wenn man mal soweit ist, schämt man sich nicht mehr „Hans, lieber Hans", sagt Gilgr Das ist doch nun einer aus ihrer Reihe. Und man müßte zusammenhalten, io sehr müßte man
UHS
Weißt du noch, weißt du noch, weißt du noch. Und jetzt? Der arme graugesichtige Junge da war mal der lustigste von allen. Ist � ja gar nicht mehr derselbe— und— wie's ihm jetzt geht, kann man kaum fragen. Aber da fängt er schon von selbst an zu erzählen. Sind ja doch gar nicht so ver- schlössen, die Jungen. Gott ja, man schweigt — solange bis sich Bedürfnis und Gelegen- heit zu sprechen mal vereinen... da war ich doch damals bei meinem Onkel in der Transformatorenfabrik und Hab' tüchtig ge- arbeitet— und ging alles gut— und hatt' einen ganz geraden vorgezeichneten Weg vor mir, der langsam aber sicher bergauf ging. Und da war doch die Hertha — du kennst sie ja, Gilgi.. Gilgi besinnt sich— ja doch, die hübsche blonde Hertha mit den weichen, mütterlichen Hüften—„natürlich kenn' ich sie— war sehr anständig im Brust- schwimmen— und ein lieber Kerl.. „Ja, das ist sie", bestätigt der Hans aus vollem Herzen.„Wir haben geheiratet. Weißt du, sie hatte so komische Eltern, die haben immer gestänkert, wenn sie mal ein bißchen spät in der Nacht nach Hause kam..." Gilgi nickt:„Na ja— das übliche!" „Ja. da haben wir eben geheiratet. Ich freute mich auch sehr über unsere eigene Wohnung und alles— war alles wunderschön— und man kam sich als junger Bengel mächtig gehoben vor, wenn man so sagen könnt': meine Frau. Und die Hertha war doch Sekretärin bei Brandt u. Co., ver- diente recht gut— na, und mein Gehalt dazu—! Wir konnten herrlich auskommen. Und Hertha wollt' ihre Stelle behalten die nächsten zwei Jahre, bis ich genug verdiente für uns beide. Aber dann kam das erste Kind, und da hat sie lange Zeit mit so'ner ekligen Brustgeschichte zu tun gehabt. Und dann ging unsere Firma pleite— monatelang lief ich rum ohne was. Und die Woh- nung mußten wir aufgeben und sind in'ne Dachkammer hinten in der Friesenstraße ge- zogen. Und so eine gute Frau, die Hertha . Gilgi!— nie geklagt, nie gejammert. Und die schwerste Zeit war auch die schönste— da Hab' ich gelernt, was es heißt, wenn ein Mensch wirklich zu einem gehört.— Ich kam dann bei einer Bersicherungsgesellschaft. unter als Agent— das lag mir nicht gleich, so hartnäckig und intensiv auf Leute einzureden — aber man kann's sich in unserer Zeit wirk- lich nicht leisten, daß einem irgendwas nicht liegt. Ich gab mir furchtbare Mühe— aber als ich gerad' anfing, in die Sache hinein- zuwachsen, wurd' ich auch schon wieder ent- lassen. Und die Hertha bekam's zweite Kind. Wir haben uns doch so lieb. Wie furchtbar das ist, Gilgi, daß man sich nur Unglück bringt, wenn man sich lieb hat. Die Hertha allein wär' weitergekommen, und ich allein wär' auch weitergekommen. Und zusammen ist man verloren und ausgeschmissen. Und ist verbunden auf Gedeih und Verderb, und wenn man auseinandergehn wollt'— da krepierte man dran.— Müßt' keine Liebe auf der Welt geben, Gilgi." „Müßt' keine Liebe auf der Welt geben, Hans." „Ja, ich bin gerannt von Pontius zu Pi- latus, war Gehilfe in'ner Garage, Aushilfs- kellner in'nein Gartenlokal. Hab' Adressen geschrieben und Zeitungen ausgetragen. Ein- mal bekam ich ein gutes Angebot für Holländisch Indien— könnt' ich ja nicht an- nehmen. Dann mal wieder Vertreter für'ne Wäschefabrik— und wieder für'ne Zeitlang Wohlfahrtsempfänger. Hütt' auch mal'ne anständige Sache als Filialleiter haben können— wenn ich viertausend Mark Kaution gehabt Hütt'— hatt' ich natürlich nicht. Und wieder mal mit Staubsaugern von Haus zu Haus gezogen— und jetzt mit Bohnerwachs.