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Morgen- Ausgabe

Nr. 471 A 230 49. Jahrg.

Redaktion und Berlag: Berlin SW 68, Lindenstr. 3 Sernsprecher: A7 Amt Dönhoff 292 bis 297 Telegrammabreffe: Sozialdemokrat Berlin

Vorwärts

BERLINER

VOLKSBLATT

DONNERSTAG

6. Oktober 1932

In Groß Berlin 10 Pf. Auswärts....... 15 Pf.

Bezugsbedingungen und Anzeigenpreise siehe am Schluß des redaktionellen Teils

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Barone ernennen Barone ! Spanier Barteitag

Die preußische Junkerherrschaft soll wiederkehren

Das ostelbische Junkertum dringt immer stärker in der preußischen Verwaltung vor. Das Kabinett der Barone hat durch seine Filiale in Preußen einen ungewöhnlich umfangreichen Beamtenschub vornehmen lassen. Es sind vier fommissarische Oberpräsidenten, fünf fommissarische Regierungs­präsidenten, vier Regierungsvizepräsidenten und elf Polizeipräsidenten ernannt worden. Von den 24 neu ernannten Beamten an maßgebender Stelle der Verwaltung sind nicht weniger als elf adlig!

Hier ist die Liste der vom Kabinett der Barone ernannten Barone :

Oberpräsidenten :

In Breslau :

99

Kajjel:

Graf Degenfeld Dr. von Hülsen

Bizepräsidenten:

In Erfurt : Gumbinnen :

99

Breslau :

15

99

von Chamier- Gliseinsti von Braumüller von Scheller

Marienwerder: von Hoffmann

In Elbing :

Polizeipräsidenten : von lindomström Freiherr von Nordenflycht Graf zu Ranhau von Kottwih

Magdeburg:

"

Kiel :

99

99

Kaffel:

99

Erfurt :

Rabe von Pappenheim Selbstverständlich, daß die neu ernannten Ver­trauensleute des Kabinetts der Barone, soweit sie nicht adlig sind, von gut deutschnationaler Ge­sinnung und echt herrenmäßig eingestellt sind. Unter dem Borwand ,,, Ruhe und Ordnung" in

Preußen wiederherzustellen, arbeitet die fommisja rische Verwaltung in Preußen zielbewußt an einer Restauration der Vormacht= stellung des Adels und des ost= elbischen Junkertums in der preußischen Berwaltung! Das Kabinett der Barone an der Spize will sich eine Verwaltung schaffen, in der an allen ausschlaggebenden Punkten ebenfalls Barone stehen!

Es soll wieder so werden, wie es vor drei= Big Jahren in Preußen aussah! Damals ge= hörten von 12 Oberpräsidenten 9, von den 36 Re­gierungspräsidenten 26 dem Adel an. Von den 23 Landräten des Regierungsbezirks Breslau maren 20, im Regierungsbezirk Potsdam alle 14, im Regierungsbezirk Röslin alle 12 Landräte adlig. Im Regierungsbezirk Königsberg befanden fich 13 Junker unter 19 Landräten, in Köln 7 unter 10, in Magdeburg 10 unter 14! Wenn Herr Bracht im Auftrag des Kabinetts der Barone so weiter arbeitet wie bisher, werden die Zeiten von 1902 bald wieder erreicht sein!

Diese Personalpolitik, die einer hauchdünnen Oberschicht, einer eng abgeschlossenen Kaste die Verwaltungsmacht gegen das Volk in die Hand spielen will, enthüllt die letzten Ziele des Kabinetts der Barone und den wahren Sinn des Gewaltstreiches in Preußen

Das Kabinett der Barone plant eine sogenannte Verfassungsreform. Es will das Wahl­recht verschlechtern durch ein Pluralwahlsystem, es mill ein Oberhaus einführen. Es will mit einem Wort die demokratischen Volksrecht.e beseitigen.

Preußens Kampf ums Recht

Professor Anschütz vertritt Preußen vor dem Staatsgerichtshof

Wie das Nachrichtenbüro des VDZ. meldet, wird auch Prof. Anschüz, der bekannte Heidel­berger Rechtslehrer und Verfasser des grundlegen­den Kommentars der Reichsverfassung, nach Leip­3ig kommen, um sich an der Vertretung Preußens vor dem Staatsgerichts hof zu beteiligen. Preußen wird also durch die beiden Ministerialdirektoren Brecht und Badt, durch die Universitätslehrer Anschütz- Heidel­berg und Giese Frankfurt a. M. vertreten. Für die beiden besonders klagenden Landtagspar­teien Zentrum und Sozialdemokratie werden wie­der die Professoren Peters und Heller auf­treten.

Bei dieser Gelegenheit sei daran erinnert, daß Anschüß, der aus der preußischen inneren Ver­

Gegen Lohnabbau!

