DRITTE BEILAGE
Vorwürts
SCHICKSAL MASCHINE
17]
ROMAN VON STEFAN POLLATSCHEK
( Copyright Saturn- Verlag.)
,, Ist der Betrag, den wir feststellten, tatjächlich alles, was Sie uns gestohlen, oder haben Sie noch andere Betrügereien begangen? Leugnen nügt jezt nichts mehr, die Revision ist im Zuge."
,, Es ist alles", brachte Röchling mühsam hervor.
,, Achtzehntausendfünfhundert Mark!" rief Lechner wutschnaubend.
,, Wofür haben Sie das Geld benötigt?" fragte Weltlin.
Röchling schwieg.
,, Waren Sie frank? Hatten Sie Schulden?" ,, Nein, Herr Weltlin!" ,, So reden Sie doch!"
Ich weiß selbst nicht, wie es fam, Herr Weltlin. Vor einem Jahr, im Sommer war es. Meine Frau war mit den Kindern am Land. Ich ging eines Abends aus dem Büro in den Stadtpark. Dort saßen viele junge, elegante, heitere Menschen im Restaurant. Weiß Gott , wie es zuging, aber mit einem Male saß ich unter ihnen. Ich hatte solch eine Sehnsucht nach all dem, was ich da sah. Jahrelang wußte ich gar nicht, daß ich mich nach solch einem Leben gesehnt hatte.
Weltlin, wieder allein, ermachte ein wenig aus seiner Dumpfheit. Warum hatte er geschwiegen, warum die Härte Lechners zugelassen? Er grübelte und fand keine Erflärung.
,, Es ist zwei Uhr und du hast noch nicht einen Bissen zu dir genommen", sagte Susi und betrat das Zimmer. In der Hand hielt fie ein Tablett, auf dem sich ein Glas Milch und ein wenig Zwieback befanden. Weltlin nahm das Glas zur Hand und trank mechanisch und mit Unlust. Es würgte ihn in der Kehle. Aber es war dafür gesorgt, daß er unter den gestrengen Blicken der jungen Dame die Mahlzeit nicht zu Ende nehmen mußte. Crusius wurde angemeldet und Sufi hatte in unerklärlicher Scheu vor diesem Manne rasch das Zimmer verlassen.
Ich bin nur im Vorbeigehen auf zwei Minuten zu dir gekommen", sagte Crusius. Ich wollte dir mitteilen, daß meine Berbesserungsversuche beendet sind."
Nun, an diesem Abend, in dieser Stunde Hermann Wendel :
wußte ich es. An meinem Tisch nahm dann ein Ehepaar Plaz; wir tamen ins Gespräch, ich wurde für einen der nächsten Abende eingeladen, lernte dort eine junge, geschiedene Frau kennen... ach, bitte, erlassen Sie mir das alles! Es ist ganz alltäglich! Nun stehe ich hier, Herr Weltlin! Ich bin sechsundvierzig Jahre alt, mein Leben ist vernichtet...
Weltlin sah über dem Sprechenden das Zimmer in der Bank und den toten Krüger am Boden, aus der kleinen, schwarzumrandeten Wunde floß dickes, rotes, schweres Blut.
,, Ach, das Leben ist nie vertan!" sagte Weltlin.
Können Sie den Schaden ersezen?" fragte mit schneidender Härte Lechner.
,, Nein", schüttelte Röchling den Kopf. ,, Haben Sie denn niemanden, der Sie vor dem Kriminal rettet?" sagte Lechner, ganz unberührt.
,, Nein, Herr Prokurist", entgegnete Röchling. Er hatte sich erhoben und blickte bald Weltlin, bald Lechner an.
Ich dachte nur", begann nach langer Bause der Kassier ,,, ob ich nicht allmonatlich von meinem Gehalt in Raten das abstatten könnte, was ich.
