Einzelbild herunterladen
 
DONNERSTAG, 3. NOV. 1932
ERSTE BEILAGE ----®~- Wirtschast und Gemeinden Leere Gemeindekassen steigende Not des Volkes
Der Borgriff auf die Steuereinnahmen künf­tiger Jahre ist in Form der Steuergut- scheine erfolgt. Sie werden den Unternehmern gegeben, um ihnen günstige Produktionsverhält- nisse zu sichern. Gleichzeitig sollen Einste!- lungsprämien eine weitere Kostensenkung ermöglichen, die bessere Ausnutzung der Betriebs- anlagen zur Steigerung der Rentabilität beitragen. Der Erfolg dieser Pläne ist soweit er über­haupt erzielbar ist nur auf dem Wege einer Erhöhung des deutschen   Warenabsatzes in der Welt zu erreichen. Seine wichtigste Voraussetzung ist daher eine Politik, die überall auf eine Locke- rung der Devisenbewirtschaftung auf einen A b- bau der Zollmauern und eine Beseitigung des Kontingentierungssystems hinwirken muß. Nur wenn es uns gelingt, den Welthandel erneut zu beleben und den Warenaustausch zu fördern, kann die Kaufkraft der deutschen Bevölkerung und die Kapitalbildung im Lande wieder wachsen. Jede durch künstliche Maßnahmen herbeigeführte «inseitige Belebung des Binnenmarktes, die die vielen Zauberdoktoren der offenen und ver- schleierten Kreditausweitung uns anpreisen, muß in kürzester Frist auf die unübersteigbare Grenze unserer unzureichenden Gold- und Devisenvorräte stoßen. Allzu viele wollen dies nicht wahrhaben, weil sie die engen Zusammenhänge zwischen einer Belebung des Binnenmarktes, Steigerung der inneren Kaustrast und Notwendigkeit stark er- höhter Einfuhr an Rohstoffen und sonstigen Gütern nicht sehen. Diese Importe aber müssen bezahlt werden. Ein Land wie Deutschland  , das über keine Goldreserven verfügt, sondern nur eine mühsam durch Stillhalteabkommen aus- geglichene Zahlungsbilanz ausweist, kann Ein- fuhr nur durch Ausfuhr oder Kredit bezahlen. Deshalb ist die Pflege der weltwirtschaftlichen Be- Ziehungen, die Aufrechterhaltung guter Handels- vertrüge, der Kampf für die Wiederherstellung funktionierender Kapitalmärkte eine Lebensfrage für Deutschland  , eine nackte Existenzfrage für die Millionen deut­scher Industrieproletarier. Darum ist fede deutsch  « Wirtschaftspolitik, die diese Zusammenhänge nicht sieht, gefährlich und muß in ihrem Ergebnis nicht zur Besserung, sondern zur Verschlechterung des Arbeitsmarktes führen. Nicht einmal die besten Freunde des Herrn von Papen werden behaupten, daß die Arbeits- befchaffungspläne der Reichsregierung bisher erfolgreich waren. Von den neu zur Arbeit ge- langenden zwei Millionen Erwerbslosen, die der Reichskanzler dem amerikanischen Vielschreiber Knickerbocker optimistisch in Aussicht stellte, ist es sehr still geworden. Es wäre schon eine große Leistung, wenn es gelänge, die saifonmäßigen Entlassungen durch Neueinstellungen in den nächsten Monaten auszugleichen. Die Linie der amtlichen Handelspolitik weist allerdings in die entgegengesetzte Richtung. Wenn man Handels- kämpfe mit den besten Kunden auslöst und dem deutschen   Warenversand unübersteigbare Hinder- nisse bereitet, dann kann man nicht mit Zunahme der industriellen Beschäftigung rechnen. Wenn man sich über die Entrüstung der kaufenden Länder hinwegsetzt und unter dem Druck land­wirtschaftlicher Wählerstimmen mit dem Gedanken autonomer Kontingentfestsetzung spielt, dann ver- spielt man gleichzeitig die Chance des Anschlusses an eine Besserung der Weltkonjunktur. wenn man eine Außenpolitik treibt, die fatal an die Paroleviel Feind, viel Ehr" er­innert. dann bahnt man dem deutschen   Kaus- mann keine Wege zu ersolgreicher Arbeit in der Welt. Wenn man Verfassungspläne verfolgt, die nur gegen eine Mehrheit des Volkes durchführbar sind und höchste politische Unruh« auslösen müssen, dann muß jeder Versuch, durch Vertrauen und Optimismus die Unternehmertätigkeit im Lande anzuregen, erfolglos bleibe». Wenn man mit Zinssenkungsaktionen liebäugelt, aus einem schier unerschöpflichen, in Wirklichkeit leeren. Tops Sub- ventionen zaubert und sie alsTischlein deck dich" den bankrotten Betrieben zur Verfügung stellt und gleichzeitigKnüppel aus dem Sack" der Arbeiterschaft vorspielt, dann werden allzu wenige Leute Lust haben, ihr Kapital zu riskieren und langfristige Geschäftsplanungen ein- zuleiten.
