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Abend- Ausgabe

Nr. 530 B 257 49. Jahrg.

Redaktion und Berlag: Berlin SW 68, Lindenstr. 3 Fernsprecher: A7 Amt Dönhoff 292 bis 297 Telegrammadresse: Sozialdemokrat Berlin

Vorwärts

BERLINER

VOLKSBLATT

MITTWOCH

9. November 1932

Jn Groß Berlin 10 Pf. Auswärts....... 10 Bf. Bezugsbedingungen und Anzeigenpretje fiehe Morgenausgabe

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Roosevelts Rekordmehrheit

42 von 48 Staaten, 25 Millionen Stimmen Vorsprung

Wie allgemein erwartet, hat bei den gestrigen Präsidentenwahlen in Amerika der demokratische Kandidat Franklin D. Roosevelt über den bisherigen Präfi­denten Hoover triumphiert. Ueberraschend ist nur das katastrophale Ausmaß der Niederlage Hoovers.

New York , 9. November.

Bis jetzt haben 42 von den 48 ameri­kanischen Bundesstaaten für Roose­ velt gestimmt. Die Mehrheit des zu­künftigen Präsidenten übertrifft die 20- Millionen- Mehrheit, die Hoover im Jahre 1928 erlangt hat, um 5 Millionen Stimmen. Bis jetzt verfügt Roosevelt über 472 sichere Stimmen im Wahl­kollegium.

Alkoholverbot wird fallen! Eigener Bericht des ,, Vorwärts"

New York , 9. November. Der Sieg der Demokratischen Partei bei den Präsidentschaftswahlen übertrifft alle Erwartungen. Nach den bisher vorliegenden Meldungen sind die Wahlmännerstimmen in 37 Bundesstaaten für Roosevelt , während nur sieben Staaten für Hoover stimmten.

Die Niederlage der Republikaner ist die schwerste, die sie seit zwei Jahrzehnten erlitten haben, was für die hooverfeindliche Stimmung der Wählermassen bezeichnend ist.

Jm New- Yort- Staat wurde zum ersten­mal seit 40 Jahren der demokratische Präsident­schaftskandidat gewählt, wodurch der Sieg Roofe­velts von vornherein entschieden war. Auch die demokratischen Kandidaten für den Bundeskongreß, die Staatsverwaltungen und die New- Yorker Stadtverwaltung sind auf der ganzen Linie fieg­reich. Die überaus starte Stimmenzahl des fozialistischen Bürgermeisterkandidaten Hillquitt erregt allgemeines Aufsehen. Das Bundesrepräsentantenhaus wird eine starke demo­trafische Mehrheit aufweisen, und der Bundes­senat wird erstmalig seit Jahrzehnten eine knappe demokratische Mehrheit besitzen.

Roosevelt und Hoover zur Wahl

New York , 9. November. Roosevelt hat seinen Mitarbeitern für das Zustandekommen des großen liberaten Wahlsiegs" seinen Dank ausgesprochen. In einer Erklärung an die Presse sagte Roosevelt : Ich hoffe, daß alle ihr Möglichstes tun merden, um unser Land wieder zu wirtschaftlicher Blüte zu bringen.

Hoover hat aus Palo Alto Roosevelt seine Glückwünsche zu dessen Wahl ausgedrückt.

Das Häuflein der sechs Getreuen

New York , 9. November.

Die Zahl der Hoover treugebliebenen Staaten wird nach den letzten Meldungen aus den frühen Morgenstunden nur noch auf sechs geschätzt. Darunter befinden sich im Osten Pennsyl­ vanien und Connecticut . Die Süd­staaten haben sämtlich mit überwältigender Mehrheit demokratisch gestimmt.

Darunter auch die Staaten, die während des ganzen jetzigen Jahrzehnts republikanisch gesinnt waren. Im mittleren Westen sind bisher unentwegt republi­fanische Staaten wie Wisconsin und Ohio Ohio hat seit zu Roosevelt übergegangen. Gründung der Republikanischen Partei nur ein­mal demokratisch gewählt. Mit den Ergebnissen der Kongreßwahlen zusammen verstärken diese Resultate den Eindruck, daß im zukünftigen Amerika Präsident und Parlament ausge= fprochen n a ß" sein werden.

Präsident Roosevelt

Der neue amerikanische Präsident, Franklin D. Roosevelt wurde am 30. Januar 1882 in Hyde Park, New York , geboren. Er ist ein weit­läufiger Verwandter des verstorbenen Präsidenten Theodor Roosevelt . Die

Roosevelts sind holländischer Abstammung. Franklin D. Roosevelt war früher Rechtsanwalt, wandte sich jedoch bald der Politik zu und wurde später in den New- Yorter Staatsjenat gewählt. Im Jahre 1913 wurde Roosevelt zum Staats­sekretär im Marineamt ernannt, ein Posten, den er während des ganzen Weltkrieges innehatte. Gegen Ende des Krieges war er der Inspektion der amerikanischen Flottenstreitkräfte zugeteilt. Im Jahre 1919 weilte er in Europa , um an der Demobilisierung der amerikanischen Truppen mitzuwirken. 1928 wurde Roosevelt zum Gouveneur des Staates New Yort gewählt.

