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Abend- Ausgabe

Nr. 482 B 233 49. Jahrg.

Redaktion und Berlag: Berlin SW 68, Lindenstr. 3

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Vorwärts

BERLINER

VOLKSBLATT

MITTWOCH

12. Oktober 1932

In Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts....... 10 Pf. Bezugsbedingungen und Anzeigenpreise fiehe am Schluß des redaktionellen Teils

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Programm der Gegenrevolution!

Alarm!

Republikaner! Verteidigt die

Republik !

Herr von Papen hat heute vormittag vor den bayerischen Industriellen eine Rede gehalten, die eine Kriegserklärung an alle deutschen Republikaner ist, eine Rede, die im deutschen Volk eine tiefe Beunruhigung hervorrufen wird und die darum auch für die Wirtschaft eine furchtbare Schädigung bedeutet.

Herr von Papen will nur an dem zweiten Teil der Reichsverfassung nicht rütteln".. Dieser zweite Teil handelt von den ,, Grund­rechten und den Grundpflichten der Deut­ schen " in zumeist unverbindlicher Form. Der erste Teil enthält die Bestimmung, daß Deutschland eine Republik ist, daß alle Körperschaften nach demokratischem Wahl­recht zu wählen sind, daß die Regierungen des Vertrauens der Volksvertretungen be­dürfen, kurz alle Bestimmungen über den Aufbau der demokratischen Republik .

Bon diesem ersten Teil will Herr von Papen feinen Stein auf dem anderen lassen. Ueber die Staatsform selbst spricht er in zweideutigen Ausdrücken, die auf alle mon= archistischen Umtriebe ermunternd wirken müssen. Er fordert die Unabhängig­keit der Regierung vom Parlament, also völlige Beseitigung des parlamentarischen erste Kammer, Ver= Systems, eine fassungsautonomie für die Län­der, so daß sie reaktionäre Wahlsysteme und unter Umständen auch die Mon= archie wieder einführen fönnen.

Das sind gefährliche Pläne. Man kann aber vielleicht sagen, gegen diese gefährlichen Pläne bestehe der Schutz des Artikels 76. Danach kann die Verfassung nur durch Zwei­drittelbeschluß des Reichstags oder durch Be­schluß der Mehrheit aller Stimmberechtigten in einer Volksabstimmung geändert werden.

Herr von Papen fann nicht glauben, daß der nächste Reichstag eine Zweidrittelmehr­heit für seine Pläne haben wird. Er kann faum glauben, daß eine Volksabstimmung ihn ans Ziel bringen wird.

Was sagt der Ernannte Hindenburgs zu dieser Frage?

Die Reichsregierung wird den Verfassungs­entwurf so fertigstellen, daß der neue Reichs­tag ihn bei seinem Zusammentritt vorfindet. Möge er beweisen, daß er dieser großen Aufgabe gewachsen ist! Lebensfähig sind nur diejenigen Einrichtungen, welche aufbauende Arbeit schaffen fönnen.

Das ist eine Drohung an einen Reichs­tag, der sich den Wünschen der Barone nicht fügen will.

Und weiter:

Die Reichsregierung ist entschlossen, den ihr vom Herrn Reichspräsidenten erteilten Auf= trag der Neuordnung unseres Staats­und Wirtschaftslebens bis zum Erfolge durchzu­führen. Sie hat dazu den Willen und die Macht...

An dieser gleichfalls äußerst drohend flin­genden Aeußerung ist nur eines unbedingt richtig, daß die Regierung der Barone den Willen zu einer fonterrevolutionären Ver­fassungsänderung hat. Daß sie den Auf­trag dazu vom Reichspräsidenten erhalten hat, ist zunächst zu bezweifeln. Daß sie dazu die Macht hat, muß sie erst beweisen!

Herr von Papen läßt in seiner Rede die Möglichkeit offen, daß der Reichspräsident von Hindenburg eine Verfassungsänderung

zulassen könnte, die auf einem anderen Weg als dem verfassungsmäßigen zustande kommt. Damit führt Herr von Papen einen Schlag gegen die Autori tät des Reichspräsidenten .

Die verfassungstreuen Elemente des deut­ schen Volkes, die Herrn von Hindenburg als Hüter der Verfassung in sein Amt eingesetzt haben, fordern als Antwort auf die

Drohungen des Reichskanzlers eine be= stimmte Erklärung des Reichs= präsidenten , daß er eine Verfassungs­änderung auf anderem als dem verfassungs­mäßigen Wege niemals zulassen wird.

