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BEILAGE

Wilhelm Tietgens:

Vorwärts

... nur Masse- Masse Mensch!

Durch den Siegeszug der Naturwissenschaften und der Industrie ist die jüngste Entwicklung der Menschheit in zweierlei Hinsicht wesentlich geprägt worden: die erfolgreiche Bekämpfung ber Sterblichkeit hat zu einer starken Ber= mehrung der Menschen geführt, und die indu­striellen Großbetriebe haben die Zusammen ballung zu Millionenstädten hervor­gerufen. Im Laufe des 19. Jahrhunderts ist die Zahl der Menschen von etwa 1 Milliarde auf 2 Milliarden gestiegen, trotz zahlreicher Kriege in aller Welt und häufiger verheerender Hungers­nöte vor allem in China und Indien . Die erfolg= reiche Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit und der Seuchen hat die das 19. Jahrhundert beherr­schende Zunahme des Geburtenüberschusses her­vorgerufen und zugleich das mittlere Lebensalter auf 45 Jahre gehoben, während es um 1500 nur 20 Jahre betrug. So mar es in

ohne Licht, nur Masse, Masse Mensch! Es gibt unzählige Miethäuser in den Groß­städten, die in einem einzigen Hausblod mehr Menschen beherbergen, als große Menschen Ein­wohner haben.

Das ist eine ungeheure und brutale Mißachtung des Menschen, seine Herabwürdigung zu einem Handelsobjekt, zu einer Stapelmare durch den Raub am Boden, durch den Mißbrauch der Erde. Es ist die Kulturschande unserer Zeit, die es nicht versteht, die Er­folge der Wissenschaft und der Technik für alle Menschen wirksam werden zu lassen, weil das Privateigentum an den Produktionsmitteln durch die eigennützige, ichbetonte Herrschaft über

Europa möglich, daß die Bevölkerung von etwa J. J. Mayer:

250 Millionen um 1800 auf über 500 millionen stieg, obwohl außerdem, die Räume außerhalb Europas in der gleichen Zeit von der weißen Rasse überflutet wurden.

Das außerordentlich schnelle Anwachsen der Menschheit hat eine Zeitlang die Gefahr zumindest theoretisch auftauchen lassen, die Erde werde über turz oder lang nicht mehr genügend Raum und Nahrung geben können. Dann aber hat sich bald herausgestellt, daß durch die Leistungs­steigerung der Technik der Wirtschafts­raum ungeheuer erweitert werden konnte, so daß von einer Uebervölkerung der Erde keine Rede sein kann. Zudem ist schon seit der Borkriegszeit der Geburtenüberschuß in Westeuropa einschließ­lich Deutschlands durch das 3 meifinder­system so stark zurückgegangen, daß wir für dieses Jahrhundert keine Zunahme, sondern eine Abnahme der Bevölkerung zu erwarten haben.

Der Ueberschuß der Bevölkerung ist durch die Industrialisierung fast ausschließlich in die Städte gedrängt worden, und zwar nicht nur in Europa . In Deutschland lebten um 1870/75 26 Mil­lionen 61 Broz. der Bevölkerung in den Land­gemeinden unter 2000 Einwohnern, DON der städtischen Bevölkerung nur 27 Millionen

die Schäze und Räume der Erdoberfläche die Menschen in feindliche Klassen gespalten hat. Daher im Osten und Norden der Städte enge Gaffen, dumpfe Höfe, lärmerfüllte Häuser, während im Westen Gärten und lichte Villen ein sonniges und freuderfülltes Leben gestatten. Als in der Enge der Mietkasernen alle kulturellen Werte erstiden mußten, schrie jenes schuldige Besizbürgertum von einer Zerstörung der Familie, und als die Menschen sich gegen die Bedrückung zu mehren begannen, war es Ber= giftung des Volkes, Irreführung der Massen. Anstatt aber die Quellen der Zerstörung aller Werte in der privatwirtschaftlichen Aus­beutung des Bodens zu sehen, fügte man zur alten

FREITAG, 9. DEZ. 1932

Schuld die neue, daß man nun auch noch den Menschen das Recht auf Arbeit nahm. Nun leben die von der Nährfläche getrennten Massen in engen Straßen und Gassen zusammengepfercht ohne Arbeit und ohne Brot.