Eigener Bericht des Vorwärts"

Remscheid , 5. Oktober. Das Aleranderwerk in Remscheid hatte am 23. September der 700 Mann starken Belegschaft durch Anschlag bekanntgegeben, daß ab Montag, dem 26. September, laut Notver­ordnung ein Cohnabzug für die 31. bis

waltung hervorgegangen ist er war preußi­fcher Regierungsassessor, bereits seit mehr als 30 Jahren als Lehrer des Staats- und Verfas­jungsrechts tätig ist und sich speziell mit den ver­fassungsrechtlichen Streitfragen beschäftigte, die in dem Leipziger Prozeß zwischen Reich und Preu­Ben eine Rolle spielen werden. So hat Anschütz schon vor rund 30 Jahren eine Schrift über die gegenwärtigen Theorien über den Begriff der ge­setzgebenden Gewalt und den Umfang des könig­lichen Verordnungsrechtes" veröffentlicht und vor 20 Jahren den Kommentar zur damaligen preußi­schen Verfassung geschrieben. Vor 10 Jahren er­schien seine Arbeit: Das preußisch- deutsche Pro­blem" und ein Jahr später die Leitgedanken der Weimarer Verfassung ".

Seifen der Arbeitsgerichtsentscheidung in Rem­fcheid entgegengesehen, die von den maßgebenden Organen des Unternehmertums im Boraus als grundsätzlich bezeichnet worden war. Die Klage der Direktion wurde in allen drei Punkten vom Arbeitsgericht kostenpflichtig abgewiesen.

40. Wochenarbeitsstunde in Höhe von 50 proz. in Labour für Sozialismus

Kraft treten jolle. Die Belegschaft hat an jenem Tage den Betrieb zwar betreten, aber die Arbeit nicht aufgenommen, was von der Direktion mit fristloser Entlassung der ganzen Beleg­schaft beantwortet wurde.

Die Direktion hatte beim Arbeitsgericht in Remscheid Feststellungsflage angeffrengt und beantragt, den Anschlag als rechtsgültig an­zuerkennen, ebenso die friffloje Entlassung als rechtsgültig zu bestätigen und ferner den Be­triebsrat zur Schadensersatzleistung zu verurteilen. Mit ungeheurer Spannung wurde von allen

Eigener Bericht des Vorwärts" London , 5. Oktober. Henderson machte auf der Labour- Kon­ferenz die Zusage, daß für den Fall, daß innerhalb der nächsten zwölf Monate eine Labour Regierung werden gebildet follte allerdings ein rein theoretischer Fall eine besonders einzuberufende Delegierten= fonferenz über die einzuhaltende Politik befragt werden solle.

-

Das Kabinett der Barone will ferner Preu= ßen als Land zerschlagen, um seine Herrschaft in Preußen errichten zu können und wozu, sagt der neueste Beamtenschub.

mie

Das Kabinett der Barone will das ganze Reich unter den Druck des preußischen Ostelbiertums stellen, es will ganz Deutschland einer Junterherrschaft unterwerfen.

Alles das steht in trassem Widerspruch zum Geiste der demokratischen Ver fassung! Es ist ein Ausfluß des reaktionären Machtwillens, der seine Herrschaft über das Boik errichten will! Dieser Machtwille ist nicht davor zurückgeschreckt, seine Demonstration einer ultra­reaktionären Personalpolitik fünf Tage vor dem Zusammentritt des Staatsge richtshofs zu unternehmen. Er schafft Tat­sachen in solchem Ausmaß, so bewußt als gegen­revolutionäre Aktion, daß ein Staatsgerichtshof, der dieser unrechtmäßigen Gewaltausübung ent­gegentreten wollte, ein Urteil von geradezu revo= lutionärer Wirkung fällen müßte. Unbekümmert um den Rechtsstreit verankert sich das Kabinett der Barone über seine preußische Filiale in der preußischen Verwaltung. Und das alles unter der

Parole: Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung in Preußen, gestützt auf den Artikel 48!

Der Kampf gegen die Reaktion ist Kampf um die Rechte des Volkes! Der Wahlkampf, den mir führen werden, ist. Verfassungstamps! Es gilt, die reaktionären Anschläge auf die Rechte des Volkes, den wiedererwachten Uebermut des preußischen Junkertums abzuwehren!

Am Dienstag wurde auf der Konferenz der Plan zur Ver staatlichung der Bank von England durch einen Ergänzungsantrag dahin ergänzt, daß

auch die Großbanken verstaatlich! werden sollten. Der Ergänzungsantrag murde mit 1141 000 gegen 984 000 Stimmen angenom­men. Diese Abstimmung zeigt, daß die Konferenz in Leicester einen entschieden sozialist i= schen Kurs zu steuern entschlossen ist. Dieselbe Resolution spricht sich gegen Englands Rückkehr zum Goldstandard aus.

