Bes Herrn Papen und seiner Barone mit und ohne Schlot.
Eine Wache rückt erst ab, wenn Ablösung da und eine neue Wachtmannschaft aufzuziehen in der Lage ist. Irgendwie wird ein Volk immer regiert. Versagt sich der Deutsche Reichstag störrisch dieser ihm in erster Linie zustehenden Aufgabe, so fällt damit die Staatsleitung nicht etwa fort, sie geht nur an andere Organe über. Wenn der Schatten des Reichspräsidenten sich bedrohlich über die deutsche Freiheit lagert, wenn die Bajonette uns beherrschen, wenn die Reaktion uns knechtet und die Bürokratie uns nasführt, die Zuchtlosigkeit und die Willensohnmacht des deutschen Parlamentarismus tragen allein die Schuld an dieser unheilvollen Entwicklung. Ein Parlament, das würdelos wurde, fand noch immer den Stiefelabsatz, der es mißhandelte. Eine Demokratie, die sich selber nicht ernst nimmt, hat kein Recht zur Klage, wenn andere sie auch nicht ernst nehmen. Wer die Demokratie zerstört, kann sich nicht be= schweren, wenn ein Dritter daraus die antidemokratischen Konsequenzen zieht. Demofratie ist Würde, wir aber ließen Würde und Stolz der Demokratie vor die Hunde gehen. Am 6. November werden wir noch einmal den Weg zur Wahlurne gehen, den viele von uns allmählich ebensogut kennen wie den Weg zur Stempelstelle. Noch einmal werden wir in der demokratischen Wahlzelle wählen, dem einzigen letzten Zufluchtsort radikaler menschlicher Gleichheit in der sonst von Unterschieden und Gegensägen zerrissenen Welt des Kapita lismus . Noch reicht dein Stimmzettel aus, den des Herrn von Papen, meiner den des Herrn Schleicher zu durchkreuzen und aufzuheben. Aber über dieser Wahl liegt ein ungewisses und banges No ch". Nuzen wir diesmal wieder nicht die letzte Chance, die uns die Demokratie darbietet, so wird dieser Gang zur Wahlurne zugleich der Todesgang der deutschen Freiheit sein. Zerbricht die Demokratie, so haben wir unseren besten Bundesgenossen matt gesezt, unser Zahlengewicht. Demokratie gehört letzten Endes immer den stärksten Bataillonen. Solange Demokratie gilt, hat die deutsche Arbeitnehmerschaft begründete Aussicht, daß einmal aus ihrer 3 a hlenübermacht, die heute schon besteht, auch politische Machtüberlegenheit wird. Fällt die Demofratie, ist dieser Traum für lange ausgeträumt.
Den Reichskanzler von Papen stürzt man nicht durch Diktaturspielerei, er ist allein zu stürzen auf der Ebene des Parlaments. Darum reicht es nicht aus, am 6. November in bezug auf Papen das Nein zu sprechen. Diesem Nein ist eine praktische Wirksamkeit erst dann beschieden, wenn wir gleichzeitig zur Demokratie ein ungebrochenes und eindeutiges Ja finden. Potsdam , das seinen Kastendünkel und seine Trommelwirbel wieder durch Deutschland schicken möchte, ist bei der vorhandenen politischen Machtgruppierung von der Position Moskau her in einer wirksamen Weise nicht zu bekämpfen. Jeder Diktaturanbeter fügt praktisch, auch wenn er selbst es nicht will, mit seiner Wahlstimme nur einen Stein hinzu, der Papens Herrenthron fester untermauert. Wer uns vor Potsdam bewahren will, muß bei der herrschenden Situation eine positive Entscheidung für Weimar finden und der Sozialdemokratischen Partei seine Stimme geben!
Ein neuer Bukarester Frieden ist zwischen dem König Carol und seiner verlassenen Frau Helene geschlossen worden: sie wird finanziell sichergestellt und darf beliebig oft nach Rumänien fommen.
68 Tageszeitungen
erscheinen in Berlin . Nur eine einzige von ihnen vertritt die großen Massen, die hinter der Sozialdemokratischen Partei stehen.
722064 Wähler
haben bei der vorigen Reichstagswahl in Berlin ihre Stimme für die SPD. abgegeben. Der
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7953986 Männer und Frauen
die im Reiche für die SPD. gestimmt haben. Der Vorwärts " erscheint täglich zweimal und kostet bei freier Zustellung einschließlich
Volk und Zeit"
der illustrierten Sonntagsbeilage In Tlefdruck, 75 Pf. pro Woche.
