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winnen, die anderen durch Kontingente und Zölle, die einen wie die anderen durch Sub­ventionen. Der Reichskanzler weiß recht gut, warum er nicht vor den Arbeitern, vor den Gewerkschaften redet. An Gelegenheiten hätte es nicht gefehlt, menn er selbst den Wunsch verspürte. Die öffentliche Kund­gebung der Gewerkschaften am 18. Oftober hätte ihm die Möglichkeit geoten, den Ber­fuch zu unternehmen, seine arbeiterfeindliche widerspruchsvolle Politik vor diesem Fonum zu begründen. Aber für die Arbeiter hat der Reichskanzler feine Prämien, feine Steuer­gutscheine, keine Vergünstigungen, feine Versprechungen in der Tasche. Er hätte mit leeren Händen vor sie hintreten und sich recht­fertigen müssen, wie er es ,, por Gott und der Nation" begründen will, daß die Arbeiter durch jede seiner Notverordnungen mehr ent­rechtet und tiefer ins Elend gestoßen werden. Es wäre ihm nicht gelungen. Denn für diese Politik gibt es keine Rechtfertigung.

In Ministerreden wird von überleben Wirtschaftsformen oder unhaltbaren Besi verhältnissen geredet, aber es wird nichts a ihnen geändert. Die Wirtschaftspolitik dieser Regierung dient der Erhaltung der überlebten Wirtschaftsformen, der Festigung unhaltbarer Besizverhältnisse, der Unter­höhlung der Volksrechte, der Stabilisierung der Klassenherrschaft der Besitzenden.

Mit anderen Worten: Diese Wirtschafts politik ist nur ein Glied in dem größeren Zu­sammenhang der staatspolitischen Pläne der Reichsregierung. Eben darin besteht ihre Gefahr. Denn diese Pläne sind bestimmt durch eine Auffassung von der so­zialen Lebensordnung des Volkes, die in schroffem, feindlichem Gegensatz zu den sozialen Anschauungen, zu den staatspolitischen Zielen der deutschen Arbeiterbewegung, der Gewerk­schaften, wie der Sozialdemokratie steht. Die Regierung findet nicht umsonst ihre Gefolg­schaft bei den Anhängern des radikalen Rück­schrittes, bei den Vorkämpfern des Obrigkeits­staates, in jenen Kreisen, die mit der Hoff­nung auf dauernde Erhaltung ihrer Besitz­vorrechte den Willen verbinden, die Grund­lagen des sozialen Volksstaates ganz zu zer­stören und das freie Volt wieder unter die Botmäßigkeit volksfremder Gewalten zu ſtellen.

Die gegenwärtige Reichsregierung ist der Repräsentant dieser wahrhaft volksfeindlichen Kräfte. Wäre sie es nicht, sie wäre nicht auf den Gedanken gekommen, ihr Arbeitsbe­fchaffungsprogramm mit politischen Maß­nahmen zu verkoppeln, die die Grundlagen des deutschen Arbeitsrechts er­schüttern, das in Wahrheit das Freiheits­recht der deutschen Arbeiterschaft ist, aus ihrem Geiste geboren und unter harten Opfern erfämpft. Dieses Freiheits­recht ist, das Wahrzeichen eines neuen Deutschland s, in dem die Arbeiterschaft, entsprechend ihrer geschichtlichen Leistung für das Bolt, als gleichberechtigtes Glied im ganzen der Nation ihre erste Anerkennung fand. Eine Regierung, die dieses Recht an­greift, ist ein Feind der Freiheit der deutschen Arbeiterschaft, sie gefährdet die innere Frei­heit, das soziale Selbstbestimmungsrecht der werftätigen Schichten der Nation, sie ist eine Regierung wider das Volk.

Die deutsche Arbeiterschaft kann und wird der Regierung auf diesem Wege nicht folgen. Ihr staatspolitisches Ziel ist ein freies, ein sozialistisches Deutschland . Die deutsche Arbeiterschaft wird daher den Kampf um die politische Macht mit unge­brochener Energie aufnehmen. Der Geist der unerbittlichen und folgerichtigen Gegner­schaft gegen den Kapitalismus, der die deutsche sozialistische Arbeiterbewegung be­seelt, breitet sich aus bis weit hinein in die Reihen der Parteien und Verbände, die heute noch, verblendet von den Lehren falscher Propheten, politische Gegner der Gewerk­schaften und der Sozialdemokratie sind. Dieser Antikapitalismus von heute wird der So zialismus von morgen sein, wenn die deutschen Arbeiter ihren alten Fahnen treu bleiben und ihre Millionen und aber Millionen Stimmen am 6. November wie in den kommenden Kämpfen geschlossen einsehen, um den sozialen deut­ schen Volksstaat auf dem Freiheits­willen der deutschen Arbeiterschaft, auf der politischen Macht der Gemert­schaften und der Sozialdemo fratie aufzubauen.

