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Morgen- Ausgabe

Nr. 513 A251 49. Jahrg

Redaktion und Berlag: Berlin   SW 68, Lindenstr. 3 Fernsprecher A7 Amt Donhoff 292 bis 297 Telegrammadresse: Sozialdemokrat Berlin  

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BERLINER

VOLKSBLATT

2

SONNTAG

30. Oktober 1932

In Groß Berlin   15 Pf. Auswärts....... 20 Pf.

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Der Konflikt ist offen!

Keine Einigung bei Hindenburg- Braun protestiert gegen die Papen- Diktatur

Ueber die Aussprache beim Reichs präsidenten wird die folgende amtliche Mitteilung ausgegeben:

,, Reichspräsident v. Hindenburg   empfing heute den Reichskanzler v. Papen   und den preußischen Ministerpräsidenten Braun zur Aussprache über die durch das Urteil des Staatsgerichtshofes ge­schaffene Lage.

Der Reichspräsident führte einleitend aus, daß der Streit zwischen Reich und Preußen über die Berordnung vom 20. Juli durch das Urteil des Staatsgerichtshofes erledigt sei, und daß er und die Reichsregierung sich in jeder Be ziehung auf den Boden des Urteils stellten, es müsse beiderseits der loyale Ver­fuch gemacht werden, eine praktische Zusammen­arbeit zu ermöglichen, die einerseits die dem preußischen Staatsministerium zuerkannten Rechte berücksichtige, andererseits die Befugnisse des Reichskommissars und die Notwendigkeit einer ein­heitlichen Reichspolitif mahre.

Ministerpräsident Braun erwiderte, daß das preußische Kabinett sich selbstverständlich ebenfalls auf den Boden des Urteils stelle. Er gab darauf hin eine Darlegung seiner Auffassung von den Folgerungen, die aus dem Urteil zu ziehen seien.

Das Staatsministerium müffe in die ihm zu­erkannten Rechte wieder eingesetzt werden. Die Befugnisse des Reichskommissars follten, wenn fie überhaupt noch nötig wären, auf solche Maß­nahmen beschränkt werden, die zur Aufrecht­erhaltung der Ruhe und Ordnung notwendig feien. Mit den personellen Veränderungen solle aufgehört werden.

Ueber die Vereinfachung und Zusammenfassung der Verwaltungen im Reich und Preußen fönnten alsdann Verhandlungen zwischen der Reichsre­gierung und der preußischen Regierung statt­finden.

Reichskanzler v. Papen   erflärte zunächst, daß die Reichsregierung die persönliche Inte. grität des preußischen Ministerpräsidenten und seiner Amtskollegen nie angezweifelt habe und daß nur staatspolitische Erwägungen zu ihren Maßnahmen geführt hätten. Er legte dann seine Auffassung der Lage dar und betonte,

daß der Reichskommissar sich nicht darauf be­schränken könne, nur für den Schuh von Ruhe und Ordnung zu sorgen, sondern weiterhin die gefamte Eretutive einheitlich in der Hand be­halten müffe.

Daraus ergebe sich ohne weiteres die Verpflich­tung, die als notwendig erkannte Reform der preußischen Verwaltung durchzuführen und damit die gesetzgebenden Körperschaften vorzube reiten. Personelle Veränderungen seien nur aus fachlichen Gründen vorgenommen worden. Der Reichskommissar werde der preußischen Staatsregierung die Möglichkeit geben, die ihr zuerkannten Rechte auszuüben, Eingriffe in die Amtsbefugnisse des Reichskommissars aber nicht

dulden.

Der preußische Ministerpräsident betonte, daß er demgegenüber auf seinem eingangs dargelegten Standpunkt beharre und insbesondere der Durchführung der Verwaltungsreform ohne Ber­ständigung mit der preußischen Staatsregierung widerspreche.

Eine Einigung hierüber wurde nicht erzielt.

Im Laufe der Besprechung hob der Reichs­präsident hervor, daß es zur Wiederherstellung gefestigter Verhältnisse weiterhin notwendig sei, die staatlichen Machtmittel Preu Bens und des Reiches in einer Hand zu behalten und die Politik Preußens und des Reiches in einheitlichen Bahnen zu führen. Zum Schluß gab er der Hoffnung Ausdruck daß über die Ausübung der Rechte, die der preu Bischen Staatsregierung nach der Entscheidung des Staatsgerichtshofes zuständen, eine Berständigung erzielt werden möge. Es wurde vereinbart, daß hierüber weitere Berbindung zwischen der preu.

Bischen Staatsregierung und dem Reichskommissar noch vor der Unterredung beim Reichspräsidenten  , gehalten werden solle.

