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An Kosten für die im Jahre 1696 in Angriff zu nehmenden Bauausführungen an den städtischen Gaswerken und am Gasrohrnetze in der Stadt werden 750 SäS Mark ge­fordert. Hierzu bemerkt Stndtv. Singer: Am 12. August sind 50 Rohrleger plötzlich entlassen worden; formell läßt sich dagegen nichts einwenden, weil die Leute ohne Kündigung angestellt werden. Für eine Stadtverwaltung wäre es aber an- gemessener, nicht ein so loses Verhältniß zu ihren Arbeitern einzuführen, sondern nach der Gewerbe-Ordnung eine gegen- seilige vierzehnlägige Kündigung festzusetzen, um ein festeres Verhältniß zwischen der Verwaltung und deren Arbeiter- stamm zu schaffen. Diese fünfzig Arbeiter sind alle Familienväter; einer davon ist 5 Jahre, einer 7 Jahre, einer L Jahre, einer 10 Jahre, zwei 12 Jahre, einer 16, einer 17 und einer 24 Jahre in dieser Stellung für die Stadt beschäftigt gewesen. Der Grund der Massenentlassung soll Arbeitsmangel sein. Dann sollte man die alle» Arbeiter behalten und die neu «ingestellten jungen entlasse». Ein Privatunternehmer, der so alt« Arbeiter plötzlich auf die Straße setzt, würde von feine» Mitbürgern nicht wohlwollend beurtheilt werden. Um wie viel mehr hat eine Stadtverwaltung soziale Pflichten zu erfüllen! Die Leute haben vergeblich versucht, weil sie nicht mehr beim Röhrensystem beschäftigt wurde», in den Gasanstalten selbst Arbeit zu erhalten, weil dort allwöchent- lich neue Leute eingestellt werden. Die Gasanstalten hätten sie annehmen sollen, um sie nicht gänzlich brotlos werden zu lassen. Wenn durch diese Vorlage neue Arbeit geschaffen ist, sollte die Verivaltung dafür zunächst auf die ent- lassenen Arbeiter zurückgreifen. Stadtrath Ramsla»: Die Thatsache ist richtig und kehrt alle Jahre wieder, aber gerade in diesem Jahre war die Lage der Arbeiter günstiger durch die Lieferungsverträge mit Boxhagen- Rummelsburg und die Gewerbe-Ausstellung; sie konnten während des ganzen Winters beschäftigt werden. War es nun gerechtfertigt, daß gerade diese 50 und nicht andere 50 entlassen wurden? Dem Interesse des Arbeiters steht das Interesse der Stadt gegenüber. Wir werden nicht die Leute fortjagen, die wir am besten brauchen können. Bei den Entlassungen komnien immer erst die jüngeren an die Reihe, aber leider müssen auch die älteren entlassen werden und nicht ohne Grund. Es können Leute jahrelang zuverlässig sein und plötzlich ver- bummeln sie sich. Wir wollten jetzt solche nicht mehr als Rohrleger, sondern als Arbeiter weiter beschäftigen; da wurden sie unzufrieden und stifteten Unzufriedenheit. Es war dringend nothwendig, diese störenden Elemente zu entlassen. Es ist den Leuten tagelang vorher gesagt worden, daß Entlassungen kommen würden. In anderen Betriebe» können wir sie nicht beschästigen. denn die Thätigkeit vor den Oese» ist die schwierigste und muß erst gelernt werden. Ick kann Herrn Singer privatim über jede einzelne Entlassung Auskunft geben, öffentlich thue ich es im Interesse der Leute selbst nicht. Jede einzelne Entlassung wird von der Verwaltung geprüft und genehmigt. Stadtv. Singer:. Ich habe keinen Augenblick an der Gewissenhaftigkeit der Verwaltung gezweifelt, aber den Wider- spruch kann der Herr Stadtrath nicht hinwegdisputiren, daß, wenn