Das aber ist unser Wille: Arbeit und Raum für alle Menschen, sonnen­erfüllte Häuser, in denen ein starkes und gesundes Geschlecht heranwachsen kann, in denen Freude an der Gemeinschaft möglich ist und kulturelles Leben sich entwickelt. In der roten Stadt Wien ist durch die Abschaffung der Bodenrente der Anfang gemacht worden. Es entstanden helle Lichtburgen, mit Grünflächen ge­schmückte, auf das beste durchkonstruierte Hochhäuser, die dort nicht nur, wie in un= seren Großstädten, für sehr wenige Ar­beiter und Angestellte erschwinglich sind. Das ist der Beginn sozialistischer Planwirtschaft auf dem Gebiet der Wohnkultur, die Hand in Hand zu gehen hat mit dem Gesamtumbau der Wirtschaft.

Ewige Gesetze- oder...?

Der Marrismus ift eine Beltauffassung, die den Menschen aus seiner Geschichtlichkeit versteht. Die geschichtlichen Kräfte bestimmen den Menschen, andererseits aber bestimmen die Menschen mieder­um die Geschichte. Die Tatsache, daß der Mensch auch die Geschichte bestimmt, grenzt die margistische Weltanschauung von jedem Historismus ab. Der Marrismus erhält hiermit seinen aktivistischen Charakter. Der Wille des Menschen, die jeweilige geschichtliche Situation zu gestalten, gibt der margistischen Geschichtsidee ihr besonderes Gesicht. Man kann sich das sehr leicht an einer dem Marrismus entgegengesezten Geschichtsauffassung flarmachen, die an die Geschichte einen absoluten Maßstab heranträgt. Vielleicht hat Oswald Spengler , der bestimmt zu den geistigen Bätern des Nationalsozialismus gehört, diese dem Margismus entgegengefeßte Geschichtsauffaffung

in den letzten Jahren am eindrucksvollsten for­muliert. Die geschichtlichen Kulturen sind für Oswald Spengler Organismen, die entstehen, blühen, welken und schließlich absterben. Jede Kultur steht unausweislich in diesem Schicksal. In einer von Otto Straßer eingeleiteten Schrift von Weigand von Miltenberg, die den Rhythmus der Geschichte" untersucht, finden sich die bezeichnenden Säße: Spengler macht ganze Arbeit. Sein ,, Untergang des Abendlandes " wmar die erste große zusammenfassende Antithese zum Liberalismus.... Dem Kausalitätsprinzip stellte Spengler die Schicksalsidee entgegen, der Lehre vom Fortschritt also der Anschauung von einer linienförmigen Aufwärtsentwicklung den Glauben an den Kreislauf allen Da­seins, vom Leben zum Tode, vom Tode zum Leben." Ist jede geschichtliche Kultur von vorn

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Christian Elend auf dem Eichsfeld

In der westlichsten Ede der Provinz Sachfen, zwischen Thüringer Land und Harz , erstreci fich ein kleines, den meisten unbekanntes Ländchen, das Eichsfeld .