— Du— wer das nicht selbst durchgemacht hat, weiß nicht, wie das ist. Wie ein Verbrecher wird man behandelt, wie ein ganz gemeiner Verbrecher. Das knallt dir die Tür vor der Nase zu— das sieht dich so böse und feindselig an— und man läuft und läuft und läuft, und oft deckt der Ver- dienst eines Tages�noch nicht mal die Kosten für abgelaufene«Schuhsohlen. — Aber— man hat ja verflucht die Pflicht— nicht den Mut zu verlieren, nicht wahr?" Hilflos zuckt es um feine Mundwinkel—„und es wird ja wohl auch wieder mal besser?" Und er sieht Gilgi an, will sich ein Ja aus ihr herauslesen— und plötzlich fällt sein
Kopf vornüber auf die Tischplatte, und die Schultern zucken, sein ganzer Körper schultert — der weint, mein Gott, der weint— ein krächzender Schluchzton kommt aus seiner Kehle— noch einer, noch einer— das kann man nicht hören, das kann man nicht sehen — einen Mann, der weint. Und das Schluchzen— mein Gott— Gilgi ist aufgesprungen. lehnt kreideweiß an der Sessel- lehne— hör' auf, hör' auf, ich kann das nicht hören— der schluchzt so furchtbar— ich werde wahnsinnig, ich spring' aus dem Fenster, wenn er nicht aufhört... Und nun hebt er den Kopf, das Weiße in seinen Augen ist rot durchädert---„das— wird— nie mehr— besser, Gilgi— ich fühl', daß das nie mehr besser wird. Und das halt' ich nicht mehr aus— einfach nicht— mehr — aus— wenn ich über die Straße geh'— und seh' so dicke rotbäckige Kinder und denk' dann an meine— so blaß und elend— da oben in der muffigen Kammer. Für mich allein würd' ich doch nie und nie den Mut verlieren— aber das halt' ich nicht mehr aus— ich weiß nicht mehr— kann nicht mehr..." Tränen laufen ihm übers un- verdeckte Gesicht, und er schämt sich nicht—
Jionore fäalsLäc:
. ne.iiH /)» noch.. zusammenhalten. Viel wichtiger ist das als alles Verliebtsein: wir Jungen müßten zu- sammenhalten. Wir dürften so vieles nicht an einander geschehen lassen, wir müßten alle, alle einander sehr wirkliche Freunde sein... „Will mal weitergehn, Gilgi", sagt Hans und steht auf. „Es regnet draußen."
„Ja, es regnet draußen." „Du hast keinen Mantel?" „Ist auf dem Pfandhaus verfallen." „Willst d» mir mal sieben Buchsen Bohnerwachs dalassen, Hans?" Das deckt sich gerade aus Heller und Pfennig mit dem Stempelgeld. „Ja, siehst du, Gilgi, ich war's Sprechen gar nicht mehr gewöhnt. Man sollt' auch nicht sprechen— leichter macht's nicht, macht alles nur bewußter. Wiedersehn, Gilgi. Wird schon gehn. Muß ja gehn, nicht? Du, Gilgi, ich schreib' dir meine Adresse auf— besuch' mal die Hertha , ja? Die würd' sich freuen— ist immer so allein— wir baden gar keine Freunde..." „Ja. Hans, ich werd' sie besuchen. Auf Wie- dersehn, Hans." i........, Gilgi siebt ihm nach, wie er mit seinem Köfferchen die Treppen hinuntertorkelt— schließt dann langsam die Flurtür. Geht herum wie im Traum, räumt das Geschirr ab und bringt's in die Küche. Legt sich wieder ins Bett. Was wird mit den Menschen gemacht? Was? Was? Man müßte einander helfen— das ist so wichtig— und da sind kleine blasse Kinder, die nicht zu essen haben. (Fortsetzung folgt.)