die Leute Anlaß zur Unzufriedenheit gegeben haben, man doch mit ihnen 20, 24 Jahre ausgekommen ist. Sie werden doch nicht auf einen Tag unzuverlässig. Man will die Ent- lassung damit uns mundgerecht machen. Ich habe nicht ver- langt, daß die Leute vor die Oese» gebracht werden, ich weiß auch, daß diese Arbeit längerer Einschulung bedarf, aber die Gas- anstalten haben auch auf de» Plätzen vor den Anstalten sehr lebhaft zu thun und von dort werden Leute auch nach und nach an die Oefen gebracht. Deshalb sollte man dort lange Jahre be- schäftigte Leute einstellen a» Stelle der neue», die auch ungelernt dahin kommen. Es kann keiner glauben, daß die Darstellung des Stadtraths berechtigt ist(Widerspruch) gegenüber der That- fache, daß die Leute so lange Jahre beschäftigt gewesen sind. Stadtrath Namslau: Es besteht kein Widerspruch. Es wäre hart, einen Arbeiter beim ersten Anlaß zur Un- zufriedenheit zu entlasse». Wir versuchen es mit ihm noch einmal, zweimal, dreimal(Beifall), und wenn es dann nicht mehr geht, wird er entlassen. Wenn die Leute auch jahrelang brav und zuverlässig gewesen sind, wenn sie sich dann verbummeln, müssen sie e»tlassen werden. Die Vorlage wird angenommen. Die Kosten für die Bauausführungen in den städtischen Gas- werken und am Gasrohrnetze werden bewilligt. Die Vorlage betreffend die Ausführung von Vorarbeiten zum Bau eines Gasbehälter- Hauses an der Fichtestraße, wofür 21000 M. gefordert werde», beantragt Stadtv. Mo mm- f e n einem Ausschuß zu überweisen, um zu untersuchen, ob wirk- lich, wie der Magistrat annehme, eine Steigerung des Gaskonsums um 6 pCt. anzunehmen sei. Stadtv. Namslau begründet die Berechtigung der An- nähme einer solchen Zunahme des Gaskonsums. Stadtv. D i n s e bemerkt, daß die Steigerung des Gas- konsums eine Folge der Herabsetzung der Gaspreise sei; der Magistrat solle in dieser Richtung fortfahren. Nach weiterer kurzer Debatte wird die Vorlage einem Aus- schuß überwiesen. Der Bericht über den Betrieb der S p a r k a s s e im April- Juni d. I. wird zur Kenntniß genommen. Der Magistrat ersucht die Versammlung um ihr Einverständ- niß damit, daß für die vom 2S. April bis 9. Mai 1897 hier- selbst stattfindende große allgemeine Jubiläums-Garten» b a u- A u s st e l l u n g der nördliche Theil des Treptower Parkes von der Chemiehalle bis einschließlich des Alpen -Panoramas sowie der Pavillon der Stadt Berlin dem Verein zur Beförderung des Gartenbaues in den preußischen Staaten unentgeltlich zur Verfügung gestellt wird. Die Ver- sammlnng erklärt sich ohne Debatte damit einverstanden. Die Vorlage, betreffend neue Bestimmungen über die Kautionen der Bedien st eten der Stadt Berlin wird aus Antrag des Stadtv. Meyer einem Ausschuß von 10 Mitgliedern überwiesen. Die Subkom Mission für das Rettungs- w e s e» will der Magistrat in die Deputation für die städtischen Krankenanstalten und die öffentliche Gesundheitspflege aufgehen lassen und ersucht die Versammlung um ihr Einver- ftändniß damit, welches dieselbe ohne Debatte erklärt. Die Vorlage wegen Errichtung und Betriebs einer Lese« Halle im Hause der 16. Gemeindeschule, Mohrenstr. 