Alt Berlin ist in den letzten Jahren in Mode gekommen. Im Antiken liegt der wahre Wert", sagt der Berliner . Jung und alt wird jetzt durch dieses Berlin der Bergangenheit geführt, alte und muffige Winkel, restaurierte Bauten und anderes werden gezeigt und dabei wird ,, Tradition" gepflegt im unangenehmen Sinn. Man ergözt sich an einer versunkenen Periode. Auch wir sind für Pflege der Ueberlieferung, besonders dann, wenn es heißt, der großen, schweren und lehrreichen Bergangenheit der modernen Arbeiterbewegung zu gedenken. Eine solche Betrachtungsweise führt zu anderen Ergebnissen als eine rein romantische, die gar zu gern von der guten alten Zeit" spricht.
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Wie stand nun das alte Berlin des 19. Jahrhunderts zur modernen Arbeiterbewegung und umgekehrt die Arbeiterklasse zu Alt- Berlin? Der Handwerksmeister sah im abendlichen Stammtisch die Abwehrfront gegen die Roten. Man war Mitglied im Kriegerverein, im Berliner Handwerkerverein" und im fortschrittlichen Bezirksverein". So sah das Urholz aus, aus dem die Demokraten geschnigt wurden. Das war fein Wunder, denn als im Jahre 1861 die Deutsche Fort. schrittspartei ihr Programm veröffentlichte, war darin von demokratischen Forderungen wie dem allgemeinen Wahlrecht, der Presse- und Ver einsfreiheit nicht die Rede. Anders die Arbeiterschaft. Der Sozialismus war bis 1878 eigentlich über die ersten Gehversuche nicht recht hinausge fommen. Das Sozialistengeset indes raubte der Arbeiterklasse jede Bewegungsmöglich teit, raubte ihr Luft und Licht und suchte sie zum Erliegen zu bringen. Es war der gute Geist von Führern und Masse, der unter unfäglichen Opfern schließlich alle Gefahren überwand.
Die Zeiten des Schandgesetzes
Mit unseren Erinnerungen rühren wir an jene Zeit, die unsere Alten erlebt haben und die wert ist, auch unserer heutigen Generation dargestellt zu werden. Wir meinen die Jahre der Schmach Don 1878 bis 1890. Damals waren die Berliner Arbeiter einig; die heutige Zerrissenheit tonnte man sich taum im Traume vorstellen. Das Bürgertum war auch damals schon verheyt und verschüchtert. Es lebte aber auch schon so eine Art Don nationalsozialistischen Früchtchen; es hieß Julius Ruppel und gab ein dreimal wöchentfich erscheinendes Drudpapier unter dem Namen ,, Berliner Ostend - Beltung" heraus, ein Schmutzblatt übelster Sorte. Ganz deutlich entsinne ich mich noch einer Boltsversammlung in der Königsbant in der Großen Frankfurter Straße. Da quaffelte der Ruppel das Blaue vom Himmel herunter. Unsere Genossen, aller Rechte durch Kaiser, Kanzler und Parlament beraubt, gingen damals in alle gegnerischen Versammlungen. Als der Ruppel gar zu teutschfrech wurde, betam er's hageldicht: Det fannste deinen antisemitischen Hausknechten erzählen, aber nicht gereiften Arbeitern."
Es gab tatsächlich schon ein paar als reine Antifemiten gewählte Berliner Stadtväter. Da war der Gärtnermeister 2imprecht und der Schmiedemeister Pe ft. Später gefellte sich zu diesen Erneuerern der Auchjournalist Dr. Bachler, der den Chefredakteur der Staatsbürger- Zeitung" markierte. Die Gegend unter den Linden" fürte den Hoflieferanten Gerold zum antisemitischen Stadtvater. Die Wähler dieser Teutonen waren porwiegend Beamte und meiterhin notleidende Bäder und Schlächtermeister.