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Hitler- das ist die Reallion!
Die reaktionären Arbeiterverräter im Braunhemd
,, Gegen Reaktion und Klassen= tampf!" unter dieser Parole führen die Nationalsozialisten den neuen Wahlkampf. Gegen die Reaktion? Aber das sind sie doch selbst! Sie meinen zwar damit den Kurs von Papen und Bracht, die Barone, die ,, feinen Leute", die ihnen gegenwärtig die ausschließliche Ausübung der Regierungsgewalt verweigern. Aber abgesehen von diesem Kampf um die Futterkrippe oder vielmehr um die Quote der Regierungsbeteiligung, gibt es feinen grundsäglichen Gegensatz zwischen den Nazis und den Baronen, zwischen Hitler und Papen, zwischen Goebbels und Hugenberg , zwischen Kube und Bracht. Die Nazis find groß geworden nur durch reaktionäre Parolen und ihre Wählerschaft sezt sich größtenteils aus bürgerlichen, arbeiterfeindlichen Schichten zusammen. Anders wäre es auch gar nicht zu erklären, daß Hitler sämtliche bürgerlichen Rechtsparteien verschlungen hatte mit Ausnahme eines schäbigen Restes von Deutschnationalen Die Hakenkreuzler waren die bürgerlich- reaktionäre Partei ge= worden, in den Städten wie auf dem Lande, und der Gedanke, daß ausgerechnet sie nunmehr den Kampf gegen die Reaktion führen wollen, ist eine groteste Begriffsverwirrung.
Unter Reaktion versteht man gemeinhin die Abwehr gegen alle fortschrittlichen, demokratischen und sozialen Bestrebungen. Die Reaktion ist kapitalistisch, militaristisch, nationalistisch, antisemitisch, arbeiterfeind lich. Welche von diesen Bezeichnungen trifft auf die Hakenkreuzler nicht zu? Wie hätte denn sonst Hitler die Unter
stützung von Thyssen und Kirdorf , von Likmann, Epp und Auwi, eines großen Teils der evangelischen Geistlichkeit, unzähliger Groß= grundbesiker und Großbauern und der meisten ehemaligen Freikorps. landsknechte erzielt, als durch ausgesprochen reaktionäre Parolen und Versprechungen?
Man braucht ja nur in den letzten Tagen diefes neuen Wahlkampfes zu beobachten, in welchen Stadtteilen die meisten Hakenkreuzflaggen gezeigt werden: sie hängen größtenteils aus den Woh nungen der Reichen oder des typischen fleinbürgerlichen Mittelstandes heraus. Es sind nach wie vor die ehemaligen Wähler der Deutschnationalen , der Wirtschaftspartei und der Deutschen Bolkspartei, die das Hauptkontingent der Anhängerschaft Hitlers abgeben. Es mag sein, daß diesmal ein Rückstrom aus dem nationalsozialistischen Lager vor allem wieder zu den Deutschnationalen einsetzen wird, weil die eingefleischten Reaktionäre in der Regierung Papen eine noch wirksamere Erfüllung ihrer Ideen und Wünsche erblicken als in dem sagenhaften Dritten Reich. Aber an dem Grundchar after der Nationalsozialisten
ändert diese Tatsache einer Wählerverschiebung ebenso wenig, wie der frampfhafte Versuch von Gregor Straßer und Goebbels , ihrer Bewegung einen„ proletarischen" Charakter nachträglich aufzustempeln.
Nicht weniger sinnlos und widerspruchsvoll ist der zweite Teil der hakenkreuzlerischen Wahlparole. Mit ihrem ersten Teil ,, Gegen die Reaktion" will man die Arbeiter födern, mit ihrem zweiten Teil
Der polnische Außenminister 3alesti ist am Mittwoch zurückgetreten. Seine Nachfolge wird voraussichtlich der bisherige Staatssekretär im Außenministerium, der erst 39jährige Dierst Josef Beck , übernehmen. Wie verlautet, soll Baleffi den Pariser Botschafterposten erhalten.
