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Morgen- Ausgabe

Nr. 545 A 267 49. Jahrg.

Redaktion und Berlag: Berlin   SW 68, Lindenstr. 3 Fernsprecher: 7 Amt Donhoff 292 bis 297 Telegrammabreffe: Sozialbemotrat Berlin

Vorwärts

BERLINER

VOLKSBLATT

SONNABEND

19. November 1932

In Groß Berlin   10 Bf. Auswärts....... 15 Pf. Bezugsbedingungen und Anzeigenpreise fiehe am Schluß des rebattionellen Teils

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Versammlungsverbot bis 2. Januar

Eine neue Verordnung des Reichspräsidenten  

Die Geltungsdauer der Verordnung des Reichs­präsidenten zur Sicherung des inneren Friedens vom 2. November d. J., die bis zum 19. November befristet war, ist durch eine Berordnung des Reichs­ präsidenten   vom Donnerstag bis zum Ablauf des 2. Januar 1933 verlängert worden. Gleichzeitig ist auch die in der ergänzenden Ber­ordnung vom 3. November d. 3. enthaltene Er­mächtigung verlängert worden, wonach Ausnahmen für Wahlversammlungen zugelassen werden, sofern diese Wahlen bis zum 15. Januar 1933 einschließ­lich stattfinden.

Damit sind bis zum 2. Januar 1933 alle öffentlichen politischen Versamm lungen verboten. Als politisch gelten alle Bersammlungen, die zu politischen Zwecken oder von politischen Vereinigungen veranstaltet werden.

Dieser sogenannte Burgfrieden hatte für kurze Zeit nach der Wahl eine gemisse Berechtigung. Seine Ausdehnung über Monate aber kommt einer völligen Aufhebung der Versamm fungsfreiheit für lange Frist gleich! Dieses langfristige Versammlungsverbot nimmt den großen Parteien die Möglichkeit, vor weiteren Boltstreifen als vor ihren Mitgliedern ihre Stellung zu den politischen Ereignisfen und den Aufgaben des Parlaments flarzulegen. Es beraubt das Balt der Möglichkeit, feine Stimme in öffentlichen Ver­fammlungen zu erheben.

In die Zeit dieses Versammlungsverbotes fällt der Zusammentritt des Reichstags und des Preußischen Landtags   aber das Bolf darf sich nicht versammeln! Es wird ausgeschaltet, und seine freie politische Betätigung wird auf die Abgabe von Stimmzetteln bei den Wahlen be=

schränkt, die die autoritäre Staatsführung" an­zuordnen für gut befindet!

Diese Maßnahme entspricht durchaus dem Geiste der reaktionären Verfassungspläne zur Entrechtung des Volkes, die von den Feudalreaktionären ver­folgt werden. Sie zeigt zugleich die Furcht der Herrschenden vor der Stimme des Volkes!

Es wird konzentriert Besprechungen bei Hindenburg  

Der Reichspräsident hat am Freitag die ange­kündigten Besprechungen zum Zwede der Neubildung der Reichsregierung geführt. Bormittags, empfing er den Deutsch­nationalen Hugenberg, abends den Zen­trumsführer& aas und anschließend den Volks­parteiler Dingelden. Alle Unterredungen waren nur von kurzer Dauer. Am Sonnabend werden Hitler   und der bayerische   Bolks­parteiler Schäffer von Hindenburg   empfangen.

*

Hugenberg   wandte sich in der Unterredung mit dem Reichspräsidenten gegen jede Lösung der Krise durch die Frattionen des Reichstags. Er will das Parlament nach wie vor ausgeschaltet wissen. Der Zentrumsführer Kaas erklärte die Bereitschaft seiner Partei zur Unterſtügung jeder Regierung, die im Parlament eine Stütze findet, mit der Volksvertretung fachlich arbeiten will und Experimente mit der Verfassung ablehnt. Kaas gab dem Reichspräsidenten zu­gleich Kenntnis von der schriftlichen Formulierung des Zentrums, die am Mittwoch dem Reichs­tanzler übermittelt wurde und aus der sich die

Parlament und Luftfahrtskandal

Große Anklagerede Renaudels

Eigener Bericht des Vorwärts"

Paris  , 18. November. In der Kammer begann am Freitagnach= mittag eine Interpellationsdebatte über den Standal in der französischen   Luft= schiffahrt. Der erste Interpellant, der sozia­listische Abgeordnete Renaudel, deckte in einer mehr als zweistündigen Rede, die oft von stür­mischem Beifall der Regierungsmehrheit und dem anwesenden Minister unterbrochen wurde, die betrügerischen machenfchaften der Aero Postale auf.

Renaudel wies darauf hin, daß bereits im vorigen Jahr, als der Zusammenbruch der Aero Postale erfolgte und der Staat zur Aufrecht­erhaltung der Luftlinie nach Südamerika   mit emer hohen Subvention eingreifen mußte, dem Leiter der Gesellschaft, Bouilloug Lafont, und seinem Sohn Bilanzfälschungen nach­gewiesen worden waren, die zur Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens führten. Dieses Ver­fahren habe elf Monate geschlummert, und erst der neue Skandal, der durch falsche Beschuldi­gungen Bouillour- Lafonts gegen den Direktor der Handelsluftschiffahrt Chaumié, und den Direktor der Flugzeug- Motorenfabrik Gnome et Rhône  , Weiller, heraufbeschworen wurde und zu einer zweiten Klage gegen den Leiter der Aero Postale Anlaß gab, habe die Untersuchung wieder in Gang gebracht.