41, im Anschluß an die dortige Volksbibliothek fordert die Bewilligung von 6000 M. Stadtv. P e r l s steht der Vorlage prinzipiell sympathisch gegenüber, hält aber die gewählte Sladtgegend für diesen ersten Versuch nicht für geeignet und beantragt deshalb die Ueber- Weisung der Vorlage an einen Ausschuß von 10 Mitgliedern. Stadtv. Bruns befürchtet von der Einsetzung eines Ans- schusses eine Verzögerung der Angelegenheit, wenn auch die Wahl des Lokals in einer Gegend mit dünner Arbeiterbevölkerung nicht die richtige sei. Es sei zu wünschen, daß bald auch andere Stadtgegenden Lesehallen erhalten. Er sei aber nicht damit einverstanden, daß politische Leitungen nicht ausgelegt werden sollen. Auch sozialdemokratische Zeitungen müßten ausliegen, da sonst das Volk viel zu einseitig ge- bildet werde. Die idealen englischen Einrichtungen werden wir ja vorläufig noch nicht schaffen können; in England strömen die Arbeiter in den Mittagsstunden in die Lesehallen, um die Zeitungen zu lesen. Wenn dieser erste Versuch nicht gelingt, darf man sich nicht von weiteren Versuchen abschrecken lassen. Ich will nicht dem Magistrat andere Motive unterschieben und deshalb nicht sagen, daß er gerade diese Gegend gewählt hat, um ein abschreckendes Beispiel zu gewinnen. Aus unseren Voltsbibliotheken müssen die alten Scharteken ausgemerzt werden und dafür moderne Sachen an- geschafft werden._ Verantwortlicher Redakteur: Wilhelm Schröder, Berlin . Für Stadtschulrath Bertram: Um den Versuch möglichst schnell zu machen, nahmen wir das Lokal, was sich uns gerade bot. Sie werden bald zwei weitere Vorlagen für andere Lokale erhalten. Stndtv. L a d e w i g hält auch die gewählte Stadtgegend für ganz ungeeignet. Mit einigen tausend Mark könnte man ein anderes Lokal miethen. Stadtralh Friede! bemerkt, daß die Bibliothek in der Mohrenstraße besonders reichhaltig sei, und bittet, die Sache nicht durch eine Ausschußberathung zu verzögern. Stadtv. Perls zieht seinen Antrag zurück. Nachdem sich noch die Stadtvv. Leo und H o r w i tz für die Vorlage ausgesprochen hatten, wird dieselbe angenommen, Schluß 7-/« Uhr. _ Soziales. Die Erhebungen des Einigungsamtes des Berliner Gewerbegcrichts liegen den Unternehmern der Herren- und Knabenkonfektion augenscheinlich doch schwer im Magen. Ihrem Organ, demKonfektionär", ist keine Finte zu schlecht, um sich aus der unangenehmen Situation herauszuschwindeln. So schreibt das Blatt in seiner letzten Nummer:Dort, wo sehr niedrige Löhne konstatirt sind, ist ja noch lange nicht festgestellt, ob diese Angabe» der Wahrheit entsprechen. Denn die Aussagen vor dem Einigungs- amt waren ja nicht eidlich bindende, sondern freie unverbindliche Angaben! Vielfach ist die Aeußeruug von Arbeitern zu Ohren gekommen, daß man mit Absicht niedrigere Verdienste, als sie in Wirklichkeit bestehen, angegeben hat, weil man sonst bei wahrheits- gemäßer Angabe des Einkommens befürchtete, in der Steuer- Zahlung erhöht zu werden. Das ist bezeichnend für den Werth der Erhebungen desEinigungsamtes". In den Kreisen der Herren- und Knabenkonfcktionäre scheint es, wie deren Verhalten zur Konfektionsarbeiter-Bewegung zeigt, ja allerdings Brauch zu sein,unverbindliche Angaben" zu machen, was man ans deutsch bekanntlich lügen heißt. Man muß es demKonfektionär" deswegen zu gute halten, wenn er von diesen Kreisen, deren Vertreter er ist, auf andere Kreise schließt. Auf die