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Morgen- Ausgabe

Nr. 485 A237 49.Jahrg.

Redaktion und Berlag:

Berlin SW 68, Lindenstr. 3 Fernsprechers A7 Amt Dönhoff 292 bis 297 Telegrammabresse: Sozialdemokrat Berlin

14. Oktober

Vorwürts=

BERLINER

VOLKSBLATT

Jn Groß Berlin 10 Pf. Auswärts....... 15 Pf. Bezugsbedingungen und Anzeigenpreise fiehe am Schluß des redaktionellen Teils

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

An das deutsche Volf!

Reichskanzler von Papen hat mit seiner Rede vor den bayerischen Industriellen in München am 12. Oktober der demokratischen Republik den Krieg erklärt. An die Stelle einer Staatsgewalt, die vom Volke ausgeht, will Herr von Papen das konservative Gottesgnadentum setzen.

Herr von Papen fordert für die Länder die Verfassungsautonomie", d. h. das Recht, Monarchie und Klassenwahlrecht wieder einzuführen. Der Volksvertretung will er das Recht nehmen, die Regierung abzuberufen. Er will jenen Zustand der Ohnmacht des Parlaments wiederherstellen, wie er vor dem Kriege in den Zeiten des persönlichen Regiments bestanden hat.

Herr von Papen erklärt, seine Regierung habe den Willen und die Macht, die Verfassung zu ändern. Er wird aber für seine reaktionären Pläne weder eine Zweidrittelmehrheit des Reichstags noch eine Mehrheit aller Stimmberechtigten bei einer Volksabstimmung gewinnen können, ohne die eine Reform auf ver fassungsmäßigem Wege nicht möglich ist.

Woher will also Herr von Papen die Macht nehmen, die Verfassung dennoch zu ändern? Die ihm ergebene Presse gibt unzweideufig zu verstehen, daß dies auf dem Wege des Staatsstreichs, des Verfassungsbruchs geschehen soll.

So hat die Reaktion die Maske abgeworfen. Sie holt zum entscheidenden Schlage aus. Ihr Vernichtungswille gilf den politischen und sozialen Rechten, die wir Sozial­demokraten in jahrzehntelangen Kämpfen dem Volke errungen haben.

Fällt die Demokratie, das gleiche Wahlrecht, das Recht der Volksvertretung, so fallen mit ihnen das Recht der Gewerkschaften, das Tarifrecht, das Recht des arbeitenden Menschen auf Unterhalt im Falle der Not.

Wird das Adelsregiment, die Diktatur des Großbesizes verfassungs­mäßig verankert, so werden Lohndruck und Unterstützungsdruck damit verewigt. Nur in schwersten Kämpfen unter den furchtbarsten Opfern wird dann das arbeitende Volk wieder die Stellung zurückgewinnen können, die es nach der Revolution und unter der letzten Kanzlerschaft des Sozialdemokraten Hermann Müller schon erreicht hatte.

Gegen die Pläne der Regierung der Barone stellt sich die Sozialdemokratie zur Verteidigung und zum Gegenangriff.

Volksgenoffinnen und Volksgenossen, kämpft mit uns! Duldet nicht, daß die Demokratie, das gleiche Wahlrecht aller Männer und Frauen angetastet wird! Berlin , den 13. Oktober 1932.

Kämpft mit uns gegen die Baronswirtschaft, gegen alle Feinde der Republik ! Leistet Widerstand gegen Lohndruck und Unterstützungsdruck! Fordert mit uns die Enteignung der staatsstreichlüfternen Dynastien und des Groß­grundbesitzes, die Verstaatlichung der Banken und der Schlüsselindustrien, die plan­mäßige Leitung der Wirtschaft zum Wohle der Gesamtheit durch einen sozialistischen Staatswillen!

Gegen die soziale Reaktion und für die Rechte der Volksvertretung zu kämpfen, geben jetzt auch die Nationalsozialisten por. Aber haben nicht sie selber der sozialen Reaktion in den Sattel geholfen? Ihr jahrelanger Kampf gegen die Republik , die Demokratie, die politische und die gewerkschaftliche Arbeiterbewegung hat der Reaktion den Weg zur Macht geebnet. Je mehr Nazis im Reichstag, desto mehr Barone in der Regierung! Nur über Hitlers bereitwillig hingehaltenen Rücken kam Papen zur Macht!

Die Kommunist en aber haben, statt Schulter an Schulter mit der Sozial­demokratie für die Rechte des arbeitenden Volkes einzutreten, in zahllosen Par­lamentsabstimmungen und beim Volksentscheid vom 9. August 1931 gemeinsam mit den Nationalsozialisten und Deutschnationalen den Kampf gegen die demo­kratische Republik geführt. Jetzt ernten sie, was sie gesät haben.

Wer die demokratische Republik, das gleiche Wahlrecht und das par­lamentarische System jahrelang mit Hohn und Haß bekämpft hat, der kann sie heute nicht gegen die Barone verteidigen.

Volksgenossinnen und Volksgenossen! Laßt Euch nicht verwirren, wenn Ihr Euch nicht knechten lassen wollt! Wollt Ihr Eure Rechte verteidigen, so kämpft mit uns! Es geht um alles!

Nieder mit der Baronswirtschaft! Kampf der Reaktion und ihren Staatsstreichgelüften!

Vorwärts am 6. November für Demokratie und Sozialismus mit der Eisernen Front unter den Fahnen der Sozialdemokratio Freiheit!

