Abend- Ausgabe
Nr. 538 B 261 49. Jahrg.
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Vorwärts
BERLINER
VOLKSBLATT
MONTAG
14. November 1932
Jn Groß Berlin 10 Pf. Auswärts....... 10 Pf. Bezugsbedingungen und Anzeigenpreise fiehe Morgenausgabe
Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands
Gachsen lehrt es
Einigkeit
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die Hoffnung der Arbeiterschaft
Die gestrigen Wahlen haben die Tendenz der Reichstagswahlen vom 6. November bestätigt. Die marristische Front ist unerschüttert, dagegen hält der Rückfluß von den Nationalsozialisten an. In Sachsen ist keine Berschiebung des Kräfteverhältnisses der marristischen Front zum Bürgertum eingetreten, vielmehr hat sich gezeigt, daß Arbeitermehrheiten verstärkt worden sind, neue hinzugewonnen wurden, so in Chemnitz .
Diese Tatsache sollte den st a atsstreichlüsternen Reaktionären zu denken geben! Ein Staatsstreich über den Kopf von über 13 Millionen kommunistischer und sozialdemokratischer Arbeiter hinweg wäre alles andere als ein bequemer Spaziergang zur Macht! Dieser Block ist nicht zu ver gleichen mit der Konjunkturerscheinung, die sich Nationalsozialistische Partei nennt! Er wird immer da sein und stärker werden, bis er schließlich die Reaktion zermalmen wird! Für die Arbeiter enthalten diese Wahlen, namentlich die Gemeindewahlen in Sachsen , eine ernste Lehre. Vor dem Kriege war Sachsen das rote Königreich; 22 von 23 Wahlkreisen waren von der Sozialdemokratie erobert worden. Das gleiche Wahlrecht und der Weg zur Macht ist frei, das war die Perspektive, die sich damals ergab.
Die Zerreißung der Arbeiterfront nach der Revolution hat die Reaktion wieder gestärkt. Dennoch kann die Macht der Reaktion wieder entwunden werden, wenn die Arbeiterschaft einig ist, statt sich untereinander zu betämpfen!
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In Chemnih in Sachsen haben die Gemeindewahlen eine sozialdemo= fratisch fommunistische Mehr heit ergeben, nachdem bisher eine bürgerliche Mehrheit im Stadtparlament bestand! Die Arbeiterstadt Chemnitz in ein Tummelplatz faschistischer Horden gewesen meil die Arbeiterschaft nicht einig ist. Sozialdemokraten und Kommunisten zusammen wachsen gegenüber den Faschisten und Staatsstreichlern soll dies Anwachsen ungenugt bleiben, weil die KPD. nach wie vor den Hauptschlag gegen die Sozialdemokratie richten will ſtatt gegen die Reaktion?
Die Einigkeit ist die Hoffnung der Arbeiterschaft! Eine einige Arbeiterschaft ist unüberwindlich!
Unheimliche Börsenstille
Selbst die Spekulation geht aus dem Geschäft
Auf der heutigen Börse herrschte eine ganz auffallende Geschäftslosigkeit. Die Umsätze waren so klein wie sehr lange nicht. Es war nicht nur fein Publikum im Geschäft, auch die Spekulation und die Banken gingen offensichtlich aus ihren Pofitionen heraus. Man fürchtet, daß hinter den politischen kuliffen etwas gespielt wird, was unheimlich ist und sich höchst verderblich auswirken fann.
Bei kleinstem Geschäft überwogen auf allen Märkten die Abgaben. Auf dem Rentenmarft gab es Abschläge von 1 Proz., die Schuldbuchforderungen gingen um 4 bis 1 Proz. zurück, und die Favoriten auf dem Aktienmarkt, wie 36.- Farben und Siemens, gaben ebenfalls um ½ bis 1 Proz. nach.
Reichswahlausschuß
Voraussichtlich am Sonnabend
Wie das Nachrichtenbüro des BDZ. meldet, liegen bisher beim Reichswahlleiter erst die endgültigen amtlichen Ergebnisse von elf Wahlkreisen vor. In den nächsten Tagen bis zum 17. November sollen die übrigen Wahlkreise ihre amtlichen Ergbnisse nach Berlin melden, so daß voraussichtlich der Reichswahlausschuß zu seiner Schlußfeststellung bereits am fommenden Sonnabend, dem 19. November, zusammentreten kann. Ob sich bei dem endgültigen Wahlergebnis eine abermalige Verschiebung vollzieht, läßt sich zwar bisher noch nicht übersehen,
Abwärts mit Hitler!
