine vorübergehende Berlängerung der Wochenarbeitszeit von 40 auf 48 Stunden wieder nachgeholt. Die an der Arbeit durch den Streif der Hilfsarbeiter behinderten Druder bekommen die Streifzeit ebenfalls voll be zahlf, ohne die verlorene Arbeitszeit nacharbeiten zu müssen. Das gleiche trifft auch für die Buchbinder zu, wo es infolge von Maßregelungen zur Aussperrung fam. Bei den Buchbindern werden die Maßregelungen rüdgängig gemacht und auch die entlassenen Jeithilfen wieder eingestellt.

In zwei weiteren kleineren Buchdruckereien, wo ein Lohnabbau auf Grund der Notverordnung angefündigt worden ist, hat man die Anfündigung wieder zurüd gezogen.

Neuer Lohndruck in Sicht?

Spliedt antwortet Schäffer.

Reichstagsabgeordneter Genosse Spliedt, Sefretär des All­ gemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes  , sprach am Sonntag in einer Sektionsversammlung der Brauerei- und Mühlenarbeiter im großen Saal des Gewerkschaftshauses. Er antwortete dem Reichs­arbeitsminister Schäffer.

Spliedt kritisierte zunächst den Teil der Notverordnung vom 4. September, der die Unternehmer berechtigt, bei Neueinstel. fungen die Löhne zu fürzen. Ueber die wirtschafts politischen Maßnahmen, wie z. B. über die Gewährung von Steuergutscheinen und Einstellungsprämien, lasse fich reden, obwohl die große Gefahr nicht zu bestreiten ist, daß diese Maßnahmen eine gefährliche Verschiebung der konkurrenzverhältnisse nach sich ziehen könnten und in den Fällen, wo Einstellungsprämien nicht gegeben werden, zu einem Abfall von den Tarifverträgen und zu ver­stärktem Lohndruck drängen.

Mit aller Entschiedenheit müssen sich jedoch die Gewerkschaften gegen den notverordneten Lohnabbau wehren. Die Form der Durchführung mache für die Zukunft die Berech nung des Tariflohnes völlig unübersichtlich und damit den Tarifvertrag völlig wertlos. Der Lohnabbau selbst schränkt die Kaufkraft der breiten Massen noch stärker ein, um so mehr, als der Lohnabbau sich keinesfalls nur auf die Betriebe beschränken wird, die Mehreinstellungen vorgenom men haben. Die Wettbewerbsverhältnisse der Betriebe untereinander werden dahin drängen, daß der Lohnabbau ein allgemeiner wird. Die Arbeiter haben also alle Veranlassung, sich gegen diesen neuen Lohnabbau mit allen gesetzlichen Mitteln zu wehren. Daß der Reichsarbeitsminister bezüglich der

Friedenspflicht der Gewerkschaften

eine andere Auffassung vertritt als diese, ist nicht neu. Das Interviem ändert an den Dingen nichts. Die von den Gewerkschaften ver­tretene und in der letzten Gewerkschafts- Zeitung" eingehend dar­gelegte Rechtsauffassung wird durch das Interview nicht erschüttert. Entscheiden fann in diesem Streit nur die Arbeits= gerichtsbarkeit. Der Reichsarbeitsminister versucht jetzt die Arbeitslosen gegen die noch im Betrieb Stehenden auszuspielen und stellt es so ( Fortfegung auf der 2. Seite.)

Herriots Ausfälle gegen Deutschland  

Scharfe Stellungnahme gegen Schleichers Wehrforderungen

Paris, 26. September.  ( Eigenbericht.) Der franzöfifche Ministerpräsident Herriot   hat am Sonntag auf einem Bantett in Gramat( Südfrankreich  ) eine Rede gehalten, die durch ihre außerordentliche Schärfe gegen die deutschen  Militärforderungen auffällt. Herriot   wandte sich insbesondere gegen den Reichswehrminister von Schleicher und das von dem Reichspräsidenten   verfügte Reichskuratorium zur Ertüchti­gung der deutschen   Jugend.

