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Morgen- Ausgabe

Nr. 535 A262 49. Jahrg.

Redaktion und Berlag: Berlin SW 68, Lindenstr. 3 Fernsprecher: A7 Amt Dönhoff 292 bis 297

Telegrammadresse: Sozialdemokrat Berlin

Vorwärts

BERLINER

VOLKSBLATT

SONNABEND

12. November 1932

Jn Groß Berlin 10 Pf. Auswärts....... 15 Pf. Bezugsbedingungen und Anzeigenpreise siehe am Schluß des redaktionellen Teils

Hentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Preußen unter reaktionärer Diktatur

Massenhinauswurf republikanischer Beamter

Die kommissarische Verwaltung Preußens hat die Auflösung des Wohlfahrtsministeriums zu einem Beamtenschub größten Stils in allen preu­ßischen Ministerien benuht von dem 68 höhere Beamte betroffen werden. Davon werden 3 in den dauernden Ruhestand, 65 in den einstweiligen Ruhestand versetzt.

Hier ist die Liste der Opfer dieses Beamten­schubs. Es sind vorwiegend Sozialdemokraten, Zentrumsmitglieder, Beamte republikanischer Ge­

finnung.

Staatssekretär Professor Dr. Dr. Scheidt wird mit Wirkung vom 1. Februar 1933 ab in den einstweiligen Ruhestand und auf seinen An­trag mit Wirkung vom 1. Mai 1933 ab in den dauernden Ruhestand versetzt. Auf ihren Antrag werden in den dauernden Ruhestand verseht: Im Ministerium für Handel und Gewerbe Ministerial­rat oefener und Oberregierungsrat Roter­mund.

In den einstweiligen Ruhestand werden versetzt: Ministerium für Voltsmohlfahrt: Ministerialdirektoren Meyer , Peters, Dr. Schneider; Ministerialräte Ahrendts, Dünschede , Fischer, Herrmann, Dr. Mallwig, Dr. Marmann, Dr. Pauly, Tejessy, Wed; Ober regierungsräte Bardow, Baumgarten, Borchart, Jodehl, Syring, Tillich; Regie rungsräte Andres, Wachsmuth.

Ministerium für Landwirtschaft: Ministerialdirektoren Bollert, Roeingh; Ministerial dirigent Thomas; Ministe rialräte Bormann, Imand, Kummer, Rastell; Oberregierungsräte Albrecht , Albrecht, Klemm; Regierungsräte Ciersdorff, Dr. Fischer, Grünwald, Reglaff.

Ministerium für Handel: Ministe= rialdirektor Merten; Ministerialdiri gent Jordan; Ministerialräte Frau Al­brecht, Frau Trapp, Lwowski, Dr. Ziertmann; Bergrat Lichtermann.

schaft, Kunst und Volksbildung Mini­sterialrat Dr. Richter und Frau Ministerialrat Dr. Weber bisher im Ministerium für Volks= wohlfahrt.

In das Finanzministerium Ministerial­rat Kayser, bisher im Ministerium für Volks­wohlfahrt.

In das Staatsministerium Ministerial­

wertschaften vor, ebenso bestimmte Er­klärungen des Zentrums gegen Herrn von Papen. Die Nationalsozialisten erklären, daß sie die ganze Macht für sich beanspruchen. Papen - Presse klagt: Schon gescheitert? handlungen ohne Nationalsozialisten sinnlos." Am Sonntag sollen die Besprechungen beginnen.

rat Bergbohm, bisher im Finanzministerium. Landtag

Damit ist die Liste der abgefägten republikani­jchen Beamten aber noch nicht abgeschlossen! Ueber die Personalien der Hilfsarbeiter entscheiden die Fachminister, d. h. die kommiffare. Der Her­auswurf der Hilfsarbeiter, die linker Gesinnung verdächtig sind, erfolgt still und leise, ohne Mit­teilung an die Deffentlichkeit!

Die ,, nationale konzentration" ist in Preußen an der Arbeit. Ihre Parole heißt: fort mit den Republikanern, zurück zum alten System der Junkerdiktatur und der konservativen Partei­herrschaft!

Es wird konzentriert Die nationale Einigkeit marschiert

Herr von Papen, der Chef des Kabinetts der Barone, will mit den nationalen" Parteiführern über die nationale Konzentration" verhandeln. Was nationale Konzentration" ist, haben die Barone durch ihre letzten Schritte in Preußen festgestellt. Es bedeutet Bürgerblock mit der Ab­sicht der Diktatur über das werktätige Volk.

Gegen diese Absichten liegen sehr scharfe Be= stimmungen und Aufrufe der christlichen Ge­

Die Ver=

Herrenputsch!

Sie wollen unter sich sein

Das deutschnationale Parteiregiment in Preußen, das als kommissarische Regie­rung" firmiert, hat eine Massenentlassung von Beamten vorgenommen, deren Zweck eindeutig ist. Die Verwaltung soll von allen Beamten gesäubert werden, die sich fest zur demokratischen Republik bekennen. Die preu­ßische Verwaltung soll ein Reservatrecht der Deutschnationalen werden!

