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Morgen- Ausgabe

Nr.517 A 253 49. Jahrg.

Redaktion und Berlag: Berlin   SW 68, Lindenstr. 3 Fernsprecher: A7 Amt Dönhoff 292 bis 297 Telegrammabreffe: Sozialdemokrat Berlin  

Sozialdemokraten wählen Liste

Vorwärts

BERLINER

VOLKSBLATT

2

MITTWOCH

2. November 1932

In Groß Berlin   10 Bf. Auswärts....... 15 Pf.

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Hunger bei vollen Scheuern!

Neuer Millionensegen für ostelbische Junker auf Kosten des Volkes

Das Kabinett der Barone will die Ver­fassung ändern, um die Herrschaft der ostelbischen Junker zu stabili fieren. Es will nicht nur Preußen, son­dern ganz Deutschland   unter die Junker­vorherrschaft bringen! Daher die Ein­setzung des Ostelbiers von Braun als Kommissar für das Landwirtschafts­ministerium in Preußen! Junkerherrschaft bedeutet, erfährt das Volk heute schon! Es darf zahlen, es darf den Hungerriemen fester schnallen aber die Agrarier erhalten Hunderte von MIL­lionen als Subventionen.

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Den Arbeitern soll zugunsten der Agrarier gezeigt werden, daß sie nicht mehr im Wohlfahrtsstaat leben, sondern daß sie, wenn sie kein teures Brot essen wollen, den Schmachtriemen anzuziehen haben.

Im Gegenteil, um trotz der Riesenernte die Preise wieder in die Höhe zu trei ben, Was die

Das Kabinett der Barone hat einen neuen Anschlag für die Agrarter gegen das Volk vor!

Deutschland   hat durch gutes Wetter und mehr­anbau von Getreide einen riesigen Ernte­segen, und die Preise gingen auf 200 M. für Weizen und 160 M. für Roggen zurück. Bei den heutigen Roften ist das für die Landwirtschaft noch genug und für den städtischen Verbraucher könnte das Brot, für den Bauern könnte das Futter verbilligt werden, das er zukaufen muß. Aber von einer derartigen vernunftgemäßen Nuzung des Erntesegens ist natürlich keine Rede.

wird eine neue unerhört fost­ipielige Subvention für die Agrarier in die Bege geleitet. An sich ist die Lage der Getreidewirtschaft gar nicht bedrohlich. Selbst der großagrarische Deutsche   Landwirtschaftsrat ist optimistisch und schrieb vor 14 Tagen, daß eine Berstärkung der Nachfrage nach Mehl seitens der Bäder zu erwarten ist, was sofort zu einer Steigerung des Getreideabsatzes und damit zu einem Geschäftsumschwung führen werde. Aber da das nicht vor den Wahlen kommt, braucht man Stimmung und man macht Stimmung auf Staats- und Verbrauchertoften. Der Deutsche   Landwirtschaftsrat, sefundiert von der agrarischen Presse, sendet SOS- Rufe, und der völlig unter nationalsozialistischem Einfluß stehende Reichslandbund fordert eine Getreidemaga- zinierung im größten Stil. Die Reichsbank soll hierfür einen Kredit von 100 Millionen zur Verfügung stellen, das Reich eine Aus­

Das Schaugericht der Winterbeihilfe

Die Arbeitslosen der Großstädte gehen leer aus

Jm Heer der Arbeitslosen hat die mit so großem Bomp angekündigte Arbeitslosenhilfe der Papen  - Regierung trügerische Hoffnun gen erweckt, deren letter Rest durch die Aus­führungsbestimmungen erledigt wird. Wohl war von vornherein klar, daß es für die Arbeitslosen ein schwacher Trost ist, wenn ihnen eine zusäß­liche Winterbeihilfe gewährt werden wird, die den Betrag von etwa 50 Millionen Mark erfordert, nachdem an ihnen durch die Notverordnung vom 14. Juni über 2 Milliarde Marf erspart wurden. Dennoch wurden Hoffnungen genährt. Für die Berliner   Arbeitslosen sind sie zu Wasser geworden!

Arbeitslose, die nur für sich allein zu sorgen haben, gehen von vornherein leer aus. Nur die Unterstützungsempfänger der Lohnklassen I bis VI, die für Familienangehörige zu sorgen haben und dementsprechende Zuschläge beziehen, sollen 2 bis 4 M. Winterbeihilfe erhalten. Die Arbeitslosen der Lohnklassen I bis VI find solche, die weniger als 36 m. wöchentliches Arbeitseinkommen hatten.

In Berlin   machen diese Arbeits­losen kaum ein Prozent aus, in anderen Großstädten nicht viel mehr, da ja die jugendlichen ,, nicht bedürftigen" Arbeitslosen ohne­hin ausscheiden und vor allem auch die große Masse der Wohlfahrts. erwerbslosen von dieser ,, Wohl­fahrtsaktion" ausgeschlossen ist.