Niemand wird unter diesen Umständen damit rechnen, daß in nächster Zeit weniger Erwerbs- lose aus öffentlichen Mitteln zu unterhalten sind. Kein verantwortlich denkender Staatsmann darf darauf spekulieren, daß ihm eine rasche Verringe- rung der A r b e i t s l o s e n z a h l die Aufgabe löst, die hungrigen Mögen der Notleidenden zu füllen, ihnen Heizung zu geben und für die not- wendigste Bekleidung zu sorgen. Wie es heute mit den Unterstützungen aussieht, das sieht man den Menschen an, die in den Straßen herumlungern müssen. Das sagt auch dem Nichtsehenden die Tatsache, daß die Reichsregierung mit einer Durch- schnittshilse von 42,50 w. monatlich für die Familie rechnet! Aber selbst bei dieser untersten Grenze der Für- sorge sind weit über 3 Milliarden Mark nötig, um die Wohlfahrtsleistungen zu bewirken. Ungerechnet die Hunderte von Millionen Mark, die der A p p a- r a t verschlingt, der zur Erfüllung der Fürsorge- aufgaben erforderlich ist.
Tie deutsche Luftfahrt ist wenige Tage nach dem Verlust des Postflugzeuges v 3017 von einem neuen schweren Unglück betroffen worden. Tas planmäßige Per- kehrsflugzeug der«trecke Nürnberg- Fürth Frankfurt a. M.. v 724 Kolkrabe", eine einmotorige Funkers F 13  , verunglückte gegen 12.50 Uhr aus noch nicht näher bekannten Gründen in der Nähe des Forsthauses Gchterspfahl bei Rohrbrunn   im Spessart  . Seine fünf Insassen, nämlich Lberregierungsrat W e i d n e r, Regierungsrat G s ch e n b a ch, beide vom Landesfinanzamt München, ferner der kaufmännische Angestellte Richter von der Münchener   Flugleitung, sowie die Besatzung, Flugzeugführer Anton Schulz und Funkermaschinist Karl Frank, wurden getötet. Sachver- ständige zur Klärung des Unfalls sind sofort an die Unglücksstelle entsandt wor- den, die mitten im Walde liegen soll. lieber die Ursache und den Hergang der Kata- strophe wird sich erst Näheres sagen lassen können, wenn die Sachverständigen die Flugzeugtrümmer einer eingehenden Untersuchung unterzogen und etwaige Augenzeugen gehört haben. Bisher weiß man nur, daß die Maschine, die um 11.10 Uhr Nürnberg-Fürth verlassen und um 12.40 Uhr in Frankfurt   eintreffen sollte. Startverzögerung hatte, weil sie in Nürnberg   auf das verspätet eintreffende Anschlußflugzeug von München   warten sollte. Deshalb erfolgte der Start erst um 11.55 Uhr, also mit dreiviertelstündiger Verspätung. Die Wetterverhältnisse waren zu der frag- lichen Zeit auf der Strecke so, daß kein Grund vorhanden war, den Abflug von Nürnberg-Fürth noch weiter hinauszuschieben. Allerdings besteht die Möglichkeit, daß sich bei dem herrschenden Regenwetter die Sicht verschlechtert hat. Der Be- fund der Flugzeugtrümmer dürste ergeben, ob die Maschine bei dem Versuch einer Notlandung verunglückt ist oder ob sie im Nebel bei der llebersliegung einer Spessart  - Höhe einen Baum gestreist hat. Das Forsthaus Echterspfahl liegt wie das idyllische Rohrbrunn   in all«rnächster Nähe der höchsten Erhebung des Spessarts, des fast 600 Meter hohen Geyersberges. Geeignetes Ge- lande für eine Notlandung ist in dieser Gegend, die dicht bewaldet ist und prachtvollen Baum- bestand hat, kaum vorhanden. Kurz vor 12.50 Uhr stand das Flugzeug noch im üblichen Funkverkehr mit dem Flughafen Frankfurt  , von dem es noch etwa 50 Kilometer entfernt war. Der Flugzeugführer Anton Schulz stammte aus