Die Lehre der Wahlen vom Sonntag
Am Sonntag haben in Sachsen und in Lübeck Wahlen stattgefunden. Die Wahlbeteiligung mar überall geringer. Es zeigte sich überall das gleiche Bild: die sozialdemokratischen Stimmenziffern sind mit der Wahlbeteiligung zurückgegangen, die kommunistischen Stimmenziffern find im Verhältnis meniger starf zurückgegangen, die Nationalsozialisten aber haben meit über den Rückgang der Wahlbeteiligung hinaus
verloren!
In den Städten Leipzig , Dresden , Chemniz, 3midau, Plauen , Baußen, Glauchau zusammen ergibt sich das folgende Bild:
6. Nov. Soziald. 369 421 Natsoz. 411 685
13. Nov. Rüdgang Proz. 320 269 49 152 13 325 612 86 073 21
Die Differenz zwischen Sozialdemokraten und Nationalsozialisten ist zusammengeschrumpft!
In Lübed verlor die Sozialdemokratie 5 Pro3. ihrer Reichstagsstimmen, die Nationalsozialisten aber 12 Prozent!
•
.
Natioz.
503... 103 883( 123 135) 22( 28) Dnat. 20 369( 36 185) 4( 7) 104 107( 134 333) 22( 4) ( 22 522) 4( 12) ( 64 515) 13( 7)
.
•
16955
·
59 780
.
.
7749
( 8108)
2
( 5)
Allgemeine
Hausbes.
11 910
3
( 3)
Zentrum
( 1)
( 0)
Bei den Lübecker Bürgerschaftswahlen hat sich ein neuer scharfer Rückgang der Nationalsozialisten herausgestellt, der weit über den Rückgang der Wahlbeteiligung von 87 Proz. gegen 88,1 Proz. am 6. November hinausgeht. Das Wahlergebnis war folgendes:
D. Bp.
Komm.
Staatsp.
6 643
( 7231) 4733( 4310)
503.
Komm.
Nationalfoz.. 27681
Bolksbund. 5010
Hanseatischer
Mandate
1929
29( 34)
222
13. Nov.
6. Nov.
4
30 317 9940
( 32 036)
( 9894)
9( 7)
( 31 613)
27
( 6)
-
( 29)
Zentrum
765
( 964)
1
( 1)
Staatspartei. 1314
( 1.003)
( 2)
Haus- und
Grundbej. 4135
4
Deutschnat.
3791( 5 789)
511
གླུ ཌ 8|}
Die letzte Bürgerschaftswahl hatte im Jahre
1929 stattgefunden.
werbe
leber=
parteiliche Rechte
.
311
6947
-
1
( 0)
2858
1( 0)
1661
-
1
Die Vergleichsziffern sind die Ergebnisse der letzten Reichstagswahl; bei den Mandaten find als Vergleichsziffern die Ergebnisse der letzten kommunalen Wahlen im Jahre 1929 herange30gen.
503.
Natsoz. Komm.
132 871( 153 698) 24( 27) 101 090( 128 558) 18( 3) 96 275( 100 202) 17( 9) Nat. Bürgerliste 55 858( 63 188) 10( 28) Boltsrechtspartei 16 090 2( 4)
•
Staatsp.. Christlioz.
7900( 7089) 1( 13) 5 505( 4305) 1( 0)
In der Leipziger Stadtverordnetenversammlung stehen 41 Mandate der Sozialdemokraten und Kommunisten( früher 36) gegen 34 Mandate der übrigen Parteien.
503. Natsoz. Dnat.
Komm.
.
.
·
.
.
7 567( 8 222)
555
?
3 682
10 738( 12 765) 10( 15) 14 283( 20 456) 13( 7) 3 637( 3 484) 3( 5) 7( 4) 0( 1) 4( 0) 749( 770) 0( 0) 179( 242) 0( 0) Die neue Stadtverordnetenversammlung zählt 37 statt bisher 49 Mitglieder.
Soz. Arbeiterp. Bürgerl. Einheitsl. Christlsoz.