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,, Das ist ausgeschlossen. Dies würde vorausfeßen, daß Sie Ihre Stelle hier behalten könnten. Das ist aber nach dem Vorgefallenen ganz ausgeschlossen. Wir können nicht hinter unserem Raffier einen. Gendarmen stehen haben!" sagte Lechner.
,, Es könnte ja schließlich auch eine andere Stelle sein, ich habe Frau und Kinder..." ,, Das hätten Sie früher überlegen müssen! Jezt ist es zu spät. Solche Gedanken schlagen Sie sich aus dem Kopf. Hier können Sie nicht bleiben. Sie sind natürlich fristlos entlassen." Lechner sah zu Weltlin, ob der mit dieser Anordnung einverstanden sei, aber der lehnte unbewegt an der Wand.
,, Dann ist ohnehin alles vorbei, bei diesen Zeiten...
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Lechner hatte ein paar Worte leise mit Weltlin gesprochen, dann sagte er zu Röch ling : ,, Bedanken Sie sich bei Herrn Weltlin! Er läßt Ihnen acht Tage Zeit, um den Schaden zu decken. Geschieht dies nicht, dann müßten wir allerdings die Anzeige erstatten. Jedes weitere Wort ist vergebens!"
Röchling nickte, sah nicht auf und verließ gebückt das Zimmer.
,, Nun?" fragte Weltlin und alles in ihm, jede Fiber, jeder Nerv hörte angespannt zu.
Ich glaube, daß sie gelungen sind. Es ist tatsächlich so etwas wie ein Umsturz auf dem Gebiete der automatisch- maschinellen Erzeugnisse zu erwarten." Die Worte klangen trog ihres bedeutungsvollen Inhaltes bescheiden und selbstverständlich, und Crusius fuhr fort: Die Neuanordnung der Elektroiden, wie ich sie nenne, ermöglicht intensivste Ausnügung, und meiner Berechnung nach müßte sich die Kapazität aller Maschinen leicht um etwa dreißig Prozent steigern laffen."
,, Aller Maschinen?"
,, Aller, die nach meinem System gebaut werden."
Weltlin schwieg. Nach einer Weile sagte er: ,, Das ist Revolution! Das ist unbedingt Revolution, Crusius! Man wird dich hängen, Crusius! Man wird dich lynchen!"
,, Möglich! Ich bin aber nur ein Werkzeug. Nach mir wird ein anderer kommen. Ich, das heißt: ich als Typus, bin nicht zu beseitigen, Weltlin, ich komme immer wieder."
,, Hast du einen Moment daran gedacht, was für Folgen deine Erfindung haben wird? Es spricht sich leicht aus, das Wort vom Umsturz auf technischem Gebiet, aber ich sehe hier die Folgen täglich, ja stündlich. Heute vormittag waren die Arbeiter bei mir. Und ich stand vor ihnen und konnte auf ihre Fragen nichts tun, als mit der Achsel zucken. Es ist hart, Crusius!"
,, Das ist nicht meine Sache. Ich sagte dir
SONNTAG, 13. NOV. 1932
schon, auch ich bin nur ein Werkzeug und wenn ich zerbreche, dann erstehen neue Werkzeuge. Wir alle müssen begreifen, daß wir nur Handlanger der Maschine sind, Weltlin. Der Arbeiter, der sie bedient, ich, der sie vervollkommnet, weil sie nach Vervolltommnung schreit, du, der ihre Produkte in den Handel bringt- wir alle sind Knechte der Maschine."
,, Und wohin führt uns der Weg? Manchmal ist mir's, als gingen wir alle in einen Abgrund."
,, Ich weiß es nicht, aber ich denke, daß sie uns auch befreien fönnte, die Maschine. Es liegt nur daran, daß wir ihre Produkte schlecht verteilen. Aber eines Tages wird uns die Maschine selbst zwingen, gerechter zu denken, gerechter zu handeln. Zurüd fönnen wir keinesfalls mehr."
Weltlin wurde zum Telephon verlangt, Crusius empfahl sich. Im Weggehen fragte er: Was macht Erna?"