Die Unterredung beim Reichspräsidenten   hat mit einem feierlichen Protest des preu­Bischen Minister präsidenten Otto Braun   geendet. Die amtliche Mitteilung über diese Unterredung ist das öffentliche Zugeständnis, daß abermals ein offener schwerer Ver fassungstonflift ausgebrochen ist. Das Kabinett der Barone jezt trotz dem Leipziger  Urteil seine diktatorischen Methoden fort. Es gibt dem Leipziger   Urteil eine Auslegung, die sich an den Buchstaben flammert und dabei den Sinn vergewaltigt. Dies Urteil war eine moralische Niederlage des Kabinetts der Barone. Wenn dies Kabinett troßdem auf seiner Haltung be­harrt, so zieht es sich in den Augen des Volkes zur ersten eine zweite noch schwerere moralische Niederlage zu. Denn das Recht steht flar auf der Seite der preußischen Staatsregierung!

Eine Verwaltungsvereinfachung in Preußen auch in den Zentralbehörden war von der rechtmäßigen preußischen Regierung ge­plant. Daß diese Maßnahme auf bittatori schem Wege durchgeführt werden soll, daß die Beschlüsse darüber bereits in Drud gegeben waren

zeigt, daß das Kabinett der Barone teine Ver­ständigung, wie sie das Leipziger   Urteil vorschrieb, fondern ein Diftat wollte. Diese Verordnung ist abermals unterzeichnet: ,, das preußische Staats­ministerium". Es gibt nur ein preußisches Staatsministerium, und dies rechtmäßige preu­Bische Staatsministerium hat der Verordnung seine Zustimmung nicht gegeben!

Das Kabinett der Barone verteidigt seine Haltung mit der Behauptung, daß sein Borgehen dem Leipziger   Urteil entspreche. Es stellt diese Behauptung auf nicht nur der preußischen, sondern auch der bayeri schen Staatsregierung gegenüber. Die preußische Staatsregierung fegt dieser Behauptung ent schiedensten Widerspruch entgegen. Sie hat die Möglichkeit, Schritte gegen das Vorgehen des Kabinetts der Barone zu ergreifen, sei es vor dem Staatsgerichtshof, sei es im Reichsrat.

Der neue Verfassungskonflikt in Preußen ist ein Teil des größeren allgemeinen Ron fliftes, eine Folge des organisierten Angriffs auf die Rechte des Volkes, wie sie in der Weimarer Verfassung   niedergelegt sind. Dieser große Konflikt muß durchgefämpft werden am 6. November und weiterhin, bis das Recht des Volkes gefiegt haben wird!

Ein preußischer Protest

Beeinträchtigung von Hoheitsrechten festgestellt

Das Breußische Staatsministerium erflärt zu der Verordnung des Reichskommissars für Preußen über die Auflösung des Preußischen Ministeriums für Bolts­wohlfahrt folgendes:

scheidung wirklich heißt, fann ,, an die Stelle der Landesregierung auch vorübergehend fein anderes Organ gesetzt werden". Es war daher aus diesem Grunde unzulässig, die Verordnung auf Grund der Dietrcmszeller Verordnung, noch dazu mit der Unterschrift Preußisches Staatsministerium" der Unterschrift Preußisches Staatsministerium" zu erlassen.

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Terroristen verurteilt

Königsberg  , 29. Oktober.

Im Terroristenprozeß gegen die National. sozialisten wurde heute nach einstündiger Be ratung folgendes Urteil verkündet: Burow wurde zu Jahren Zuchthaus, Müller zu 1 Jahr Gefängnis, Dargel zu 5 Mo= naten Gefängnis, die Angeklagten Günther, Gerhard Kuhn, Bruno Kuhn  , Otto Kuhn, Liß, Gust und Wetzel zu je 9 Monaten Ge= fängnis verurteilt.

I. Eine Berringerung der Zahl der preußischen Ministerien war von der preußischen Staatsregie. rung für August dieses Jahres in Aussicht ge nommen; an der Durchführung dieses Planes ist sie durch den Eingriff des Reiches vom 20. Juli verhindert worden. Trotz der Bereitschaft der Staatsregierung zu einer Verständigung über diese Die Königsberger   Nazis vor Gericht Frage haben Reichsregierung und der Reichs. tommiffar die Verordnung ohne vorherige Fühlungnahme mit der Staatsregie­rung erlassen. Die betreffende Nummer der preußischen Gesetzsammlung wurde zu gleicher Zeit ausgedruckt, in der die Unterhaltung zwischen Reichskanzler und Ministerpräsident Braun beim Herrn Reichspräsidenten   stattfand. Damit hat die Reichsregierung nach Auffassung der preußischen Staatsregierung nicht nur die vom Staatsgerichts­hof ausdrücklich gewünschte loyale Zusammenarbeit mit der Staatsregierung außer acht gelassen, son­dern auch in ein unveräußerliches Hoheitsrecht der preußischen Staats­regierung eingegriffen, nämlich in das früher dem Träger der Krone zustehende Organisations­recht hinsichtlich der Bestimmung der preußischen Ministerien. Für die Aufrechterhaltung der öffent­lichen Sicherheit und Ordnung ist ein solches Bor­gehen des Reichskommissars feinesfalls erforderlich. ( Ermächtigungsverordnung des Reichspräsidenten  vom 24. August 1931.)

