Einzelbild herunterladen
 

Pfundsturz und keine Panik Die Stimmung in London Von unserem Berichterstatter

London , 30. November. Die Unsicherheit in der Kriegs- schuldenfrage:Zahlt England im Dezember seinen Zinsendienst und seine Kapitalschuld, alles in allem 19,66 Millionen Goldpfund oder zahlt es nur einen Teil?" hat das Pfund Sterling in den letzten Tagen tiefer und tiefer ge- trieben, bis es heute aus 3,16'/» Dollar ge- funken ist, was bereits eine Erholung von 3,14) darstellt. Man ist in englischen Regierungskreisen und in der City überzeugt, daß mit einem Moratorium für die gesamte fällige Summe nicht zu rechnen sein wird und beginnt sich neben dem seit Sonntag im Gange befindlichen offiziellen Besprechungen der neuen englischen Note an Amerika , die die Loge nochmals klar und eingehend darlegen soll, nun hauptsächlich mit der Art des Z a h l e n s zu befassen. Die chosfnung besteht, daß Amerika wenigstens auf die Kapitalzahlung von 6,16 Mill. Goldpfund verzichten wird, daß es sich also nur um die Beschaffung von 13,50 Mill. Goldpfund handelt. Die City(die Londoner Banken) bevor- zugt den Vorschlag, diese Summe zum Teil in Gold 10,00 Mill. Goldpfund, zum Teil in Dollar 3,50 Mill. Dollar an die Vereinigten Staaten zu zahlen, und zwar weil diese Art der Uebertragung die geringsten Störungen ver- Ursachen dürfte und die Bank von England dann noch immer für 130.42 Mill. Pfund Sterling Gold haben würde, oder 9,00 Mill. Pfund mehr als im vergangenen Januar. Aus der Erwägung, innerhalb drei Wochen der eintretenden Zahlung, aus dem ferner der Regie­rung am 1. Dezember erwachsenden Zinsen- und Ablösungsdienst auf die konvertierte 5prozentige Kriegsanleihe, ist es zu verstehen, daß von offizieller Seite während der letzten Tage keine Stützung des Pfundes vorgenommen wurde, da alle Reserven benötigt werden. Man kann daher auch mit ziemlicher Sicherheit auf ein weiteres erhebliches Schwanken des Pfundkurses und auch auf ein ferneres Absinken gefaßt fein. Trotz dieser Erwartung, trotz der noch nie

ImLekatten des Eisenzoils England baut neue Stahlwerke Ein englisches Bankcnkonsortium beabsichtigt, dem Stahlkonzern Stewars u. Lloyd einen Kredit von annähernd 40 Millionen Mark einzuräumen, um ein neu entdecktes Erzlager auszubeuten und an dessen Standort ein neues chochofen- und Stahlwerk zu errichten. Während die Stahlindustrien des europäischen Kontinents infolge der im Frühjahr eingeführten hohen Stahlzölle nach England nur noch im geringen Umfange exportieren können, werden in Großbritannien unter dem Schutze dieser Zoll- mauern neue Stahlwerke errichtet, obwohl die Stahlindustrie der Welt zur Zeit nicht mehr zu einem Drittel ihrer Leistungs- f ä h i g k e i t ausgenutzt ist. Das nennt sich dann internationale Zusammenarbeit im kapitalistischen System.

dagewesenen Tiefe des Pfundstandes, bleiben d i e Clty und das Publikum völlig ruhig. So erholten sich heute, während das Pfund auf 3.141� New Uort absank, die britischen Konsols (Staatsanleihen), und der Markt zeigte allgemein eine leichte Besserung. Man kann sagen, daß das englische Publikum infolge Unkenntnis der größeren Zusammenhänge und einem wohlbekannten, fast rührenden Zu- trauen in die Kompetenz seiner Regierung sich beinahe gleichgültig verhält. Die Presse tut das ihre und die Aushängeplokate, die sonit in geradezu wilder Aufmachung Tagesereignisie behandeln, bringen nur Fußball und sonstige harmlole Nachrichten. Man muß immer wieder den große» Unterschied, der zwischen dem nervösen und politisch zerrissenen Kontinent und dem in der friedlicheren Jnselatmosphäre erst gerade an der Rinde seiner Gleichmütigkeit angekratzten