,, Ich weiß es nicht", sagte Weltlin schmerzlich. Sie ist in Wernigerode im Harz . Ich habe seit einer Woche keine Zeile von ihr bekommen."
,, Siehst du, wie es mit unserer Kunst bestellt ist! Wir bauen Luftschiffe, die die Welt umsegeln, Raketenzüge durchqueren die Erde, unsere Maschinen werden immer funstvoller und komplizierter und vor so einem fleinen Ding wie dem menschlichen Herzen stehen wir machtlos da und fühlen, was für Stümper wir sind." ( Fortsetzung folgt.)
Forsch und schneidig sah Wilhelm II. in Gerhart Hauptmann einen Vertreter der ruchlosen Rinnsteintunst" und warf ihn zu den ,, Menschen, die die Seele des deutschen Volkes vergifteten", während des Kaisers Kanzler Bülow ihn ,, den einzigen deutschen Dichter unserer Tage" nannte. Dieser Widerspruch im Urteil zweier Machthaber des alten Deutschland erleichtert die Antwort auf die Frage: Wie steht es um Gerhart Hauptmann ? nicht gerade, denn kommt eine Ablehnung durch den gekrönten Schirmherrn alles unfünstlerischen Kitsches auf ein Lob heraus, so bleibt es auf der anderen Seite eine Beinlichkeit, von einem so seichten Schaumschläger wie dem vierten Reichskanzler über den grünen Klee gepriesen zu merden, so daß man mit der Mutter Wolffen aus dem köstlichen Biberpelz" zweifelnd den Kopf schüttelt:„ Da weeß ich nu nich." In der Tat erwehrt sich jeder unbefangene und aufrichtige Betrachter Don Hauptmanns Dichterpersönlichkeit nicht eines Gefühls der 3 wiespältigfeit, wenn er sich zum fiebzigsten Geburtstag des Poeten dem etwas zu lauten Schwarm der Glückwünschenden anschließt. An Hauptmanns Jubeltage geböte die unbedingte Achtung, die die Reinheit seiner Gesinnung, die Stärke seines Wollens und die Echtheit seines Dichtertums einflößen, ein Höchstmaß von Herzlichkeit, aber auch Ständchen, Böllerschüsse und Hochrufe übertönen die Erkenntnis nicht, daß sein Gesamtwert mehr des Verfehlten als des Gelungenen umschließt, und daß er öfter am Start als am Ziel gesehen wurde. ,, Da weeß ich nu nich."
Das letzte Stüd Hauptmanns, das in diesem Jahre über die Bretter ging, Bor Sonnen= untergang", erbrachte den vollgültigen Be meis, daß die seltenen Gaben, die diesen Dramatiker seit je auszeichneten, ihn auch an der Schwelle des achten Lebensjahrzehnts nicht verlassen haben. Seine erlesene Porträtie= rungskunst, seine ungewöhnliche Fähigkeit, Menschen unseres Alltags nicht nur in Umriß und Bewegung lebendig und glaubhaft hinzustellen, sondern auch ihr Inneres überzeugend reden zu lassen, jeder Gestalt ihre eigene Atmosphäre mitzugeben, ist vollkommen unverändert. Auch glückte. es ihm wie nur je, das Problem des Schauspiels deutlich zu machen, und wahrlich nicht zu= legt erstrahlt auch hier aus dem Hintergrund, während im Vordergrund die eigensüchtige Menschenmeute geifert und belfert, das große
Mitgefühl mit der leidenden Kreatur. Dieses Mitfühlen, Nichtverurteilen, Verstehen und Ver= zeihen war stets der Grundzug Hauptmannscher Weltbetrachtung, ein Stück Christentum, in dem nichts Formel, in dem alles Gehalt ist. Nahe bei dem mittelschlesischen Kurort Obersalzbrunn , wo der Dichter am 15. November 1862 geboren wurde, liegt nicht umsonst Herrnhut ; pietistische und settiererische Einflüsse drängten auf seine Kindheit ein; es gibt Bilder von dem jungen Hauptmann, auf denen er, mager, bartlos, in hochgeschlossenem schwarzem Schoßrock, einem Kandidaten der Gottesgelahrtheit gleicht.
