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ERSTE BEILAGE

Vorwärts

Sondergerichte und kein Ende

Zuchthaus für eine Frau- Gefängnis für Jugendliche

Das Sondergericht hat noch immer voll­auf zu tun. Termine stehen an bis Ende nächster Woche. Und das ist noch lange nicht alles. Am Donnerstag wurden drei Sachen verhandelt.

Die Proletarierfrau...

Sie stand am 4 November in einer vieltausend­töpfigen Menge vor dem Straßenbahn­depot Wiedestraße: 3wei herausfahrende Straßenbahnwagen wurden mit Gejohle begrüßt. Steine schwirrten durch die Luft, Fensterscheiben flirrten. Ein Schupobeamter sprang vom Polizei­wagen, rief einer Frau im roten Käppchen zu: Halt! und verhaftete sie. Sie habe einen Stein geschleudert Anklage wegen Transportgefährdung und Landfriedensbruchs. Vor dem Sondergericht behauptete die Frau, der Beamte irre sich. Der Beamte erklärte, ein Irrtum sei ausgeschlossen, die Frau mit dem roten Käppchen sei aus der Menge herausgetreten, habe der Manteltasche einen Stein entnommen und ihn gegen die Straßenbahn geschleudert. Das Gericht machte die Angeklagte darauf aufmerksam daß sie mög­licherweise auch wegen schweren Landfriedens­bruchs( Gewalttätigkeiten gegen Personen) verur­teilt werden könne. Allgemeine Bestürzung. Der Staatsanwalt beantragt wegen einfachen Land­friedensbruchs und Transportgefährdung andert­halb Jahre Zuchthaus. Das Gericht erkennt dem­gemäß; es hat den Steinwurf als eine von der Menge unabhängige Einzelhandlung betrachtet, und hat, da der Straßenbahnwagen gerade ge= halten hatte, nur versuchte Transportgefährdung angenommen. Die Frau nimmt das Zuchthaus­urteil gefaßt entgegen. Im Zuhörerraum schluchzt ihre Schwester.

Der Gymnasiast...

Der Unterprimaner N., seit Juli in der kom= munistischen Jugend, hat am 5. Novem­ber auf den in die Schönhauser Allee einfahrenden Hochbahnzug zwei Steine geschleudert. Wie er dazu gekommen sei, fragt ihn der Vorsitzende. Das Bürgersöhnchen und jugendlicher Salon­fommunist macht auf der Anklagebank eine fläg­liche Figur. Das wisse er selbst nicht. Wohl eine Affetthandlung. Jemand habe gerufen: Men­schenskind, hebe doch Steine auf und schmeiße sie in den Zug. Und da habe er es eben getan. Ob er etwa von seinen kommunistischen Ideen bei seinem Tun beeinflußt gewesen sei? Nein, er kenne das kommunistische Programm noch nicht genau. Er habe sich einfach nicht überlegt, was er tat. In seinem Schlußwort hält der junge Kom­munist" eine halb pathetische, halb rührselige Rede, in der er bittet, ihn vor der Strafe zu bewahren, da sonst das Mal" der Strafe auf seiner Stirn brennen würde, er die ,, Kette eines römischen Sklaven" im Leben mitzuschleppen haben würde und dergleichen mehr. Der Staats­anwalt beantragt entsprechend der Rechtspraris des Sondergerichts ein Jahr Zuchthaus wegen vollendeter Transportgefährdung. Das Ge­richt hat mit dem jungen Menschen Mitleid. Zwar hat es erst vor wenigen Tagen drei Proletarier unter gleichen Umständen wegen voll­

endeter Transportgefährdung zu je zwei­einhalb Jahren Zuchthaus verurteilt. Der 18jährige Gymnasiast erhält aber wegen ver­suchter Transportgefährdung sechs Monate Gefängnis.

Er ist zusammen mit einem 30jährigen Ar­beitslosen am 5. November am Fehrbelliner Play verhaftet worden und man hat in seiner Tasche Bolzen und Muttern gefunden. Der Beamte hatte

beobachtet, wie der junge Mensch sich bückte und etwas zwischen die Schienen legte. Es war ein Bolzen. Dieser 17jährige Proletarierjunge drückt sich nicht vor der Verantwortung, hält keine rühr­seligen pathetischen Reden und steht seinen Mann: Er hat es getan aus Sympathie mit den Streifen­den; daß eine Entgleisung möglich wäre, daran habe er nicht gedacht; er habe den Verkehr nur behindern wollen. Das Gericht verurteilt den 17jährigen Proletarierjungen, den noch Jugend­lichen auf Grund des Jugendgerichtsgesetzes megen versuchter Transportgefährdung zu neun Mo= naten Gefängnis und seinen erwachsenen Mit­angeklagten zu einem Jahr sechs Mo= ten Zuchthaus.