Franklin D. Roosevelt

Eine heimtückische Krankheit, von der Roosevelt vor etwa 20 Jahren befallen wurde, hatte Lähmungen an Beinen und Füßen zur Folge. Roosevelt kann sich infolge­dessen auch heute nur mit Mühe fortbewegen, seine Füße sind geschient. Dagegen ist er ein passionier­ter Schwimmer. Daß Roosevelt trotz dieser törperlichen Behinderung die Beschwerden des Wahlkampfes spielend überstanden hat, spricht für feine außerordentlich große Tatkraft.

New York wählt Roosevelt

New york , 9. November.

In der Stadt New York hat Roosevelt 1 437 231, Hoover 575 031, Norman Thomas ( Sozialist) 120 486 Stimmen auf sich vereinigt.

Die Repräsentantenhaus- und Senats­

wahlen

London , 9. November. ,, Times" meldet aus New York : Die Ergebnisse der Wahlen zum Repräsentantenhaus, die gleich zeitig mit den Präsidentenwahlen stattfanden, zeigen, daß die Demokraten 220 Vertreter haben werden, die Republikaner 211 und die Farmer und Landarbeiterpartei einen. Im Senat, für den Teilwahlen abgehalten wurden, werden mindestens 52 Demokraten, 32 Republikaner sowie ein Farmer- und Arbeitervertreter sein. Die Demo­fraten verfügen also im Senat bereits über drei Stimmen mehr als die einfache Mehrheit.

600 000 Stimmen Mehrheit für O'Brien New York , 9. November. O'Brien ist mit einer Mehrheit von 600 000 Stimmen zum Oberbürgermeister von New York gewählt worden.

Maßregelungen der BVG. Dem Rentenmarkt herrschte bei geringem Angebot

Die Gewerkschaften greifen ein

Die freien Gewerkschaften unter Führung des Gesamtverbandes haben am heutigen Vor­mittag mit der Direktion der Berliner Verkehrs­Gesellschaft über die Wiedereinstellungen entlaffener Arbeitnehmer verhandelt.

Der Gesamtverband hat namens der am Tarif­vertrag beteiligten Gewerkschaften

gegen die Entlassungen schärfften Protest erhoben. Die Verhandlungen hatten zunächst das Ergebnis, daß die Direktion der BBG. sich bereit erklärte, sofortige Nachprüfungen vorzu­nehmen und stellte Wiedereinstellungen in Aussicht, soweit es die Verkehrs- und Be­friebsverhältniffe irgend zulassen.

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Der Versuch der Gewerkschaften, wieder gut zu machen, was von den Scharfmachern der BVG. und der nationalsozia= listisch kommunistischen Streif= leitung angerichtet worden ist, hat also nur einen sehr unbefriedigenden Er­folg gehabt. Die BVG. gibt durch Massen­entlassungen nach einem Streit allen Arbeit­gebern Deutschlands ein schlechtes Beispiel. Ihr geringes Entgegenkommen kann an der Kritik, die ihr Verhalten verdient, nichts ändern.

Hausse an der Börse Pfandbriefe um 2 Prozent gestiegen

Den festen Börsen an den beiden ersten Wochen­tagen nach der Reichstagswahl folgte heute eine ausgesprochene Hausse. Besonders auf

starke Nachfrage vor, wobei auch große Käufe beobachtet wurden. Goldpfandbriefe stiegen im Durchschnitt um 2 Pro 3., einige Serien sogar noch etwas höher. Auch Kommunal­schuldverschreibungen und andere Rentenwerte lagen durchaus freundlich.

Die Haussestimmung übertrug sich auch auf den Aktienmarkt, der allerdings ein erheblich fleineres Geschäft aufwies. JG.- Farben erreichten 99%, Siemens 123, Reichsbank 130% gegen 129.

Hier Hilversum !