Es war nun anzunehmen, daß wenigstens die­jenigen Arbeitslosen, die in einer höheren Lohn­klasse sind, jedoch infolge ihrer Unterstützungs­fürzungen weniger Unterstützung beziehen als die Arbeitslosen der Lohnklassen I bis VI den Aus­gleichsbetrag bis zur Unterstützung der Lohn­flaffe VI als Winterbeihilfe bekommen würden.

Bezieht der Arbeitslose irgendeine fleine Sozial-, Versorgungs- oder Versicherungsrente, ist er also nicht vollständig, sondern nur teilweise hilfsbedürftig, dann bekommt er nur eine ent­sprechend gekürzte Unterstützung.

Es bleibt dabei, daß ein Arbeitsloser, dem beispielsweise 6 M. Rente ange­rechnet werden, einschließlich eines ver forgungsbedürftigen Angehörigen nicht

14,30 M. Unterstützung gezahlt werden, sondern nur 8,40 M. Die Winter­beihilfe bekommt er trotzdem nicht! Die gegenwärtige Regierung hat selber zu­gegeben, daß die von ihr gekürzten Säße der Arbeitslosenversicherung wie der Sozialversiche rung mindestens in den Wintermonaten zu ge­ring sind. Sie tut jedoch nichts dazu, um für die Großstadt- Arbeitslosen diese Unterstützungen erträglicher zu gestalten!

Den Arbeitslosen, die weniger als 36 m. Wochenverdienst hatten, ist die zufäßliche Unter­stügung, die sie bekommen werden, zu gönnen. Sie brauchen fie dringend! Das ändert nichts an der Feststellung, daß diese ganze Winterhilfe für die große Maffe der Großstadterwerbslosen Schall und Rauch ist, daß die Papen- Regierung für fie nichts übrig hat und sie auch während der Winter­monate auf die von ihr im Sommer verschlech­terten Unterstützungsfähe anweift!

Stimmungsmache

Die Boxheimer veröffentlichen

Dokumente

Die nationalsozialistische Parteiforrespondenz veröffentlicht ein angebliches Rund­schreiben der Erefutive des Ben tralfomitees der KPD. in dem An­weisungen für einen tommunistischen Putsch nach dem 15. November gegeben sein sollen. Die blödsinnige Tattit der KPD.   ist hin­reichend bekannt aber dies Dokument erscheint uns selbst für die Zentrale der KPD. zu blöd­sinnig zu sein, als daß es echt sein könnte. Einige Organisationsangaben in diesem Dokument stim­men bedenklich. Der Inhalt ist ungefähr eine Uebertragung der Borheimer Dokumente ins Kommunistische.

Wozu diese Veröffentlichung, auf die sich wie auf Kommando die ganze Rechtspresse stürzt? Soll Stimmung für ein Verbot der KPD   gemacht werden, soll der Verlust an Nazistimmen aus­geglichen werden durch Bergewaltigung fommu­nistischer Stimmen?

Aber das schönste an dieser Beröffentlichung ist,

fallbürgschaft von 25 Millionen übernehmen. Die magazinierten Vor­räte sollen dem Verbrauch entzogen und erst im nächsten Jahr wieder auf den Markt gelangen. Die Preise sollen steigen, das Volk soll hungern bei vollen Scheuern!

die

Die Reichsregierung scheint bereit, diesen geradezu irrsinnigen Plan durchzuführen. Das Ungeheuerlichste dabei ist, daß Stüßungsmaßnahmen auch hier wieder ihren 3wed, die Lage der Landwirtschaft zu verbessern, nicht erreichen können.

Sand in die Augen der Wähler auf dem Lande, Hochhaltung der Lebensmittelpreise für die Aermsten, das ist der Sinn dieses neuen Anschlages auf die Taschen der Steuerzahler.

Alles für die ostelbischen Junker! Aller Einfluß, alle Macht, alles Geld, aber Entrechtung des Volkes das ist der Kurs der Barone!

-

Da die Sozialdemokratie allein für einen vernünftigen Ausgleich der Bauern­und Arbeiterinteressen kämpft, muß auch die volksschädigende Subventionspolitik zugunsten der Junker am 6. November in die Schranken gewiesen werden. Arbeiter muß kaufen können; dann kann der Bauer auch verkaufen.

Der

daß ausgerechnet die Naziputschisten den kommu­ nistischen   Putschisten Staatsstreich absichten vor­werfen! Der nationalsozialistische Abgeordnete Merder hat erst dieser Tage in einer Ber­sammlung in Altreet im Kreise Königsberg  folgendes angekündigt:

Wir stehen mit einer million Ge­wehre da. Wir werden nach dem 6. No­vember eine Revolution erleben, die wir mit den kommunisten zusammen machen."

Das ist eine unbestreitbare, echte eindeutige Aeußerung! Wenn den Dingen nachgegangen wird, sollte man hier anfangen!

