Rr. 457 49. Jahrgang
1. Beilage des Vorwärts
Mittwoch, 28. September 1932
Auf der Kommandobrücke des Lichts wei Frauen als Banditen.
Die Ueberwachungsstelle im Kraftwerk Klingenberg.
Im Berliner Often, im Angesicht der alten Kirche von Stralau, ragt am Ufer der Spree das Kraftwert Klingenberg auf. In einem Turmhaus ist hier die Kommandobrücke des ge: samten Berliner Elektrizitätsbetriebes. Wer diesen Raum betritt, sieht zunächst eine Menge von Meffinginstrumenten. Diese Geräte sagen dem Diensthabenden alles, was er über die Elektrizitätsver forgung Berlins wissen muß. Da ist eine Schalttafel, auf der Geräte für die Fernmessung der einzelnen Kraftwerksleistungen
angebracht sind. In jedem Augenblick fann hier gesagt werden, welche Leistungen sowohl die einzelnen Berliner Elektrizitätswerte als auch alle zusammen abgeben. Eine besondere Fernmeßanlage fontrolliert die Stromabnahme der elektrisch betriebenen Berliner S- Bahnen. Andere Geräte lassen den Dampfdruck erkennen, der in den Kesseln der einzelnen Kraftwerte herrscht. Auch die Spannung des von den Werken gelieferten Stromes sowie der Gleichlauf der in den Werken arbeitenden Maschinen wird hier ständig überwacht. Man tann sich vorstellen, daß die Stromlieferung
nur dann funktioniert, wenn alle Werte Strom von der gleichen Art liefern. Der erzeugte Wechselstrom soll im allgemeinen 50mal in der Sekunde vom Plus zum Mimuspol hin- und herpendeln. Man sagt, daß der Strom eine Periode von 50 Wechseln befize. Um dieses Hin- und Herschwingen des Stromes erzielen zu können, das von der Umdrehungszahl der von den Turbinen angetriebenen Dynamomaschinen abhängt, muß von der Kommandostelle regelnd eingegriffen werden, sobald sich irgendwelche Abweichungen ergeben. Nicht weniger als 80 Telephonleitungen verbinden die Kommandostelle mit den Werken. Dazu kommt noch eine automatisch arbeitende Signalanlage, die bei größeren Störungen im Kraftnez sofort den Ort der Störung meldet.
Das Leitungsnetz der„ Bewag".
Aber auch das Leitungsnetz, das ebenso wichtig wie die Kraft maschinen iſt, wird von hier aus ständig überwacht. Das Leitungsnetz stellt die Straßen dar, die den wandernden Elektrizitätsteilchen zur Erreichung ihres Arbeitsplatzes zur Verfügung stehen. In jedem Augenblick werden ungezählte Elektrizitätsteilchen geboren und wandern sofort als ausgewachsene Arbeiter über die Sammelschiene in das Leitungsnetz, das sie den einzelnen Glühbirnen, den Bogenlampen, elektrischen Sonnen, Staubsaugermotoren, Radiogeräten und was es sonst immer sein mag, zuführt. Die Bewag verfügt über ein ausgedehntes Kraftkabelnetz, das für eine Spannung von 30 000 Bolt eingerichtet ist. Die Kommandoſtelle der Bewag hat nun die Aufgabe, darüber zu wachen, daß kein einziges Kabel überlastet wird, daß also, bildlich gesprochen, feine einzige Straße zu großen Verkehr aufweist, denn das würde zu unangenehmen Störungen führen. Deshalb werden durch Umschaltungen besonderer Art den Elektrizitätsteilchen bestimmte Wege zugewiesen. Das ist besonders in den Abendstunden nötig, wenn an die Versorgung der Riesenstadt die größten Anforderungen gestellt werden. Diese Tätigkeit der Kommandostelle ist also der des
Berkehrsschuhmannes zu vergleichen, der dafür sorgt, daß sich Fuhrwerke und Fußgänger zu jeder Zeit bequem durch die Straßen bewegen können. Daher dürfen auch ohne Befehl der Kommando
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Schiffe, Eisenbahnen und Flugzeuge werden nach bestimmten Plänen ständig überwacht und von geübten Leuten wieder in Ordnung gebracht. Genau so verfährt die Kommandostelle der Bewag mit den Kraftwerken und dem Leitungsnetz. Durch regel mäßige Prüfungen und Ueberholungen werden Störungen nach menschlichem Ermessen von vornherein unmöglich gemacht. Die Männer auf der Kommandobrüde müssen die Gewißheit haben, daß nach menschlichem Ermessen alles seinen richtigen Gang geht.
