Mittwoch 28.September
1932
Der Abend
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Kultur der Unfultur
Nazi- Theater gegen Freidenker, Ausländer und Juden
Der Hauptausschuß des Preußischen Landtags beschäftigte sich mit einer Reihe von nationalsozialisti. schen Anträgen, die sämtlich auf den Ton des abgewandelten Spottverses von Heine gestimmt waren: Ausländer, Juden sind es zumeist...
Zunächst forderten die Nazis in einem Antrage das Verbot des Deutschen Freidenferverbandes", mit der nur in Schlagworten gegebenen Begründung, daß diese Kulturgemeinschaft nichts anderes als eine ,, margistische Klassenkampforganisation der Sozialdemokratie" ist und einen zersetzenden antichristlichen, volkszerstörenden Einfluß" ausübe. Dagegen stellten sich die Sozialdemokraten auf den Standpunkt, daß auch die Freidenkerorganisation nach den einwandfreien Bestimmungen der Reichsverfassung das selbstverständliche Recht hat, ihre Weltanschauung zu propagieren. Uebrigens gibt es wohl faum eine Organisation, die so mit System und unter dem Drud von Terrormaßnahmen, namentlich gegen die fatholische Kirche, hetzt wie die Nationalsozialisten!
Außerordentlich bemerkenswert waren die Aeußerungen des Ministerialdirektors Trendelenburg vom preußischen Kultusministerium, der gewiß über das erhaben ist, der Freidenkerbewegung Vorschub zu leisten. Danach sieht der 1905 gegründete Verband feine Hauptaufgabe in der seinen Mitgliedern zu gewähren den kostenlosen Feuerbestattung und in politischer Betätigung. Die Kirchenaustrittsbewegung ist erst nach dem Kriege propagiert morden. Seiner politischen Zusammensetzung nach könne man den Vers band mit seinen 600 000 Mitgliedern nicht als einen Teil der Sozialdemokratischen Partei betrachten. Er ist formell politisch neutral und kommunistischer Wühlarbeit sei durch Ausschluß der Kommunisten Einhalt geboten. Soweit die Propaganda den fonfessionellen Frieden gefährdet habe, sei Vorsorge gegen Wiederholung getroffen worden, wobei zu berücksichtigen war, daß man für Berstöße einzelner Mitglieder oder Ortsgruppen nicht gleich die Organisation als Ganzes verantwortlich machen konnte. In neuerer Zeit zeige der Verband eine starke Zurückhaltung, und namentlich im Jahre 1932 sei nichts festzustellen, das irgendwie Anlaß zu einem Berbot schon mit Rücksicht auf die Reichsverfassung geben könnte. Ein deutsch nationaler Redner forderte das Verbot,
weil der Deutsche Freidenker- Berband" in seiner flugen Zurüdhaltung weit gefährlicher als die fommuniffifchen Gottlofen- Organisationen fei.
Ein Vertreter des Zentrums mahnte zur Toleranz, da es weder anständig noch flug sei, diese außer acht zu lassen. Es könnte nämlich einmal sein, daß Sozialdemokraten und Kommunisten die Mehrheit bekommen und gegenüber der Kirche mit Repressalien ant morten. Und ein Zentrumsgeistlicher fügte hinzu, daß der Staat feinesfalls das geeignete Instrument sei, dem Menschen die Gläu bigkeit zwangsmeise beizubringen. Er habe nur die Pflicht, Aus wüchse in der Propaganda zu bekämpfen. Sollte später wirklich einmal die Kirche terrorisiert werden, so wolle er lieber unter dem Terror leiden, als jeßt sein Gewiffen durch Intoleranz belasten. An der Abstimmung beteiligte sich das Zentrum nicht. Der Antrag wurde mit 9 gegen 7 Stimmen der Sozialdemokraten und Kommunisten angenommen. Die meisten der kommunisten fehlten bei der Abstimmung.
9.
72
Reays
4
6
10 Pf.
Nr. 458
B 221
49. Jahrgang
Sabane
Pors?
So sieht die Karte des neuen Berlin aus, wenn die ,, freiwilligen" Beschlüsse des Magistrats ihre endgültige Santtion finden sollten. Die Bezirke heißen also in Zukunft nach 3iffern: I( bisher MitteTiergarten- Kreuzberg, 905 000 Einwohner); II( Wedding- Rei nickendorf, 504 000); III( Prenz lauer Berg- Bankow- Ortsteile Weißensee und Malchow, 520 000); IV( Friedrichshain- LichtenbergWeißensee ohne Ortsteile Weißen see und Malchow, 560 000); V( Kös penid- Treptom ohne Ortsteil Treptow, 165 000); VI( Neukölln -Ortsteil Treptow , 358 000); VII( Zehlendorf- Stegliß- Tempelhof, 363 000); VIII( Wilmers dorf Schöneberg, 429 000);
IX
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484 000).
mische Kulturdebatte". Der Vorsitzende Abg. Hinkler( Nsoz.)| teilen. Zur Haussuchungs- Aktion im Reichstag selbst gibt die Erhatte sich angewöhnt, fast alle Redner, soweit sie nicht seiner Fraktion angehören, mit Einmendungen und zurechtmeisungen zu unterbrechen. Dies ganz unmögliche Verhalten veranlaßte den Abg. Leinert( S03.) zu einigen sehr notwendigen Bemerkungen, die eine erregte Geschäftsordnungsdebatte entfesselten. Durch die Mahnung eines Zentrumsabgeordneten, man solle fich nicht gegenfeitig Bildungslosigkeit vorwerfen, fühlten fich die Nationalsozialisten getroffen, und Herr Löpelmann quittierte mit einem saftigen: ,, Sie sind verrückt!" Darauf bekam der Zentrumsmann einen Ordnungsruf. Aber der Vorsitzende gelobte Besserung.
