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ERSTE BEILAGE

Vorwärts

Das Fehlurteil im Börnice- Prozeß

Eine seltsame Urteilsbegründung

Nach der Berkündung des Urteils im Börnide­Prozeß, das wir an anderer Stelle wiedergeben, führte Landgerichtsdirektor Meusel in der Ur­teilsbegründung folgendes aus:

Als der Lastwagen mit den Nationalsozialisten in der Nähe von Imm und Voß hielt, die mit dem Wegschleppen des Ungermannschen Motor­rades beschäftigt waren, fühlten sich die beiden be­droht und fuhren ab. Boß fuhr zur Staffel zu= rück und alarmierte sie. Das Gericht hat auf Grund der Aussagen der nationalsozia= listischen Zeugen und insbesondere eines voll­fommen unbeteiligten Zeugen folgendes festgestellt: Der unbeteiligte 3euge Näse hat in Uebereinstimmung mit den Aussagen der Natio­nalsozialisten erklärt, daß von der Motorradstaffel aus schon während des Anfahrens geschossen wor­den sei. Ferner ist festgestellt, daß erst nach dem Fallen der ersten Schüsse die beiden Motorräder der Eisernen Front liegen blieben und dem An­griff der Nationalsozialisten ausgesetzt waren. Die Frage, von welcher Seite geschossen wurde, ist von dem nationalsozialistischen Zeugen dahin beant­wortet worden, daß gegen sie in breiter Front geschossen worden sei. Durch diese Schüsse sind drei Nationalsozialisten Derlegt

worden.

Es fragt sich, wer geschossen hat. Die Nationalsozialisten haben beim Borbeifahren des Wagens des Angeklagten Voß in der Hand seines Beifahrers Schmidt eine Pistole gesehen. Schmidt, der anfangs behauptet hat, er habe nichts in Händen gehabt, hat später erklärt, daß es eine Luftpumpe gewesen sei. Dieses Beweismittel ist nachträglich konstruiert worden; sechs Zeugen haben ausgesagt, daß es eine Pistole gewesen sei. Bon zwei Zeugen wurde Schmidt als Schütze wiedererkannt, gegenüber deren bestimmten Be­fundungen erscheine Schmidts Bestreiten nicht stichhaltig.

Ferner wird der Angeklagte Teich mann vom Zeugen Hartmann als Schüße er­fannt. Das Gericht hat auf Grund der Aussage dieses Zeugen, der einen durchaus glaubwürdigen Eindrud machte, die Feststellung getroffen, daß Teichmann geschossen hat. Die Möglich­keit, daß die Nationalsozialisten von ihren eigenen Kameraden angeschossen worden seien, erscheint nach der Richtung, in der die Nationalsozialisten geschossen haben, ausgeschlossen. Was die Betei­ligung von Voß und Bachmann am Rauf­handel betrifft, so erscheint diese als gegeben. Es lag ein Angriff vor, in dessen Verlauf schwere Körperverlegungen verursacht worden sind; Voß und Bachmann haben sich an dem Angriff schuldhaft beteiligt. Es gab für beide Angeklagte nicht die geringste Veranlassung, bei der gespannten politischen Stimmung und der Feindschaft, die zwischen den beiden Organisa­tionen besteht, in so unmittelbar bedrohlicher Nähe der Nazis anzuhalten. Wenn sie dem Händel aus dem Wege gegangen wären und nicht angehalten hätten, so wäre nichts passiert. Der Angeklagte Galle war freizusprechen, da der einzige Zeuge ihn nicht wiedererkannt hat,

Dem Angeklagten Beder, der einem Teil­nehmer der Propagandafahrt mit dem Spaten einen Schlag verseht hat, war zugute zu halten, daß er sich durch die Ver­legungen seiner drei Kameraden in höchster Er­regung befand. Das Gericht hat aus diesem Grunde gegen ihn auf die Mindest strafe erkannt. Bei dem Angeklagten Schmidt war zu berücksichtigen, daß er noch Jugendlicher ist.