Herriot   feierte zunächst den Frieden und bezeichnete den Krieg als ein Rollettivverbrechen. Er fuhr dann fort: Wir stellen mit Freude fest, daß wir nicht allein erklärt haben, daß eine

Wiederaufrüffung Deutschlands   der Anfang einer Rüdfehr zu den alten Torheiten

wäre; denn es handelt sich in der Tat um eine Ausrüstung. Be weise dafür sind im Uebermaß vorhanden, ganz abgesehen von äußeren Kundgebungen aus letzter Zeit. Ein Minister( gemeint ist von Schleicher), der uns ständig unsere angebliche Vorherrschafts­

Vorspiel zur Reichstagswahl.

Sozialdemokratischer Wahlfieg.- Starter Verlust der Nazis

Bertrages und auch die interpretierende Note Clemenceaus, in der erläutert wird, daß ,, die Entwaffnung Deutschlands   der erste Schritt für diese allgemeine Reduzierung und Beschränkung der Rüstungen bilden sollte, die die Alliierten durchzuführen suchen als eines der besten Mittel, um Kriege zu verhindern."

Herriot   legte dann im einzelnen dar, welch große frei willige Opfer Frankreich   in der Abrüstung bereits gemacht habe. Aber diese Abrüstung, die Frankreich   wie jede andere Nation bringen wolle, bedinge die Sicherheit.

Schaffung einer internationalen Polizeimacht, Achtung vor den Berträgen, Abschaffung der Geheimdiplomatie, Schiedsgerichts­

barkeit, militärische und wirtschaftliche Sanffionen: das seien die notwendigen Elemente der Sicherheit. Man müsse ein Statut des Friedens ausarbeiten, das in demselben Regime der Sicherheit alle Nationen Europas   einige und das selbst­verständlich auch Deutschland   seine volle Ruhe garantiere: Ich glaube zu wissen, daß die großen Mitglieder des Völkerbundes augenblicklich ein Programm studieren, das die

Abrüffung proportionell von der Sicherheit abhängig macht. Seit der historischen Rede Stimsons, seit dem Appell Hoovers haben sich die höchsten Gewissen, namentlich in den skandinavischen Ländern, mit dem Sicherheitsproblem beschäftigt, das Frankreich  so viel Sorgen macht.e Unter den augenblicklichen Umständen richtet Frankreich   seine Doktrin ausschließlich auf die volle Wah­rung der Verträge."

Magdeburg  , 26. September.  ( Eigenbericht.) In Rodensleben  ( Kreis Wolmirstedt) fanden Herriot   betonte zum Schluß, daß Frankreich   niemand pro am Sonntag Gemeindewahlen statt. Das Gemeinde vozieren, niemand herausfordern wolle. Der Leiden­parlament war aufgelöst worden, weil sämtliche bürgerschaftlichkeit anderer Völker gegen die französische   Nation seze Frank­lichen Vertreter ihre Mandate zur Verfügung gestellt reich seine Ruhe, sein Verzicht und sein Wohlwollen entgegen. hatten. Die Wahlen brachten der Sozialdemo- Frankreich könnte heute noch am Rhein   stehen, aber kratie einen starken Stimmengewinn, wähes habe Deutschland   die freie Verfügung über die besetzten Gebiete rend die Nazis eine schwere Niederlage erlitten. Es erhielten: Sozialdemokraten 370 Stimmen ( lette Reichstagswahl 277), Nationalsozialisten 188 ( 378), Vereinigte Bürgerliche 158( 79).

macht vorwirft, enthüllt die in der deutschen   Gleichberechtigungsnote sehr vorsichtig geäußerten Absichten, macht genaue Angaben über die Ausrüstung mit Kriegsmaterial, das er verlangt, und über die Miliz, deren Schaffung er fordert. Die Verordnung vom 13. September organisiert die Vorbereitung der Jugend, um sie instand zu setzen, Waffen zu tragen. Es ist eines der traurigsten Ereignisse der gegenwärtigen Zeit, wenn man sieht, daß neue Generationen, die aus den schmerzlichen Erfahrungen der Bäter hätten Nutzen ziehen müssen, für Uebungen trainiert und an Gesten gewöhnt werden,

die nicht günstig für die moralische Abrüstung und für den Frieden sind. Was für ein Betrug ist es, unaufhörlich von einer ma teriellen Abrüstung zu sprechen, wenn man nichts tut für die moralische Abrüstung, wenn man offen oder geheim das herr­liche Gut des Lebens für die finsterste Arbeit des Todes trainiert. Das so oft verleumdete Frankreich   kann die ganze Welt zum Zeugen dafür anrufen, daß es diesem ansteckenden Gift entgeht und seine nationale Erziehung auf andere Ziele hinlenkt.