Die Neueinteilung Berlins

Abschließende Beratung im Stadtparlament

Das Stadtparlament setzte geffern die Durcharbeitung der Magistratsvorlage über die Neugestaltung der Berliner Ber­waltung fort. In der heutigen außerordent­lichen Sigung werden die entscheidenden Ab. stimmungen durchgeführt.

sozialdemokratischen

Die Sigung begann mit der Debatte über die Neugestaltung der Bezirke. Die Magistratsvor lage war nach eingehender, wenn auch fast er= gebnisloser Beratung im Ausschuß vom Plenum nochmals an den Ausschuß zurückverwiesen worden. Gestern erstattete Stadtverordneter Dr. Caspari( D. Vp.) Bericht. Der Vorsitzende der Fraktion, Erich Flatau, gab der Auffassung Aus­drud, daß durch die lange Beratung im Aus­schuß die Vorlage wirklich nicht verbessert wurde, daß zum mindesten eine Festigung der Selbst­verwaltung nicht festzustellen ist. Sehr interessant und für die Deutschnationalen äußerst peinlich war, was Flatau über die Stellung dieser Partei zur Umgestaltung der Bezirksverwaltungen sagen konnte. In einem Blatt hat der Führer der deutschnationalen Fraktion, Herr Dr. Steiniger, sich über die ,, schwazenden Bezirksversammlungen" mokiert; im Ausschuß waren es aber nicht zuletzt die Deutschnationalen, die für die Erhaltung der 20 alten Bezirke und der Bezirksversammlungen stimmten. Flatau fragte nach der offiziellen Meinung der Deutschnationalen im Stadtparla­ment, wenn ihr Führer durch die Stadtverordneten seiner Partei so desavouiert wird. Es kommt den Deutschnationalen auch auf eine Beschränkung des Wahlrechts nicht an. Kronzeuge dafür ist der deutschnationale Bürgermeister a. D. Marezki, der in einem Aufsatz ein vermehrtes Stimmrecht für ,, vollwertige Bürger" forderte. Vollwertig solle nur sein, mer öffentliche Unterstützungen nicht in Anspruch nimmt!( Stürmisches Hört, hört! bei den Soz.) Einseitigste Intereffenpolitik zu treiben, daß sei die Absicht der Deutschnationalen!

Für die Sozialdemokraten werden die Absichten der Reaktionäre die Veranlassung sein, genauestens jene Anträge zu prüfen, für die sogar die Kommunisten stimmen wollen. Genosse Flatau wandte sich dann einer Kritik der Aus­schußbeschlüsse zu. Gegen die Absicht, die bis­

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Heute Abstimmung

herigen 20 Bezirke beizubehalten, stehe zwar die Meinung der Sozialdemokraten, trotzdem werden sie aber im Plenum keine Gegenanträge ein­bringen, um die Verabschiedung der Vorlage nicht zu gefährden. Dagegen werde die sozialdemo fratische Fraktion den bereits früher gestellten Antrag wiederholen, wonach Stadtverordnete auch gleichzeitig als Bezirksverordnete gewählt werden können im Gegensatz zu dem Ausschuß­beschluß, der die vorhandenen Stadtverordneten gemäß ihrem Wohnsiz den Bezirksversammlungen nur zuteilen will. Schließlich seien die Sozialdemokraten aber auch gegen die katalog­mäßige Festlegung der Aufgaben der Bezirks­ämter.