Ein Groß- Berlin war in jener Zeit ganz un denkbar. So hatte jedes Kaff sein Stadt- oder Ortsparlament. Durch diese Parlamentlein wollten die Bürgerlichen ihre Geschäfte machen. Eine einzige Ausnahme machte Charlottenburg . Da ging's schon unter dem Schandgesez oft recht demokratisch zu. Wir erinnern uns an die aufrechten und tampfesmutigen Demokraten. die Assessoren Ahlemeyer und Schmilinsky. Beide traten ehrlich für die Arbeiterrechte ein. Ahlemeŋer war später Staatsanwalt am Landgericht II, sein Schwager Schmilinsky starb vor einigen Jahren als treues Mitglied unserer Partei. Die Charlottenburger hatten einen ausgezeichneten Stadtverordnetenvorsteher in der Person des un vergeßlichen Justizrat August Munde l. Dieser, ein Fortschrittler von echtem Schrot und Korn, gehörte zu den Intimen um Liebknecht und Bebel, und die hervorragenden Dienste, die er der Partei in allen Lagen, besonders aber als Strafverteidiger unter dem Sozialistengefeß geleistet, find unvergessen Selbst die Spießer waren stolz auf diesen einzigen Borsteher.
Anno 1892 gingen wir nach heftigen ParteiPämpfen zur Stadtverordnetenwahl. Unter den
Gewählten befanden sich Paul Singer , Sabor, Tugauer. Die Freisinnigen waren damals im Roten Hause durch Männer wie Virchow, Langerhans, Ludwig Löwe , Straßmann vertreten, ganz furze Zeit gehörte auch Eugen Richter dazu. Nach seinem eigenen Geständnis konnte er dem kommunalen Kleinfram feinen Geschmad abgewinnen.
Im Mai 1892 starb der Berliner Oberbürgermeister von Fordenbed; er hatte von Anfang an der Sozialdemokratie vollkommen verständnislos gegenübergestanden. Nach Auffassung der Berliner Genossen lag tein Grund vor, diesen Mann von Partei wegen das legte Geleit zu geben. Die Arbeiter waren der Ansicht, daß der Tod aus einem Feinde keinen Freund der Unterdrückten machen tönne. Im Leichenzuge schritten trokdem unsere Genossen Tutauer, Sabor und Bieshoit; sie mußten sofort ihre Mandate niederlegen.
Wie standen die Berliner kommunalen Behörden und Persönlichkeiten zu den Arbeitern? Es war damals unmöglich, daß ein Mann, der Sozialdemokrat war, Nachtwächter werden fonnte. Die Schnüffelei wegen der politischen Gesinnung der
Mieterelend im Hinterhaus
Je mehr Höfe und Quergebäude und Seitenflügel eine Mietstaserne besigt, desto dichter figen die Menschen, desto greller schreit ihr Leid. Es ist eine Gemeinschaft von Elendsbrüdern, denen zuerst der Krieg die Gesundheit, dann die Wirtschaftskrise die Existenz geraubt hat. Da wohnen im Hause Dresdener Straße 107 viele, die schon jahrelang unter der Arbeitslosigkeit zu leiden haben.
Der Mieter im ersten Seitenflügel weiß längst nicht mehr, wie Arbeit aussieht, dafür hat ihm aber der Krieg das linke Bein und den linken Arm zuschanden gemacht; der alte, tranke Schuster mit tranfer Frau und drei Kindern hat die Portierstelle, dafür kriegt er 75 Mart, wovon 50 Mart für seine finstere Parterremohnung abgehen. Dann ist da noch ein 100prozentiger Kriegsbeschädigter, dessen Rente nicht her- und nicht hinreicht, auch er muß für Stube und Küche 35 Mart berappen. Eine 3-3immer- Wohnung foftet nur gar an die 90 Mart. Alles hängt natürlich mit der Miete, die bei der Beschaffenheit der Wohnungen reichlich hoch ist, und man steht sich mit dem Hausgestrengen nicht gut. Eine billigere Wohnung nehmen, ist leicht gefagt, aber schwer gefunden. So taten sich einige Hausbewohner zusammen und stellten dem Hauswirt ihr Elend dar und baten um einen fleinen Mietsnachlaß. Der aber ließ sich auf nichts ein, ver. flagte die Leute wegen Zahlungsverweigerung, am Termin hieß es dann, hier sei das Mieteinigungsamt zuständig. Wenn sie dort auch wieder nicht Recht friegen, dann wird der Wirt wohl furzen Prozeß mit ihnen machen und sie auf die Straße setzen. Was dann? Umzug foſtet Geld und billige Kleinwohnungen sind rar. Der Wirt denkt auch nicht daran, nur die allernotwendigsten Repa raturen machen zu lassen. In den Kellern fault und schimmelt es lustig, der Schuster konnte seine Schustermaschine wegwerfen, fein Mensch fann fich ein paar Kartoffeln darin lagern; in ben Stuben rauchen die Defen, die Fenster klaffen und durch die taputten Dachschindeln pfeift ber Wind...