Von den 30 000- Bolt- Kabeln wird der Strom den Abspannwerken zugeleitet, die eine Art von Elektrizitätssammelstellen sind. Hier wird die Spannung auf 6000 Volt ermäßigt. Mit dieser Spannung wandert der Elektrizitätsstrom in die einzelnen Bezirke, wo er dann nochmals auf 220 Volt entspannt wird, um endlich den Weg zum Verbraucher zu finden. Das 6000- bzw. 220- Bolt- Netz untersteht nicht mehr der Kommandostelle der Bewag, sondern wird von den einzelnen Bezirken bewacht.
Wenn ein Gewitter droht!
Eine der undankbarsten Aufgaben ist die sogenannte Span nungshaltung. Jeder Stromverbraucher möchte zu allen Zeiten die gleiche Spannung im Netz haben. Nun aber ist in den einzelnen Bezirksnetzen die Verteilung der Abnehmer und die Stromentnahme sehr ungleich. Die Kommandostelle muß diese ungleichheiten geschickt ausgleichen. Sehr wichtig ist auch die Beobachtung des Leitungsnetzes während eines herannahenden Gewitters. Gerade nach dieser Richtung wurden in den letzten Wochen erhebliche Anforderungen gestellt. Von allen Seiten laufen dann bei der Kommandostelle die Meldungen telephonisch ein, z. B. Meldung vom Rhein :„ Eine schwarze Gewitterwand schiebt sich soeben die Elbe in östlicher Richtung passiert." Meldung aus Meldung aus Magdeburg : Gewitterwolfen haben Brandenburg : Im Westen Gewitter im Anzug." Meldung von den westlichen Berliner Kraftwerken:„ Gewitter aus dem Westen hat die Stadtgrenze erreicht." So wird das Gewitter von Etappe zu Etappe gemeldet. Rechtzeitig können daher auch die nötigen Sicherheitsmaßnahmen getroffen werden, um eine Störung der Fällen abgeschaltet, andere Netze zusammengeschaltet werden. Stromversorgung zu vermeiden. Teile des Netzes können in solchen
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Natürlich ereignen sich trotz aller menschlicher Vorsorge dennoch Störungen. Ueber jede einzelne wird genau Buch geführt. Jede einzelne wird untersucht, um daraus für die Zukunft zu lernen. z. Nach
Schneiderin überfallen und gefesselt.
In ihrer Wohnung in der Köpenider Straße 66 wurde gestern am frühen Nachmittag die 52 Jahre alte Schneiderin Olga Falk von zwei Frauen, die unter der Maske von Kundinnen erschienen waren, überfallen und niedergeschlagen. Die weiblichen Banditen fesselten dann ihr Opfer, raubten für 200 Mark Wertsachen und suchten das Weite.
Frau Fall hat im vierten Stockwerf des Quergebäudes eine fleine Wohnung inne. Am Dienstag gegen 12 Uhr erschien eine Frau, die sich angeblich ein Kleid machen lassen wollte, und erzählte Der Schneiderin, daß ihre Freundin mit dem Stoff unterwegs sei. Die Frau verließ die Wohnung der Schneiderin wieder, fehrte furz nach 13 Uhr zurück und meinte, die Freundin werde nun wohl bald erscheinen. Kurz darauf klopfte es auch. Frau F. war inzwischen jedoch mißtrauisch geworden und wollte nicht öffnen. Die in ihrer Wohnung befindliche Frau drängte sie aber beiseite und ließ die Freundin ein. Jetzt fielen die beiden weiblichen Räuber über die Schneiderin her, warfen sie zu Boden und fesselten sie an Füßen und Händen, warfen sie dann aufs Bett und legten ein Rissen über das Gesicht, um sie am Schreien zu verhindern. In aller Eile durchwühlten die Täterinnen die Behältnisse und erbeuteten Schmud.