Arbeiterschaft trifft aber seine Behauptung nicht zu. That- sächlich ist vor dem Einigungsamt kein Arbeiter und keine Arbeiterin ohne Lohnbuch vernommen worden. Die Nichtigkeit der Angaben konnte in allen Fällen nachgeprüft werden, um so eher, als Zwischenmeister als Sachverständige dabei behilflich waren. Bei den Angaben der Zwischenmeister lag die Sache schon schwieriger. Der Fabrikant Weigert klagt in seinem Bericht über die theil- weise große Unzuverlässigkeit ihrer Angaben. So erklärte ein Meister, daß ihm bei Lieferung von 1800 Paar Hosen pro Woche nur ein Nettoverdienst von 20 bis höchstens 22 Mark bleibe, während ihm an der Hand seiner eigenen Angabe ein solcher von 200 M. nachgewiesen wurde. Weigert macht jedoch die Konfektionäre für diese mangelhaften Angaben verantwortlich. Durch deren Mitwirkung sei allein eine Kontrolle möglich. Die Konfektionäre haben aber, mit geringen Ausnahmen, bekanntlich jede Mitwirkung abgelehnt. Die amtlichen Erhebungen des Berliner Einigungsamtes über die Arbeiterzustände in der Herren- und Knabenkonfektions- Branche werden den Unternehmern noch manche unruhige Stunde bereiten. I» einer Extra-Bcilage zurSoziale» Praxis" ver- öffentlicht Fabrikant O. Weigert den von ihm rn der öffent- liehen Sitzung des Einigungsamts am 14. August erstatteten Be- richt über die Erhebungen in der Berliner Herren- und Knabenkonfektion. Der Bericht ist so außerordentlich lehrreich, daß wir ihn jedem Interessenten auf? beste empfehlen können. Die Hauptergebnisse der vorjährige» Berufszählung im Deutscheu Reiche bringt derHamburgische Correspondent" in Vergleich zu der Zählung von 1832. Dabei ergiebt sich für die drei Hauptgruppen folgende? Bild: 1332 1895 Gesammt-Berufsbevölkerung 45 222 113 51 770 284 Landwirthschast.... 19225455 18501307 Industrie....... 16 053 030 20 253 241 Handel....... 4 531 080 5 966 345 Trotz der Bevölkerungszunahme von 6�, Millionen ist die Ziffer der landwirthschaftlichen Bevölkerung also um �/« Millionen gesunken, wobei noch zu beachten ist. daß im Vorjahre der Zähl- kreis für sie weite« gezogen war als 1332. Um mehr als 4 Millionen ist die Jndustriebevölkerung angewachsen, jetzt die stärkste Erwerbsgruppe im Reiche. Auch der Handel hat eine Zunahme von 1 400 000 Personen aufzuweisen. Ans dem Reiche derSozialrcform". In den Bezirken der königlichen Eisenbahndirektiouen Köln , Essen, Elberfeld und St. Johann-Saarbrücken ist, wie dieKöln . Volksztg." mittheilt, gegenwärtig die Sonntagsruhe im Güterverkehr theilweise ausgehoben worden, weil sich der Wagen- mangel bereits stark fühlbar macht. Ein großer Theil der Güterzüge wird an den Sonn- und Feiertagen ebenso wie an den Wochentagen gefahren. Also wegen des Mangels an Wagen, der sich übrigens nicht erst jetzt, sondern unseres Wissens schon lange fühlbar macht. schmälert man dem Eisenbahnpersonal die so nothwendige Sonntagsruhe. Warum vergrößert man denn nicht den Wagen- park, wie es der Bedarf erheischt? Vermag sich die preußische Eisenbahnverwaltung denn gar- nicht zu dem Gedanken aufzuschwingen, daß die Staatsbetriebe Musterbetriebe sein sollen? Vevsammlungen. Stuckateure. Der in der am 24. August 1396 bei Cohn tagenden Versammlung der Stuckateure gewählte Vertrauens- mann heißt Carl Daschütt, wohnhaft Charlottenburg , Schloßstr. 