Löbe am Sender um 7.40 Uhr

Der Vorwärts" hat bereits mitgeteilt, daß Genosse Löbe seine im deutschen Rundfunk ab= gelehnte Rede zum 9. November über Hilver­ sum in Holland halten wird. Nun ist in einer Reihe von Funkzeitschriften die Zeit, zu der die Rede Löbes aus Hilversum gesendet wird, falsch angegeben worden. Wir machen deshalb noch mals darauf aufmerksam, daß Löbe im Rahmen eines Abendprogramms, betitelt: Kampf der Arbeiter", über das Thema ,, Der 9. Novem­ber und die Arbeiterklasse" spricht. Be­ginn der Sendung um 19.10( 7.10) Uhr mit Ar­beiterliedern, gespielt auf der Vara"-Orgel. Darauf erfolgt um 7.40 Uhr die Ansprache Löbes, die sofort ins Holländische übersetzt wird. Im Anschluß daran werden Arbeiterlieder auf Schallplatten geboten, u. a. ,, Lied der Berg­arbeiter" ,,, Lied der Arbeitslosen" und die Ballade von den Säckeschmeißern". Danach erfolgt eine Reportage über das große Meeting der Sozial­demokratischen Partei und des Ge= mertschaftsbundes Holland. Zum Schluß bis 22.40 Uhr werden wieder Arbeiter: lieder geiendet.

Hoovers Niederlage

Auch ein Opfer der Wirtschaftskrise

Zum erstenmal seit zwölf Jahren hat das amerikanische Volk wieder ,, demokratisch" gewählt. Wenn man den durchschnittlichen amerikanischen Staatsbürger nach dem grundsätzlichen, weltanschaulichen Unterschied zwischen ,, Republikanern " und ,, Demokraten " fragt, erhält man nur ausweichende und verlegene Antworten. Denn die Unterschiede beziehen sich nur auf die Wertung von Per­sönlichkeiten und sie treten in den Program­men eigentlich nur aus Anlaß der Wahlen hervor. Es ist eigentlich mehr Zufallssache, daß die Republikaner vorwiegend ,, trocken" sind und infolgedessen die Demokraten in ihrer Mehrheit ,, n a ß". Die Frage der Pro­hibition hat übrigens in den letzten acht Jahren alle wirklichen politischen Probleme in den Hintergrund gedrängt. Die Demo­fraten hatten ursprünglich an der Einfüh= rung der Prohibition, die während des Krieges unter Wilson Gesez wurde, minde­stens den gleichen Anteil wie die Republi­faner. Erstere entwickelten sich jedoch später immer mehr zur Partei der ,, Nassen", als der Puritaner Coolidge und auch sein Nach­folger Hoover sich persönlich stark gegen die Auflockerung des Alkoholverbots einsetzten. Uebrigens war die Prohibition, deren Grundgedanke zweifellos gesund und nützlich ist, infolge der üblichen amerikanischen Ueber­treibungen, der weitverbreiteten Sitten­heuchelei und der kapitalistischen Gerissenheit immer mehr zu einer elenden Farce geworden: zuletzt waren es die Alkohol­schmuggler der Unterwelt, die Gangsters, die sich am stärksten für ihre Aufrechterhaltung engagierten, weil davon ihre illegale Eri­stenz abhängt!

Daß die Demokraten in diesem Wahlkampf sich für eine gewisse Auflockerung der Schutzölle erklärten, ist wohl ebenfalls mehr eine Frage der politischen Taktik als des politischen Grundsages. Weil Hoover angesichts der wachsenden Wirtschaftskrise zu dem althergebrachten Mittel des Protek­tionismus griff, das übrigens kein Heil­mittel ist, gebärdeten sich die Demokraten so­zusagen freihändlerisch. Aber es hätte ebenso gut umgekehrt kommen können.

Roosevelt selbst hat zwar seinen Wahl­erfolg als einen liberalen" Sieg be­zeichnet, aber bis zur Führung des Gegen­beweises stehen wir jeder weltanschaulichen Berbrämung der bürgerlichen Politik in den Bereinigten Staaten sehr.steptisch gegen­über. Alles in allem, wenn man auf die Geschichte der USA . in den letzten Jahr­zehnten zurückblickt, mag es schon zutreffen, daß die Demokraten um eine Nüance fortschrittlicher auf politischem, wirtschaft­lichem und sozialem Gebiet gewesen sind als die Republikaner , die mehr den englischen Konservativen ähneln. Gerade in diesem Wahlkampf ist Roosevelt für eine gewisse Planwirtschaft in den öffentlichen Versorgungsbetrieben, besonders in der Elek­trizitätsindustrie, eingetreten; ebenso hat er die staatliche Fürsorgepflicht den Arbeitslosen und sonstigen Krisen­opfern gegenüber nicht wie Hoover prin­zipiell verneint. Er galt schließlich als der Kandidat des fleinen Mannes, während Hoover nach wie vor die Gunst der füh­renden Großkapitalisten genoß.

Für uns, europäische Sozialisten, bleiben Demokraten und Republikaner nach wie vor ,, Jade wie Hose". Und die etwas fort­schrittlichere Tradition, auf die sich die De­mokraten selbst so gern berufen, kann uns nicht vergessen lassen, daß der skandalöse Affenprozeß in Dayton , durch den die Verbreitung der Darwinschen Lehre als