Mitten im Verfassungskonflikt

Neue Angriffe gegen die Grundlagen der Verfassung- Das Volk hat die Entscheidung

Am Sonnabend wird eine Besprechung beim Reichspräsidenten stattfinden, an der Braun unb Papen beteiligt sind; doch alle Anzeichen deuten darauf hin, daß das Reich nicht etwa verhandeln, sondern nur vorher Dom Kabinett mit Zustimmung Hindenburgs gefaßte Beschlüsse zur Kenntnis bringen will. Beabsichtigt ist die Betrauung einer Reihe neu zu ernennender Reichsminister ohne Portefeuille mit der kommissarischen Leitung be­stimmter preußischer Ministerien. Geplant soll weiter sein die Abschaffung oder zu­fammenlegung verschiedener Ministerien.

Was die zuletzt erwähnte Maßregel betrifft, so fann ihre Rechtswidrigkeit von vornherein feinem 3weifel unterliegen. Sie würde einen mit dem Artikel 48 selbst bei weitestgehender Auslegung nicht zu begründenden Eingriff in die Hoheits­rechte des preußischen Staates bedeuten. Anders liegen die Dinge bei der Bestellung fommis­farischer Landesminister. Die Reichs­regierung ist in der Lage, sich auf den Spruch des Staatsgerichtshofes zu berufen.

Formal hält sich also das Kabinett Bapen im Bereich der ihm zugestandenen Kompetenzen. Eine ganz andere Frage aber ist die, ob ein solches Borgehen mit dem Sinn des Artikels 48 noch in Einflang zu bringen ist.

Nach Absatz 2 dieses Artikels, der in Leipzig allein als anwendbar anerkannt wurde ist die Boraussetzung eines diktatorischen Einschreitens die erhebliche Störung oder Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, und demzu­folge können die Maßregeln, die getroffen wer­den, auch nur auf die Abwehr dieser Gefahren und Bedrohungen abgestellt sein.

Sicherheit und Ordnung sind in Preußen nicht mehr bedroht als in irgendeinem anderen Staate, und wenn sie es wären, so würden die Anordnungen der Reichs. regierung die gebotenen Grenzen weit überschreiten. Aber man muß sich klar darüber sein, daß die Erhaltung von Sicherheit und Ordnung nur ein Vor­wand ist. Der wahre Beweggrund ist

Röhm redet!

Eine Provokation der anständigen Bevölkerung

Der Angriff" zeigt für den kommenden Sonn­tag einen SA. - Aufmarsch an, der im Stadion Neukölln und im Gelände des Schlosses Schönholz stattfinden soll. Als Redner ist an erster Stelle angekündigt:

,, Stabschef der SA., Pg. Ernst Röhm ."

Es zeugt von einer nicht zu überbietenden Schamlosigkeit, daß die Nationalsozialisten wagen, diesen Mann noch öffentlich als Redner heraus­zustellen, dessen moralischer Zusammen­bruch in den legten Monaten geradezu kata­strophale Dimensionen angenommen hat. Da sind zunächst die Briefe des Bo lipianers Röhm in die europäische Heimat, mit ihrem beispiellosen lüsternen und schmutz­triefenden Inhalt, mit ihren zynischen Vergleichen, wie sich in puntto der homosexuellen Appetitlich­teit weiße Leutnants, farbige Soldaten und die jungen Beute der ehemaligen Schwarzen Reichs­wehr für den Gaumen des Herrn Röhm zu­einander verhalten.

des Herrn Röhm gänzlich gleichgültig sein, wenn Uns würde die geschlechtliche Sonderveranlagung nicht seine Partei das widerliche Heuchel. spiel triebe, auf der einen Seite die Aufrecht­erhaltung, ja die Verschärfung des§ 175 zu fordern, auf der anderen Seite aber diesen Mann an die Spige einer Truppe von jugendlichen Leuten zu stellen.

Noch widerlicher als diese Briefe war das Berhalten des Herrn Röhm bei seiner Entlarvung. Zuerst ließ er in der nationalsozialistischen Presse " Fälschungen bezeichnen, drohte den Ver­dreift und gottesfürchtig seine Briefe als

breitern mit einstweiligen Verfügungen und Strafflagen. Als Zeuge über die Echtheit der Briefe geladen, hat Röhm aber feige ge­tniffen, er hat aber nicht verhindern können, daß der Münchener Untersuchungsrichter, der seinerzeit ein Ermittlungsverfahren auf Grund des§ 175 gegen Röhm geführt hat, als Zeuge bekundete, daß ihm gegenüber Röhm die Echtheit der Briefe zugestanden hat. Daraufhin hat Röhm seine sämtlichen Klagen zurüdgezogen.

der Wille, Preußen seiner Selbständig­feit zu berauben, Polizei und Verwal tung dem Reich und den von ihm einge­setzten und einzusetzenden konservativen Beamten zu überantworten und die ver­fassungsmäßige Landesregierung falt­zustellen.