Labour- Kongreß für Abrüstung

Der Kongreß der Arbeiterpartei hat einen Be­schluß zugunsten der Abrüstung gefaßt. Dabei sagte Arthur Henderson in einer Rede, man solle nicht vergessen, daß man seit langen Jahren nicht in einem Geiste des Friedens, sondern in einem militärischen Geiste gelebt habe. Lassen Sie mich, erklärte er zum Schluß, nach Genf zurückkehren, um dort meine Aufgabe mit allen ihren Schwierigkeiten und Enttäuschungen wieder aufzunehmen. Ich werde mein Mög lichstes tun, um befriedigende Ergebnisse zu erzielen.

Staatssekretär Nobis

Beförderter des Reichskommissars

Der Reichspräsident hat am Mittwoch den neu­ernannten Staatssekretär des preußischen Staats­ministeriums Dr. Nobis empfangen.

flärte.

Dr. Nobis, ehemals Ministerialdirektor im Staatsministerium, erschien am 20. Juli in der Reichstanzlei, er nahm an jener Sigung teil, in der Herr von Papen Severing für abgesezt er­Am Ende der Besprechung verließ Dr. Nobis nicht mit den preußischen Ministern die Reichskanzlei, sondern ging gemeinsam mit Herrn von Papen in dessen Zimmer. Er hat sich auf den Boden der Tatsachen ge­ſtellt".

Um das Schicksal der Republik

Von unserem Korrespondenten

Madrid , Anfang Oktober.

Am 6. Oktober findet in Madrid der XIII. Rongreß des Partido Socialista Obrero , der spanischen sozialistischen Partei, statt. Die Augen aller Politiker von ganz rechts bis ganz links sind auf diesen Kongreß gerichtet, der entscheiden wird über die weitere Entwicklung dieser jüngsten euro­ päischen Republik: Spanien . Denn neben den organisatorischen Fragen steht auf der Tages­ordnung des Parteitages der Bericht der Parlamentsfraktion, und in Verbindung da­mit stehen zur Verhandlung die Anträge der Bezirksverbände betreffend Zurüd­ziehung der drei sozialistischen Minister aus der gegenwärtig republi­kanisch- sozialistischen Koalitionsregierung.

Ist jetzt der Augenblick gekommen, in die Opposition zu gehen, oder ist es zweck­mäßiger, die Regierungsbeteiligung bis zu einem geeigneteren Augenblick fortzusetzen? Diese Frage legten sich in jeder der in den letzten Tagen stattgefundenen Bezirkskonfe­renzen die Delegierten vor. Die Antworten und Beschlüsse sind uneinheitlich und lassen keine Voraussage über den wahrschein­lichsten Beschluß des Parteifongresses zu. Nur eines ist sicher: daß die Debatte eine der leidenschaftlichsten und erregtesten wer­den wird, die je ein spanischer Parteifongreß erlebt hat. Die Anhänger der Regierungs­beteiligung können mit der Tatsache operie­ren, daß trotz sozialistischer Regierungsbetei­ligung die sozialistische Bewegung bisher nur Fortschritte und nirgends einen Rückschlag zu verzeichnen hat. Die Gegner der Regierungsbeteiligung aber haben für sich das sozialistische Aktionspro gramm.

Als im April vorigen Jahres die Republik erstand, war man in der Partei fast ein­mütig der Auffassung, daß die sozialistische Partei mit in die Regierung müsse. Und mit Recht kann die Partei behaupten, daß ohne ihre Regierungsbeteiligung die spanische Republik heute ein anderes Gesicht zeigen würde; statt einer konservativen Republik nach den Plänen des Radikalen" Lerrour ist eine fortschrittlich- moderne, mit sozialer Gerechtigkeit regierte Demokratie entstanden.

Man denke nur an die letzten drei großen Arbeiten der gegenwärtigen Regierung, um fich von ihrer Tätigkeit ein Bild zu machen: Das Katalanische Statut, die Agrarreform und das Gesetz über die entschädigungslose Enteignung der am letzten monarchistischen Komplott be­teiligten Adligen und Großgrundbesitzer. Besonders das letztere ist ein Werk der sozia­ listischen Minister, ein Gesez, das an revo lutionärem Wollen nichts zu wün­schen übrig läßt.

Wenn andernteils das Agrargesetz nicht dem entspricht, was die Sozialisten gefordert hatten, so ist es doch der sozialistischen Mit­arbeit zu verdanken, wenn die wichtig= sten Punkte so geformt sind, daß es einer tommenden sozialistischen Regierung möglich wäre, auf seiner Grundlage die Sozialisie­rung des bäuerlichen Grundbesizes durchzu­führen.

Die Erfolge ihrer Minister in der Regie­rung erkennt die Partei auch heute einmütig an. Ein großer Teil der Parteigenossen glaubt jedoch, daß die Republik und ihre republikanische Grundlage nunmehr start genug gefestigt ist, um auf ihrem Boden das sozialistische Aktionsprogramm ohne 3ögern in die Wirklichkeit umzusetzen. Das fann naturgemäß nicht in Zusammenarbeit mit der bürgerlichen Linken geschehen, und