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Das Urteil des Sondergerichts gegen die An­geklagten der Eisernen Front ist ein Fehl= urteil. Es konnte zu diesem Fehlurteil nur kommen, weil das Gericht mit den Nazizeugen durch Dick und Dünn gegangen ist, weil es alle Erfahrungen, die mit Naziaussagen in den letzten Prozessen gemacht wurden, einfach in den Wind geschlagen hat. Die Fehlschlüsse des Gerichts beginnen schon bei der Schilderung der Vorfälle selbst. Das Gericht folgte der Aussage des un­beteiligten Zeugen, der eigentlich als einziger be­obachtet haben wollte, wie bereits von den noch fahrenden Motorrädern geschossen worden sei. Diese Darstellung wurde nur von sehr wenigen Nationalsozialisten unterstützt. Alle anderen be­haupteten, es sei erst später aus der Schüzenlinie her geschossen worden. Das Gericht ignorierte dagegen vollkommen die Aussage eines anderen unbeteiligten Zeugen, der im vollen Ein­flang mit sämtlichen Zeugen der Eisernen Front erklärt hat, daß die Schüsse erst nach dem Angriff

Wie lange noch Sondergerichte?

auf die liegengebliebenen Motorradfahrer gefallen feien.

Das Gericht hat ferner den Angeklagten Teichmann auf Grund der Aussage eines einzigen nationalsozialistischen Zeugen zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt ein in Moabit so gut wie einzig dastehender Fall; es hat diesen Zeugen als glaubwürdig erachtet, obgleich er den möglichst un­

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Traurige Fuhre

Plandkammer

So manches gute Stück" wandert heute in die Pfandkammer

Das Bild zeigt den letzten Wertgegenstand einer Familie, die einmal eine bessere Zeit gesehen hat. Man dachte mit diesem alten Klavier wer meiß wie reich zu sein und doch brachte es nur wenige Mark bei der Versteigerung.

glaubwürdigen Eindrud gemacht hat. Diefer Zeuge, der Nationalsozialist Hartmann, hatte gejagt: Ich bin bereits bei vielen Schlägereien dabei ge­wesen, ich habe mir fest vorgenommen, mir stets den Haupttäter zu merfen, um mir nicht mehr dumm kommen zu lassen."

Und dieser Zeuge hatte trotz seiner festen Ab­sicht, sich den Haupttäter zu merken, weder Teich­manns Kleidung noch seine Autobrille im Ge­dächtnis behalten, sondern ihn nur am ,, blassen" Gesicht wiedererkannt. Dieses Wiedererkennen hatte aber nicht etwa nach einer vorausgegange= nen Beschreibung der Persönlichkeit Teichmanns

stattgefunden, sondern Hartmann hatte bei der Gegenüberstellung gesagt: Ich erkenne ihn an seinem blassen Gesicht". Auf Grund dieser ein­zigen Aussage eines so verdächtigen Zeugen wird ein Angeklagter auf zwei Jahre ins Zuchthaus geſtedt!

Weniger günstig war die Lage des Angeklagten Schmidt Aber auch hier waren die Kronzeugen alles andere als absolut glaubwürdig. Liegt in bezug auf Teichmann ein unbedingtes Fehlurteil vor, so erscheint ein solches hinsichtlich des Schmidt durchaus nicht ausgeschlossen. Ganz unbegreiflich ist aber das Urteil gegen Boß und Bachmann. Das Gericht läßt sich hier eine unverständliche Infonsequenz zuschulden fommen. Einerseits gibt es an, daß Voß die Staffel holte, weil er seinen Kameraden bedroht glaubte, andererseits macht es ihm zum Vorwurf, daß er an der Stelle gehalten hat, wo er diesen bedrohten Kameraden wähnte. Wie follten Boß und Bachmann am Raufhandel teil­genommen haben, wenn sie sofort davongefahren find!

Das Gericht hat während der vieltägigen Ver­handlung der Verteidigung zwar feine Beweis­führung abgeschnitten, es hat aber nicht vermocht, die Wahrheit zu finden und ist zu einem Fehl­urteil gelangt,

Es hat sich wieder erwiesen, daß das Sonder­gericht als solches nicht in der Lage ist, Recht zu finden. Als hauptsächlichen Mangel des Sondergerichts hat sich wieder das Fehlen der Boruntersuchung gezeigt. Das ist selbst vom Staatsanwaltschaftsrat Dr. Mittelbach aner­fannt worden. Das Ungeheuerlichste ist auch hier, daß es gegen dieses Fehlurteil kein Rechts­mittel gibt.