36. Ter Verein zur Wahrung der Jutereffeu der Maurer Berlins und Umgegeud hielt am 26. August er. eine Wander- Versammlung ab mit der Tagesordnung:Ist der Kampf um den Neunstundentag ein Klassenkampf, und wie ist es möglich, den Sieg zu erringen?" Kollege Blaurock reserirte und führte aus: So lange eine Arbeiterbewegung besteht, kämpft man auch schon um die Vertürzung der Arbeitszeit. Schon die englischen Chartisten kämpften dafür. Um aber diese Bewegung zu unter- drücken, verbot man in England alle Versammlungen und sprengte sie schließlich mit Gewalt. Von den Berliner Maurern könnte man verlangen, daß sie sich mehr mit der Politik befassen, denn die Arbeiter aller Länder haben die Verkürzung der Arbeitszeit in ihr Programm aufgenommen. Die Berliner Maurer haben sich geistig noch nicht genug ausgebildet, sie glauben, wenn sie ihren Stimmzettel in die Urne geworfen, haben sie alles gethan. Es muß unsere heiligste Pflicht sein, das Errungene nicht wieder zum Teufel gehen zu lassen, und da ist es nöthig, sich fest zu organistren. die Versammlungen fleißig zu besuchen und so das Verständniß in sich auszunehmen, welches ihnen die politischen Vor- träge bieten. Leider giebt es Kollegen. welche nnt Ver- dächtigungen herumwerfen, um sich so von der Organisation frei zu machen. An der Diskussion betheiligten sich die Kollegen Köhlig, Scheelig und Vorpahl im Sinne des Referenten. Eine öffentliche Versammlung der Klempner, die am Mittwoch in Cohn's Saal tagte, nahm einen Vortrag des Dr. Joel entgegen und beschäftigte sich dann mit den Verhältnissen bei Moosdors u. Hochhäusler. Es wurde lebhaft beklagt, daß die dort arbeitenden Kollegen sich seit dem Streik fast garnicht mehr um die Organisation und deren Bestrebungen kümmern. Auch die bekannte Angelegenheit mit dem Fabrikbanner wurde erwähnt und daS Verhalten der Kollegen, welche ihre Unterschrift zu der aus dem Fabrikkomtoir stammenden und imVorwärts" veröffentlichten Erklärung her« gegeben hatten, entschieden mißbilligt. Ferner wurde mitgetheilt, daß demnächst ein statistischer Fragebogen zur Ausgabe gelangt, dessen gewissenhaste Ausfüllung sich die Kollegen angelegen sein lassen möchten, Die Bäckergesellen Berlins waren gestern Nachmittag von der Bäckerinnung G e rm a n i a" nach denGermania- Festsälen" zu einer Versammlung eingeladen worden. Es sollte verhandelt werden über: 1. Die Nothwendigkeit- ärztlicher Untersuchung in Arbeit gehender Gesellen; 2. Der Maximalarbeitstag. Es waren etwa 2000 Gesellen und Meister erschienen, denen Herr Obermeister B e r n a r d den Zweck der Versammlung auseinandersetzte und um möglichst objektive Behandlung der Fragen ersuchte, da er sonst die Ver» sammlnng schließen werde. Infolge der Rede Bebel's am 23. Januar d. I. im Reichstage, so führte Herr Bernard ans, sei die öffentliche Meinung aufgereizt worden, als ob die Bäcker durchweg von Krankheiten aller Art behaftete Menschen seien, was bereits ein Einschreiten der Polizei in dem Sinne herbeiführte, daß eine zwangsweise Untersuchung in einigen Städten angeordnet wurde. Gegen dieses dem gesammten Bäckereigewerbe unwürdige Ver- fahren müsse vorgegangen und die öffentliche Meinung auf- geklärt werden, daß diese Angaben Bebel's übertrieben sind. Der