Gibt es ein dringenderes Problem für die Regierung als dieser Pflicht nachzukommen und eine Durchführung der Fürsorge in den Gemeinden, in denen sie seit Monaten be- droht ist, zum Teil nur noch unzulänglich oder kaum durchgeführt werden kann, sicherzustellen? Wer die Liste der Subventionen für Wirtschafts- gruppen, Einzelbetriebe, Banken, Genossenschaften, Schiffahrtsgesellschaften, die in den Zeitungen wie am rollenden Band veröffentlicht werden, liest, muß denken, daß im öffentlichen Haushalt alles aufs beste bestellt ist! Muß annehmen, daß der Not der Massen unter allen Umständen ge- steuert ist! Wie ist es in Wirklichkeit? Alle Versuche, eine ausreichende Hilfe für di« Wohlfahrtsämter der Gemeinden zu erhalten, bleiben ohne Erfolg. Die Zusage vom 15. Juni, daß die Gemeinden für die Erwerbslosen nicht mehr als 680 Millionen aufbringen sollen und der Rest vom Reich finan- ziert wird, steht auf dem Papier. Jeder Tag zeigt neue Schwierigkeiten in einer anderen Stadt, und dabei stehen wir erst im Ansang November vor Beginn der winterlichen Not!
Hindenburg   in Oberschlesien  , stand im 28. Lebens- fahr und war ledig. Er trat im Mai 1028, und zwar zehn Tage nach dem jetzt im Kanal ver- unglückten Flugzeugführer Cuno, bei der Luft- Hansa ein und hat bisher bei der Bezirksleitung Süd etwa 240 000 Kilometer zurück- gelegt. Der Funkermaschinist Karl Frank, der ebensalls ledig war, stammte aus Kemnitzer- Hägen bei Greifswald  , war 32 Jahre alt und seit Juni 1027 bei der Lufthansa. Rohrbrunn  (Spessart  ), 2. November. Nach den bisherigen Feststellungen ist das Flugzeugunglück bei Echterspfahl wahrscheinlich auf den Bruch eines Flügels zurückzu- führen. Wenigstens fand man diesen Flügel einige hundert Meter von der Stelle entfernt, an der das Flugzeug förmlich im Boden eingegraben liegt. Das Flugzeug ist im dichten Gehölz abge- stürzt. Die Wipfel einiger Bäume sind bei dem Sturz glatt abrasiert worden, während der schwere Flugzeugkörper sich tief in die Erde gebohrt hat. In Ergänzung dieser Meldung teilt die Luft- Hansa mit: Nach einer Meldung der Flugleitung, die den Unfall im Spessart untersucht, sind entgegen andc- ren Mitteilungen die Leichen aller Insassen auf- gefunden worden. Die drei Passagiere lagen in der Kabine, die beiden Vesatzungsmitglieder im Führersitz. Zur Zeit des Unfalls war die Sicht so unklar, daß auch die Augenzeugen über den Hergang des Unfalls nur Vermutungen Ausdruck geben können. Der genaue Bericht der technischen Sachverständigen ist nicht vor Donnerstag früh zu erwarte».
Korrigiertes Arteil Oexen einen ReicKsIzannennann Das Schöffengericht Berlin-Mitte hat am 18. September den 22jährigen Reichs- bannermann Bruno Gütersonke wegen Be- drohung und unbefugten Waffenbesitzes zu 1 Jahr und 2 Monaten Gefängnis verurteilt. Die Strafkammer des Landgerichts I   unter Vor- sitz des Landgerichtsdirektors Löschhorn er- mäßigte jetzt die Strafe auf 6 Monate, ent- gegen dem Antrage des Staatsanwalts, die Be- rufung zu verwerfen. Gütersonke wurde nur wegen unbefugten Waffenbesitzes verureilt und unter Anrechnung der Untersuchungshast aus freien Fuß gesetzt. Diese Korrektur des Urteils erster Instanz ist um so bedeutsamer, als sie nur zustande kommen konnte, weil das Gericht in höherem Maße dem angeklagten Reichsbannermann als den Nazizeugen Glauben geschenkt hat. Dieser
Standpunkt des Gerichts erscheint um so gerecht- fertigter, als unter diesen Nazizeugen auch der Sturmführer Martin war, der denVorwärts"- Lesern wohl noch durch seine mittels Köfferchen vorgenommene Waffenschiebung im Tiergarten in Erinnerung sein dürfte. Gütersonke war hinter einem Auto, in dem außer anderen Nazis sich auch Martin befand, hergefahren. In der Strom- straße stiegen zwei Nazis aus dem Wagen und gingen auf das von Gütersonke geführte Motor- rad zu. Gütersonke zog seinen Revolver und schoß. Das Gericht erster Instanz glaubte dem Nazizeugen, daß der Revolverschuß ohne Grund abgegeben worden sei. In der erneuten Verhandlung nahm aber das Gericht an, daß sich Gütersonke in vermeintlicher Notwehr befunden und deshalb geschossen habe. Er sei deshalb von der Anklage der Bedrohung freizusprechen und nur wegen unbefugten Waffenbesitzes zu bestrafen. Es ist erfreulich, daß bei den Moabiter Richtern immer mehr die Ueberzeugung Platz greift, daß Naziaussagen nur mit größter Vorsicht zu verwenden sind.
