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BERLIN  

Mittwoch 28.September

1932

Rebaltion u. Expedition: Berlin   S 68, Lindenstr. 8

Sel A7 Donhoff 292-297

Der Abend

Erscheint täglich außer Sonntags Bugleich Abendausgabe des ,, Bormärts". Bezugspreis für beide Ausgaben 75 Pf. pro Woche, 3,25 M. pro Monat( davon 87 Pf. monatlich für Zustellung ins Haus) im voraus zahlbar. Poft bezug 3,97 m. einschließlich 60 Pf. Postzeitungs- und 72 Pf. Postbestellgebühren.

Spätausgabe des Vorwärts"

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Die 1splt. Milli­meterzeile 30 Bf. Die Reklamezelle toftet 2 Mart Rabatte n. Tartt.

Kultur der Unfultur

Nazi- Theater gegen Freidenker, Ausländer und Juden

Der Hauptausschuß des Preußischen Landtags  beschäftigte sich mit einer Reihe von nationalsozialisti. schen Anträgen, die sämtlich auf den Ton des abgewandelten Spottverses von Heine gestimmt waren: Ausländer, Juden sind es zumeist...

Zunächst forderten die Nazis in einem Antrage das Verbot des Deutschen Freidenferverbandes", mit der nur in Schlagworten gegebenen Begründung, daß diese Kulturgemein­schaft nichts anderes als eine ,, margistische Klassenkampforganisation der Sozialdemokratie" ist und einen zersetzenden antichristlichen, volkszerstörenden Einfluß" ausübe. Dagegen stellten sich die Sozial­demokraten auf den Standpunkt, daß auch die Freidenkerorganisation nach den einwandfreien Bestimmungen der Reichsverfassung das selbstverständliche Recht hat, ihre Weltanschauung zu propagieren. Uebrigens gibt es wohl faum eine Organisation, die so mit System und unter dem Drud von Terrormaßnahmen, namentlich gegen die fatholische Kirche, hetzt wie die Nationalsozialisten!

Außerordentlich bemerkenswert waren die Aeußerungen des Ministerialdirektors Trendelenburg   vom preußischen Kultusministerium, der gewiß über das erhaben ist, der Freidenker­bewegung Vorschub zu leisten. Danach sieht der 1905 gegründete Verband feine Hauptaufgabe in der seinen Mitgliedern zu gewähren den kostenlosen Feuerbestattung und in politischer Betätigung. Die Kirchenaustrittsbewegung ist erst nach dem Kriege propagiert mor­den. Seiner politischen Zusammensetzung nach könne man den Vers band mit seinen 600 000 Mitgliedern nicht als einen Teil der Sozial­demokratischen Partei betrachten. Er ist formell politisch neutral und kommunistischer Wühlarbeit sei durch Ausschluß der Kommunisten Einhalt geboten. Soweit die Propaganda den fonfessionellen Frieden gefährdet habe, sei Vorsorge gegen Wieder­holung getroffen worden, wobei zu berücksichtigen war, daß man für Berstöße einzelner Mitglieder oder Ortsgruppen nicht gleich die Organisation als Ganzes verantwortlich machen konnte. In neuerer Zeit zeige der Verband eine starke Zurückhaltung, und namentlich im Jahre 1932 sei nichts festzustellen, das irgendwie Anlaß zu einem Berbot schon mit Rücksicht auf die Reichsverfassung geben könnte. Ein deutsch   nationaler Redner forderte das Verbot,

weil der Deutsche Freidenker- Berband" in seiner flugen Zurüdhaltung weit gefährlicher als die fommuniffifchen Gott­lofen- Organisationen fei.

Ein Vertreter des Zentrums mahnte zur Toleranz, da es weder an­ständig noch flug sei, diese außer acht zu lassen. Es könnte näm­lich einmal sein, daß Sozialdemokraten und Kommunisten die Mehrheit bekommen und gegenüber der Kirche mit Repressalien ant morten. Und ein Zentrumsgeistlicher fügte hinzu, daß der Staat feinesfalls das geeignete Instrument sei, dem Menschen die Gläu bigkeit zwangsmeise beizubringen. Er habe nur die Pflicht, Aus wüchse in der Propaganda zu bekämpfen. Sollte später wirklich einmal die Kirche terrorisiert werden, so wolle er lieber unter dem Terror leiden, als jeßt sein Gewiffen durch Intoleranz belasten. An der Abstimmung beteiligte sich das Zentrum nicht. Der Antrag wurde mit 9 gegen 7 Stimmen der Sozialdemokraten und Kommunisten angenommen. Die meisten der kommunisten fehlten bei der Abstimmung.