Sollte eine solche Erklärung ausbleiben, so wäre mit der Münchener Rede des Reichs­fanzlers der Machtkampf um die Repu­ blik und die Demokratie eröffnet. Zugleich

aber wären alle Grundlagen von Treu und Glauben erschüttert, auf denen sich jedes geordnete Gemeinschaftsleben aufbaut.

Das Verhängnis schreitet fort. Aufgehalten fann es nur werden, wenn sich eine ge= waltige Welle des Volfswillens ihm entgegenwirft.

Republikaner, verteidigt die Republik !

Papens Kriegserklärung an Weimar

Rede vor den bayerischen Industriellen

München , 12. Offober. Reichskanzler von Papen hat heute auf der außerordentlichen Mitgliederversammlung des bayerischen Industriellenverbands eine Programm­rede gehalten, in der er feine Pläne zur 3er­schlagung der Verfassung von Weimar entwickelte. Seine Ausführungen über seine Pläne zur Verfaffungsverschlechterung lauten:

Mit Recht hat der Herr Vorsitzende noch auf eine Vorbedingung für eine dauernde Gesundung der Wirtschaft hingewiesen, auf den Umbau der Berfassung des Deutschen Reiches . Ohne stetige politische Verhältnisse fann Handel und Wandel des Boltes nicht gedeihen. Die Weimarer Verfassung hat in einer Periode von 13 Jahren gezeigt, daß sie solche Verhältnisse nicht schaffen könnte. Ueberall ist die Erkenntnis ver­breitet, daß die Zeit zu dieser Reform gekommen ist. Gerade von München her sind dankenswerte Anregungen gegeben worden. Alle unsere großen Parteien sind sich in der Erkenntnis der Reform­bedürftigkeit der Verfassung einig. Der Führer des Zentrums hat befanntgegeben, daß er dennächst ein Verfassungsprogramm verkündigen

werde, und es sollte mich freuen, wenn er aus den Erkenntnissen, die er schon vor vier Jahren über die Notwendigkeit einer stabilen Regierung aus= gesprochen hat, jetzt dieselbe Folgerung zieht wie ich. Ich stimme auch dem Herrn Staatsrat Schäffer zu, daß die Periode der Gesetzgebung durch den Artikel 48 einmal abgeschlossen werden muß.

Das aber fann nur durch ein neues Ber fassungswert geschehen, welches das Ber­hältnis zwischen Staat und Bolt und zwischen Reichsgewalt und Ländern in klarer Erkenntnis der Notwendigkeiten der Zukunft in Würdigung der historischen Staatspersönlichkeiten neu be­stimmt. Wir wollen eine machtvolle und über­parteiliche Staatsgewalt schaffen, die nicht als Spielball von den politischen und gesellschaft­lichen Kräften hin- und hergetrieben wird, sondern über ihnen unerschütterlich steht wie ein rocher de bronce. Die Reform der Verfassung muß dafür sorgen, daß eine folche macht­volle und autoritäre Regierung in die richtige Verbindung mit dem Volk gebracht

Preußens Beweisanträge

Was haben Papen und Hitler verhandelt?

F. Kl. Leipzig, 12. Oktober.

Die preußische Prozeßvertretung hat soeben ihre Beweisanträge neu formuliert und dem Gericht eingereicht. Diese Anträge haben jetzt folgenden Wortlaut: Dem Vorgehen der Reichs= regierung gegen das Land Preußen vom 20. Juli 1932 find Verhandlungen mit den Nationalsozia­listen über die Unterstützung des Kabinetts von Papen durch sie vorausgegangen, bei denen in Aussicht gestellt worden ist:

1. Aufhebung des Uniformverbots,

2. Aufhebung des Berbots der Sturmabteilungen,

3. Aenderung der amtlichen Personalverhältnisse

in Preußen in parteipolitischer Hinsicht,

4. Einsetzung eines bewährten Mannes als Ministerpräsident oder Reichskommiffar in Preußen,

5. Umorganisation der inneren Verwaltung in Preußen unter starker Mitwirkung von national­fozialistischen Kräften.

Diese Umstände sind entscheidend be. stimmend gewesen für das Vorgehen am 20. Juli 1932, namentlich für die Ausdehnung und Gestaltung dieses Vorgehens. Für den Fall, daß der Staatsgerichtshof diese Tatsache nicht bereits als feststehend ansieht und für den Fall, daß man den Anträgen des Freistaates Preußen und den Fraktionen des Preußischen Landtages nicht schon auf Grund des übrigen Ergebnisses der Verhandlungen stattgibt, wird beantragt, über diese Tatsachen Beweis zu erheben durch Vernehmung:

a) des Freiherrn von Gleichen, Berlin , Friedrich­Ebert- Straße 15,

b) des Herrn Adolf Hitler , München , Braunes Haus .