3>ie tmgliickliche junge Prau
Dies« Erzahtuuq stammt aus dem Jahre 1832; sie ist bisher unbekannt geblieben und erst kürz- sich von M. Beuteron entbelkt worden. Eines Abends, erzählte Doktor Bianchon, wollte ich mich schlafen legen, ermüdet von diesen schreck- lichen Touren, die wir armen Aerzte in den ersten Jahren unserer Praxis zu Fuß und beinahe nur aus Nächstenliebe machen müssen; da meldete mir mein altes Dienstmädchen, eine Dame wünsche mich zu sprechen. Ich nickte, und bald erschien die Unbekannte in meinem Arbeitszimmer. Ich ließ sie in einem Sessel am Kamin Platz nehmen, setzte mich selbst in estie andere Ecke ihr gegenüber und betrachtete sie mit jener prüfende» Neugierde, die den Menschen unseres Berufes, wenn sie die Wissenschaft lieben, eigen ist. Ich kann mich nicht erinnern, in nieinem Leben einer Frau begegnet zu sein, die einen ähnlich starken Eindruck auf mich gemacht hätte. Sie war jung, bescheiden ge- kleidet, nicht mehr als hübsch, aber gut gebaut. Sie'sah mich mit Unruhe an, in ihren Worten und Gebärden war ein Schwanken, das meine Neugierde steigerte. Sie mußte erst ihr Scham- gefühl überwinden, und ich erwartete eines jener üblichen Bekenntnisse, an die wir Aerzte gewöhnt sind, die jedoch für die Patienten immer qualvoll sind. Plötzlich stand sie auf und sagte: „Herr Doktor, es ist ganz überflüssig, Ihnen zu erzählen, was für ein Zufall mich mit Ihrem Namen, Ihrem Charakter und Ihrem Können ver- traut gemacht hat." An der Aussprache erkannte ich in ihr eine Marseillerin. „Ich bin", fuhr sie fort,„seit drei Monaten mit Herrn von..., Bataillonchef bei den Gardegrena- dieren, verheiratet; er ist ein unbeherrschter Mensch und eifersüchtig wie ein Tiger. Seit sechs Monaten bin ich schwanger..." Als sie diese Worte im Flüsterton sprach, konnte sie einen nervösen Stimmkrampf kaum unter- drücken. „Ich gehöre einer der ersten Familien von Marseille an; ich bin achtzehn Jahre alt. Zwei Jahre lang war ich mit einem Vetter verlobt, einem liebenswürdigen jungen Mann, der aber nur einer Kaufmannsfamilie, der Familie meiner Mutter, angehörte. Wir liebten uns sehr. Vor acht Monaten kam der Gras von..., mein jetziger Gatte, nach Marseille . Er iit ein Neife der srü- Heren Herzogin von... und ein Günstling des Kaisers. Er hat die herrlichste militärische Lauf- bahn vor sich: alles das verführte meinen Vater. Trotz meiner Neigung, die ihm bekannt war, de- schloß er meine Heirat mit dem Grafen. Dieser Wortbruch führte zu einem Zwist zwischen den beiden Familien. Mein Vater fürchtete sich vor der Marseiller Heftigkeit, die zu einem Unglück führen könnte, und zog es vor. diese Angelegen- heit in Paris zustande zu bringen, wo die Familie meines Gatten lebt. Wir reisten ab. Unterwegs, im zweiten Nachtquartier, gegen Mitternacht, weckte mich die Stimme meines
Vetters, und ich sah seinen Kops neben dem mei- »igen... Das Bett meiner Eltern stand drei Schritt weit: nichts hatte ihn zurückgehalten... Wenn mein Vater aufgewacht wäre, hätte er ihn erschossen. Ich liebte ihn. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen." Sie senkte den Blick und seufzte. Ich habe oft das Röcheln gehört, das aus der Brust der Ster- benden dringt, aber ich muß eingestehen, daß das Seufzen dieser Frau, dieser stechende, mit Ver- zweiflung vermischte Schmerz, diese Angst, durch einen Augenblick der Lust verursacht, deren Ab- glänz noch in de» Augen der jungen Marseillerin zu leuchten schien—, mich wie mit einem Schlage gegen die heftigsten Erscheinungen des Leidens abhärtete. „In drei Tagen", meinte sie wieder,„kommt mein Mann aus Deutschland zurück. Es wird mir unmöglich sein, meinen Zustand vor ihm zu ver- bergen. Er wird mich umbringen. Ja, Herr Doktor, er wird nicht einmal davor zaudern. Mein Vetter wird sich erschießen, oder er wird meinen Mann fordern. Ich bin in einer Hölle..." Sie sprach diese Worte mit einer erschreckenden Ruhe aus. „Adolf wird von seinen Eltern sehr kurz ge- halten, sie geben ihm nicht genügend Geld für seinen Unterhalt; meine Mutter kann über ihr Vermögen nicht verfügen;>ch selbst besitze gar nichts. Trotzdem haben wir zu dritt viertausend Franken zusammengebracht. Hier sind sie", sagte sie, indem sie das Geld aus ihrem Mieder her- vorholte und es mir reichte. „Und nun, gnädige Frau?" fragte ich. „Und nun", erwiderte sie und schien