Gewiß hat der Staatsgerichtshof dem Ermessen des Reichspräsidenten bei der Anwendung des Artikels 48 einen weiten Spielraum gewährt und es für unbewiesen erklärt, daß die Verordnung vom 20. Juli zu außerhalb des Artikels 48 Abs. 2 liegenden Zwecken erlassen sei. Aber dieser Stand­punft ist schlechterdings nicht aufrecht­zuerhalten, wenn die Reichsregierung es ab­lehnt, sich mit dem verfassungsmäßigen Preußen­fabinett über die Methoden der Aufrechterhaltung von Ordnung und Sicherheit zu verständigen. Denn schon dadurch beweist sie, daß sie ganz andere Ziele im Auge hat, und dieser Beweis wird verstärkt durch die Ernennung von Reichs­ministern zu Kommissaren.

Wir halten Herrn v Papen nicht für verblendet genug, die unausbleiblichen Wirkungen seiner Bo­litik nicht selber zu sehen. Er, der Ordnung und Sicherheit wahren zu wollen behauptet, muß wissen, daß sein Vorgehen die schwersten Beun­ruhigungen und Erschütterungen nach sich ziehen wird. Er muß die absolute Unhaltbarkeit des Zu­standes erkennen, den er zu schaffen im Begriff ift. Dem Schritt, der jetzt getan werden soll, müffen darüber ist sich der Reichskanzler ficher nicht im Zweifel- andere folgen und sie können, soweit die Reichsregierung in Betracht kommt, folgerichtig nur auf die Ergreifung der vollen Macht in Preußen gerichtet sein.

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Jedenfalls stehen wir mitten in einem Verfassungskonflitt, demgegen über der, den Bismarck vor siebzig Jahren in Preußen herbeiführte, an Bedeutung verblaßt. Man darf annehmen, daß in diesem Streit die süddeutschen Staaten nicht zu dem Reich halten. Aber die lette

Dies hätte genügt, um in jeder anständigen Entscheidung liegt bei der Gesamtheit Bartei einen Mann wie Röhm zu erledigen. Bei Röhm fam aber noch ein neuer Skandal hinzu. In einem Beleidigungsprozeß gegen den Redakteur unseres Münchener Bruderblattes hat der Hauptmann Mayr vom Reichsbanner unter Zeugeneid geschildert, wie Röhm schutz­und hilfeflehend zu ihm gekommen ist, weil er sich von der Tscheta des Brau nen Hauses in feinem Leben be= droht fühlte. Herr Röhm, der zur gleichen Berhandlung als Beuge geladen war, hat nach holder Gewohnheit auch hier getniffen und lieber 500 M. Ordnungsstrafe erlegt, als über diese peinliche Angelegenheit unter Eid aus zusagen.

Wir können uns feine Partei außer der nationalsozialistischen vorstellen, in der dieser Mann nach seiner Entlarvung noch eine Rolle spielen könnte. Ob es nicht ein Teil der Berliner SA.- Leute selber als Schmach und Schande empfindet, vor einem solchen Führer" am Sonntag strammstehen zu müssen und seine Reden über sich ergehen zu lassen?!

Wo wart ihr denn?

Ein Wort an die Kommunisten und die Nazis

Nationalsozialisten und kommu­nisten schildern in beweglichen Worten das un­zweifelhaft große Elend des arbeitenden Volkes in Deutschland . Sie rufen zum Kampf für die bedrohten Freiheiten und gewerkschaftlichen Er­rungenschaften.

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Aber wo wart ihr, als sie errungen wurden? Ihr beide habt gegen die Weimarer Verfassung gestimmt was geht fie euch an? Ihr habt gegen das Betriebsrätegeseh gestimmt. Ihr habt die Arbeitslosenversicherung abgelehnt. Habt ihr beide jeht ein Recht darüber zu klagen, wenn sie abgebaut wird? Wenn es nach eurem Willen gegangen wäre, wäre sie überhaupt nicht da. Wo wart ihr beide überhaupt für das deutsche Bolt jemals da? Zeigt doch das Recht, das ihr dem deutschen Volke erkämpft habt! Legt doch die so­ziale Erungenschaft vor, die eurem Wirken ent­

stammt! Wo wart ihr denn? Ihr wart nicht in

Fahnen heraus!