Der Rücktritt Balestis ist auf Betreiben des Obersten Bed zurückzuführen, der einer der Pilsudsti am nächsten stehenden jüngeren Offiziere ist und der schon seit langer Zeit diesen Posten anstrebte. Zaleski hatte sein Amt seit dem Maiumsturz im Jahre 1926 bis heute ununterbrochen innegehabt. Innenpolitisch war er ein unbedingter Anhänger der Pilsudski- Diktatur, in seiner außenpolitischen Tätigkeit war er ein Anhänger des Völkerbunds und Vertreter einer durchaus friedlichen Politik, die aus der Erkenntnis erwuchs, daß Polen durch einen Krieg nur zu verlieren, aber nichts zu gewinnen hätte. Der Wechsel im Außenministerium dürfte voraussichtlich keine
Gelbstmord für Junker
Die Barone unter ostelbischem Druck
Die Junker bestürmen das Kabinett der Barone. Es tut ihnen noch nicht genug für die Ostelbier! Von der deutschnationalen Fraktion des Preußischen Landtags wird mitgeteilt:
,, Unter Führung des Borsigenden der deutschnationalen Landtagsfraktion Dr. von Winterfeld, waren am Mittwoch die Abgeordneten Schwecht, Logemann, von Zizemiz, Carlsen und Bord einer Einladung des Reichskanzlers gefolgt.
Die deutschnationalen Abgeordneten trugen dem Reichskanzler nochmals die dringendsten Forderungen zur Sanierung der Landwirtschaft vor. In erster Linie wurde die Forderung aufgestellt, die autonomen Kontingente nunmehr sofort in ausreichender Höhe und unter Einbeziehung aller schußbedürftigen Agrarprodukte durchzuführen.
Der Kanzler sagte zu, daß das Kabinett nach Rückkehr der Kommission aus Dänemark schon am Donnerstag die Kontingentie. rung, an der unbedingt festgehalten würde, beschließen wolle. Der Reichstangler wies dabei auf seine früheren Reden hin. Er fagte ferner Maßnahmen zur Lastensentung zu."
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Wir haben in der Kontingentsfrage schon allerlei erlebt. Wir halten die Vermutung für be= rechtigt, daß die Information der deutschnationalen Fraktion des Preußischen Landtags auch der Stimmungsmache für die Wahlen dient. Wenn die Reichsregierung heute wie angekündigt, autonome Kontingente beschließen würde, so wäre das wirtschaftlicher Selbstmord!
Aenderung in dem bisher eingehaltenen Kurs mit sich bringen, da auch in außenpolitischen Fra gen nur die Entscheidungen Pilsudstis ausschlaggebend find, als dessen Erefutivorgan Zaleski galt.
Unruhen in Polnisch- Oberschlesien.
minne Breslau , 2. November. Schwere Arbeitslofen unruhen ereig neten sich vor dem Gemeindeamt in ipine in Ostoterschlesien. Mehrere hundert Arbeitslose, insbesondere Verheiratete und Familienväter, denen man als Unterstügung für die vergangene Woche ganze 2 3loty bewilligt hatte, versuchten Bäckereien, Fleischereien und Kolonialwarenhandlungen zu stürmen. Die Polizei war gegenüber der maßlos erbitterten Menge, aus der heftige Verwünschungen gegen das Pilsudski - Regime laut wurden, zunächst völlig machtlos. Erst nach dem Erscheinen von Polizeiverstärkungen, die aus der Umgegend zusammengezogen worden waren, ergriffen die Demonstranten die Flucht.
holung Deutschlands . Die Papen - Regierung würde den eigenen Wirtschaftsbelebungs= versuchen, deren Erfolgsaussichten an sich schon so gering sind, den letzten Stoß verfegen. Sie würde auch die letzten politischen Reserven, die in diesem Wahlkampf noch für fie mobilisiert werden könnten, mutwillig zerstören.
Die Kamarilla besteht! Ein geheimer Zehnerrat berät über die Verfassung
Am Dienstag wurde hier ein Schreiben wiedergegeben, das der bekannte Herr von Gleichen am 12. Oktober an einen Freund gerichtet hatte, worin es hieß:
,, Inzwischen hat Herr Schotte eingehende Aussprache mit Herrn von Ganl gehabt gerade über die Reichsreformfrage und äußerte fich darüber optimistisch. Insbesondere foll bei Herrn
,, Gegenden Klassenkamp f" sollen die mittelständlerischen Schichten bei der Stange gehalten werden. Aber gerade in der heutigen Zeit wenden sich die Nationalsozialisten immer mehr an die Besitlosen in den Großstädten und versuchen, sich als ihre Interessenvertreter aufzuspielen.