5 Proz. in den Großstädten mit über 100 000 Einwohnern. 1925 wohnten in den Landgemein den( verkleinertes Reichsgebiet) immer noch 22 Millionen, die jetzt aber nur noch 35 Proz. der Bevölkerung ausmachten, während die Groß- Burchart: städte auf 17 Millionen oder 27 Pro3. ange= wachsen waren. In England und Belgien leben über% der Bevölkerung in den Städten, davon in England zumeist in den riesigen Groß­städten. Denn sehr schnell ballten sich um In­dustrie und Handel die Millioren städte: Berlin , Paris , Chikago je über 4 Millionen, Wien , Schanghai , Tofio, Mostau, Djata, Philadelphia , Buenos Aires mit über 2 Millionen und mehr, London und New York gar mit 8 Millionen Ein­wohnern. Das sind die hochhausbelasteten, lärm­erfüllten Steinwüsten, in denen der Mensch, ge­hezt und bedrückt, eingeschlossen ist. Selten nur fann er in Wald und Feld Kraft schöpfen für den Kampf des Alltags.

Der Irrfinn der fapitalistischen Wirtschaftsanarchie tommt bei der Be­trachtung der großen Wohnstätten des Menschen, der Städte, besonders schroff zum Ausdruck. Der Fortschritt der Medizin brachte die wachsende Aussicht auf ein gesundes Menschengeschlecht, die Technik garantierte dieser Menschheit Nahrung, Kleidung, Freude. Sofort aber setzte mit der Zu­fammenballung der Menschen die privatwirtschaft­liche, eigennützige Bodenspekulation ein, der Mißbrauch mit dem Boden als Wohnraum. Wirtschaftliche und politische Kräfte arbeiteten, um das Monopolrecht über den Grund und Boden für eine gewaltige Erhöhung der Preise ausnuten zu können. Es entstand ein Bodenrecht, das nicht dem Interesse der A11­gemeinheit diente, sondern dem Interesse der Grundstücksfpetulanten und der Haus­wirte. Diese waren berechtigt, den Arbeitern eigens für sie gebaute Unterkünfte anzubieten, die den Namen Wohnung kaum verdienen. So schnell wie möglich mußten in den Gründerjahren die Mietfasernen entstehen, zusammengepfercht, ohne Licht, nur um jeden Quadratmeter des teuren Bodens auszunügen und zu Geld zu machen.

Für zahllose Millionen Arbeiter sind diese nüch­ternen falten Wohnkasernen mit ihren vielen Hinterhäusern und Seitenflügeln die Wohn- und Lebenswelt geworden. Dumpf und troftlos, erfüllt von dem Lärm der hundert Parteien, der an den Gängen spielenden und schreienden Kinder, haben diese Rentenbanken des Bodenkapitalismus nur den einen Sinn, die Ware Arbeitskraft in der Nähe der Fabrik billig zu stapeln und in Form des monatlichen Mietzinses das angelegte Rapital lohnend wieder hereinzubringen. Tür an Tür, oft vier Familien auf einem Korridor, ohne Rücksicht auf das Eigenleben jedes Menschen. ohne Verständnis für das Raumbedürfnis gerade des Großstädters wurden die Mieter verpadt in Dachstuben, in Kellern, in tiefen Hinterhäusern und dunflen Seitenflügeln, auf langen Korridoren, ohne Luft,

Ackerbau und Viehzucht sind die Haupterwerbs quellen auf dem Etchsfelde. Doch auf dem Ober Eichsfelde liegt auf steinigem Untergrunde nur eine dünne Schicht fruchtbarer Erde, so daß der Ertrag der Aecker für den Unterhalt der Be­wohner nicht ausreicht. Neben Ackerbau und Viehzucht sind Handwerk und Handel die Hauptnahrungszweige der Eichsfelder geworden, vom Handwerk besonders Zimmerei und Mauerei, die Tätigkeit in den heimatlichen Kaliwerten; vom Handel das Haufieren. Die Erwerbsnot­wendigkeit hat den Eichsfelder vielfach in die Fremde getrieben, dort seinen Charakter ge= stählt, ihn aber auch sparsam und genügsam ge= macht.