Zeigt Bekennermut! Zeigt unsere Stärke!

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den Mauselöchern. Aber ihr wart immer nur die Hunde, die gefläfft haben, gleichgültig, ob die Arbeiterbewegung vorwärts schritt oder zurückging. Ja gewiß, wir sind auch ausgewichen und zurückgegangen oft genug- wenn die Kampflage uns nicht günstig genug schien, die angebotene Entscheidungsschlacht anzunehmen. Aber die ganze Geschichte des Bolschewismus vor und nach der Oktoberrevolution ist voll von Fällen des Lavierens, Paktierens, der Kompro­misse mit anderen Parteien, darunter auch mit den bürgerlichen", sagt das nicht euer großer Lenin auf Seite 49 seiner Broschüre ,, Der Radi­talismus, eine Kinderkrankheit des Kommunis­mus"? Und hat er es nicht eben dort für die Pflicht des revolutionären Führers erklärt, ge= gebenenfalls auch zurückzuweichen oder im 3idzad zu marschieren?

Ihr Kommuniffen und ihr Nationalsozialisten habt in eurer ganzen Parteigeschichte nicht die geringste positive Leistung für das deutsche Bolt aufzuweisen.

Euer Stolz find bestenfalls die Mitglieder und Wahlziffern, die ihr durch wüste Demagogie für eure Partei und Diktaturidee zusammengetrom. melt habt. Aber erreicht habt ihr nur die Lahm­legung der Volksvertretung und die Diktatur einiger eingebildeter Barone. Die Habenseite eurer politischen Bilanz ist leer. Die Sollfeite, das Schuldenkonto, übervoll. Fort mit euch!

des deutschen Volkes. Es muß einen Reichstag wählen, der die Ent­schlossenheit besitzt, dem gegen die Grund­lagen der Weimarer Verfassung gerich teten frevelhaften Spielein Ende zu machen, und es muß darüber hinaus bereit sein, die letzte Kraft einzusehen zur Ueberwindung der Eliquen, die, gestützt auf die verlogene Konstruktion eines staatlichen Notstandsrechts, die De­mokratic vernichten wollen. Die Führung in diesem Kampf hat die Arbeiter. klasse zu übernehmen.

Rudolf Breitscheid . Die Antwort Bayerns Eigener Bericht des Vorwärts"

München , 28. Oftober. Die für Sonnabend angekündigte Teilverwirk­lichung einer Personalunion zwischen Reich und Preußen hat in Bayern außer­ordentliche Beunruhigung hervorgerufen. Nach Auffassung der bayerischen Regierung steht die Ernennung von Reichsministern ohne Portefeuille, die zugleich führende Stellungen in Preußen über­nehmen sollen, in offenem Widerspruch zur Reichsverfassung.

In scharfer Polemit verurteilt die ,, Baye rische Bolkspartei Rorrespondenz" das neue Experiment des Herrn von Papen, dem sie vorwirft, daß seine praktische Politik in schroff­stem Widerspruch zu den von ihm verkündeten Grundfäßen einer fonservativen Staatsführung stehe, weil er die politische Macht mit revolutio­nären Methoden über die Rechte sezze. Wörtlich schreibt das offiziöse Organ der bayerischen Re­gierung:

,, Wenn die Reichsregierung der Versuchung unterliegen sollte, Maßnahmen zu ergreifen, die diktatorisch in das grundsägliche Verhältnis zwischen Reich und Ländern eingreifen, so müßte ihr in Bayern der schärfste Gegner entstehen.

Wir fönnen es hier im Süden Deutschlands unter gar keinen Umständen zu­laffen, daß die Reichsverfassung auf diesem Weg entscheidend umgestaltet werde, daß man die Länder einfach für rechtlos erklärt und die Faktoren der Gesetzgebung glatt ausschaltet. Bayern fann nicht ruhig zusehen, daß im Nor­den Provisorien vorgenommen werden mit dem Hintergedanken, feste und bleibende Tatsachen zu schaffen.

Eine Behandlung der preußischen Frage ohne eine gleichzeitige Behandlung des Problems Preu­ßen und außerpreußisches Deutschland wird gleich­bedeutend mit einer Ausschaltung des deutschen Südens von der Gestal tung des Schicksals des Reiches. Der deutsche Süden muß sich ganz auf seine eigene Kraft befinnen und in der Stunde der Ge­fahr zu handeln wissen, nicht als ein Revolutionär gegen das Reich, sondern als ein Kämpfer für Recht und Gerechtigkeit in deutschen Landen."