Die Nationalsozialisten werden sich in Zukunft fagen: Es genügt, daß selbst ein SA.- Zeuge seinen Gegner mit Bestimmtheit belastet, um ihn ins Zuchthaus zu bringen. Es genügt, daß wir er­flären, wir waren die Ueberfallenen, damit die Ermittelungen ganz einseitig gegen unsere Feinde geführt werden. Die Sondergerichte sind auch durch dieses letzte Urteil gerichtet! ng terda

Die Opfer des Fehlurteils Genosse Teichmann, der in Wilmersdorf organisiert ist, hat nicht geglaubt, daß er ver­urteilt werden könnte. Er hat wiederholt ehren­wörtlich versichert, daß er keine Pistole in der Hand gehabt, daß er nicht ge= schossen habe. Die Teilnahme aller Genossen wendet sich wie allen Opfern des Fehlurteils ihm besonders zu. Der Kampf gegen dieses Fehlurteil muß unverzüglich aufgenommen werden. Die Sondergerichtsbarkeit, die ein Fehlurteil nach dem andern hervorbringt, muß endlich verschwinden!

Angeklagter Richter

Wegen Untreue und Betruges

Der 57jährige frühere Landgerichtsdirektor Willibald von Weber- Parlow stand zum zweiten Male vor Gericht. Wegen Untreue. Die Anklage wurde im Laufe der Verhandlung von der Staatsanwaltschaft auf Betrug erweitert. Im Mai dieses Jahres mußte der Prozeß gegen den früheren Landgerichtsdirektor vertagt werden; er sollte auf seinen Geifteszustand untersucht werden.

M

Landgerichtsdirektor von Weber Barlow war einst auch Strafrichter in Moabit . Damals besaß er ein großes Vermögen: in der Inflation schmolz es zusammen. Es blieb ihm nur seine Villa im Grunewald. Die Zinsen und Steuern waren nicht mehr aufzubringen; der Landgerichts­direktor fiel Wucherern in die Hände, die Schulden wuchsen ihm über den Kopf, und als er gar zum Finanzier einer Erfindung von künstlichen Därmen wurde, wuchs seine Schuld ins Unge­heure. Ohne einen Pfennig zu befizen, gab er Wechsel in Höhe von 300 000 Mart, die, wie der Staatsanwalt gestern behauptete, von einem Schieberkonsortium zur Bezahlung von Baren verwendet und niemals eingelöst wurden. Weber- Parlow will die Wechsel ausgegeben haben,

daß die künstlichen Därme ihn wieder zum reichen Mann machen würden. Daraus wurde nichts; sein Landgerichtsdirektorgehalt war verpfändet; er

SONNABEND, 15. OKT. 1932

ihm einen Kassfiber geschickt habe, er solle ihm Dietriche besorgen und sich zu dem Zweck an den Geschäftsführer eines Cafés menden. Als er in das Café kam, habe ihm der Geschäftsführer auch Dietriche übergeben, die er sich von einem Manne holte, der an einem Tisch in der Ecke saß. In diesem Manne habe er aus seinem früheren Aufenthalt im Untersuchungsgefängnis unzweifel­haft den Hauptwachtmeister B. wiedererkannt. Außerdem führte Nicolai noch an, daß auch ein bekannter Strafverteidiger bei der Flucht des Füllert die Hand im Spiel gehabt habe. Diese Beschuldigung hatte für den Beamten zunächst schwere Folgen. Er wurde vom Dienst suspen­diert und in Untersuchungshaft genommen. Bald aber ergab sich, daß die Beschuldigungen sowohl gegen den Beamten als auch gegen den Rechts= anwalt völlig aus der Luft gegriffen waren. Nicolai ist ein vielach vorbestrafter Mann. Jetzt hatte er sich vor dem Schöffengericht Berlin- Mitte wegen wissentlich falscher Anschuldi­gungen zu verantworten. Er suchte seine Be= hauptungen einzuschränken und es so darzustellen, als ob er im guten Glauben gehandelt habe. Das wurde ihm aber nicht geglaubt, und das Gericht hielt für die ehrlose Verleumdung eine exemplari­sche Strafe für angebracht. Nicolai wurde zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt.

