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Barone gegen Gemeinden

Neue Einschränkung der Selbstverwaltung durch Notverordnung

Die beiden neuen Verordnungen der Preußen­tommissare, über die wir bereits gestern abend furz beridtet haben, sollen der Sanierung der Gemeindefinanzen dienen. Man tann sie nicht isoliert betrachten, sondern muß sie in Beziehung setzen zu jenem aufsehen­erregenden Appell des Herrn Dr. Bracht an die Reichsregierung, der dank der intimen Beziehungen der Nazipresse zu hohen und aller­höchsten Regierungsstellen vor wenigen Tagen im ,, Völkischen Beobachter" veröffentlicht worden ist. Dieser Notschrei gibt offen zu, was man so gern verheimlicht hätte, daß die Nöte der deutschen Städte feineswegs nur auf eigene Schuld zurück­zuführen sind, sondern daß die Gewalt­politik und Einsichtslosigkeit der Reichsregierung die Finanzkrise der Ge= meinden und Gemeindeverbände ständig weiter verschärft hat und zur Katastrophe zu treiben droht.

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Die Gemeindefinanzverordnung", die erste und wichtigste der neuen Bracht- Verordnungen, soll eine geordnete und sparsame Haushaltsfüh= rung in den Gemeinden sicherstellen. Der amtliche preußische Kommentar hat hierbei kein Wort übrig für die Notwendigkeit, gerade in schwierigen Zeiten die Selbstverwaltung zu stützen. und zu stärken.

Er weiß nur zu reden von der Stärkung der Stellung des Gemeindevorstands, des Oberbürgermeisters, gegenüber der Volksvertretung. Er beweist damit den Geist, aus dem heraus die Kommissare die Verord­nung verstehen und verstanden wissen wollen. Eine Verordnung, die zweifellos auch Maß­nahmen enthält, die vom Standpunkt der Ge= meinden aus als wünschenswert betrachtet werden können und die deshalb auch bereits von der alten Preußenregierung im Zusammenwirten mit dem Städtetag vorbereitet worden waren. Hierzu gehört z. B. die vom Reichstag übernommene Vorschrift, daß Initiativanträge nur zur Erörte= rung gestellt werden dürfen, wenn ihnen gleich­zeitig ein geeigneter und rechtlich zulässiger Deckungsvorschlag beigefügt ist Oder die Vor­schrift, daß außerordentliche Ausgaben vor Be­schaffung der zu ihrer Deckung bestimmten Ein­nahmen nicht geleistet werden dürfen Auch die größere Publizität der Finanzverwaltung, die Offenlegung des Haushaltsplanes, die übrigens vielerorts bereits vorgeschrieben war, ist zu be= grüßen.

Aber die Vollmacht für den Gemeindevor­stand, alle Beschlüsse, die Mehrausgaben

zur Folge haben würden, ohne

oder Verminderung von eiteres n

zu

annullieren, schießt weit über das Ziel hinaus und fann auch in Notzeiten nicht gerecht­fertigt werden.

Sie beseitigt mit einem Federstrich das Budgetrecht der Stadtverordneten, sie stellt die gesamte Städteordnung auf den Kopf, indem sie den Oberbürgermeister zum kontroll­organ der Stadtverordneten macht, während doch die Stadtverordneten Kontrollorgan des von ihnen gewählten Magistrats und des Ober­bürgermeisters sein sollen. Sie muß zu schwersten Konflikten innerhalb der Selbstverwaltungskörperschaften führen und fann unvernünftige Gemeindevorstände zur völligen Ausschaltung aller Selbst­verwaltung verführen.