Dieser Umsturz in der preußischen Verwal­

Landtag 24. November tung erfolgt auf der Grundlage des Ar­

Kerrl beruft ihn ein

Landtagspräsident Kerrl hat den Preußischen Landtag nunmehr für Donnerstag, den 24. No­vember, einberufen. Die Tagesordnung wird später bekanntgegeben.

Noch keine

schwarzbraunen Verhandlungen

Die Verhandlungen über die Neubildung der preußischen Regierung zwischen der national­jozialistischen und der Zentrums fraktion des Preußischen Landtags waren im

September auf Wunsch der Nationalsozialisten

unterbrochen worden und sollten nach dem 6. November, also nachdem das Wahlergebnis für den Reichstag feststand, wieder aufgenommen. werden. Wie das Nachrichtenbüro des VdZ. hört, ist jedoch bisher noch tein Schritt unter­nommen worden, um die Koalitionsverhand­lungen wieder in Gang zu bringen. Es ist an­zunehmen, daß die Nationalsozialisten zunächst eine Klärung der politischen Lage im Reich

herbeiführen wollen, ehe sie neue Verhandlungen

in Preußen anbahnen.

Generalstreik in Genf

Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung: Ministe Auf 24 Stunden beschlossen rialdirektoren Dr. Jahnke, Dr. Hübner; Ministerialräte Becker, Dr. Gaede, Kesten­berg, Seelig, Woldt; Oberregierungsräte Frau Ermler, Hollmann, Schneider; Regie= rungsräte Köhler, Voigt.

Ministerium des Innern: Ministerial­räte Abramowih, Hirschfeld, Kirschmann; Ober­regierungsräte Klempin, Ziche; Regie­rungsräte Rock, Lechel, v. Preezmann.

Finanzministerium: Ministerialdirektor Großer , Oberregierungsrat Apitsch. Justizministerium: Ministerialdirigent Rosenfeld; Ministerialrat Polenz. Staatsministerium:

Pfeifer.

Ministerialrat

Von den Angeführten sind die Beamten Sozial­demokraten, deren Name durch Fettdrud hervor­gehoben ist.

Mit Wirkung vom 1. Dezember 1932 ab werden versetzt:

In das Ministerium des Innern: Mi­nisterialdirektor Dr. Schopohl, Ministerialdiri­gent Professor Dr. Müssemeyer, die Ministe= rialräte Dr. Beyer, Dr Koenig, Professor Dr. Lenz, Dr. Ostermann, Freiherr v. Isch a m= mer und Quariz, Wittelshöfer, sämtlich bis­her im Ministerium für Volkswohlfahrt; die Mi­nisterialräte Lindenau und Wiemann bis­her im Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten, Oberregierungsrat Rothe und Frau Regierungsrat Dr. Mayer, bisher im Ministe­rium für Volkswohlfahrt.

In das Ministerium für Landwirt. schaft, Domänen und Forsten Regie­rungsrat Sche we, bisher im Ministerium für Volkswohlfahrt.

In das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit die Ministerialräte Dr. Kügler, Lehmann und Scholz, bisher im Ministe­rium für Volkswohlfahrt.

Eigener Bericht des ,, Vorwärts"

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tifels 48 zur Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung", gestüßt auf die Notverordnung des Reichspräsiden­ ten . Damit ist nicht nur der Charakter des fommissarischen Regiments, sondern auch die politische Linie des Reichs= präsidenten eindeutig bestimmt.

..Zweite Verordnung zur Vereinfachung und Verbilligung der Verwaltung" nennt sich der am Freitag erschienene neueste Erlaẞ des preußischen Staatskommissars. Mit einem einzigen Federstrich werden in der preußi­schen Zentralverwaltung nicht weniger als 140 Referate aufgehoben, um die geschäftliche Betätigung in den Ministerien einzuschränken, straffer zu gliedern". Alles zu dem Zweck:., Geld zu ersparen!"

Boll Bewunderung über diesen Sparsinn einer hohen fommissarischen Obrigkeit wird der brave Bürger ausrechnen, daß damit auch 140 höhere preußische Beamte entlassen worden sind. Weit gefehlt! Der Amtliche Preußische Pressedienst zerdrückt im linken Auge eine Träne des Kummers über die wirtschaftliche Härte und das schwere Los, das die Entlassenen und ihre Familien be­troffen habe. Das rechte Auge des Kom­missars erzählt aber freudestrahlend: glück­licherweise hätten nicht alle 140 höhere Beamte entlassen werden müssen. Die ,, Geld­ersparnis" beschränkt sich in der Tat nur auf 68 Personen, die in den einstweiligen Ruhe­

Regierung mobilisiert Genfer Regimenter stand versetzt worden sind, und 25 Referenten

Genf , 11. November.

Wider alles Erwarten hat der unter dem Vor­sitz von Nationalrat Rosselet versammelte Ausschuß des Gewerkschaftsverbandes des kantons Genf heute abend mit 87 gegen 58 Stimmen bei einigen Enthaltungen beschlossen, für Sonnabend den Generalstreit zu er­klären. Die Dauer des Streits ist auf vierund­zwanzig Stunden beschränkt worden.