Bolfsrechtp.
doch ist darauf hinzuweisen, daß der Zentrums partei nur noch 398 Stimmen für einen weiteren Siz auf der Reichsliste fehlen. Es erscheint daher durchaus möglich, daß bei dem endgültigen Gesamtergebnis diese geringe Stimmenzahl noch aufgeholt wird. Der Reichstag würde dann insgesamt 584 Abgeordnete zählen.
Gegenüber den Mitteilungen, daß der Reichstag schon sofort nach der Feststellung des amtlichen Wahlergebnisses einberufen werden soll, erfährt das Nachrichtenbüro, daß Reichstagspräsident Göring nicht die Absicht hat, den Reichstag vorzeitig einzuberufen. Der Reichstag wird viel mehr bestimmt erst zum 6. Dezember, dem nach der Verfassung letzten Termin, zu seiner ersten Sigung einberufen werden.
503. Komm.
Chemnizer Mittelst. Dnat. D. Bp.
Natsoz.
•
--
56 630
.
47 574
( 59 227) ( 47 695)
•
10 010
.
11 554
( 13 347)
3 091
•
.
.
( 3 626)
69 538
( 79 766)
3.728
( 3612)
1.896
•
( 1193)
2839
( 3 103)
97
341 478
Staatsp. u. 3. Bolksrechtp. Christl. Volksd.
Erneuerung
Soz. Arbeiterp..
Komm. Oppofition
In Chemnitz führten die Gemeindewahlen zu folgender Mandatsverteilung: S03. 17( 21), Komm. 14( 9), Chemnitzer Mittelstand 3(-), Dnat. 4( 7), D. Bp. 1( 7), Natjo3. 20( 4), Staatsp. und 3. 1( 2), Boltsrecht 0( 2), Bolksdienst 1( 1). Es besteht in Chemnih also eine sozialdemofratisch- tommunistische Mehrheit.
Hermann Müller- Lichtenberg
Wieder hat der Tod eine empfindliche Lücke in die Reihen der alten Kämpfer für die Rechte der Arbeiterklasse gerissen: Hermann MüllerLichtenberg ist am Sonntagabend plöglich verstorben!
In den letzten Tagen wurde berichtet, daß Müller- Lichtenberg sein Amt als Mitglied des
Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamts in Genf aus Gesundheitsrücksichten niederzulegen beabsichtigt. Der plötzliche Tod hat diese Meldungen schnell überholt. Trauernd steht die or= ganisierte Arbeiterwelt vor dem Unabwendlichen, daß einer ihrer Besten von ihr ging.
Hermann Müller stammte aus Werdau im sächsischen Kohlenbezirt, wo er im Februar 1868 zur Belt gekommen war. Er hatte nach dem üblichen Schulbesuch den Beruf des Litho
graphen erlernt und war in seiner Ausübung weit in Deutschland herumgekommen. 1898 wurde er Redakteur an unserem Parteiblatt in Bochum , aber schon zwei Jahre später ging er in das Arbeitersetretariat Bremen , in dem damals noch Friz Ebert tätig war. Im Jahre 1905 wurde er in das von der Generaltommission der Gewerkschaften( heute ADGB .) ge= schaffene 3entralarbeitersekretariat berufen, das vor allem die Vertretung der um ihr Recht in sozialpolitischen Fragen fämpfenden Arbeiter wahrzunehmen, sie in Unfall- und Verforgungsangelegenheiten vor den höchsten Entfcheidungsinstanzen zu beraten hatte.
Als Sozialpolitiker hat Hermann Müller- Lichtenberg einen Namen von hohem Klang. Als solcher war er auch durch viele Jahre ein lieber und ge= schätzter Mitarbeiter des Vorwärts", in dessen Spalten er viele lehrreiche Auffäße über sozialpolitische Fragen veröffentlicht hat. Aus seiner Feder stammen auch ,, Die Rechtsprechung in Unfallrentenstreitsachen"," Die Unfallversicherung in der Reichsversicherungsordnung" und der bekannte ,, Kommentar zum Reichsversorgungsgeseh" und zahlreiche andere Broschüren über sozialpolitische und gewerkschaftliche Fragen. Von dauerndem Wert aber sind seine umfangreichen Werke über die Geschichte der Organisation der Lithographen und Steindrucker" und die Geschichte der Gewerkschaften" somie eine reizvolle Abhandlung„ Karl Marg und die Gewerkschaften".
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Aber auch in der politischen Bewegung der Arbeiterschaft wie in ihren gewerkschaft