Es muß einmal mit aller Deutlichkeit ausge­sprochen werden, daß mit Reglementieren und Schifanieren, mit einer ständigen Verminde= rung von Volksrechten die Möte dieser Zeit auch in den Gemeinden nicht gemeistert werden können. Gerade das Beispiel Berlins zeigt, daß die lebendigen Kräfte eines demo. fratischen Gemeinwesens noch immer start genug sind, aus sich selbst heraus Mißstände zu beseitigen und Schäden abzustellen. So ist z. B. die jetzt als neu dekretierte Vorschrift für das gemeindliche Rechnungsprüfungswesen in Berlin bereits vor einem halben Jahre in einer Vorlage des Magistrats über die Stadt­rechnungsfammer verwirklicht worden, ohne daß der behördliche Auftrag eines Kommisjars dafür vorgelegen hätte. Genau dasselbe gilt von der Nachprüfung der Wirtschaftlichkeit und der Orga nisation der städtischen Werke und Betriebe. In der Frage des sogenannten Ersatzbeschlußrechtes, also der Festsetzung von Haushaltsplänen und sonstigen Dedungsbeschlüssen durch den Ober­bürgermeister, bringt die Verordnung nichts Neues. Auch heute schon steht dem Gemeinde­vorstand das Recht zu, ohne den Appell an die Aufsichtsbehörde selbst einzugreifen, falls eine Stadtverordnetenversammlung die Ausgaben des Haushalts ungedeckt lassen sollte.

Die zweite Verordnung über die Auf­stellung von Stellenplänen" dürfte gleichfalls sehr erheblich hinter den Tatsachen einherhinten. Die Gemeinden haben in ihrer Notlage von sich aus schon den Verwaltungsapparat bis auf das äußerst mögliche Maß eingeschränkt oder die Herabsegung des Personalstandes wenigstens ein­geleitet, soweit die Unkündbarkeit der Beamten einer fofortigen Einschränkung entgegenstand. Die Erfahrungen der Städte und der städtischen Be amten in den vielen Fällen, in denen die Auf­sichtsbehörde in diese Fragen hineinregierte, fprechen jedenfalls nicht für eine Ausdehnung dieses Rechtes.

Und das Wichtigste zum Schluß: Ueberall dort,

wo Gemeindevertretungen ihre Aufgaben in den letzten Jahren nicht erfüllt haben oder überhaupt arbeitsunfähig geworden sind, sind die Kreise, die den Herren Regierenden von heute ganz besonders nahestehen, nicht unbetei­ligt gewesen. Wie wäre es, Herr von Papen und Herr Dr. Bracht, wenn Sie statt der allein­feligmachenden Notverordnung einmal einen Appell an Nationalsozialisten, Deutschnationale, Wirtschaftsparteiler ufw. erlassen hätten zu ver­antwortungsbewußter Mitarbeit an den Aufgaben der Gemeinde und zur Be­endigung der sinnlosen Sabotage und Nur- Opposition, die dem Gedanken der Selbstverwaltung so schweren Schaden zugefügt und ja wohl diese Notverordnung mit­geboren hat?

Doppelmord in Köln

Geldbriefträger

und Zimmervermieterin als Opfer

Köln , 2. November.

In einem Hause am Rudolfplatz ist heute nach mittag eine sensationelle Bluttat aufge= deckt worden, die nach den polizeilichen Fest= stellungen bereits in den ersten Vormittagsstunden begangen wurde. Gegen 5 Uhr nachmittags fand man in der Wohnung des 61jährigen Fräuleins Ulla Korte fie selbst sowie den 48jährigen Geld­zusteller Oberpostschaffner Clemens Körner er­mordet auf. Die beiden waren durch Kopf­schüsse getötet worden.

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Der Tat dringend verdächtig ist ein Mann, welcher sich als Medizinstudent ausgab und sich gestern bei Fräulein Korte als Untermieter ein­logierte. Nach bekanntem Rezept hat er sich einen Geldbetrag an die eigene Adresse geschickt und den Zusteller, der ihm heute zwischen 8.15 und 8.30 Uhr die gestern aufgegebene Summe in die neue Wohnung brachte, erschossen und beraubt. Ulla Korte, die im Nebenzimmer mit Auf­

Länderzwist

PAPEN

Sina

田田

HELD

+ C+ M+ B+

,, Halt,! Wilde Fahrer dulden wir net bei ins Bayern !"

räumungsarbeiten beschäftigt war, ist dann das zweite Opfer des Verbrechens geworden. Bisher fehlt von dem Täter jede Spur; nicht einmal eine Personenbeschreibung ist vorhanden.