über meine Frage verwundert,„ich komme zu Ihnen mit der flehentlichen Bitte, die Ehre zweier Familien, das Leben dreier Menschen und meiner Mutter auf Kosten meines unglücklichen Kindes zu retten..." „Sprechen Sie nicht weirer", sagte ich ihr kalt- blütig und nahm das Gesetzbuch vom Regal. „Sehen Sie sich das an", zeigte ich ihr eine Seite, die sie zweifellos nicht durchgelesen hat, „Sie würden mich aufs Schafott schicken. Sie bieten mir ein Verbrechen an, das vom Gesetz mit dem Tode bestraft wird, und Sie selbst würde man vielleicht noch fürchterlicher als mich be- strafen... Doch sogar wenn die Justiz nicht so streng wäre, würde ich mich mit einer Operation dieser Art nicht befassen; sie ist fast immer ein Doppelmord, denn es kommt feiten vor, daß die Mutter nicht auch zugrunde geht. Sie könnten eine» besseren Ausweg finden. Warum fliehen Sie nicht? Gehen Sie doch>ns Ausland.. „Ich würde entehrt fein.." Sic bestand noch eine Welle auf ihrem Wunsch, weich, mit einem dumpfen Unterton der Hoff- nungslosigkeit. Ich verabschiedete ste. Am zweitnächsten Tage, um acht Uhr morgens, kam sie wieder. Als ich sie in mein Arbeitszimmer eintreten sah, bedeutete ich ihr mit einer beredten Gebärde meine Weigerung; ober sie warf sich so
schnell vor mir auf die Knie, daß ich sie nicht mehr daran hindern konnte „Hier", rief sie,„hier sind zehntausend Franken!" „Nein, gnädige Frau", antwortete ich,„uKder hunderttausend noch selbst eine Million würden mich zum Verbrechen verleiten. Sollte ich Ihnen sogar in einem Augenblick der Schwäche Hilfe versprechen, so wäre ich später, wenn ich handeln müßte, zur Vernunft gekommen und wortbrüchig geworden. Ich bitte Sie, mich zu verlassen." Sie stand auf, setzte sich und brach in Tränen aus.„Ich bin verloren!" rief sie.„Mein Mann kommt morgen'zurück" Dieses fürchterlich schwermütige Bild verfolgte mich den ganzen Tag Ich hatte diese bleiche Frau fortwährend vor meinen Augen, fortwährend las ich die Gedanken, die aus ihrem letzten Blick sprachen. Abends, als ich z» Bett gehen wallte, brachte mir eine alte, zerlumpte und nach Straßenkot riechende Frau einen Brief, der auf einem fettigen, vergilbten Papierfetzen hingekritzelt war; die Schrift war kaum zu lesen, und es war etwas Entsetzliches in dieser Botschaft und in diesem Boten. „Ich bin von einem ungeschickten Kurpfuscher in einem verdächtigen Hause massakriert worden, denn nur dort fand ich Mitleid. Ich bin verloren. Ich befinde mich unter dem Namen„Frau Lebrun" im„Picardischen Hotel" in der Seine- Straße. Das Unglück ist geschehen. Werden Sie jetzt den Mut haben, mich zu besuche» und sich zu vergewissern, ob es für mich noch irgendeine Rettungsmöglichkeit gibt? Werden Sie eine Ster- bendc geneigter anhören?" Glühender Frost lief durch meinen Körper. Ich warf den Brief ins Feuer und legte mich hin; aber ich schlief nicht: ich wiederholte mehrmals und beinahe mechanisch:„Die Arme, die Arme..." Am nächsten Tage, nachdem ich alle meine Be- suche erledigt hatte, ging ich, von einem inneren Zwang geführt, ins angegebene Hotel. Unter dem Vorwand, auf der Suche nach jemand, dessen Adresse ich nicht genau kannte, zu sein, holte ich vorsichtig Erkundigungen ein. Der Portier sagte mir: „Nein, mein Herr, wir haben keine» Gast dieses Namens. Gestern kam eine junge Dame an, aber sie wird nicht mehr lange hier bleiben... Sie ist heute mittag gestorben." Ich verließ eilig das Haus und nah», eine ewige Erinnerung an Trauer und Grauen mit. Ich sehe selten einen einsamen Leichenzug, ohne Verwandte, ohne Freunde, durch Paris ziehen, ohne dabei an dieses Abenteuer zu denken. Und jedesmal entdecke ich darin ein neues Thema zum Nachdenken. Es ist ein ganzes Drama, das sich zwischen fünf Personen abspielt; ihre mir unbe- kannten Schicksale laufen vor mir auf tausendfache Art und Weise ab und beschäftigen mich ast stundenlang... (Deutsdi von J. Arndurski-Sdiuberl.)
läuferifoff« JOCQUtßOUC/ft. fejßesHaarQgrn ärtHt*» brtmai» ut.ntrrr*
WOLLPLUSCH epproDre Marke ca. A f CO. l-o34?i
M ca. 300 WO
i>9:
3?0 CO. 350 520
51; 9a-
BETTUMRANDUNGEN Wollplüsch, bekanntes Marken- fabrikat.rn modernen /arran Forben 1 Läuferca.ÄHSO ILäufercoJO'BÄO 2 Vorlagen AO 2 Vorlagen tc'lZ.' co. 60-130 //« ca.««155 /U. gSPKV- mll Franse mit Franse JL /• TSOWfc. AOOCW.
TOURNAV erprobte Marke fes /Q. 200 /O sötO. m*f£: I6H