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Morgen- Ausgabe

Nr. 487 A238 49. Jahrg.

Redaktion und Berlag: Berlin   SW 68, Lindenstr. 3 Fernsprecher: A7 Amt Dönhoff 292 bis 297 Telegrammabreffe: Sozialdemokrat Berlin  

Vorwärts

BERLINER

VOLKSBLATT

SONNABEND

15. Oktober

In Groß Berlin   10 Pf. Auswärts....... 15 Pf. Bezugsbedingungen und Anzeigenpreise siehe am Schluß des redaktionellen Teils

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Luther gegen Kontingentierung

Reichsbanksorgen um die Erhaltung der Währung

Wie die ,, Telegraphen- Union" erfährt, bestätigt es sich, daß das Reichsbankdirek torium an die Reichsregierung ein Schrei­ben gerichtet hat mit der eindringlichen Warnung, es sei nicht in der Lage, die Gewähr für die Erhaltung der Währung weiterhin zu tragen, falls die Kontingentierungspolitik durch­geführt werden sollte.

Diese Meldung von ungewöhnlicher Tragweite ist veranlaßt durch einen Artikel der agrarischen ,, Deutschen Tageszeitung", der unter der Ueber­schrift Was ist die Wahrheit? Ein gemein­gefährliches Gerücht" eben die Nachricht erörtert, die jetzt von der Telegraphen- Union", bestätigt wird. Das agrarische Blatt spricht von einem Ballspiel mit dem Ausland", von unge­heuerlichen Behauptungen", deren ,, vergiftende Wirkung nur durch eine bündige Widerlegung beseitigt werden könne. An Stelle der geforder­ten Widerlegung kommt nun die Bestätigung.

Der Brief des Reichsbankdirektoriums verfolgt bestimmt keine landwirtschaftsfeindliche oder über= haupt politische Absichten. Er ist vielmehr von einer ganz einfachen und vollkommen verständlichen währungspolitischen Angst dittiert. Die Kontingentierungspolitik, die dahin gerichtet ist, von bestimmten wichtigen Einfuhrwaren nur zahlenmäßig begrenzte Mengen ins Land zu lassen, bedeutet in der Tat für die Währung eine große Gefahr. Es ist die Pflicht der Reichsbank, Widerstand gegen eine Regierungspolitik zu leisten, die inflationistische Gefahren in sich birgt. Im übrigen steht ja das Reichsbankdirek­torium in seinem Kampf gegen die Kontingentie­

rung innerhalb der obersten Reichsbehörden nicht allein. Es ist ein offenes Geheimnis, daß diese Probleme zu heftigen Auseinandersetzungen im Kabinett geführt haben, die ja dann auch in der Deffentlichkeit nachflangen. So hat der Reichs­wirtschaftsminister Warmbold schon am 27. September in Köln   den Satz geprägt:

,, Ein Rückzug aus den weltwirtschaftlichen Berflechtungen wäre unmöglich, ohne eine in ihrem Ausmaß nicht zu übersehende Entwertung der Kapitalien der deutschen   Wirtschaft."

Die politischen Folgen des jetzt offen ausges brochenen Konfilkts sind noch nicht übersehbar. Vor agrarischer Seite wird ein Sturm gegen das Reichsbankdirektorium einsetzen- aber wenn dort ein Personenwechsel erfolgen sollte, welcher verantwortungsbewußte Finanzmann könnte, das Erbe eines Reichsbankpräsidenten antreten wollen, der aus dem Amt gedrängt wurde, weil er die Währung verteidigen wollte!?

So muß sich die Bombe der Reichsbankbriefe in der Richtung zur Regierung entladen. Herr von Papen hat in München   alle, die ihm auf dem Wege seiner Außenpolitik nicht zu folgen gewillt sind, als Feinde des deutschen Volkes" bezeichnet. Will er diese Bezeichnung auch auf das Reichsbankdirektorium anwenden, das sich seiner Handelspolitik so entschieden entgegenstellt? lleber­haupt hat die autoritäre Staatsführung" mit jedem Tage mehr Pech. Wenn selbst die Unter­nehmerpresse von den Lohndruderperimenten der Regierung abrückt und selbst das Reichsbank­direktorium sich gegen ihren wirtschaftspolitischen Dilettantismus wendet und vor seinen Folgen

Fehlurteil im Börnice- Prozeß

Eiserne- Front- Leute verurteilt- Zuchthaus für Teichmann

Das Sondergericht Landgerichtsdirektor Meusel als Vorsitzender, die Landgerichtsräte Einhorn   und Gebhardt als Beisitzer verurteilte gestern die Mitglieder der Eisernen Front, die angeklagt waren, den Zusammenstoß mit den Nationalsozialisten am 10. Juli in Bör nicke verursacht zu haben, zu folgenden Strafen:

Die Reichsbannerleute Schmidt und Teich­mann wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit Raufhandel, den ersteren 3 u 1 Jahr 6 Mo­naten Gefängnis, den letzteren zu zwei Jahren Zuchthaus, die Mitglieder des Arbeiter- Rad- und Kraftfahrbund Solidarität Voß und Bachmann zu neun Monaten resp. zu 6 Monaten Gefängnis. Der Reichsbannermann Galle wurde freige­sprochen.