Der Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Dreitlaffenunrecht

Die Ziele der Papen- Parteien In einer Deputationsfigung in Charlottenburg . die sich mit der neuen Bezirksverfassung beschäf­tigte, erging fich der Führer der deutschnationalen Stadtverordnetenfrattion, Herr von Jedlin. in stocreaktionären Gedankengängen. Genosse Czerlinski hielt ihm entgegen, daß sein Gedanken­gang zurüd zum Herrenhaus und zum Dreitlassenwahlrecht führe. Herr von Jedlin rief darauf: Das will ich auch!"

Die Herren halten es nicht mehr für nötig, ihre volksfeindlichen Pläne zu verbergen. Ganz offen bekennen sie sich zu den unwürdigsten Un­rechtbestimmungen des alten Systems!

Am 6. November haben die Wähler zu ent­scheiden, ob sie den Herren wieder das Heft in die beutegierige Hand geben oder ob sie sie end­gültig zum Teufel jagen wollen!

Wels gegen Papen

Ueber ein Telephongespräch, das der Parteivor­sitzende Otto Wels unmittelbar nach der Rede des Reichskanzlers von Papen in München mit dem Staatssekretär beim Reichspräsidenten Dr. Meißner führte, wird in bürgerlichen Blättern in irreführender Weise berichtet. Es ist Wels

nicht eingefallen, den Reichspräsidenten durch Meißner bitten zu lassen, er möge auf den Reichs= fanzler Einfluß nehmen, damit er in Zukunft solche Schärfen wie in seiner Münchener Rede unterlasse. Wels hat auch nicht ausgeführt, daß die Haltung des Kanzlers die Stimmung innerhalb der Partei verschärfe. Vielmehr hat sich Wels dem Staatssekretär Meißner gegenüber in Ausdrücken der schärfsten Ablehnung über die Person des gegenwärtigen Reichskanzlers und die Art seines öffentlichen Auftretens ausgesprochen.

Im übrigen unterrichtet über die Stellung des sozialdemokrati schen Parteivorstandes zur Rede des Reichskanzlers in München der neben- stehend veröffentlichte Aufruf.

Streiferfolg!

Eigener Bericht des ,, Vorwärts" Torgau , 13. Oktober.

Der Abwehrkampf bei der Steingutfabrik Billeroy u. Boch in Torgau , mit der Herr von Papen verschwägert ist, ist trotz der kommunistisch­nationalsozialistischen Zersplitterungsversuche mit einem vollen Erfolg für die freien Ge­werkschaften beendet worden. Die Direktion hat sich in Berhandlungen mit dem Fabritarbeiter­verband verpflichtet, vorläufig auf die Durchfüh­

rung der Papen - Notverordnung zu verzichten. Es wird wie bisher 48 Stunden gearbeitet und der jetzige Tariflohn ungefürzt weitergezahlt.

Der Erfolg ist um so höher zu bewerten, als nicht nur die RGO., sondern auch die Betriebs­zellenorganisation der Nazis sich nach Kräften be­mühten, den wirtschaftlichen Abwehrkampf zu stören und zu einem polifischen Geschäft zu machen. Man ging dabei so weit, gemeinsame Versammlungen abzuhalten, dort die Ge­werkschaften des Streifbruchs zu bezichtigen und Forderungen auf Lohnerhöhung zu stellen. In einer von der RGO. einberufenen Versammlung konnte der Gauleiter der Nazi- Betriebs. 3ellenorganisation Brachmann aus Halle unter dem jubelnden Beifall der friedlich beiein­ander fihenden Nazis und Kozis neben anderen Gemeinheiten fagen: Für die NSBO. und RGO. gibt es nur einen gemeinsamen Gegner, näm­lich die freien Gewerkschaften."

Also doch Nazianwalt!

Der Nazianwalt Luetgebrune hat die Verteidi gung Lahusens nicht niedergelegt. Von den bei­den Nazianwälten, die Lahusen beauftragt hat, ist also nur Frank II ausgeschieden, Luetgebrune aber beibehalten worden. Frank II ist Reichstags kandidat, Luetgebrune nicht.

Das Volk will

daß Papen verschwindet

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,, Das Volk will"... ,, das Volk will" diese Wendung gebrauchte Herr von Papen in seiner Rede vor den bayerischen Industri­ellen vier- oder fünfmal.

Woher weiß Herr von Papen, was das Volk will? Wer ist überhaupt das Bolk", in dessen Namen er zu sprechen wähnt? Etwa die Industriellen, an die seine An­sprache gerichtet war, oder der Herren= flub, in dem er vor einigen Monaten lan­ciert wurde?

Der eigentliche Wille des Volkes ist in den meisten Fragen nicht leicht zu erkennen. Immerhin gibt es einige wenige Fragen, über die eine so erdrückende Mehrheit der Nation ihr Urteil gesprochen hat, daß man ausnahmsweise in solchen Fällen den Satz aussprechen darf: ,, Das Volk will."

So hat am 12. September das Volk, ver­treten durch 513 Abgeordnete, die am 31. Juli von mehr als 30 Millionen Wählern in den Reichstag entfandt worden waren, gefordert: ,, Papen muß verschwinden!" Weniger als 2 Millionen Wähler, vertreten durch 32 Ab­geordnete, meinten dagegen: Papen soll bleiben!" Hier hat sich einmal unzweideutig gezeigt, was das Volk will.

Daß diese Willenskundgebung durchaus nicht