Außerdem wird gebeten, über die gleichen Fragen zu hören:

c) den Herrn Reichskanzler Freiherrn von Papen, Berlin , Reichskanzlei ,

d) den Herrn Reichswehrminifter von Schleicher , Berlin ,

e) den Herrn Staatssekretär in der Reichs­fanzlei, Pland.

Sollte der Staatsgerichtshof erkannt haben, die zu c) und d) genannten Herren als Zeugen zu hören, so wird gebeten, das persönliche Er= scheinen der Parteien, zum mindesten das Erscheinen der zu c) und d) genannten Mitglie= dern der Reichsregierung anzuordnen.

( Siehe auch 3. Seite.)

Nazi- Parteibuch regiert

Wo Nazis regieren, herrscht das braune ,, Bar­teibuch". Das ist eine alte Erfahrung. In Thü­ ringen hat sie sich so schnell bestätigt, daß eine Abordnung des thüringischen Richtervereins schon wenige Wochen nach dem Amtsantritt der Nazi­regierung in Weimar bei dieser gegen die sprung­hafte Besetzung von Stellen des juristischen Dienstes mit Nationalsozialisten Protest erhoben hat.

wird. An den großen Grundgesetzen, die der Teil II der Weimarer Berfaffung enthält, soll man nicht rüffeln, aber die Formen des politi­schen Lebens gilt es zu erneuern und den Be­dürfnissen des Bolles anzupassen.

Die Reichsregierung muß unabhän giger von den Parteien gestellt werden. Ihr Bestand darf nicht Zufallsmehrheiten ausgeliefert sein. Das Verhältnis zwischen Regierung und Bolksvertretung muß so geregelt werden, daß die Regierung und nicht das Parlament die Staatsgemalt handhabt.

Als Gegengewicht gegen einseitige, von Partei­interessen herbeigeführte Beschlüsse des Reichstags bedarf Deutschland einer besonderen ersten Kammer mit fest abgegrenzten Rechten und starter Beteiligung an der Gesetzgebung. Heute ist das einzige Korrektiv gegen das überspizte parlamentarische System und gegen das Versagen des Reichstags die Verordnungsgewalt des Reichs­präsidenten auf Grund des Artikels 48 der Reichs­verfassung. Sobald aber wieder stetige und normale Verhältnisse herrschen, wird auch kein An­laß mehr sein, den Artikel 48 in der bisherigen Weise anzuwenden.

Die Reichsregierung beabsichtigt, die Ver­fassungsreform in engem Einvernehmen mit den Ländern durchzuführen. Die geschichtlich gewordenen deutschen Staatsgebilde sollen nicht vergewaltigt werden. Die Reichsregie­rung lehnt jede Maßnahme ab, die unmittelbar oder mittelbar eine Zerschlagung Preußens be­deutet. Eine Auflösung des preußischen Staatsgefüges, eine Auflockerung der in langer Geschichte gewordenen Einheit, eine Auf­gabe der Ost- West- Klammer fönnen nicht die Grundlage einer Reichsreform sein, wie sie der Die Reichsregierung vorschwebt. Erhaltung Preußens in seinem Bestand als staatsrechtliche Einheit wird nicht nur von Preußen als eine. selbstverständliche Forderung angesehen, sie dürfte auch von den anderen Ländern als Sicherung gegen eine Mediatisierung der außerpreußischen Länder betrachtet werden. Das Schwergewicht der Reichsreform muß in der Beseitigung des allgemein, auch von bayerischer Seite, beklagten Dualismus zwischen Reich und Preu­ßen liegen. In ihr wird die Zusammen­fassung der wichtigsten Organe des Reiches und Preußens erreicht werden.

Im Zusammenhang mit der Herstellung einer organischen Berbindung zwischen Reich und Preußen wird es durchaus möglich sein, den übrigen Ländern die gerade von bayerischer Seite erstrebte Verfassungsautonomie zu gewähren. Auch die durch Artikel 18 der Weimarer Verfassung beseitigte Gebiets­autonomie für die lebensfähigen und lebens­willigen Länder fann wiederhergestellt werden. Auch eine Reihe weiterer Wünsche, die im Intereffe der Stärkung der Stellung der Länder erhoben werden, ist erwähnenswert. Vor allem wäre es denkbar, den Ländern freie Hand in der Gestaltung des Gemeindewahlrechts zu geben und für den Ausbau des Landess