Der Streik foll ich nicht auf die Eisenbahnen und die Post, wohl aber auf die sonstigen Ber­fehrsmittel und öffentlichen Betriebe erstrecken.

Gerüchtweise verlautet am Abend, daß im Kantonalfrankenhaus weitere Verletzte inzwischen geftorben sein sollen.

Als Antwort auf den Generalstreikbeschluß der Gewerkschaften hat die Genfer Militärverwaltung

Die Regierung des Kantons Waadt in Lausanne hat am Freitagnachmittag den Stab und die dritte Eskadron des berüchtigten Kaval­lerieregiments mobilisiert, das fast ausschließlich aus Bauernföhnen besteht und schon zwei­mal seit Kriegsende sich als bestes Klassenkampf­instrument gegen Arbeiter industrieller Gebiete bewährt hat. Die Konzentration dieser Kavallerie erfolgt in Morges , eine Stunde von Lau­ sanne nach Genf zu. Die Vermutung liegt nahe, daß sie weniger für die geringen Unruhen in Lau­ sanne selbst als zur Verwendung in Genf am Sonnabend, dem Beerdigungstag der Opfer erfolgt ist. In Genf selbst ist bisher noch feine Mobilisierung der alarmierten Miliz­angehörigen befohlen worden.

wechseln in ein anderes Amt und verwechseln dadurch nur den Schreibtisch. Lesen wir aber die Namen der Gebliebenen und Ent­lassenen, so entkleidet sich der Sparsinn" der Herren Bracht und Papen so vollständig, daß nicht einmal ein Zwickel übrig bleibt. Nackt und kahl demaskiert und enthüllt sich der Sinn dieser Verordnung und Entlassun­gen als die Politik der Rache, des Parteibuches und des Klassen­tampfes.

Entlassen werden fast ausschließlich An= gehörige der republikanischen Parteien, der Sozialdemokratie, des Zentrums und der Demokraten. Entlassen sind eine ganze Zahl jener höheren Beamten, die zwar nicht das Prädikat des Akademikers tragen, aber wegen ihrer außergewöhnlichen Tüchtigkeit von der Weimarer Volksregie­

mitternacht die Mobilisierungsordres Naziabgeordneter verhaftet rung in ihr Amt eingesetzt wurden. Im alten

herausgegeben für die Genfer Regimen­ter und ein Landwehrregiment, die bisher nur in Alarmbereitschaft sich zu halten hatten. Bon morgen früh 9 Uhr sind sämtliche Genfer Truppen unter Waffen in ihren Kafernen. Truppenkonzentration bei Genf Eigener Bericht des ,, Vorwärts" Genf , 11. November.

Das Genfer Gericht hat am Freitagnachmittag den Antrag auf Freilassung des Sozia listenführers Nicole wegen des frimi­nellen Charakters seines Bergehens abgelehnt. Der Generalstaatsanwalt und der Vorsitzende wollten Nicole in heftigen Ausfällen die Ver­antwortung für die Opfer des 9. November auf=" laden, wogegen sich Nicole energisch verwahrte. Er bestritt auch jede andere ihm zur Last gelegte

In das Ministerium für Wissen Aeußerung

Aus seinem Auto wurde geschossen

Wuppertal , 11. November.

wilhelminischen Staat hätten sie nur mittlere Beamte werden können, trotz aller Kennt­nisse, Erfahrungen und Leistungen; so, wie ja auch in der kaiserlichen Armee der be= fähigste und beste Soldat keine Offiziers­uniform tragen konnte, wenn er nicht das

Von der Altenaer Kriminalpolizei wurde heute vormittag der nationalsozialistische Reichstags a b geordnete Beller fest genom ,, Einjährige" besaß oder den Drill einer men. In seiner Begleitung befand sich ein ge­wisser Trimborn aus Barmen, bei dem im Juni vergangenen Jahres ein Munitions­und Waffenlager gefunden wurde und der seit dieser Zeit flüchtig war und sted brieflich gesucht wurde. Die Verhaf­tung des Reichstagsabgeordneten Beller erfolgte im Zusammenhang mit dem Vorfall in der Nacht zum letzten Sonntag, bei dem bekanntlich aus dem Auto des Abgeordneten Beller Schüsse auf Bassanten und Polizei abgegeben wurden.

Kadettenschule hinter sich hatte. Die Republik hat dieses, auch in der Verwaltung und im Beamtenheer geltende Dreiklassenunrecht zu­gunsten des Volkes und zum Wohl des Staates beseitigt. Dem Tüchtigen war freie Bahn geschaffen. Jetzt kehren mir zurück in das selige Zeitalter des Korpsstudenten, der Kadetten­anstalt und der Bürger zweiten und dritten Ranges. Der Dreiklassen­staat ersteht wieder wie zu Wilhelms Zeiten! Der Studentenschmiß, die Mitgliedschaft in