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Sprengstoff im Reichstag.
Aussagegenehmigung.
Danach richteten die Nazis schweres Geschütz gegen die Aus. Der große Schlag, der daneben ging- Bracht verweigert länder und Juden von den Staatstheatern und in den Staatskapellen. Sie verlangten in einem Antrag eine Aufstellung aller an den staatlichen Bühnen beschäftigten Ausländer, aller derjenigen, die erst nach 1918 die Staatsangehörigkeit erworben haben und aller Juden.
Der Standpunkt der Sozialdemokraten war flar und eindeutig. Nach der Reichsverfassung hat weder eine Behörde das Recht, nach der Konfession zu fragen, noch hat ein Gefragter die Pflicht, darauf zu antworten. Die Zahl der Ausländer ist zwar nach der Auskunft des Kultusministeriums gering, und ihre Entlajfung würde fünftige Prestigeerfolge" deutscher Künstler im Auslande gefährden oder gar unmöglich machen. Außerdem kann rechtlich ein nach 1918 Naturalisierter nicht anders behandelt werden als alle übrigen Staatsbürger. Es heißt nicht, die Nazis wollen ,, aufräumen". Der Nazikunstsachverständige Dr. Löpelmann erleichterte sein antisemitisches Herz mit dem Ausspruch: Wir wollen feine Juden mehr auf der Bühne sehen!
Auch dieser Antrag wurde gegen Sozialdemokraten und kommuniffen angenommen.
Schließlich sollte noch mit einem Nagiantrag der paritätische Bühnennachmeis G. m. b. 5." Don jüdischem Einfluß gereinigt werden. Aber der Ausschuß hatte davon genug und lehnte diesen Antrag gegen die Antragsteller ab.
Auf der Tagesordnung der Mittwochsihung des Polizei
Untersuchungsausschusses des Preußischen Landtags steht die nächtliche Durchsuchung der kommunistischen Räume im Reichstag durch die Berliner Polizei in der Nacht nach der Reichstagsauflösung.
Als Zeugen wollte der Ausschuß hierzu neben dem Reichstagspräsidenten Göring , dem kommunistischen Abg. Torgler , dem kom munistischen Fraktionssekretär Kühne und dem Direktor beim Reichstag Galle auch eine Reihe leitender Berliner Polizeibeamter sowie den Berliner Polizeipräsidenten Melcher vernehmen.
Zu Beginn der Sizung nahm jedoch Ministerialrat Schütze vom preußischen Innenministerium das Wort, um eine neue Erflärung des Reichskommissars bekanntzugeben. Darin heißt es, der Reichskommissar habe nach den Erfahrungen, die er gelegentlich der Tätigkeit des Untersuchungsausschusses bei den Skagerrak - Zwischenfällen gemacht habe, die ernste
Besorgnis, daß durch die Fragestellung im Untersuchungsausschuß die Methoden veröffentlicht und bloßgestellt werden könnten, nach denen die Polizei staatsfeindliche Bewegungen unterdrüde.
klärung des Reichskommissars wieder, was in gleichem Sinne schon durch ein Kommuniqué am Tage nach der Aktion bekanntgegeben worden war, daß nämlich die Polizei von vertrauenswürdiger Seite die Mitteilung erhalten hatte, daß die Kommunisten im Reichstag ein Sprengstoffattentat vorbereitet hätten.( Lachen bei den Kommunisten.) Da es nicht gelungen sei, sich mit dem Reichstagspräsidenten in Berbindung zu setzen und da andererseits Gefahr im Verzuge zu bestehen schien, sei die Polizei von sich aus zu der Haussuchungsaftion im Reichstag geschritten. Die Erklärung des Reichskommissars schließt mit der Betonung, es solle in Zukunft peinlichst die Vorschrift beachtet werden, daß polizeiliche Aktionen im Parlament nur mit Erlaubnis des Parlamentspräsidenten durchgeführt werden könnten.
Ausschußvorsitzender Schwenk( Komm.) meinte, die neue Erflärung des Reichskommissars stehe im Widerspruch zu der gestrigen Mitteilung. Denn der Reichskommissar habe gestern gesagt, er denke nicht daran, die politische Arbeit des Ausschusses irgendwie zu
ftören. Die Haussuchungs- Aktion im Reichstag sei aber eine rein
politische Angelegenheit.
Sodann gab zunächst der Berichterstatter Abg. Möller- Halle ( S03.) einen Ueberblick über die Vorgänge bei der Haussuchung und über den Inhalt der vorliegenden Akten.
Der Herr Ministerpräsident.
Nazi- Freyberg schreibt, amtliche Leitartikel".
Der nationalsozialistische Ministerpräsident von Anhalt, Freyberg, hat sich eine ungewöhnliche Verwendung amtlicher Mittel und Einrichtungen zu parteipolitischen Wahlzweden erlaubt. Der gesamten anhaltischen Presse ist auf amtlichem Papier, hergestellt auf amtlichem Vervielfältigungsapparat und versehen mit dem amtlichen Dienststempel der Behörde ein politischer Leitartikel des Ministerpräsidenten zugegangen, der sich mit einem deutschnationalen Blatt und dessen Stellungnahme zum Papen - Plan auseinandersetzt.
Das Schriftstüd trägt in der Einleitung die Formel: Im AufDer Reichskommissar sehe sich daher nicht in der Lage, den trage des Ministerpräsidenten mit der Bitte um gefällige Vereröffentlichung im rebattionellen Teil Ihres geschäßten Blattes
Es war alles in allem eine luftige und zeitweilig recht ftür. Polizeizeugen die Aussage Genehmigung