Die„ Deuffche Liga für Menschenrechte" wird in einer Mitgliederversammlung mit eingeladenen Gästen am Dienstag, dem 13. Dezember, im Langenbed- Birchow- Haus, Luisenstr. 58, 20,30 Uhr, zu dem Prozeß Bullerjahn und seinen Lehren Stellung nehmen. Die Verteidiger, Profeffor Hugo Sinzheimer und Dr. Kurt Rosenfeld , Walter Bullerjahn selbst und Kurt Großmann werden das Wort nehmen.
Die Jugendweihe- Annahmestellen werden hierdurch gebeten, soweit bisher nicht geschehen, fämtliche vorliegenden Anmeldungen fofort dem Jugendweihe- Sekretariat, SW. 68, Lindenstr. 2,
einzusenden.
Freie Sozialistische Hochschule. Der nächste Vortrag der Freien Sozialistischen Hochschule" findet am tommenden Sonnabend, 10 De zember, 19% Uhr, im Plenarsaal des ehemaligen Herrenhauses, Leipziger Straße 3, statt. Es spricht Genosse Univ.- Prof. Dr. Friedrich Herz, Halle, über das Thema Rassenwahn und Poli= tit". Hörerfarten find an folgende Stellen abzugeben: 3dA., Hedemannstr. 12; Verband der graph. Hilfsarbeiter, Ritterstraße, Ede Luisenufer; Bigarrengeschäft Horsch, Engelufer 24/25;
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Pfleger in den städtischen Anstalten war ein besonders dunkles Kapitel des Kommunalfreisinns. Großes Auftehen erregte die rechtswidrige Entlaffung des Büroassistenten ma liz, eines fortschrittlichen Beamten, den die abgedienten Feldmebel der kaiserlichen Soldateska fortgegrault hatten. Bezirksvorsteher und Mitglieder städtischer Kommissionen fonnten Sozialdemokraten nur durch irgendein Bersehen werden; sie waren grundsäglich von allen kommunalen Ehrenämtern ausgeschlossen. Den stärksten Anschauungsunterricht von dem, was damals möglich war, lieferte ganz traditionell die Justiz. In Berlin konnte es geschehen, daß ein geistestranter Richter, der Landgerichtsdirektor Brausemetter, lange Zeit amtierte und ehrliche Arbeiter auf viele Jahre in die Gefängnisse steckte. Das alles und noch vielmehr geschah im alten Berlin !
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Wenn man also heute durch Alt- Berlin geht oder sich führert läßt, dann möge man nicht vergessen, daß das ein Berlin war, in dem die Fürsten und ein ihnen vollkommen ergebenes Bürgertum herrschten.
B. M.
Verlag des Bildungsverbandes der deutschen Buddrucker, Dreibundstr. 5; Verlagsgesellschaft des ADGB., Sortiment, Inselstr. 6; Arbeiterbant, Ballstr. 65; Naturfreunde, Johannisstr. 15; Buchhandlung des Deutschen Holzarbeiterverbandes, Rungestr. 30; Bezirksbildungsausschuß, Lindenstraße 3; Diez - Buchhandlung, Lindenstr 2; DMV., Linienſtr. 83/85 und Alte Jakobstr. 148/155.