ganze Stand habe sich dagegen zu verwahren. Deshalb habe die Bäckerinnung, der Polizei zuvor zu kommen versucht, und schlage vor, die ärztliche Untersuchung vom 1. Oktober d. I. an ein- zuführen. Für dieSache selbst seien keineBeweise erbracht, die Zahlen der Krankenkassen seien falsch. In diesem Sinne unterbreitete Redner der Versammlung«ine längere Resolution zur Annahme, in welcher gegen die Behauptungen Bebel's rm Reichstage und die Verordnungen des Bundesraths und der Polizei protestirt wird. Als Redner nun ohne weiteres zur Ab- stimmung schreitet, erheben sich etwa 20 Hände dafür, aber gleichzeitig stürmische Rufe um Diskussion, welchem Verlangen auch nunmehr Herr Bernard Folge gab. Als Redner der Bäckergesellen traten, nachdem vorher noch Bäckermeister R a u eine lange Rede gegen den Maximal- Arbeitstag unter großer Heiterkeit der Versammlung vom Stapel gelassen, der Altgeselle K l a m m e ck, ferner Schulz, Schneider, Höpsner, Fischer, Junker und Schlüter auf, um die Angaben Bebel's zu bestätigen. Was Bebel im Reichstage ausgeführt, sei auf Veranlassung der geplagten Gesellen geschehen und entspreche nicht nur den T h a t s a ch e n, sondern lasse die Wirklichkeit oft noch weit hinter sich. Die Reinigungsverhältnisse seien in einzelnen Bäckereien geradezu skandalös. Es sei erklärlich, daß Krankheiten weiter verbreitet werden müssen, wenn ein Kübel Wasser für 710 Mann zum waschen vorhanden und gleichzeitig die Hufe der Pferde und anderes mit demselben Wasser gereinigt würden. Oft bleibe die Bettwäsche ein halbes oder ein ganzes Jahr lang für z w e i M a n n i n e i n e m B e t t u n g e w e ch s e l t; dasselbe sei mit den Handtüchern der Fall, an denen sich mehrere Personen Gesicht und Gliedmaßen abtrocknen müssen. Die Meister tragen selber die Schuld, daß die Polizei ihnen nun auf die Finger sieht, an ihnen lag es, sich den Wünschen der Gesellen anzuschließen, um die Maßnahmen zu verhindern. Jetzt dürfen sich die Herren nicht wundern, daß die Bäckergesellen sich an Bebel und das Reichs- Gesundheitsamt wandten und Sozialdemokraten geworden sind! (Stürmischer Beifall.) Wenn die Lehrlinge 17 Stunden wie Ge- sellen arbeiten müssen, dann sei es kein Wunder, wenn die Bäckerversumpfte und verkomniene Menschen" werden, unfähig für höhere Knltnrbestrebungen. Wenn der Maximal-Arbeitstag nach der Ansicht des Herrn Ran einesozialdemokratische Machination" sei, dann sei eben die Regierung und der Bundes- rath schonsozialdemokratisch" geworden.(Lebhafter Beifall.) Seien doch sogar in einer Hofbäckerei die von Bebet ge- schilderten Uebelstände vorgekommen! Gerade die Gesellen halten es für ihre Pflicht, da? Publikum bezw. die öffentliche Meinung aufzuklären über die unwürdigen Zustände in oen Bäckereien. Zu diesem Zweck unterbreitete Schneider der Versammlung zur Annahme nachstehende Resolution: Die heute am 3. September in den Germaniasälen tagende Meister- und Gesellenversammlung weist das Ansinnen des Jnnungsvorstandes: die in Arbeit tretenden Gesellen zu ver- pflichten, sich einer ärztlichen Kontrolle zu unterziehen, als eine Schmach für die Gesellen entschieden zurück. Die Versammlung erklärt, daß die vom Reichstags-Abgeordueten Bebel gerügten Mißstände dadurch in keiner Weise abgestellt, sondern nur das