Neue Nachrichten aus Chalcidice bringen furchtbare Einzelheiten der Folgen des starken Erdbebens, das gestern von 21.20 Uhr ab bis gegen Mitternacht dauerte. Etwa 15 Ortschaften an der Ostküste von Chalcidice sind beinahe völlig zerstört. Die Einwohner wurden während des Schlafs von der Katastrophe überrascht, was die hohe Zahl der Opfer erklären dürfte. Die ganze Bevölkerung der unglücklichen Gegend ist in Schrecken und Trauer versetzt. Die Zahl der Toten dürfte sich, wie die letzten Meldungen besagen, auf annähernd 150 belaufen, die der Verletzten auf 250 und die der eingestürzten Häuser auf etwa 3000. Der Gouverneur von Makedonien , Gonatas, ist an den Ort des Unglücks abgereist. Hilfs. maßnahmen wurden sofort in die Wege geleitet.
stücke im Werte von 200 Mark. Nach einiger Zeit gelang es Frau F., sich von der Fesselung zu befreien und Nachbarn zu alarmieren. Die weiblichen Banditen waren inzwischen über alle Berge. Kriminalkommissar Fähnrich fand die Bekundungen der Frau durch einen Lokaltermin bestätigt und hat die Nachforschungen nach den weiblichen Räubern aufgenommen.
Wie wir noch erfahren, hat sich der ungewöhnliche Raubüberfall, wie er in der Kriminalgeschichte Berlins vereinzelt dasteht, in dem Geburtshaus Stresemanns abgespielt. Die beiden Täterinnen müssen mit den Gepflogenheiten der Schneiderin einigermaßen vertraut gewesen sein; darauf weist jedenfalls ihr ganzes Vorgehen hin. Offenbar haben sie bares Geld vermutet. Frau Falt hatte aber nur ein paar Münzen in ihrem Portemonaie. Die geraubten Schmuckstücke sind ein goldener und ein silberner Ring, ein Paar Ohrringe, eine gedrehte goldene Halskette und eine goldene Nadel mit einer echten Perle.
ſtelle der Bewag im gesamten 30 000- Bolt- Netz keine ſelbſtändigen Während des Schichtwechſels dürfen 8. B. quf Grund diejer Mieterrecht und Mieterschutz.
Schaltungen vorgenommen werden. Das darf ausnahmsweise nur in Fällen höchster Gefahr geschehen und muß dann unmittelbar darauf der Kommandoſtelle gemeldet werden.
forschungen schon seit langem feine Schaltungen mehr vorgenommen werden. Durch alle diese Maßnahmen ist es gelungen, die Stromversorgung Berlins in vorbildlicher Weise sicherzustellen.
Unsere Verfolgten- und Gefangenenhilfe
Verzeichnis der Berliner Einzahlungsstellen
Am vergangenen Sonnabend veröffentlichten wir den auch Sachspenden( Nahrungsmittel, Kleidung, Bücher) gern entAufruf des sozialdemokratischen Parteivorstandes, der gegengenommen. die Genossen in ganz Deutschland aufforderte, in tätiger Hilfe den Verfolgten und Gefangenen der Eisernen Front zur Seite zu stehen.
In seinen wichtigsten Sätzen sagte der Aufruf: Tausende von Opfern hat der Hakenkreuzterror schon gefordert: Tote und Verwundete, Berfolgte und Gefangene. Hunderte von Kämpfern der Eisernen Front find angeklagt oder verurteilt. Viele fizen schon in Zuchthäusern und Gefängnissen, die sich dem Terror entgegenstellten, die ihr Leben und das ihrer Angehörigen, Freunde und Genossen verteidigten. Hunderte von Prozessen schweben zur Zeit noch. Unsere verfolgten und gefangenen Kampfgenossen sind nicht verlassen! Die Angehörigen unserer getöteten und die unserer gefangenen Rampfgenossen werden nicht ihrem Schicksal überlassen! wir alle müssen, wir alle werden helfen. Jeder
tann helfen. Auch die bescheidenste Gaue ist willkommen!
Geldbeträge sind zu überweisen refp. einzuzahlen auf das Postschedkonto nr. 141 528 Berlin der„ Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten A.-G." Berlin , Depofitentasse Lindenstr. 3, für Konto Nr. 632( Gefangenen- und Verwundetenhilfe“).