II. Der Reichsfkommissar hat die Verordnung auf Grund der sogenannten Dietrams= zeller Ermächtigungsverordnung des Reichspräfi­denten vom 24. August 1931 erlassen. Diese Ver­ordnung gibt aber nicht dem Reichstommis= far, sondern der Landesregierung bas Recht, Notverordnungen zu erlassen Nach der Entscheidung des Staatsgerichtshofes ist Landes­ regierung   nur die preußische Staats­regierung. Bie es in den Gründen der Ent­

Nachdem das Urteil gegen die 11 angeklagten Nationalsozialisten verkündet und die Begründung gegeben war, trat das gleiche Sondergericht sofort erneut zusammen, um gegen die wegen der Tank­stellenattentate in Rönigsberg am 1. August an getlagten acht Nationalsozialisten. zu verhandeln. Die Anflage legt sieben Ange flagten versuchte Brandstiftung an der Tankstelle beim Neuen Schauspielhaus zur Last und dem Buchhalter Erich Walter   Anstiftung zu diesem Verbrechen.

Wehrt euch!

Recht muß erkämpft werden!

Heute in einer Woche fällt abermals eine Wahlentscheidung! Diese letzte Woche des Wahlkampfes gilt es auszunügen, um die letzten Säumigen aufzurütteln und an ihre Pflicht zu mahnen. Der Kampf um Freiheit und Recht des Volkes muß durchgefämpft werden!

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Alle großspurigen Versprechungen des Ka­binetts der Barone find in Nichts zerstoben. Statt der Arbeitsbeschaffung- Fortdauer der Krise, statt der Belebung der Wirtschaft neue Hemmungen durch eine unsinnige Handelspolitik! Auf der ganzen Linie nichts als Scherben und Trüm mer und Verwirrung außenpoli­tisch, innenpolitisch, wirtschaftspolitisch! Ge= blieben ist nur eins: der ungezähmte Wille der Barone und der hinter ihnen stehenden Herrenschicht nach uneingeschränkter Macht! Geblieben sind die finsteren reaktionären Pläne! Diese Regierung des absoluten Miß­erfolgs, die eine sachliche und moralische Niederlage auf die andere häuft, hat eine Woche vor dem Wahltag ein Programm der Konterrevolution verkündet, das einen Schlag ins Gesicht des Volkes darstellt!

Alle ideologischen und schönrednerischen Bekleidungsstücke sind von dieser Regierung abgefallen, nackt und bloß steht sie vor dem Volke als die Verkörperung der Reaktion. Ein Gespenst böser Vergangen­heit ist wieder emporgestiegen und droht dem Bolke!

Wehrt euch! Wehrt euch in dieser Woche, wehrt euch am fommenden Sonn­tag, wehrt euch weiterhin ohne Unterlaß, bis dies Gespenst wieder in die Grube gefahren ist für immer! Im Kampfe hat das Bolt sich Rechte errungen, im Kampfe wird es seine Rechte verteidigen!

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Fest und unerschütterlich steht die Sozialdemokratische Partei   im Sturm. Hinter ihrer Fahne schart sich die Kerntruppe der deutschen   Arbeiterschaft, zu ihr stehen alle, die im Kampfe die Freiheit verteidigen! Sie kämpft gegen die Reaktion, fie fämpft gegen den Volksbetrug der Na­tionalsozialisten, gegen die Spalter der Ar­beiterschaft im kommunistischen   Lager. Das Millionenheer, das sie um sich gesammelt hat, ist der Hort der politischen Vernunft in Deutschland  . Dies Millionen­lionenheer ist durch viele Schlachten und Stürme gegangen, fest und unverwüstlich das Ziel im Auge: ein freies Volk im sozialistischen   Volksstaat!

Für dies Ziel fämpfen wir. Wir werden weiter schaffen an seiner Verwirklichung, wenn die Regierung der Barone nicht mehr sein wird! Wir werden unsere sozialistischen Ziele ins Bolt tragen. Wir rufen auf zur sozialistischen   Organisation der Wirtschaft!

Die Sozialdemokratische Partei   hat ein Programm der sozialistischen   Aktion aufgestellt. Je klarer der Zusammenbruch des kapitalistischen   Papen- Programms her portritt, um so stärker wird der Zwang zur sozialistischen   Aktion. Die Sozialdemokratische Partei   wird im kommenden Reichstag   das Programm der sozialistischen   Aktion in den Mittelpunkt des Kampfes stellen. Sie wird in Volksbegehren und Volksentscheid das

Fahnen heraus!

Zeigt Bekennermut! Zeigt unsere Stärke!