Zuchthausstrafe wegen versuchter Spionage. Der Erste Straffenat des Oberlandesgerichts Breslau verurteilte den 35jährigen polnischen Staats­angehörigen, Grenzbeamten Marjan Brozyna aus Kratau, wegen versuchten Verbrechens gegen§ 3 des Spionagegeseges und wegen Paßvergehens zu einer 3uchthausstrafe von drei Jahren und einem Monat unter Anrechnung der Untersuchungshaft.

Te dod

Irregeleitete kommunistische Arbeiter

Sie wollen Freiheitsfahnen nicht dulden aber Hakenkreuzlappen!

Hamburg , 2. November. Die Folgen der kommunistischen Parole ,, Hauptfeind ist die Sozialdemo fratie" zeigen sich von Tag zu Tag erneut. Am Dienstag meldeten sich in Altona in der Wohnung des Sozialdemokraten Peters, der eine Fahne der Eisernen Front gehißt hatte, drei Kommunisten und forderten ihn auf, die Fahne einzuzieher. Sie bedeuteten ihm, daß in dieser Straße, in der nur Arbeiter wohnten, für eine Fahne der Eisernen Front fein Platz sei. Eher wäre schon eine Hafentreuz­fahne angebracht. Mit der Aufforderung, bis nachmittags um 3 Uhr die Fahne einzuziehen, verließen sie unter Drohungen wieder die Woh­nung. Kurze Zeit darauf wiederholte sich der Vor­gang in der Wohnung der sozialdemokra= tischen Funktionärin Behrend.

Inzwischen war die Polizei von diesen uner­hörten Anmaßungen der drei Kommunisten ver­ständigt worden, und als sie etwas später mit dem­selben Ansinnen in der Wohnung des Sozial­demokraten Rückmann erschienen, konnte die Polizei die drei sauberen Gefellen, die sich noch in dem kommunistischen Lokal Brandt mit ihren Taten gebrüstet hatten, fest nehmen.

Unruhen in Hamburg

Schießerei im Gängeviertel

Hamburg , 2. November. In Hamburg tam es in der inneren Stadt wiederum zu einem blutigen politischen Feuer­überfall und schweren Zusammenstößen. An der Heiligen- Geist- Brüde stießen nationalsozialistische Zettelverteiler mit fommunistischen Trupps zu sammen. Dabei wurden von kommunistischer Seite etwa dreißig bis vierzig Schüsse ab­gegeben, durch die eine große Zahl von Per­fonen getroffen wurden. Außer den Leichtver­legten, die der Polizei noch nicht gemeldet wurden, haben etwa zwölf Personen, darunter ver­schiedene unbeteiligte Passanten, erhebliche Ver­wundungen davongetragen.

Die Polizei hat im Anschluß an die Zusammen stöße eine umfassende Durchsuchung der KPD. ­Lokale eingeleitet in denen Mitglieder der soge nannten Häuserschutzstaffeln des verbotenen RFB . und der Roten Marine zu verkehren pflegen. Die Razzia hat zur Siftierung einer großen Anzahl Don Personen geführt. 200 Personen sollen dem Stadthaus zur Vernehmung zugeführt worden sein. Im Stadtteil Hamm tam es inzwischen in

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einem großen Hinterhausblod zu einer Schlägerei zwischen Nationalsozialisten und fommunistischen Einwohnern, bei der die Polizei eingreifen mußte.

Fahnenräuber schießt!

Diplomatenschub

Ernennungen im Auswärtigen Dienst

Der Reichspräsident hat ernannt: den General­konsul Dr. Freiherrn von Grünau zum Mini­sterialdirektor im Auswärtigen Amt , den Vor­tragenden Legationsrat Dr. Grafen Adelmann von Adelmannsfelden zum Generalfonful in Katto­wiz, den Ministerialdirektor 3. D. Dr. Zechlin zum Gesandtenin Megiko, den Gesandten 3. D. Dr. h. c . Freytag zum Gesandten in Lissabon , den Gesandten Dr. Schmidt­Elstop Montevideo zum Gesandten in Rio de Janeiro , den Gesandten von Bülow, Asuncion, zum Generalkonsul in Kalkutta , den Gesandten 3. D. Weiß zum Gesandten in Asuncion , den Vortragenden Legationsrat Dr. Grobba zum Gefandten in Bagdad , den bisherigen Unter­generalfetretär des Bölferbundes Freiherrn Dufour Feronce zum Ge= sandten in Belgrod. den Gesandtschaftsrat Dr. Pistor zum Gesandten in Quito , den Generalkonsul in Jerufalem Dr. Nord zum Ge­sandten in Bangfot

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Mit der Leitung der fulturpolitschen Abteilung des Auswärtigen Amtes wird der Gesandte in Riga , Dr. Stieve, betraut.