Publikum durch diese Maßnahme über die wahren Thatsachen hinweggetäuscht werden soll. Die Versammlung erklärt es vielmehr für Pflicht der Innungen, im Interesse der Reinlichkeit in den Bäckereien unverzüglich Reformen einzuleiten, welche geeignet sind, die Gesellen einem menschenwürdigen Dasein näher zu führen, vor allen Dingen Verkürzung der Arbeitszeit und Abschaffung des Kost- und Logiswesens beim Meister." Da alle Ausführungen der Gesellen mit großem und oft stürmischem Beifall aufgenommen wurden, erklärte Herr Ober- meister B e r n a r d, daß er nicht länger mehr verweilen könne; die Gesellen mögen ihre Resolutionen in ihren eigenen Versamm- langen zur Abstimmung bringen. Klammeck abernahin, nachdem sich die stürmische Entrüstung über dieses Gebahren wieder gelegt, sofort die Abstimmung vor, worauf die Resolution ein- st i m m i g unter stürmischem Beifall angenommen und nun seitens der Gesellen die Versammlung mit stürmischen Hochrufen auf die Sozialdemokratie und Bebel geschlossen wurde. Eine Resolution, die sich zu gunsten des Maximal-Arbeitstages aus- sprach, blieb unerledigt. DepeMen und letzke Vurhvichken. Köln a. Rh., 3. Sept.(B. H. ) Der das Ausstandsgebiet bereisende Spezjal-Berichterstatler derKöln . Ztg." meldet ans Kanea, die Lage in Kandia lasse das schlimmste befürchten. Die Abgeordneten /erklärten sich einstimmig für unfähig, noch zehn Tage für Aufrechterhaltung auch nur einiger Ordnung bürgen zu können. Auch die Lage in Rethynem werde immer ernster. Bei Platania fand neuerdings ein Gefecht zwischen Christen und Muselmännern statt, bei dem es aus beiden Seiten Tvdte gab. Im Lager der Aus- ständischen in Kanyi versicherte man dem Korrespondenten der Köln . Ztg.", daß alle Forderungen der Christen angenommen werden müßten. Werde nur eine Forderung zurückgewiesen, so soll der Aufstand mit allen Kräften weitergeführt werden. Karwin, 3. Sept.(B. H. ) Aus dem hiesigen Kohlenrevier liegen folgende Meldungen vor: Im Albrechtsschachte war die Frühschicht normal; im Hohenegger Schachte fuhren von der Frühschicht 35, von der Nachmittagsschicht 30 pCt. an; in der Gabrielen- Zeche fuhren von der Frühschicht 4, von der Nachmittagsschicht 12 pCt. an und wurden zu Grubenreparaturen verwendet. Wegen dieses geringen Prozentsatzes ans der Gabrielen- Zeche wurde der Betrieb für weitere Mannschaft bis zum 7. d. M. eingestellt. Ruhestörungen kamen nicht vor. Paris , 3. Sept.(B. H. ) Die Städte Arras und Douay sind gestern Abend um 9 Uhr von einem erheblichen Erdbeben betroffen worden. Die Einwohner flüchteten auf die Straßen. Der angerichtete Materialschaden ist nicht bedeutend. Brüssel, 3. September. (B. H. ) Aus San Sebastian geht demSoir " die briefliche Meldung zu, daß in verschiedenen Gegenden Spaniens Ausstände ausgebrochen sind. Gleichzeitig schreibt der Korrespondent aus San Sebastian , daß seine Tele- gramme über die Vorgänge an der Grenze angehalten wurden. Jndianopolis, 3. September. (W. T. B.) Präsident Cleve- land hat den Vorschlag entschieden abgelehnt, als Kandidat für die Präsidentschaft der Vereinigten Staaten auf der hier tagenden demokratischen Konvention aufzutreten. den Jnseratentheil verantwortlich: Th. Glocke in Berliu.»ruck und«erlag von Max Bading in Berlin . Hierzu 1 Beilage.