Der SA.- Mann Beder erhielt wegen ge­fährlicher Körperverlegung aus politischen Beweg­gründen in Tateinheit mit Verstoß gegen die Not­verordnung über Waffenmißbrauch 3 Monate Gefängnis, wegen des letzteren Delikts die gleich Strafe auch der SA.- Mann Schröder.

Außerdem wurden Schmidt und Teich­mann verurteilt zu einer Bußezahlung von 500 Mart zugunsten eines der Berletzten und zu je 1000 mart zugunsten der beiden anderen Verletzten.

Dem Berurteilten Schmidt soll nach Berbüßung von 9 Monaten Gefängnis für den Rest der Strafe eine Bewährungsfrist zugebilligt werden. Der verurteilte Teichmann wurde sofort in Haft genommen.

Neue Zuchthausurteile Hannover  , 14. Oktober.

In Hannover   wurden zwei junge Men= schen, bisher nicht vorbestraft, auf Grund der Zuchthausverordnung wegen Rauferei zu je

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einem Jahr Zuchthaus verurteilt. Das Gericht erblickte in der Schlägerei einen po= litischen Zusammenstoß, weil die beiden An­geklagten den Gegner während der Schlägerei einen Nazi genannt hatten, obgleich der junge Mann mit den Nazis nichts zu tun hat. Der Angegriffene erklärte ausdrücklich, daß er feinen Wert auf Bestrafung lege. Der Staatsanwalt und der Gerichtsvorsitzende führten dennoch eine Verurteilung der beiden jungen Leute herbei.

Das gleiche Gericht verurteilte einen 29jährigen unverheirateten und lungenleidenden Arbeiter ebenfalls zu einem Jahr Zuchthaus, weil er einem Gefreiten im Dienst mit der Faust einen Schlag auf den linfen Unterarm versetzt hatte.

Wahlfreiheit!

Wie Herr von Gayl es nie versteht Der Parteivorstand hat sich an das Reichs­ministerium des Innern gewandt, um eine Auf= hebung oder Lockerung des Verbots für Versammlungen unter freiem Himmel zu erreichen. Der Reichsminister des Innern hat nun in einem Schreiben vom 13. Df= tober mitgeteilt, daß er sich nicht in der Lage sehe, der Anregung zu entsprechen ,,, da die Voraussetzungen für eine derartige Maßnahme noch nicht erfüllt sind".

Dem Parteivorstand war mitgeteilt worden, daß zwischen der Reichsregierung und dem Stahl= helm Verhandlungen über eine allgemeine Ge­

warnt, dann scheint uns die Zeit gekommen, in der ,, die Autorität der Staatsführung" reif für den Kesselflicker wird.

Für das geplagte Volk aber erhebt sich die Frage: ,, Wie lange noch?" und ,, Wohin?" Innen­politisch Staatsstreichdrohungen der Regierungs­presse, außenpolitisch Konflikte mit aller Welt, wirtschaftspolitisch vor neuer Inflationsgefahr wie lange noch und wohin?

Vorhang! Vorhang!

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In später Stunde meldet die Telegraphen­Union:

Das Reichskabinett beschäftigte sich am Freitag in Anwesenheit des Reichsbankpräsidenten Luther   mit einer Reihe von Fragen. Unter anderem wurde auch das Schreiben des Reichs­bankdirektoriums an die Reichsregierung, das sich mit den Auswirkungen der Kontinger.tspolitik befaßt, gestreift. Zu diesem Schreiben verlautet an zuständiger Stelle, die Reichsregierung stelle in lebereinstimmung mit der Reichsbank fest. daß über einen internen Briefwechsel keine Aus= funft gegeben werden könne. Das eine aber fönne festgestellt werden, daß eine Gefähr= dung der Währung nicht behauptet worden sei und auch nicht vorliege.

Die Frage der Kontingentspolitik als solche wurde im Reichsfabir.ett nicht behandelt und fonnte auch nicht behandelt werden, da die deutsche   Ministerialkommission von ihrer euro­päischen Rundreise noch nicht zurück ist. Erst nach ihrer Rückkehr, vermutlich in der nächsten Woche, können etwaige weitere Beschlüsse in der Frage der Kontingentspolitik gefaßt werden.

tags, dem 20. November, stattfinden sollte. Dabei sei beabsichtigt, für den 1. und 2. November einen allgemeinen Burgfrieden anzuordnen, so daß die übrigen Parteien gegenüber dem Stahl­helm, der die Gefallenen- Ehrung natürlich zu parteipolitischen Zweden ausgestalten würde, be­nachteiligt würden. Der Reichsminister des Innern teilt auf eine dahingehende Anfrage ledig­lich mit, daß ,, der Erlaß eines allgemeinen Burg­friedens für den 1. und 2. November nicht beab­sichtigt sei".