Der Redner ging dann auf die bekannten Einzelheiten des neuen Standals ein und griff dabei den früheren Ministerpräsidenten Tardieu an, der Bouilloux- Lafont selbst ein gefälschtes Dokument übergeben hat. Er bezeich­nete es als einen Standal, taß bereits im November 1931 ein Verfahren gegen Bouillour­Bafort eingeleitet, daß aber erst im Oktober 1932

Anklage gegen ihn erhoben worden sei, und daß in der Zwischenzeit die Aero Postale weiter die hohen Subventionen des Staates bezogen habe. In mehreren mit großem Beifall aufgenommenen Interventionen pflichtete Luftminister Pain= levé dem Interpellanten bei und nahm den ihn unterstellten Direktor der Handelsluftschiffahrt gegen die Beschuldigungen Bouillour Lafonts in Schutz. Renaudel wandte sich schließlich an den Justizminister und forderte thn auf, dem Unter­suchungsrichter flarzumachen, daß es seine Pflicht fuchungsrichter flarzumachen, daß es seine Pflicht fet, so schnell als möglich zu handeln und nicht zu gleicher Zeit wie der Angeklagte Bouillour- Lafont in Ferien zu gehen.

Renaudel kündigte zum Schluß an, daß die sozialistische Fraktion als Abschluß der Debatte eine Resolution vorschlagen werde, in der ver­langt wird, daß den zuständigen Kommissionen des Parlaments alle Dokumente über die Aero Postale mitgeteilt werden, daß eine neue Direktion an die Spitze dieses staatlich subventionierten Bec triebes gesetzt und schließlich ein Gesezentwurf über die Verstaatlichung aller Luft. transportgesellschaften eingebracht wird. Die Fortseßung der Debatte wurde auf Donnerstag vertagt.

Auffassung des Zentrums im einzelnen ergibt. Der Bolksparteiler Dingelden sprach sich für eine ,, autoritäre Regierung" aus. Die Konkurrenz mit der Hugenberg  - Partei gebot ihm eine enge An­lehnung an den Standpunkt der Deutschnationalen  .

Schon der Verlauf der am Freitag geführten Besprechungen hat ergeben, daß eine Verstän­digung unter den für die sogenannte nationale Konzentration" in Frage kommenden Parteien faum oder doch nur schwer möglich ist. Die Deutschnationalen wollen das Gegenteil von dem was das Zentrum wünscht, so daß die von dem Reichspräsidenten empfohlenen empfohlenen Besprechungen unter den Parteien von vornherein zur Aussichtslosigkeit verurteilt find. Zentrum und NSDAP  .. die ebenfalls für eine Zusammenarbeit mit dem Parlament zu sein scheinen, werden deshalb zunächst unter sich eine Verständigung versuchen. Ein Termin für diese Besprechungen ist bereits festgesetzt. Sie sollen bald nach dem Empfang Hitlers   bei Hindenburg  beginnen und sich auf die Regierungsbildung im Reich und in Preußen beziehen.

Falls diese Besprechungen zum Ziel führen, sollen die Deutschnationalen, die Deutsche Volks partei und die übrigen, sich für eine nationale Konzentration" interessierenden Gruppen, vor die Frage gestellt werden, ob sie mittun wollen oder nicht. In bezug auf die Verhandlungen selbst nicht. In bezug auf die Verhandlungen selbst scheint man sowohl beim Zentrum als auch bei den Nationalsozialisten ziemlich optimistisch zu sein. Allerdings wünscht auch das Zentrum feine Dom Parlament abhängige Regierung, sondern ein Kabinett, das nach außen als Präsidial regierung" firmiert, aber zugleich eine Rücken deckung im Parlament hat und sich der parlamen tarischen Vertretung, ähnlich Brüning, stellt.

getötete Demonstranten mit der Demon­stration gar nichts zu tun hatte, aber auf dem Nachhausewege von den Kugeln ge troffen wurde.

Der Sekretär der Schweizerischen   Sozialdemo­fratie, Abg. Graber, verlangt in feiner Zeitung La Sentinelle"( Der Wachtposten) die Berhaftung des Genfer   Faschistenführers Ditra mare. Dieser hat sich in einem Interview im ,, Corriere della Sera  " gerühmt, mit seiner Drohung eines Staatsstreiches die Regierung zur Berhaftung Nicoles gezwungen zu haben. Im übrigen rüdt Graber von dem Borgehen der Genfer   Sozialisten ab, für die weder wirtschaftlich noch politisch ein Boden vorhanden fet. Man habe nicht das Recht, eine revolutionäre Haltung einzunehmen, wenn andere Wege offen­stünden, und wenn man nicht über das geringste revolutionäre Instrument verfüge. Diese Taktik vermindere nur die Wirksamkeit und den Erfolg der konstruktiven Politik, von der er für die Arbeiterklasse die Eroberung der Macht und die Verwirklichung des Sozialismus erwartet. Acht von den 22 verhafteten Soldaten sind bereits verurteilt und nach dem Fort Savatan transportiert worden.