9.

Das neue Berlin  

72

Reays

4

6

10 Pf.

Nr. 458

B 221

49. Jahrgang

Sabane

Pors?

So sieht die Karte des neuen Berlin   aus, wenn die ,, freiwilligen" Beschlüsse des Magistrats ihre end­gültige Santtion finden sollten. Die Bezirke heißen also in Zukunft nach 3iffern: I( bisher Mitte­Tiergarten- Kreuzberg, 905 000 Einwohner); II( Wedding- Rei nickendorf, 504 000); III( Prenz lauer Berg- Bankow- Ortsteile Weißensee   und Malchow, 520 000); IV( Friedrichshain- Lichtenberg­Weißensee ohne Ortsteile Weißen­ see   und Malchow, 560 000); V( Kös penid- Treptom ohne Ortsteil Treptow, 165 000); VI( Neukölln -Ortsteil Treptow  , 358 000); VII( Zehlendorf- Stegliß- Tem­pelhof, 363 000); VIII( Wilmers dorf Schöneberg, 429 000);

IX

-

( Charlottenburg  - Spandau  ,

484 000).

mische Kulturdebatte". Der Vorsitzende Abg. Hinkler( Nsoz.)| teilen. Zur Haussuchungs- Aktion im Reichstag selbst gibt die Er­hatte sich angewöhnt, fast alle Redner, soweit sie nicht seiner Fraktion angehören, mit Einmendungen und zurechtmeisungen zu unterbrechen. Dies ganz unmögliche Verhalten veranlaßte den Abg. Leinert( S03.) zu einigen sehr notwendigen Bemerkungen, die eine erregte Geschäftsordnungsdebatte entfesselten. Durch die Mahnung eines Zentrumsabgeordneten, man solle fich nicht gegen­feitig Bildungslosigkeit vorwerfen, fühlten fich die Nationalsozialisten getroffen, und Herr Löpelmann quittierte mit einem saftigen: ,, Sie sind verrückt!" Darauf bekam der Zentrumsmann einen Ord­nungsruf. Aber der Vorsitzende gelobte Besserung.

-

Sprengstoff im Reichstag.

Aussagegenehmigung.

Danach richteten die Nazis schweres Geschütz gegen die Aus. Der große Schlag, der daneben ging- Bracht verweigert länder und Juden von den Staatstheatern und in den Staatskapellen. Sie verlangten in einem Antrag eine Aufstellung aller an den staatlichen Bühnen beschäftigten Ausländer, aller derjenigen, die erst nach 1918 die Staatsangehörigkeit er­worben haben und aller Juden.

Der Standpunkt der Sozialdemokraten war flar und eindeutig. Nach der Reichsverfassung hat weder eine Behörde das Recht, nach der Konfession zu fragen, noch hat ein Gefragter die Pflicht, darauf zu antworten. Die Zahl der Ausländer ist zwar nach der Auskunft des Kultusministeriums gering, und ihre Ent­lajfung würde fünftige Prestigeerfolge" deutscher Künstler im Aus­lande gefährden oder gar unmöglich machen. Außerdem kann recht­lich ein nach 1918 Naturalisierter nicht anders behandelt werden als alle übrigen Staatsbürger. Es heißt nicht, die Nazis wollen ,, aufräumen". Der Nazikunstsachverständige Dr. Löpelmann er­leichterte sein antisemitisches Herz mit dem Ausspruch: Wir wollen feine Juden mehr auf der Bühne sehen!

Auch dieser Antrag wurde gegen Sozialdemokraten und kommu­niffen angenommen.

