BEILAGE
Vorwärts
MITTWOCH, 9. NOV. 1932
Gedenktag der Revolution
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Doch sag' ich euch: sie ist nicht tot!
Ich war, ich bin ich werde sein.
Und wiederum voraus den Völkern werd' ich geh'n!
Freiligrath ( Aus ,, Die Revolution", 1851).
Das rote Lied
Sage, was kränkt's dich, General?
Tragen doch werd' ich trotz Büttel und Garde Tief in der Brust die rote Kokarde. Liebe und Licht tun allen ja wohl,
Rot ist des Lichts und der Liebe Symbol. Füllt mir den Becher mit rotem Wein, Rot wie die Liebe soll er sein. Rot! Rot! Rot!
Rot ist das Eisen, wenn es glüht,
Rot ist die Rose, wenn sie blüht,
Rot sind des Liebchens Mund und Wangen, Rot ist der Himmel im Morgenprangen, Rot ist das Feuer, rot ist mein Blut, Rot ist mein Lied und rot ist mein Mut! Füllt mir den Becher mit rotem Wein, Rot wie die Liebe soll er sein. Rot! Rot! Rot!
Heut' bist du, Farbe, verfolgt und verbannt, Einst jedoch wirst du wohl anerkannt, Wenn es dann gilt, für die Freiheit zu sterben, Wenn es dann gilt, echt rot zu färben: Sei mir gegrüßt dann, du schöner Tod! Gruß dir, du blutiges Abendrot!
Füllt mir den Becher mit rotem Wein, Rot wie die Liebe soll er sein. Rot! Rot! Rot!
A. Hofmann u. Co.)
Sturmgefang
Brüder, seht des Feind's Armee
Bis an's Maul in Waffen:
Wuch'rer, Mucker, Hoflivrée,
Räte, Diener Pfaffen,
Junkertum, Treubündelei,
Adel, Monopole-
Knechtschaft! ist ihr Feldgeschrei, Rückwärts! die Parole.
Und wie sich die feile Brut, Uebermütig brüstet!
Einheit ist's, was Not uns tut; Darum steht gerüstet,
Glied an Glied und Reih' an Reih' Zu der Menschheit Wohle
Freiheit! ist das Feldgeschrei, Vorwärts! die Parole.
Wie sie höhnisch auf Gewalt
Offiziell jetzt pochen!
Aber, als im März es galt- Wie sind sie verkrochen! Und wie floh'n sie im Juchhei Auf beschwingter Sohle! Jammer! war ihr Feldgeschrei, Rückwärts! die Parole.
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( 1848, unbekannter Verfasser.)
Wenn Michel wülend wird Michel ist ein guter Bengel, Und das wird er ewig bleiben. Von Geduld ein wahrer Engel; Auf das Höchste könnt ihr's treiben.
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Drängt ihn rückwärts auch mit Hufen, Füllt ihm nur den Mund mit Hoffen Er hat doch zum Vivatrufen, Seinen Mund mit Freuden offen.
Nehmt ihm wieder alle Rechte, Die er sich im Schlaf errungen; Macht ihn wiederum zum Knechte, Nichts empört den guten Jungen.
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Aber ändert seine Weise,
Seine Art und seine Sitten,
Nehmt ihm seine Lieblingsspeise,
Seinen Zopf, der nie beschnitten;
Nehmt dem Pommer Speck und Schinken, Seine Weiße dem Philister, Nanten wehrt das Kümmeltrinken
Und sein Auge funkelt düster
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Streng verpönt sei noch das Rauchen, Dann reißt sicher ihm der Faden,
Ha, dann läßt er sich gebrauchen Und dann baut er Barrikadenl
( Anonym, 1849.)
S
Die Reaktion
Ja, heutzutag weiß jeder schon:
Nur Blödsinn ist die Reaktion- Und siegt sie auch im Augenblick, Bald stürzt sie doch und bricht's Genick. Nur Narren sind reaktionär. Wenn ich von ihren Taten hör, Da wird mir gar so lächerlich, So Luckner- Schlippenbächerlich. Chor: Da wird mir gar..
Gestiftet wird jetzt höchst human Für Preußens Jungfrau'n ein Organ;
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Sein Wahlspruch heißt: ,, Nicht Wort, nur Tat!" Sein Lohn der Henriettengrad.
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Mir wird dabei so ritterlich Zu Mut, so Armen- mütterlich, So bettel- suppen- köcherlich, So Luckner- Schlippenbächerlich.