Viele Plakate zeigten in Hermsdorf den Weg zum Restaurant 3ur Mühle", Berliner Straße Nr. 145, wo 140 Rasse- und 30 Berlosungskaninchen dieser Tage zu einer Schau anangetreten waren. Man sah auffallend große blaue Wiener. prachtvolle belgische Riefen, bis 16 Pfund schwer, traftgedrungene Widder, entzückend feine Hermelin und die ganz große Mode gewordenen Castor Reg. Unter den Angora ist manche Primadonna vertreten, herrlich gefämmt, doch ist sie als Kaninchen erst prima, wenn ihre Wolle 7 Zentimeter lang ist. Sehr lehrreich ist die Ausstellung der Musterstallungen. Unter ihnen fallen wiederum die Tonnenſtallungen auf, die manchem Erwerbs
lofen die Haltung der Kaninchen erleichtert. Kann er irgendwo eine leere Tonne auftreiben, so hat er hier ein Vorbild, wie er sie zu einer gefunden, trodenen Kaninchenwohnung ausbauen kann. Die Belzmodenschau, von Frauen der Vereins. mitglieder beschickt, beweist aufs allerbeste die viel seitige Verwertungsmöglichkeit der Kaninchenfelle. Die zielbewußte und fleißige Arbeit all der vielen Züchtervereinigungen hat es tatsächlich bewerkstelligt, daß jetzt schon auf den billigsten Mantel ein Belzfragen als willkommener Wärmeschuh wandern fann.
350 Waisenkinder bei Juvena Im Juvena- Haus, Potsdamer Straße , gab es einen fröhlichen Nachmittag. 350 Ber liner Waisentinder waren zur Nachmittagsschokolade eingeladen und Cilly Aussem , die Tennismeisterin, fredenzte ihnen all die guten Sachen. Noch mehr Spaß bereitete es der kleinen Gesellschaft, als Tante Cilly nachher aus ihrer ,, Pragis" erzählte und ihnen den Tennissport in den leuchtendsten Farben schilderte. Dann gab's noch ein Kolleg über den Wintersport ; Dr. Neufirch, Dozent der Volkshochschulfurse an der Hochschule für Leibesübungen sprach über Rodeln, Stilaufen und und Schlittschuhsport. Auch das Rasperletheater fehlte nicht und ein freuden. spendender Weihnachtsmann, der sich schließlich als die beliebte Juvena- Tante entpuppte. Die größe ren Kinder besichtigten dann noch das Juvena Museum, eine interessante Schau der Bademode von Anno dazumal bis zur Aera Bracht, sowie den Fabrikationsbetrieb von gewirkter Unter wäsche, der, als einziger in ganz Berlin , bei groß und flein lebhaftestes Interesse fand. Auch die Juvena Waschkurse haben seit der kurzen Zeit ihrer Einführung außerordentlich starkes Interesse erweckt, es melden sich Hausfrauen, Angestellte, Studentinnen und Gewerbelehrerinnen in großer Zahl, die sich die Kenntnis sachgemäßer Behandlung der Wäsche im Sinne einer langen Lebensdauer aneignen wollen. Die Herstellungsweise der Trifotwäsche hat wieder für Branche verfäuferinnen großes Interesse. Zur Krönung des ganzen winken dann noch für jeden 50. und 100. Teilnehmer Prämien in Form von Wäschestücken und Wintersportreifen. Das Juvena- Haus beabsichtigt, im Januar für Vorwärts". Leserinnen einen tostenlosen Waschkursus zu Deranstalten.
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Wer will helfen, die Not der Erwerbslosen au lindern? der unterstüze die Bestrebungen der Arbeiterwohlfahrt. Sie veranstaltet gegenwärtig eine große Wohlfahrtslotterie, deren Reinertrag ausschließlich zur Unterstügung der Not leibenden diefes Winters bestimmt ist. Das Einzellos toftet 50 Pfennig. Die 3lehung ist am 20. und 21. De zember d. 3. Die Gewinnchancen bei dieser Lotterie find ganz ungewöhnlich günstige. 195 516 Gewinne und zwei Brämien im Gesamtwerte von 450 000 Reichsmart werden ausgespielt. Der Höchstgeminn ist ein eingerichtetes Landhaus. Auch die Hauptgewinne sind Landhäufer. Weitere Gewinne sind Wochenendhäuser, tomplette Küchen, Sport artitel, vor allem praktische Haushaltsgegenstände, z. B. rostfreie Eßbestede, Eslöffel und Kuchengabeln, ferner Scheren u. ä.
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