Schließlich sollte noch mit einem Nagiantrag der paritätische Bühnennachmeis G. m. b. 5." Don jüdischem Einfluß gereinigt werden. Aber der Ausschuß hatte davon genug und lehnte diesen Antrag gegen die Antragsteller ab.

Auf der Tagesordnung der Mittwochsihung des Polizei­

Untersuchungsausschusses des Preußischen Landtags   steht die nächtliche Durchsuchung der kommunistischen   Räume im Reichstag durch die Berliner   Polizei in der Nacht nach der Reichs­tagsauflösung.

Als Zeugen wollte der Ausschuß hierzu neben dem Reichstags­präsidenten Göring  , dem kommunistischen   Abg. Torgler  , dem kom­ munistischen   Fraktionssekretär Kühne und dem Direktor beim Reichstag Galle auch eine Reihe leitender Berliner   Polizeibeamter sowie den Berliner   Polizeipräsidenten Melcher vernehmen.

Zu Beginn der Sizung nahm jedoch Ministerialrat Schütze vom preußischen Innenministerium das Wort, um eine neue Er­flärung des Reichskommissars bekanntzugeben. Darin heißt es, der Reichskommissar habe nach den Erfahrungen, die er gelegentlich der Tätigkeit des Untersuchungsausschusses bei den Skagerrak  - Zwischen­fällen gemacht habe, die ernste

Besorgnis, daß durch die Fragestellung im Unter­suchungsausschuß die Methoden veröffentlicht und bloßgestellt werden könnten, nach denen die Polizei staatsfeindliche Bewegungen unterdrüde.

klärung des Reichskommissars wieder, was in gleichem Sinne schon durch ein Kommuniqué am Tage nach der Aktion bekanntgegeben worden war, daß nämlich die Polizei von vertrauenswürdiger Seite die Mitteilung erhalten hatte, daß die Kommunisten im Reichstag ein Sprengstoffattentat vorbereitet hätten.( Lachen bei den Kommu­nisten.) Da es nicht gelungen sei, sich mit dem Reichstagspräsidenten in Berbindung zu setzen und da andererseits Gefahr im Verzuge zu bestehen schien, sei die Polizei von sich aus zu der Haussuchungs­aftion im Reichstag geschritten. Die Erklärung des Reichskommissars  schließt mit der Betonung, es solle in Zukunft peinlichst die Vor­schrift beachtet werden, daß polizeiliche Aktionen im Parlament nur mit Erlaubnis des Parlamentspräsidenten durchgeführt werden könnten.

Ausschußvorsitzender Schwenk( Komm.) meinte, die neue Er­flärung des Reichskommissars stehe im Widerspruch zu der gestrigen Mitteilung. Denn der Reichskommissar habe gestern gesagt, er denke nicht daran, die politische Arbeit des Ausschusses irgendwie zu

ftören. Die Haussuchungs- Aktion im Reichstag sei aber eine rein

politische Angelegenheit.

Sodann gab zunächst der Berichterstatter Abg. Möller- Halle ( S03.) einen Ueberblick über die Vorgänge bei der Haussuchung und über den Inhalt der vorliegenden Akten.

Der Herr Ministerpräsident.

Nazi- Freyberg schreibt, amtliche Leitartikel".

Der nationalsozialistische Ministerpräsident von Anhalt, Frey­berg, hat sich eine ungewöhnliche Verwendung amtlicher Mittel und Einrichtungen zu parteipolitischen Wahlzweden erlaubt. Der gesamten anhaltischen Presse ist auf amtlichem Papier, hergestellt auf amtlichem Vervielfältigungsapparat und ver­sehen mit dem amtlichen Dienststempel der Behörde ein politischer Leitartikel des Ministerpräsidenten zu­gegangen, der sich mit einem deutschnationalen Blatt und dessen Stellungnahme zum Papen  - Plan auseinandersetzt.

Das Schriftstüd trägt in der Einleitung die Formel: Im Auf­Der Reichskommissar sehe sich daher nicht in der Lage, den trage des Ministerpräsidenten mit der Bitte um gefällige Ver­eröffentlichung im rebattionellen Teil Ihres geschäßten Blattes

Es war alles in allem eine luftige und zeitweilig recht ftür. Polizeizeugen die Aussage Genehmigung