Chor: So bettel- suppen
Drum munter nur und frisch gewagt! Bei allem Pech nur nicht verzagt! Das End' vom Lied kann doch allein Der wahre Sieg der Freiheit sein. Drum seh' ich jetzt die Schwindelei, Die Narrheit der Treubündelei. Da wird mir höchstens brecherlich So Luckner- Schlippenbächerlich. Chor: Da wird mir....
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( 1849, anonymer Verfasser. Luckner und Schlippenbach waren reaktionäre Junker.)
Minister- Sprüchlein
Wir fügen uns gehorsamst gern In jeden Willen, jeden Herrn:
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Nur der ist klug, dem alles frommt; Drum, was gescheh'n soll, das gescheh'! Wir wechseln, komme, was da kommt Den Glauben nicht nur die Livrée. ( Aus ,, Bomben und Granaten" des ,, Wahren Jacob", 1899- GedenkAlmanach für 1849.)
Deutsches Schlummerlied
Leg' dich, Herzmichel, nur wieder zur Ruh', Schließe die großen Guckäugelein zu! Alles ist ruhig und still wie ein Grab, Schutzmänner wehren die Fliegen dir ab.
Alles ist still und zur Ruhe gebracht, Bald, Kind, umfängt dich sibirische Nacht. Riechst du die Juchten, hörst du den Bär? Schlafe, schon reiten Kosaken daher!
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Dem Kind schöne Sachen bringet der Zar Schlaf nur, noch ist deine Suppe nicht gar! Viel hohe Köche kochen den Gries; Eia, mein Kindchen, wie wird der so süß!
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Sieh, wie der Garten der Freiheit dir lacht. Hast ja die Junker zu Gärtnern gemacht Schön blüht der Rittersporn, neben dem Mohne Die blaue Bohne, die Kaiserkrone.
Bekanntmachung.
D90 DIX( DI
VO T190919000 SPE
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Eine auf gestern Abend im Thiergarten unter den Zelten verabredete Volksversamm lung hatte eine so bedeutende Menge von Menschen in Bewegung gefeßt, daß zur Vorbeugung etwaiger Unruben die Aufstellung von Truppen nothwendig wurde.
Dieselbe entsprach ihrem Zweck, und war nur an einzelnen Punkten eine Zerstreuung der Volksmaffe nöthig.
Da Volksversammlungen unerlaubt find, so ergeht hiermit die Aufforderung an das Publikum, sich bei derartigen Zusammenfünften nicht zu betheiligen, indem nicht allein die dabei betroffenen Rädelsführer und Theilnehmer, sondern auch die aus Neugierde anwesenden Personen ich denjenigen Folgen ausseßen, welche die Ueberschreitungen der gefeßlichen Bestimmungen nach sich ziehen.
Außerdem finden wir uns veranlaßt, nachstehende Verordnung in Erinnerung zu bringen:
Sobald bei einem Auflauf von Seiten des commandirenden Offiziers die Aufforderung an die Versammelten ergangen, auseinander zu gehen, oder dieser Zuruf durch dreimaligen Trommelschlag oder Trompetenschall erfolgt ist, verfallen Diejenigen, welche die= ser Aufforderung nicht augenblickliche Folge leisten, schon deshalb in eine Freiheitsstrafe bis zu 6monatlicher Gefängniß- oder Strafarbeit. Paragraph 8 der Verordnung vom 30. Decbr. 1798. Paragraph 5 der Verordnung vom 17. August 1835.
Zugleich wird den Hauswirthen in Erinnerung gebracht, bei entstehendem Auflaufe ihre Häuser zn verschließen. An Eltern, Schullehrer und Herrschaften ergeht die Aufforderung, ihre Kinder, 3öglinge und Gesinde zurückzuhalten und ihnen unter feinerlei Vorwand zu gestatten, die Volksmenge durch ihr Hinzutreten zu vergrößern.
Die Inhaber von Fabriken und die Gewerksmeister sind verpflichtet, folche Vorkehrungen zu treffen, daß ihre Arbeiter, Gesellen und Lehrlinge verhindert werden, sich aus den Werkstätten und Wohnun gen zu entfernen.
Muthwillige Buben, welche bei Gelegenheit eines Auflaufs auf den Straßen und an öffentlichen Orten Unruhe erregen und Unfug begeben, wobin auch Aufregung durch Geschrei und Pfeifen zu rech nen, werden nach Baragraph 183. Tit. 20. Tb. II. Allg 2. A. bestraft.