In den letzten Jahren ist ein gewisser Wandel eingetreten. Die Kaliwerte sind größtenteils stillgelegt, die Arbeiter entlassen worden. Die in der Fremde tätigen Zimmerleute und Maurer durften dort nicht weiter beschäftigt werden, sie kamen als., arbeitslos" zurüd in die Heimat. In die wenigen Arbeiten, die noch auszuführen waren, teilten sie sich mit den älteren, in der Heimat verbliebenen Arbeitskollegen. Sie fielen, nachdem sie ausgestempelt" hatten, der öffentlichen Wohlfahrt" zur Last.

Die Lage der Arbeitslosen in den eichsfeldischen Städten ist ärger als die Erwerbsloser in den Großstädten. Keine Hoffnung auf ein wenig Freude beim Erwachen, keine Befriedigung über ein gelungenes Werf beim Niederlegen. Auch ohne Besitz von Grund und Boden erhalten sie bedeutend niedere Unterstützungen, da die Groß­städte der Ortsklasse A, teilweise auch der ,, Sonderklasse" angehören; also entsprechend höhere Löhne gezahlt wurden. Die Unter­stützungssäge sind vielfach so niedrig, daß nach Abzug von Miete, Steuern und sonstigen Abgaben ein Barbetrag übrigbleibt, der pro Kopf und Woche feine 3 M beträgt. In Arbeitslosen­familien mit fünf und mehr Kindern beläuft sich nach Abzug von Miete und Licht der restliche Bar­betrag auf teine 25 Pf. je Kopf und Tag. Mit ihren zumeist zahlreichen Familien kämpfen die Eichsfelder Arbeitslosen einen verzweifelten Existenzkampf von heute auf morgen; buchstäblich nagen fie am Hungertuche, selbst das trodene Brot fehlt ihnen. Als Bettler ziehen sie umher. Die Gemeinden können nicht felten die zwangsläufigsten Ausgaben be= ftreiten, um die Armen nicht verhungern zu Taffen. Kleidung und Schuhwerk sind völlig auf.

gebraucht, nur allzuoft müssen Kinder der Schule fern bleiben, weil der Vater wegen Mangels an Mitteln weder neue Schuhe kaufen noch die alten befohlen lassen fann. Es mangelt auch an Wäsche, bei Kindern sowohl mie bei Er­wachsenen meistens an Hemden. Heizungsmate rial muß in den Wäldern gesammelt werden.

Besonders arg ist es in diesen Familien um den Gesundheitszustand bestellt. Die Kinder sind unterernährt, oft frank und leidend.

Und es efelt einen des furchtbaren Trauer­spiels; man erschrickt, daß in so elendem Jammer junges Leben entsteht und verderben soll. Das Kind einer solchen Mutter und eines solchen Vaters! In Not geboren, in Not gestorben, zwischen Werden und Auflösen ein nuglofes Leben.

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Wohl versuchen öffentliche Fürsorge und werk­tätige Karitas, die beide überlastet sind, ärgster Not abzuhelfen; wohl hat der Landrat des Krei­ses Worbis seine Kreiseingesessenen zur Winter­hilfe für die Allerärmsten aufgerufen; wohl hat der zuständige Reichstagsabgeordnete die Re­gierungsstellen auf diese Zustände aufmerksam gemacht, doch was bedeutet alles gegen solches Elend und solche Not. Almosen! Almosen sind ein ganz elendes Flickwerk! Was ist denn einer Familie damit gedient, daß sie neue Strümpfe bekommt. Bleibt sie nicht auch mit neuen Strümpfen im Elend?... Gesunde Lebensbedingungen schaffen, Ber­hältnisse gestalten, daß niemand ein Almosen nötig hat, das ist das Richtige!" sagt ein viel= gelesener Schriftsteller der Gegenwart.

Welch furchtbares Ende wird diese Tragödie nehmen? Der Baumarkt liegt trotz verschiedenster Ankurbelungsversuche nach wie vor völlig brach. Die Hausbesizer find kaum in der Lage, notwen= digste Reparaturen ausführen zu lassen, da die arbeitslosen Mieter die Miete nicht mehr oder nur teilweise zahlen können.