Aber wir haben noch andere Besorgnisse. Es tauchen in uns Erinnerungen an das letzte Jahrhundert auf. Sollte das militärische Genie Deutschland   nicht in derselben Art, in der Preußen aus den ihm auferlegten Bedingungen Nugen zog, um eine

furchtbare Armee von einem ganz neuen Typ aufzustellen, heute versuchen, eine Armee oder sogar eine Doppel armee zu schaffen in der Absicht, mit einem entscheidenden Schlag den Gegner zu treffen, für den die nationale Verteidigung nur eine der Formen des Bürgerfinns ist?"

Gerade das macht das Problem der Abrüstung dramatisch. Denn es ist wirklich wahr, daß die Alliierten vom legten Krieg versprochen haben, ihre Rüstungen zu reduzieren. Man vergißt dabei aber die Präambel zum Teil V des Bersailler

wiedergegeben. Dank sei ihm dafür nicht zuteil geworden. Auch habe es seine zerstörten Gebiete selbst wieder aufbauen müssen, und es habe ein Recht, auf diese Tatsachen die allgemeine Aufmerksamkeit zu lenken. Dennoch nehme es nicht an der Het e teil, die es heute umbrande. Es habe nur den einen Willen, nach dem furchtbaren Kriege seine ihm noch verbliebenen Söhne in der Arbeit, in der Ehre und im Frieden zu erziehen.

Ein ehemaliger engerer Mitarbeiter Briands, Raymond Escholier, hat fürzlich ein mäßiges Erinnerungsbuch über seinen verstorbenen Chef erscheinen lassen, in dem folgende Anekdote mit Behagen geschildert wird:

Während der Washingtoner Seeabrüstungskonferenz von 1921 hatte die französische   Delegation gegenüber einem großen Teil der amerikanischen   öffentlichen Meinung einen schweren Stand. Unter Führung der Hearst- Blätter wurde Frankreich  täglich in schärfsten Ausdrücken vorgehalten, daß es eine imperialistische Politik gegen Deutschland   betreibe und un­geheure Summen für militärische Zwecke ausgebe. Briand  beschloß, den Stier bei den Hörnern zu packen und ver­anstaltete eine Pressekonferenz mit den Berichterstattern der amerikanischen   Zeitungen. Er ließ die anklagenden Fragen der Hearst- Vertreter zunächst ruhig über sich ergehen und erwiderte schließlich mit der einfachen Gegenfrage: Ja und eure neuen Schlachtkreuzer, die sollen wohl nur dem Sardinenfang dienen?" Sofort hatte er die Lacher auf seiner Seite und die Kritiker wurden verlegen.

An diesen Ausspruch Briands wird man durch die reich­lich pharisäerhafte Rede Herriots erinnert. Wie wir zu den deutschen   Wehrforderungen, insbesondere zu den aggressiven Kommentaren Schleichers stehen, ist bekannt. Das deutsche  Volk hat gegenwärtig dringendere Existenzsorgen, als Tanks, Militärflugzeuge und Unterseeboote. Es tritt einmütig für den Grundjag der Gleichberechtigung nach außen ein, doch würde sich die Arbeiterklasse Deutschlands   schon sehr glücklich schätzen, wenn sie im eigenen Lande, von der eigenen Regierung politisch und wirtschaftlich als gleich­berechtigter Faktor behandelt werden würde. um mit Briand   zu reden-: ,, Dienen die französischen   Maschinengewehre nur der Rebhuhnjagd?" Es ist in der Tat furchtbar, daß die junge Generation in dat

Aber

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