Revolverschüsse im Gewerkschaftshaus Madrider Reise beendet

Düren , 2. November.

Mittwoch nachmittag ging ein Nationalsozialist in das sozialistische Gewerkschaftshaus in der Eisenbahnstraße, begab sich auf den Boden und schnitt die heraushängende Fahne der Eisernen Front ab. Das Fahnenfuch steckte er in seine Aktentasche. Inzwischen hatten sich im Treppen­haus einige Sozialdemokraten angesammelt, die den Nationalsozialisten aufhalten wollten. Als dieser seinen Weg versperrt sah, 30g er einen Revolver und schoß. Dabei verletzte er den Führer einer Hammerschaft durch einen Ober­schenkel- und Handschuß. Der Täter flüchtete dann, fonnte aber nach kurzer Verfolgung gestellt und der Polizei übergeben werden.

Nur unpolitische Abkommen

Paris , 2. November. Am Mittwoch sind in Madrid folgende Abkom men zwischen Frankreich und Spa­ nien unterzeichnet worden: 1. ein Arbeits­und Beistandsabkommen, das die Lage der französischen Arbeiter in Spanien und der spa­ nischen Arbeiter in Frankreich regelt; 2. ein Ab­fommen über die Sozialversicherung, ähnlich dem deutsch - französischen Abkommen; 3 ein Abkommen über die Behandlung der französischen und spanischen Volontäre, die zu ihrer Be= rufsausbildung furze Zeit in Betrieben der beiden Länder tätig sind.

Gelächter über Oldenburg !

Nazipräsident setzt deutschnationalen Bürgermeister mit Waffengewalt ab

Eutin , 2. November.

Der nationalsozialistische Regierungspräsident Boehmder, Eutin , hat den Bürgermeister der Stadt Eutin , den Deutschnationalen Dr. Stoffregen, seines Amtes enthoben. Dr. Stoffregen wurde heute nachmittag

durch ein Kommando der Schwartauer Ordnungspolizei unter Führung eines Polizeihauptmanns aus seinen Amts.

räumen entfernt.

Der Bürgermeister hat den Polizeihauptmann auf die Ungesehlichkeit seines Vorgehens hingewiesen und beim oldenburgischen Staatsministerium tele­graphisch Beschwerde erhoben. Der Kreisvorstand der Deutschnationalen Bolkspartei hat in einem an den Reichsinnenminifter gerichteten Telegramm um das Einschreiten des Reiches im Interesse von. Recht, Ruhe und Ordnung gebeten.

Wort von Karl Marx , daß alles was sich in der Weltgeschichte als Tragödie abgespielt hat, sich noch einmal als Farce wiederholt. Der 2. November von Eutin ist das Satyrspiel zu dem 20. Juli von Berlin .

Es ist auch nicht einzusehen, warum man nicht auch in Oldenburg Politik im Stil von Süd­ amerika machen soll, wenn das in Preußen ge­schieht. Und es ist noch weniger einzusehen, warum für den Deutschnationalen Stoffregen nicht recht sein soll, was für den Sozialdemokraten Severing billig gewesen ist. Warum soll nicht im Heiligen Reich der Barone jedermann, der für den Augenblid über ein Stück bewaffneter Macht" verfügt, seinem im Amt befindlichen poli­tischen Gegner auf den Pelz rücken und ihn mit Waffengewalt für abgesetzt erklären? Morgen fann ja dann der Abgesetzte vielleicht zu demselben Mittel greifen!

Es wird mit jedem Tage lustiger! Es lebe der grundsäglich neue Kurs der Staatsführung! Es die Harz lebe die autoritäre Regierung und

Das Ereignis von Eutin bestätigt das berühmte burger Front!