Das ist Idealismus! Idealismus und Opserbereilschast waren stets hervorragende Eigenschaften sozialistischer Kampfer. wenn aber Erwerbslose und Rentner in dieser schweren Zeil nicht zurückstehen wollen und von der kargen Unterstützung noch Pfennige zum Kamps­fonds der Partei beisteuern, so verdient diese Tat ganz besonders an dieser Stelle hervorgehoben zu werden. In einer Versammlung erwerbsloser Genossen in Treptow   wurden aus einer selbst angeser- tigten Sammelliste 5, 10 und 20 Pf. gezeichnet. Unter den Zeichnern befinden sich Genossen, die schon 2 und Z Jahre arbeitslos sind. Eine Partei, die solche selbstlosen und opfer­bereiten Kampfer in ihren Reihen hat, kann von den Gegnern nicht überwunden werden. habt Dank, erwerbslose Kampsgenossen!
Vrozeß gegenNl0be"Mref Am heutigen Donnerstag beginnt in der Marineschule K i e l- W i k die Kriegsgerichtsver­handlung gegen den Kommandanten der im Fehmarn  -Belt gesunkenenNiobe", Kapitän- leutnant R u h f u s. Die Anklage lautet auf fahrlässige Schifssführung. Es tritt in diesem Prozeß der seltene Fall ein, daß auch nach dem Kriege ein Kriegsgericht das Urteil zu fällen hat, weil als Ausnahmebestimmung gesetzlich die Militärstrafgerichtsbarkeit in Kriegszeiten und gegen die an Bord von Kriegsschiffen befindlichen Angehörigen der Reichsmarine Geltung be- halten hat.
NaZkislurm auk Antikriegsmuseum In den gestrigen Abendstunden wurde von einer Horde Nationalsoziali st en auf das A n t i- kriegsmuseum in der Parochialstr. 20 ein hinterhältiger Ueberfall verübt. Gegen 10 Uhr erschienen mehrere Burschen vor dem kleinen Ge- bäude, rissen eine dort hängende Fahne herunter und drangen in den Laden, in dem der Besitzer des Hauses, Schriftsteller Ernst Friedrich  , an- wesend war, ein. Die SA.-Banditen fielen über Friedrich her, es gelang ihm jedoch, die Täter in die Flucht zu schlagen und einen der Rädels- führer solange festzuhalten, bis Polizei zur Stelle war. Die übrigen Strolche suchten ihr Heil in der Flucht und entkamen. Friedrich hat bei dem Handgemenge leichte Verletzungen erlitten.
Genosse Zranz Walter, Bohnsdorf  , Paradies- straße 6, feiert heute seinen 80. Geburtstag. Seit 50 Jahren ist er in der Partei tätig: er gehört der III. Abteilung an. Seine körperliche und geistige Frische gestattet es ihm, trotz des hohen Alters noch heute an der Seite seiner Frau eifrig als Parteifunktionär tätig zu fein und das Amt eines Aufsichtsrats der Konsumgenossenschaft aus- zuüben. Wochenendzug nach Hamburg   bestimmt. Wie die Reichsbahndirektion Berlin   mitteilt, wird der am Sonnabend und Sonntag, 12. und 13. No- vember, vorgesehene Sonderzug nach Ham- bürg bestimmt verkehren.
Flugkatastrophe im Spessart  Sämtliche fünf Insassen getötet