Mit diesem Fundus geriet der Zwanzigjährige, unsicher, ob er zum Schauspieler, Bildhauer oder Dichter berufen sei, in die Kreise jener literarischen Stürmer und Dränger, die mehr noch unter der Einwirkung der naturwissenschaftlichen Entdeckungen eines Darwin und Haeckel als der sozialistischen Lehren eines Marg und Engels fiebernd nach einem neuen Sinn des Lebens
Charlotte Benz:
Wartendes Pferd
Du stehst vor dem Wagen, den Kopf gesenkt. Ich wüßte gern, ob ein Pferd sich was denkt, Wenn es so steht.
Es fragt dich keiner, du stehst so ergeben, Und du erwartest ganz sicher vom Leben Nichts mehr.
Du läufst, wenn dein Herr es so will. Oder du wartest müde und still, Bis er kommt.
Ich weiß nur zu gut, wie es einem geht, Wenn man so in den Straßen steht Wie du da stehst.
Ich habe in meiner eigenen Not Nichts als ein armseliges Stückchen Brot Bei mir.
Mir scheint, als wärst du ein Kamerad von mir, Als litten beide das gleiche wir: Mensch und Tier.
suchten und schließlich über der Unfähigkeit, die fleinbürgerlichen Schranken ihrer Herkunft und Erziehung zu sprengen, nur zum getreuen Konterfei eines Lebensausschnitts gelangten; sie malten ab, statt zu erklären; das war der Ursprung des Naturalismus im Buch und auf der Bühne. In dem Breslauer Zirkel, zu dem Hauptmann gehörte, griff man wohl zu Kautsky und Mary, aber nicht um zur Sozialdemokratie vorzustoßen, sondern fennzeichnend genug! in den längst überwundenen sozialistischen Utopismus eines Cabet zurückzufallen und ernstlich an die Verwirklichung des kollektivistischen Ideals in einer überseeischen Kolonie Ikarien zu denken. Von Gemüt und Neigung war Hauptmann mehr träumerisch und lyrisch angelegt; nicht der Sechzehn, der Sechsundzwanzigjährige ließ diese unmöglichen Verse drucken:
von
"
-
Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, Daß meine Träne rinnt
Zuweilen, wenn ferne das Läuten Der Glocke, der Glocke beginnt,
um
und später, wenn er uns, wie in ,, hannele" und Pippa tanzt", mit symbolischem Eiapopeia fam, flang dieser Ton wieder durch. Aber wie er sich unter dem Einfluß von Arno Holz der Zukunftsaussicht der naturalistischen Sammelsprache auf der Bühne überzeugte, meldete sich die Stimme des sozialen Gewissens in seiner Brust; er raffte sich auf und suchte schon mit dem ersten seiner Stücke, das das Rampenlicht sah ,,, Vor Sonnenaufgang ", ein soziales Drama zu geben, bis ihm nach diesem Mißerfolg mit den ,, Webern " ein für allemal der große Wurf gelang. Die Zeitgenossen mußte dieses Schauspiel aus den vierziger Jahren", das sich im ganzen und im einzelnen streng an ein noch im Lied weiterlebendes historisches Gescheh= nis hielt, revolutionär nach Form und Inhalt be= dünken. Denn wenn die Kritik den Helden vermißte, und der alte Spielhagen mit dem Distichon antwortete:
Heldlos erscheint euch das Stück? Wie denn? Durch sämtliche Akte, Wachsend in riesiges Maß, schreitet als Heldin die Not,
so war, zum erstenmal auf der deutschen , vielleicht der internationalen Bühne, der wahre Held eine
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