Aufreizendes Verbot Auch eine Folge der Papen- Rede Das sozialdemokratische ,, Rasseler Bolts­blatt" ist bis zum 18. Oktober mitten im Wahlkampf verboten! Grund: Kritik an der Münchener Rede des Herrn v. Papen  !

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Wie lange noch?

Um das Volksbegehren

Am 12. Setember  , unmittelbar vor der Auflösung des Reichstags, hat die Sozial­demokratie ein Volksbegehren über die Sozialpolitischen Maßnah= men" der Verordnung des Reichspräsiden ten vom 4. September 1932 beantragt. Sie hat, wie es die Verfassung und das Gesetz über den Volksentscheid verlangen, einen ausgearbeiteten Gesetzentwurf beim Reichs­minister des Innern eingereicht...

Damals find, wie erinnerlich, von den Kommunisten die schwersten Angriffe gegen die Sozialdemokratische Partei   gerichtet wor­den. Ihr Vorgehen wurde als Manöver für Papen, als ein infamer Betrug usw. bezeich­net, und es hieß in der kommunistischen  Presse wörtlich: Herr v. Papen   und die Unternehmer werden sich diesen Volksent­scheid gern gefallen lassen." Der wilde Haß der Moskowiter gegen die Sozialdemokratie hatte sie wieder einmal blind gemacht. Sie höhnten darüber, daß das Volksbegehren sich nur auf einen Teil der Notverordnung be= schränken solle und ließen gänzlich außer acht, daß die übrigen Abschnitte dem Volks­entscheid durch jene Bestimmungen der Ver­fassung entzogen sind, nach denen über den Haushaltsplan, über Abgabengeseze und Be= soldungsordnungen nur der Reichspräsident einen Boltsentscheid veranlassen kann.

Wie töricht, ja man fann sagen, wie blöd­sinnig die Unterstellung gewesen ist, die Sozialdemokratische Partei   habe im Inter­effe der derzeitigen Regierung gehandelt und ihr geradezu einen Gefallen erwiesen, muß sich auch für den blindwütigsten Kommunisten aus der Tatsache ergeben, daß heute, das heißt also nach mehr als einem Monat, von der Regierung bzw. dem Reichsministerium des Innern die Zulassung des beantragten Begehrens noch nicht ausgesprochen worden ist. Die amtlichen Stellen sind immer noch dabei, die verfassungsmäßigen Voraussetzun­gen zu prüfen. Auch ein an den Herrn v. Gayl in den ersten Tagen des Oktober ge­richtetes Ersuchen des sozialdemokratischen Parteivorstandes, diese Prüfung zu be= schleunigen, ist bisher ohne Erfolg geblieben.

Worauf die Reichsregierung hinaus will, ist klar. Sie möchte den Standpunkt ein­nehmen, daß der sozialdemokratische Antrag troz seiner Beschränkung auf die sozialpoliti­schen Maßnahmen der erwähnten Verfassungs­bestimmung entgegenstehe, und daß also auch im vorliegenden Falle nur der Reichspräsi­dent die Initiative zu einem Volksentscheid ergreifen kann. Ueber diesen Absatz des Ar­tikels 73 der Weimarer Verfassung   ist nicht nur von Staatsrechtslehrern, sondern ist auch im Rechtsausschuß des Reichstags schon leb­haft diskutiert worden, und Anlaß dazu bot vor allem ein Antrag auf Volksbegehren über die Aufwertung. Damals hat sich das Reichsministerium des Innern unter dem deutschnationalen Herrn v. Keudell die Auffassung zu eigen gemacht, daß die ein­schränkende Verfassungsbestimmung ,, weit Es geht kaiserlich zu in dieser Deutschen   ausgelegt" werden müsse, mit anderen Wor­Republik! ten, daß ein die Finanzen des Reichs be­

Der Reichskanzler von Gottes Gnaden erklärt der demokratischen Republik   den Krieg. Er er­geht sich in dunklen Drohungen und beschimpft diejenigen, die nicht so wollen wie er, als Feinde des deutschen Volkes".

Das ,, Kasseler Volksblatt" hat auf diese unge­heuerlichen Herausforderungen geantwortet. Es ist dafür verboten worden!

Allgemeine Flugblattverbreitung

Alle Genossinnen und Genossen sowie Reichsbanner­kameraden, Jugend- und Sportgenossen beteiligen sich

fallenen- Ehrung am 1. und 2. November im heute Sonnabend, den 15. Oktober

Gange wären, die also pier Tage vor der Wahl, an Stelle des sonst üblichen Totensonn

von den bekannten Stellen aus. Der Bezirksvorstand.