Stadt der Hochschulen

Auch das ist Berlin

Daß Berlin Universitätsstadt ist, ist allgemein bekannt. Weniger bekannt dürfte es aber sein, daß die Reichshauptstadt 13 Hochschulen be= sigt, die in ihrer Gesamtheit wohl alle Zweige menschlicher Forschung umfassen und damit zu dem Ruf Berlins als internationale Bildungsstätte beitragen.

Neben der Universität, der Technischen, der Landwirtschaftlichen und der Tierärztlichen Hoch­schule gibt es in Berlin an weiteren akademischen Studienstätten für Geisteswissenschaften die Han­delshochschule, die Verwaltungsakademie und die Deutsche Hochschule für Politif. Für die Belange der Kunst sorgen vier Institute: die Vereinigten Staatsschulen für freie und angewandte Kunst, die Staatliche Kunstschule sowie die Akademische Hochschule für Musik und die Akademie für Kirchen- und Schulmufit. Damit neben dem Geiste auch der Körper nicht zu kurz tomme, gibt es in Berlin auch eine Deutsche Hochschule für Leibes­übungen eine zweite derartige Einrichtung, die Preußische Hochschule für Leibesübungen, ist 1931 geschlossen worden. Schließlich besitzt Berlin noch als 13. akademische Bildungsstätte eine Hoch­ schule für die Wissenschaft des Judentums . Fast alle diese Hochschulen zählen zu ihren Studieren­den auch Ausländer.

Neben diesen Anstalten gibt es in der Reichs= hauptstadt noch drei Volkshochschulen; die Volks= hochschule Groß- Berlin, die Humboldt- und die Leffing- Hochschule, die in erster Linie der Fort­bildung und Unterrichtung der werktätigen Be­völkerung dienen.

20 Pf. Drofchtenzuschlag

Durch Polizeiverordnung vom 13. Oftober 1932, die am 15. Oktober 1932 in Kraft tritt, sind die Fahrpreise für Kraftdroschken geändert worden. Der Sonderzuschlag hat sich von 15 auf 20 Pfennig erhöht. Bis zum 1. Dezember dieses Jahres ist unter der Glasscheibe des Fahr­preisanzeigers ein Metallschild mit der Aufschrift: Für jede Fahrt 20 Pfennig Sonderzuschlag" an= zubringen.

war auch nicht mehr imftande, vor lauter Geld Mutter und Kind überfahren

forgen seine Richtertätigkeit richtig auszuüben. Sein Gesundheitszustand verschlimmerte sich und schließlich wurde aus dem Richter ein Angeklagter. Das Verfahren wegen der Wechselgeschäfte harrt noch der Erledigung.

Die Verhandlung wurde vertagt.

Ein Verleumder Angeschuldigter Beamter rehabilitiert

Im Frühjahr war aus dem Untersuchungsge­fängnis der dort als Friseur beschäftigte Straf­gefangene Fritz Füllert ausgebrochen, und die Gefängnisverwaltung fonnte fich nicht erklären, wie Füllert aus dem Gefängnis herausgekommen

war.

Da meldete sich der Kaufmann und Koch Eugen Nicolai und behauptete, daß sein Freund Friz

In der Neuköllner Straße in Rudow ereignete sich gestern nachmittag ein schweres Ver= fehrsunglück, bei dem die dreißigjährige Frau Frieda Neumann aus der Rudower Straße und ihr 5 Jahre altes Töchterchen Ilse unter die Räder eines Lastautos gerieten. Das Kind hatte sich von der Hand der Mutter los­gerissen. In diesem Augenblick kam das Lastauto heran. Bei dem Versuch, ihr Kind zurückzureißen, wurde Frau N. gleichfalls von dem Lastauto erfaßt und überfahren. Mutter und Kind erlitten schwere Verlegungen und fanden im Neuköllner Krankenhaus Aufnahme.

Ein Opfer seines Gehörleidens ist gestern nach mittag der 58jährige Rentner Albert Schöne­beck aus der Lange Straße 68 geworden. Er überhörte in der Andreas- Ecke Paul- Singer­Straße die Signale eines Privatautos und wurde überfahren. Mit schweren Verlegungen murde Sch. ins Krankenhaus am Friedrichshain gebracht.

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