Zu diesem Zwed geben sie vor, den Kampf gegen die antisozialen, reaktionären Bestimmungen der letzten Notverordnungen zu führen, ja sie rühmen sich sogar, daß unter ihrer Führung erfolg reiche Abwehr bewegungen in zahlreichen Betrieben gegen Lohnfürzungen und dergleichen stattfinden Meist ist das bloße Renommisterei und es handelt sich in Wirklichkeit um freigewerkschaftliche Abwehrkämpfe, die von den nationalsozialistischen Betriebszellen mitgemacht werden, während noch vor wenigen Monaten die Naziarbeiter ausgesprochene Gelbe waren, die als solche von den Unternehmern bevorzugt wurden.
Es bleibe dahingestellt, aus welchen Gründen eine gewisse Schwenfung in der Taktik der Hakenfreuzler gegenüber dem Unternehmertum eingetreten ist. Wahrscheinlich haben Straßer und Goebbels erkannt, daß es aus wahltaktischen Gründen zweckmäßig ist, mit der schwieligen Fauſt zu operieren, weil ihnen sonst die proletarischen Elemente scharenweise davongelaufen wären. Aber gleichviel: von dem Augenblick an, wo die Nationalsozialisten derartige Kämpfe in den Betrieben selbständig führen oder auch nur mitmachen, treiben sie gerade das, was sie zu be= fämpfen vorgeben, nämlich den Klassen= tampf. Sie sind Klassenfämpfer wider Willen geworden, ohne es zu wissen!
von Gayl die Absicht bestehen, ein kleines Gremium von höchstens 10 geeigneten Persönlichkeiten zu bilden, wodurch der von mir vorgeschlagene Plan eines größeren Gremiums überholt erscheint.
Dazu meldet jeßt die offiziös informierte TU.:
In einem Schreiben des Herrn von Gleichen an eine Persönlichkeit in Ostpreußen war von einem kleineren Gremium die Rede, das den Reichsinnenminister in der Frage der Reichsreform berate. Diese Tatsache wird vom Reichsinnenminifterium nicht bestritten. Daß jich der Minister von jachverständigen Bersönlichkeiten beraten lasse, sei nichts Neues. Es sei aber völlig gegenstandslos, eine Verbindung mit den Absichten herstellen zu wollen, die irgendwelche anderen Persönlichkeiten gehabt hätten oder haben.
Die Zustände im Heiligen Reich der Barone werden immer grotesker. Durch Zufall fliegt uns ein Brief des sehr schreiblustigen Herrn v. Gleichen auf den Tisch, und durch diesen Zufall erfährt die staunende Mitmelt, daß sich irgendwo im Reichsministerium des Innern ein geheime Küche be= findet, in der zehn geheime Köche im Brei der Verfassungsreform herumrühren. Hält es der Freiherr von Gayl nicht für notwendig, dem deutschen Volke wenigstens die Namen der zehn geheimnisvollen Männer bekanntzugeben, die es mit einer neuen Verfassung beglücken sollen? Der offiziösen Meldung wird beschwichtigend hinzugefügt:
Bevor über die Frage der Reichsreform im Reichskabinett endgültig entschieden werde, würden darauf müsse erneut hingewiesen werden die Länderregierungen mit der Sache befaßt werden. Erst hiernach werde eine ordentliche Kabinettsberatung hierüber stattfinden. De Beratungsfunktion des oben genannten Gremiums laufe nebenher.
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Es ist sehr gütig von Herrn von Gayl, daß er wenigstens die Länderregierungen unterrichten will. Wir wissen bloß nicht, ob dieses Versprechen jezt noch gilt, da er ja zu den meisten Länderregierungen einstweilen die diplomatischen Beziehungen abgebrochen hat. Aber ob mit oder ohne Unterrichtung der Länder endgültig" können die Beschlüsse des Kabinetts nur für das Kabinett sein. Wirklich endgültig fann nur das Volk oder die Volksvertretung mit Zweidrittelmehrheit entscheiden. Gegen jeden Versuch, die Produkte der Geheimküche dem Volke auf einem anderen Wege aufzunötigen, wäre Widerstand in jeder Form berechtigt und geboten!
Schafft Munition!
FÜR DEN WAHLKAMPF!
Die Frage der Kontingate ift eine Gitreitfrage Unterstützt den Kampf für Freiheit und Brot
mehr; heute das der autonomen Kontingentspolitik unternimmt, zerbricht bewußt alle Boraussetzungen für eine wirtschaftliche Er.