Einzahlungen nehmen weiter entgegen: 1. fämtliche Zahlstellen und Filialen obiger Bank, 2. alle sozialdemokratischen Zeitungsexpeditionen und 3. die örtlich bekanntgemachten Hilfsstellen der ,, Gefangenen- und Verwundetenhilfe". Von den Hilfsstellen werden
Männer
Berlins
Jas
Die Berliner Hilfsstellen sind:
„ Borwärts"-Filialen: Ackerstr. 174, Lehmann; Bärwaldstr. 47, Schmidt; Bastianstr. 7, Fischer; Greifenhagener Str. 22, Gerth; Immanuelfirchstr. 24, Dölz; Laufiger Plaz 14/15, Urban; Lichtenberg 1, Wartenbergstr. 1, Seifel; Lichtenberg 2, Borhagener Str. 62, Peters; Markusstr. 36, Arndt; Müllerstr. 34, Krause; Neukölln 1, Neckarstr. 2, Thal; Neukölln 2, Siegfriedstr. 28/29, Rohr; Petersburger Platz 4, Melle ; Prinzenstr. 63, Wollstein ; Schöneberg , Belziger Str. 27, Rathmann; Wattstr. 9, Hönisch; Wilhelmshavener Straße 48, Joseph.
Ausgabestellen und Läden: Westen, Stegliger Str. 37, Frau Stolpmann; Charlottenburg 1, Seesenheimer Str. 1, Frau Rönemann; Oberschöneweide , Wilhelminenhofstr. 44a, Baul; Bankow , Mühlenstr. 70, Rißmann; Reinickendorf- Ost, Provinzstr. 56, Wahle; Reinickendorf- West, Scharnweberstr. 114, Bendt; Treptow , Graetz straße 50, Mecklenburg ; Weißensee , Lehderstr. 2, Wiese. Genossen und Genoffinnen aus Groß- Berlin, wir alle werden unferer Pflicht gegenüber unseren Verfolgten und Gefangenen nach
tommen!
woch, dem 28. September, vorm. 10 Uhr, das 50jährige Jubiläum. Die weltliche Schule in der Andreasstraße 16a feiert am MittParteigenossen, die als ehemalige Schüler dieser Feier beiwohnen wollen, melden sich beim Rektor Meier, Lange Str. 76, vorn 2 Tr.
Forderungen, die dringend Erfüllung heifchen.
Am Montag tagten die Wohnungs- und Mieterfunktionäre im Gewerkschaftshaus und beschlossen nach einem Referat des Stabtfämmerers, Genossen Asch, einstimmig, nach stehende Forderungen an die Reichsregierung und die preußische Regierung zu richten.
Durch die Lohn-, Gehalts- und Rentenfürzungen ist der Anteil der Miete am Einkommen fortlaufend weitergestiegen, da der Mietzins für Alt- und Neubaumohnungen nicht entsprechend den Einkommensschrumpfungen herabgesezt wurde. Hundert tausende Mieter stehen infolge unverschuldeter wirtschaftlicher Notlage vor der Gefahr, infolge Mietzinsverzuges ihre Wohnungen zu verlieren. Während für Landwirtschaft und Hausbesiz ein weitgehender Bollstreckungsschutz eingeführt wurde, Banken und Industrie seitens der Reichsregierung mit Liebesgaben reichlich beschenkt wurden, wird die Lebenshaltung Der arbeitenden Schichten laufend verschlechtert. Die Anwesenden fordern, daß mit dieser einseitigen Liebesgabenpolitik endlich Schluß gemacht wird und im Interesse des Rechts auf Wohnung folgende Forderungen vordringlich verwirklicht werden:
1. Schaffung eines gefeßlichen Vollstreckungsschutzes für hilfsbedürftige Mieter; 2. Sentung der Mieten bis mindestens auf die Vorkriegshöhe; 3. Schaffung eines sozialen Mietrechts, das allen Mietern den Bestand ihres Mietverhältnisses sichert; 4. Förderung des Kleinwohnungsbaues mit ausreichenden öffent lichen Mitteln zur Behebung von Wohnungselend und Wohnungsnot und im Interesse der Linderung der Arbeitslosigkeit; 5. ge= seglicher Reparaturzwang für den Althausbesitz.
Der Vorsitzende, Genosse Battloch, warnte die Parteigenossen vor den wilden Rampfausschüssen, die unter kommunistischer Leitung
Propaganda für Mieterstreiks machten. Wir fordern, so sagte er, gesetzlichen Schutz der Mieter durch vorstehende Forde rungen, deren Verwirklichung und Durchführung seitens der Regieunsere heiligste Pflicht im allgemeinen Voltsintereffe. Die Kreis rung möglich ist. In diesem Sinne Aufklärung zu verbreiten, ist und Abteilungsleitungen werden dringend ersucht, die Mieterfunkzu unterstützen. tionäre in diesem sehr wichtigen Agitationsfeld im Parteiinteresse
An Stelle des Genossen Ruben wird Genosse Felgentreu in den Ausschuß gewählt.
Freigreschenwunder
kommt