englischen Volke besteht, bei der Betrachtung von Ereignissen in Erwägung ziehen, die auf dem Kontinent wahrscheinlich eine Panik ausgelöst haben würden. Hinzu kommt die Erfahrung, daß im letzten Jahr, während dem England vom Goldstandard abgegangen war. sich die Kaufkraft des Pfundes innerhalb Englands kaum verringert hat, was nebenbei natürlich auf das Absinken der Gold- preise zurückzuführen ist. Man denkt sich also. wo immer das Pfund hinsinkt,. es innerhalb Englands seine Kaufkraft behalten werde. Die Frage, ob der englischen Regierung der aufsehenerregende Sturz des Pfundes in diesem Augenblick besonders unangenehm ist, wo es sich darum handelt, die obstinaten Amerikaner von der ruinösen Wirkung der Uebertragung von Riesensummen über den Atlantik zu überzeugen, ist demnach nicht allzu schwer zu beantworten.

Ciefährliches Siedeln Absiedeln zur Besitzerhaltung

Unter der den Junkern dienenden P a p e n- Regierung kam die Siedlung völlig ins Stocken. Der großartigen Ankündigung weiterer 50 Millionen zu den 50 Millionen des Etats folgte kein Geld, weil man es vorzog, die bankerotten landwirtschaftlichen Genossenschaften zu sanieren. Nachdem man geschäftssührend gewor- den ist, scheint die Siedlung wieder etwas i n G a n g zu kommen. Die Aussonderung nicht entschuldungsfähiger Betriebe im Osthilfegebiet soll in der letzten Zeit Fortschritte gemacht haben: wie verlautet, sind etwa 300 000 Morgen für die Siedlung aus dem Besitz solcher Betriebe bereit- gestellt worden. Das ist angesichts der nicht ent- -chuldungsfähigen 2 Millionen Morgen nicht viel, aber es wäre schon erfreulich, wenn diese Fläche dem Bereich unfähiger Wirte entzogen und in Bauernland verwandelt würde. Nun werden aber nicht ganze Betriebe v e r s i e d e l t werden, sondern es sollen vor- wiegend Gutsteile abgesiedelt werden, und zwar nur so viel Land, wie zur Entschuldung der Güter notwendig scheint. Das Land wird benachbarten Kleinbetrieben zugeteilt oder es kann bei größeren Teilflächen auch eine gewisse Anzahl neuer bäuer- sicher Siedlungen entstehen. Anliegersiedlung ist nun an sich eine vernünftige Sache. Sie hat hier aber einen Haken, denn das Land wird für die Siedlung nicht zu einem für landwirtschaftliche Erzeugnisse angemessenen Werte überlassen, sondern nach dem Gesichtspunkt, möglichst hohe Preise für die Sa- n i e r u n g der Restgüter zu erreichen. Ein ver- nllnftiges Prinzip wird dadurch gefährdet, daß man eine Sanierung des Großgrundbesitzes auf Kosten der Anliegersiedlung durchführt. Man kann zwar von einer kapitalistischen Regierung nicht verlangen, daß sie unsere Forderung, die allein eine Gesundung der ostelbischen Wirtschaft herbeiführen kann, nämlich die restlose Enteignung des Großgrundbesitzes, durchführt. Man kann von

Oberbürgermeister von Zittau teilt dazu u. a. mit, daß man in der Spinnerei Zittau bereits Ma- schinen abmontiert habe: doch soll es sich um nicht bezahlte Maschinen handeln. Nun findet sich in einer Bekanntmachung des Konzerns die Feststellung,daß keine Bank und keine Stelle bereit sei, neue Risiken durch In- betriebnahmc der Fabriken einzugehen, wenn nicht von vornherein eine Subvention seitens des Staates erfolgt." Das ist klar und deutlich. Das Konsortium sucht durch Drohung mit Stillegung nach dem einen guten Geschäft, dem Aufkauf von Wagner u. Moras, ein zweites gutes Geschäft mit Subventionen. zu machen.

jeder Regierung verlangen, daß sie nicht den oft- elbischen Großagrariern zuliebe den Volkswirt- schaftlichen Sinn der Siedlung, nämlich die Ueber- gäbe des Bodens an den besseren Wirt zu ange- messenen Preisen, sabotiert. �lazis gegen die Siedlung Interessant ist übrigens, daß gerade jetzt die o st- preußische L a n d w i r t s ch a s t s k a m m e r die Forderung erhebt, daß die Siedlung unterbleiben müsse. Die deutschnationalen und nationalsozialistischen Mit- g l i e d e r der Landwirtschastskammer sind sich dabei völlig einig und verlangen von der Reichs- regierung eine unzweideutige Erklärung, daß sie nicht auf die Durchführung der Siedlung bestehe!