Wahlfieg bei Lübeck  

Erfolg der Sozialdemokraten

Bei der Gemeindevertreterwahl in Selmsdorf  bei Lübeck   hat die Sozialdemokratie am Sonntag einen glänzenden Sieg errungen. Von den 10 Mandaten fielen ihr 6 zu. Mit dem vor einigen Wochen gewählten Gemeindevorsteher Oldörp sen. besitzt unsere Partei die absolute Mehrheit in der Gemeindeverwaltung. Die Wahlbeteiligung war sehr start; von 678 Wahlberechtigten stimmten 604 ab. Auf die sozialdemokratische Liste entfielen 345 und auf den bürgerlichen Mischmasch 255 Stimmen. Früher war das Verhältnis 5 zu 5 und ein bürgerlicher Gemeindevorsteher. Unsere Genossen haben 2 Mandate gewon­nen. Ein glänzendes Ergebnis, das um so höher zu werfen ist, als die vereinten reaffionären Parteien an Berlogenheiten gegen die Sozialdemo­tratie das menschenmögliche aufboten. Ein Bravo unseren& ämpfern.

Um unser Recht!

Fragen einer Frau an Herrn von Gayl

Von Mathilde Wurm

Der Reichsinnenminister Freiherr von Gayl hat den Wahlkampf benutzt, um eini­gen Millionen Wählern anzufündigen, daß sie nach seinem Willen am 6. November zum legten mal an die Wahlurne gehen, daß sie fortab als Staatsbürger zweiter Klasse be­handelt werden sollen. Das aktive und passive Wahlrecht soll um fünf Jahre, d. h. das Wahlrecht auf das 25. Jahr heraufgesetzt, die Jugendlichen sollen des Wahlrechts beraubt werden. Nach der Volkszählung im Jahre 1925 standen 5,1 Millionen Menschen im Alter zwischen 20 und 25 Jahren, inzwischen hat ihre Zahl sich erhöht. Gegen diese Jugendlichen richtete sich in den letzten Jahren der Hauptschlag der wirtschaftlichen und poli­tischen Krise. Keine Altersschicht wurde un­barmherziger von der Geißel der Arbeits­losigkeit betroffen als die anderthalb Millionen jugendlicher Er= werbsloser, die noch keinen Tag im Er­werbsleben gestanden haben, die damit aus­geschaltet sind aus dem gesellschaftlichen Zu­ſammenhang.

Herr von Gayl, sind diese Menschen, die reif" genug sind, alle physischen und seeli­schen Qualen, die dieses System ihnen be­reitet, zu ertragen, nicht reif" genug, um eine Aenderung ihres Schicksals selbst mit in die Hand zu nehmen? Wir verstehen sehr wohl den Sinn Ihres Planes, Herr Minister: Sie fürchten, daß die um ihre Jugend be­trogene Generation, die in ihrer Verblendung in den letzten Jahren den gewissenlosen Ver­sprechungen der Nazis zum Opfer gefallen ist, jetzt erwachen und sich in Massen den Links­parteien zuwenden werde. Das wollen Sie verhindern!

"

Gegen die Jugendlichen zwischen 20 und 25 Jahren hat sich unter der glorreichen Re­gierung der Barone ein weiterer Schlag er­hoben. Im Namen des freiwilligen Arbeits­dienstes und der ,, körperlichen Ertüchtigung' sollen sie eingespannt werden in Milita­risierung und Kasernierung. Sie sind ,, reif" genug, um vorbereitet zu werden als Kanonenfutter für das Schlachtfeld des Krieges und als billige Heloten für das Schlachtfeld der Arbeit, aber, um sich dagegen zu wehren durch Stimmabgabe für jene Bar­teien, die dieses System bekämpfen- dafür, Herr Minister, sind sie wohl nicht ,, reif" genug?

,, Abwegig" sei der Gedanke, erklärte Herr von Gayl, daß die Regierung eine Aufhebung des allgemeinen, gleichen, direkten Wahl­rechts und die Einführung eines Zensus plane. Was aber ist es anderes, wenn die Einführung einer Zusagstimme" für die selbständigen Familienernährer und die Kriegsteilnehmer angefündigt wird?

Kriegsteilnehmer nicht wahr, Herr Minister, das sind nur die Männer? Kriegsteilnehmer- das ist Herr Frick, der sich in Pirmasens   von 1914-1918 auf Druc posten befand, das sind die Tausende von Helden seiner Art? Kriegsteilnehmer- das sind aber nicht die Tausende von Frauen,

Große Wahlkündgebung

am Freitag, dem 4. November, 20 Uhr, im Sportpalast, Potsdamer Str  . 72 Redner: Artur Crispien, Tony Sender, Otto Bauer  ( Wien  ) Kasseneröffnung 17 Uhr Die Fahnendelegationen müssen spätestens um 19 Uhr in der Vorhalle des Sportpalastes Aufstellung nehmen Eintrittspreis 50 Pf., Erwerbslose gegen Vorzeigung der Stempelkarte 10 P