Rachejustiz

Bern, 18, November. Der Schweizer Bundesrat hat strenge Maß­regelung der Unruhestifter in Genf   be­schlossen. Die gerichtliche Verfolgung geschieht nicht von den kantonalen Behörden, sondern von

Papen- Bilanz

Von Fritz Naphtali  

Das Kabinett der Freiherren   und Barone  ist zurückgetreten. Ob damit das System der ,, autoritären" Baronsregierung schon sein Ende gefunden hat, bleibt abzuwarten. Aber gerade, wenn man sich darüber im flaren ist, daß es auf die Abkehr vom System und nicht auf die Auswechslung einiger Personen ankommt, besteht Anlaß, eine Bilanz der wirtschaftspolitischen Leistungen der Papen­Regierung zu ziehen. Diese Bilanz entspricht insofern dem Bild zahlreicher privatwirtschaft­licher Bilanzen in dieser Krisenzeit, als sie mit einem erheblichen Passiosaldo ab­schließt.

Die Regierung Papen   hat bei ihrem An­tritt den Kampf gegen den Wohl­fahrtsstaat proflamiert und man muß anerkennen, daß sie mit dieser Parole durch den Abbau der Arbeitslosenunterstützung und durch die Kürzung der Renten der Kriegs­und Arbeitsinvaliden Ernst gemacht hat.

Die Regierung Bapen hat bei ihrem An­tritt das Ende der Deflations­politik verfündet und sie hat es offenbar mit dieser Parole für vereinbar gehalten, nicht nur die Einkommen der Unterstügungs­empfänger herabzudrücken, sondern auch eine Reihe von neuen staatlichen Maßnahmen zur Fortführung des Lohndrucks zu ergreifen, so daß das proklamierte Ende der Deflationspolitik in einer verschärften Sen kung des Masseneinkommens zum Ausdruck gekommen ist.

Die Regierung Bapen hat bei Beginn ihrer großen ,, fapitalistischen" Offensive den An­schluß der deutschen   Wirtschaftsbewegung an die weltwirtschaftliche Er holung proflamiert und sie hat eine Politik getrieben, die die Absperrung der deutschen   Ausfuhr von den Ause lands märkten auf vielen Gebieten ver­schärft hat. Gerade in dem Augenblick, in dem diese Bilanz zu ziehen ist, stellt ein für die deutsche verarbeitende Industrie so wichti­ger Zweig wie der Maschinenbau   fest, daß auf Grund der derzeitigen deutschen   Handelspolitik die Be schäftigung für das Ausland im Maschinenbau st är fer sinkt als die Inlandsbeschäftigung wächst. Aus der Gegenläufigkeit von steigenden Anfragen und sinkenden Bestellungen der Auslands­fundschaft ergibt sich, daß die Ausnutzung der günstigen Absazmöglichkeiten für Deutschland  , insbesondere durch die Kontingentierungs­pläne verhindert wird. Das ist der Anschluß an die Besserung der Weltmarktlage in der Pragis!

In der Tat ist das Kapitel der Kon­tingentierungspläne für die deutsche Lebens­mitteleinfuhr die wirtschaftliche Meister­leistung der Freiherrenregierung gewesen. Hier hat man es fertig bekommen, um dem Drängen agrarischer Interessentenkreise nach­zugeben, eine handelspolitische Absperrungs­politik anzufündigen, die man zwar gar nicht durchführen konnte, die deshalb auch nicht einmal einem engen Interessentenkreise Nuzen bringen fonnte, die aber schon allein durch ihre Ankündigung und die frucht­lose europäische   Rundreise der Tomaten­fommission" für die deutschen   Exportmöglich­keiten und damit für die Beschaffung deutscher  Don Borzellan zerschlagen hat.

Das Blutbad von Genfer   Eidgenossenschaft   durch die Bundesan. Induſtriearbeit einen ganzen Haufen

Noch ein Todesopfer

Genf  , 18. November.

Im Kantonalhospital in Genf   ist das 13. Opfer des Maschinengewehrfeuers hom 9. November seinen Verlegungen er legen: sin Behrer, der wie sehn audere

waltschaft. Untersuchungsrichter ist Bundes­anwalt Dr. Galland. Angeflagt wird wegen Aufruhr und anderer Verbrechen gegen die verfassungsmäßige Ordnung und innere Sicherheit des Staates, weiter wegen Eisenbahnge fährdung durch Aufhalten der Straßenbahn­magen, gewaltsamer Angriffe gegen bie Bersanum­lungsfreiheit und Beschimpfung der Behörden.

Während man also die Belebung von in­dustriellen Arbeitsmöglichkeiten durch handelspolitischen Unfug verhinderte, suchte man auf der anderen Seite durch die groß­zügige Verausgabung der Steuergut­scheine an die Unternehmer und durch die Gewährung von Einstellungsprämien mit