Ein Industrieskanda! Subventionen sonst Stillegung Das von der Krise stark heimgesuchte Sachsen har einen neuen Industrieskandal zu verzeichnen. Es handelt sich um den Textilkonzern Wagner u. Moras, der nach seiner Pleite von einem Konsortium(A.-G. für Handels- und Jndustriekredite, Reis u. Co. in Mannheim und Vereinigte sächsische Spinnereibesitzer in Chemnitz ) aufgekauft worden ist. Anscheinend ist der An- kauf erfolgt, um sich einen lästigen Kon- kurrenten vom Leibe zu halten und sonst Geschäfte aus der Masse zu machen. So wurden auch Fabriken aus dem Wagner u. Moras-Kon- zern stillgelegt Bestimmte Nachrichten darüber, daß das Kon- sortium mit der Absicht umgeht, die Betriebe für immer auszuschalten, haben natürlich in Sachsen , besonders in Zittau , wo die Wagner u. Moras beheimatet ist, größte Unruhe ausgelöst. Der

Wirtschaktsbarometer des Güterverkehrs Der Güterverkehr der Reichsbahn pflegt im Herbst wegen stärkerer Ernteverladungen und Kohleneindeckungen der Großstädte, also s a i s o n- mäßig zu st e i g e n. Diese jahreszeitliche Be- lebung endet erfahrungsgemäß schon Ende Oktober. Bei der Reichsbahn ergibt sich aber eine über den saisonmähigen Umfang hinausgehende B e- l e b u n g des Güterverkehrs. Dies zeigt ein Ver- gleich mit den entsprechenden Wochen des ver- gangenen Jahres. In der ersten Oktoberwoche wurden je Arbeitstag im vergangenen Jahr 121 700 und in diesem Jahr 102 800 Wagen an- gefordert. Die Differenz zum Vorjahr betrug also arbeitstäglich 18 900 Wagen. In der ersten Novemberwoche betrug die Wügenstellungs- Ziffer im Vorjahr 127 600 und in diesem Jahr 115 200 Wagen. Die Differenz hatte sich also auf 12 400 Wagen je Arbeitstag gegenüber dem Vorjahr verringert. In der dritten Novemberwoche hat sich die Spanne der täglichen Wagenstellung bis auf 5500 Wagen gegenüber 1931 weiter gesenkt. Auch in der vierten Novemberwoche ist, wie wir erfahren, kein Rückschlag eingetreten.

Die Konsumvereine im Oktober. Der Gesamt- Umsatz der dem Zentralverband Deut- scher Konsumvereine angeschlossenen Kon- sumgenossenschaften stellt sich kür den Monat Oktober auf 46,61 Millionen Mark gegenüber 45,63 Millionen Mark im September und 46,79 Millionen Mark im August. Demnach beträgt der Umsatz je Mitglied im Oktober 22,06 Mark, im September 21,63 Mark und im August 22,01 Mark. Auf den einzelnen Tag berechnet, liegt im Oktober 1932 der Umsatz der Konsumgenossenschaften niedriger als in irgendeinem Monat des lausenden Jahres. Wenn man bedenkt, wie mit der Kaufkrast der Bevölke- rung Schindluder getrieben wird, kann das Er- gebnis nicht überraschen und der Zentralverband Deutscher Konsumvereine bemerkt mit Recht:Läßt die staatliche Wirtschaftspolitik die Zertrümmerung der Kaufkraft weiter so treiben, wie in den letzten Monaten, so ist für einen beträchtlichen Teil der großstädtischen und der ländlichen Arbeiterschaft das Schlimmste zu befürchten." Schwere Verluste des englischen Bergbaus. Im 3. Quartal d. I. hat der englische Bergbau nach amtlichen Mitteilungen einen Verlust von etwa 1,2 Millionen Pfund erlitten, was seit etwa vier Jahren der h ö ch st e Q u a r t a l s v e r l u st der englischen Steinkohlenzechen ist. Das Bemerkens- werte an diesem Ergebnis ist das völlige Versagen derErportprämie" bei der Kohlenausfuhr, denn gerade bei dem Kohlenexport hatte das britische Unternehmertum gehofft, mit Hilfe des gesunkenen Pfundwertes die aus dem Schleuderexport ent- ftandene Verlustwirtschaft zu beendigen.

Der edle deutsche H e r r e n- S c h u h