Die Sozialdemokraten hätten, so schloß Genosse Flatau, intensiv an der Magistratsvorlage und damit an der Neugestaltung der Bezirksver­waltungen mitgearbeitet, in der Absicht, einen organischeren Aufbau zu erreichen. Wenn die Ausschußbeschlüsse etwa im Plenum noch wesentlich geändert werden sollten, so werden sich die Sozial­

FREITAG, 18. NOV. 1932

Totenfeier

Reichsbanner- Aufmarsch am Sonntag

Nach Aufhebung des Demonstrations. verbotes für Totengedenkfeiern am kom­menden Sonntag wird auch das Reichs­banner wie alljährlich der Opfer des Krieges gedenken. An dem Ehrenmal Unter den Linden findet am kommenden Sonntag um 12 Uhr eine Gedenkfeier des Gaues Berlin- Brandenburg statt. Um % 12 Uhr treten aus den vier Kreisen je zwei Ehrenkameradschaften auf dem Neuen Markt an und marschieren dann über den Schloßzplatz und die Schloßbrücke nach dem Ehrenmal, wo von einer Abordnung des Gauvorstandes und durch drei Orts­vereinsführer ein Kranz niedergelegt wird.

Den Bestimmungen entsprechend wird beim Anmarsch nicht gespielt, die Musik jetzt jedoch unmittelbar nach dem Vorbeimarsch am Ehrenmal ein. Der Marsch geht dann über die Linden nach dem Gendarmenmarkt. Vor hier aus erfolgt der Abmarsch nach den Stadtteilen.

Außerdem finden noch auf verschiedenen Krieger­friedhöfen in Berlin Gedenkfeiern des Reichs­banners statt: um 13,15 Uhr auf dem Garnison­friedhof in der Müllerstraße, wo der zweite Gau­vorsitzende Dr. Nowack spricht; um 14.30 Uhr in Steglitz auf dem Friedhof Bergstraße; um 9 Uhr in Köpenid auf dem Friedhof Rudower Straße. Eine Gedenkfeier veranstaltet der Ortsverein Kreuzberg um 14% Uhr auf dem Garnisonfriedhof in der Hasenheide am Grabe von Erich Schulz und den Gräbern der unbekannten Soldaten; Redner ist hier Kamerad Stieglitz. demokraten

ihre letzte Stellung vorbehalten Brand im Laboratorium

müssen.( Bravo bei den Soz.)

Nach den Rednern der anderen Fraktionen wurde die Abstimmung auf heute abend 7 Uhr vertagt. Die Stadtverordnetenversammlung erledigte dann noch eine Reihe weiterer Tages­ordnungspunkte; vertagt wurde die Abstimmung über die Fortführung der Vorstadtsiedlung für Erwerbslose. Es handelt sich hierbei um die 800 Siedlerstellen, für die Mittel neu vorliegen. Heute wird zunächst die Debatte über den Stadthaushalt fortgesetzt.

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Zu Beginn der Sigung hatte der Vorsteher Genosse Haß in warmen Worten des verstor­benen ältesten Ehrenbürgers von Berlin , des Stadtbaurats Ludwig Hoffmann , gedacht.

Die Elektrifizierung der Wannseebahn ." Auf Einladung des Architekten- und Ingenieurvereins zu Berlin spricht am Montag, dem 21. November, um 8 Uhr abends im Meistersaal, Köthener Straße 38, der Reichsbahnoberrat Dr.- Ing. R e mu über das Thema: Die Elektrifizierung der Wann­jeebahn". Lichtbilder illustrieren den Vortrag.

In den Räumen einer Chemikalienhandlung in der Skaligerstr. 72 brach gestern furz nach Ge­schäftsschluß ein gefährliches Feuer aus.

Beim Auslöschen eines Petroleumofens fiel der Brenner heraus und setzte die Einrichtung des Laboratoriums in Brand. Im Augenblick stand ein Teil der Geschäfts- und Fabrikationsräume in Flammen. Fünf Angestellten war der Rüd­weg abgeschnitten und sie mußten aus den Fen stern des glücklicherweise im Erdgeschoß gelegenen Laboratoriums auf die Straße springen. Dabei Das zog sich eine Frau einen Beinbruch zu. Feuer, das in der belebten Gegend große Scharen Neugieriger angelockt hatte, konnte von der herbei­geeilten Feuerwehr bald gelöscht werden.

Gegen 19 Uhr wurde die Feuerwehr nach der Neuen Königstraße 11 alarmiert, wo in einer Dampfwäscherei aus unbekannter Ursache Feuer ausgebrochen war. Die Flammen fanden an Wäsche und Einrichtungsgegenständen überaus reiche Nah­rung. Es dauerte geraume Zeit, ehe es der Feuer­wehr gelang, den Brand zu lokalisieren. Die Ab­löschungs- und Aufräumungsarbeiten währten bis in die späten Nachtstunden hinein.

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