Schlaf, Michel, schlaf! Wie die Mispel auf Stroh, Mußt du erst reifen, noch bist du zu roh. Noch ein Jahrhundert schlumm're so zu, Bis dich die Knute weckt aus deiner Ruh'. ( ,, Der Aufwiegler in der Westentasche", 1850.)
Was ist des Deutschen Vaterland
Was ist des Deutschen Vaterland? Kein Geograph hat's noch genannt, Auch Arndt noch fragt, ob ihr nicht wiẞt, Ob's dieses Land, ob's jenes ist? Und jammert dann, o nein, o nein, Sein Vaterland muß größer sein.
Was ist des Deutschen Vaterland? Ein Stückwerk ohne Fug' und Band, Ein Land voll Ländchen, groß und klein, Mit echten Musterschäferei'n; Ein Eldorado, dumm und gut, Für Pfaffen und für Junkerbrut. Was ist des Deutschen Vaterland? Ein Steuer-, Zopf- und Titel- Land, Ein Land der Formen, tot und steif, Zur Freiheit weder stark noch reif, Ein Spielball in der Fürstenhand, Das ist des Deutschen Vaterland! ( Berlin 1849, gedruckt bei J. Draeger.)
Freiheitsgedicht( 1841)
Noch ein Lied dem deutschen Bürger, Noch ein echtes Lenzeslied! Frühling sei es keinem Würger, Der sein Volk zum Staube zieht; Frühling jedem bis zum Tod, Frühling nie für den Despot! Selbst der Himmel warm und rein, Der des Freien Brust erweitert, Eine Klippe, dran er scheitert, Mög er jedem Wütrich sein!
Ja, o Lenz, sei für die Dichter, Für die Völker Lenz allein! Für Tyrannen sollst du Richter, Für Tyrannen Rächer sein. Schreib auf jedes grüne Blatt: Ich bin Eurer herzlich satt Eurer schnöden Tyrannei! Frei sind meiner Blumen Düfte, Meine Wolken, meine Lüfte,
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Auch die Menschen seien frei! ( Anonymer Verfasser.) Juni 1848
Uns winkt der Tod, wir sollen nun dran glauben,
wir kämpfen nicht umsonst für Recht und Ehr. Man will uns unser einziges Gut nun rauben, ein Recht zum Leben haben wir nicht mehr. Laßt uns gutwillig sterben für die Sippe, die leben kann, wir sind im Wege ihr.
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Sie duldet uns nicht mehr an ihrer Krippe. Wir müssen sterben, Brüder. Sterben wir! Wir müssen sterben! Arbeit gibts nicht wieder.
Warum stehn Werkstatt und Maschinen still? Streikt die Natur? Nein, nur der Geldsack
Brüder!
Er weiß vor lauter Angst nicht, was er will. Der Magen knurrt, für uns ist nichts zu haben. Das Spiel der Börse gibt den Rest uns schier. Man braucht kein Werkzeug, uns das Grab zu graben.
Wir müssen sterben, Brüder. Sterben wir!
Wir müssen sterben! Doch in vollen Ahren steht rings das Korn, die Traube reift zur
Frucht.
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Wir müssen sterben! Doch die Gräser nähren ein jegliches Insekt, das Futter sucht. Die Sonne scheint auf alle Kreaturen, erschuf sie die Natur zum Leiden hier? sie, die erhält die Berge und die Fluren? Wir müssen sterben, Brüder. Sterben wir! Vom Elend sind erschlafft des Weibes Brüste, Stirb kleiner Wurm, du wirst hier nimmer satt. Verbrechen waren deiner Eltern Lüste. Zeugt man denn Kinder, wenn man gar nichts hat?
Die Not nimmt zu, rings gärt es in der Runde. Kanonen kommt! ach, Rettung bringt nur ihr. Der Hungertod ist ein zu träger Kunde. Wir müssen sterben, Brüder. Sterben wir! Marsch, Elend! Auf die Straße mit den Deinen, damit man endlich dich erwürgen kann! Kommt, Frauen! laßt das Schreien, laßt das Weinen!
Ihr Kinder, die ihr Hunger habt, heran! Nun blutige Henker macht dem Tanz ein Ende, und unsere ganze Rasse sterbe hier, daß nicht das Bango einen von uns schande! Wir müssen sterben, Brüder. Sterben wir! Pottier, Niedersaẞ.
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