Daß der Radikalismus versucht, auf dem Eichsfeld seine Kreise zu ziehen, bedarf wohl keiner Erörterung. In dem besonders stark ge= fährdeten Kreis orbis, wo die Arbeits­lofigkeit sich ganz verheerend auswirkt, entfalten die Kommunisten starte Propaganda, besonders bei den arbeits- und stellungslosen Jugendlichen. Den ganzen Haß, den sie durch eine verbitterte, erstickte Jugend, durch Not und Elend, durch Armut und Bettlertum getragen haben, dieser Haß trifft nun Ordnung und Autorität, Eristenz und Besitztum, Volk und Staat. Sie glauben im Bolschemismus ihr Heil zu finden, die letzte

Rettung.

herein von einem solchen absoluten fosmischen Schicksal bestimmt, dann muß der Mensch, zu­mindesten derjenige, welcher die jeweilige Phase dieses Schicksals begreift, sich nach diesem Schicksal ausrichten. Wäre es richtig, daß die abendländische Kultur dem Untergang geweiht ist, wie Oswald Spengler es uns prophezeit, dann hätten wir nichts zu tun als uns in das Schicksal dieses Unterganges zu fügen. Spengler hat diese Haltung heroischen Pessimismus genannt.

Die margistische Geschichts auffassung leugnet ein solches die Aktion der Menschen von vornherein beschränkendes Schidsal. Es hängt sehr wesentlich vom Willen der Menschen ab, wie sie die geschichtlichen Aufgaben ihrer Zeit lösen. Aktion und Willen sind aber auch im Marrismus nicht schlechthin frei. Der bewußte Wille wird eingeschränkt von dem geschichtlichen Stand der gesellschaftlichen Kräfte, insbesondere von dem Grad der Entwicklung von Produktions­fräften und Produktionsverhältnissen. Diese Er fenntnis bleibt aber solange abstraft, als sie nicht für jede geschichtliche Situation mit fontretem Tatsachenmaterial erfüllt wird.

Und doch hat auch die margistische Geschichts­auffaffung eine Gesamtvorstellung, die aus dem tatsächlichen Ablauf der Geschichte gefolgert worden ist und nicht von einem außerhalb jeder Geschichtlichkeit gelegenen Schema wie im Falle der hier als Gegenbeispiel angezogenen Geschichts auffassung Oswald Spenglers fonstruiert wurde. Das fosmische Geschehen ist im Grunde geschichtslos, d. h. der Mensch steht dem organischen Geschehen machtlos gegenüber. Gegen den Wärme­tod der Erde gibt es vorläufig kein Mittel. Das geschichtliche Geschehen aber hat feine ,, ewigen" Geseze; die Geschichte wird Menschen gemacht.

Dom

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Marg und Engels haben ihre Gesamt­vorstellung von der geschichtlichen Entwicklung erstmalig und programmatisch im Kommu= nistischen Manifest" niedergelegt. Es darf hier an die grundlegenden Sätze wiederum er. innert werden: ,, Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft ist die Geschichte von Klassenfämpfen. Freie und Sklaven, Patrizier und Plebejer, Baron und Leibeigener, Zunftbürger und Gefelle, furz. Unterdrücker und Unterdrückte standen in stetem Gegensatz zueinander, führten einen ununter­brochenen, bald versteckten, bald offenen Kampf, einen Kampf, der jedesmal mit einer revolutio­nären Umgestaltung der ganzen Gesellschaft endete oder mit dem gemeinsamen Untergang der kämpfenden Klassen... Unsere Epoche, die Epoche der Bourgeoisie, zeichnet sich jedoch da durch aus, daß sie die Klassengegenfäße verein facht hat. Die ganze Gesellschaft spaltet sich mehr und mehr in zwei große feindliche Lager, in zwei große, einander direkt gegenüberstehende Klassen: Bourgeoisie und Proletariat." Diese Sätze ent­halten den Rahmen der marristischen Gesamt­vorstellung vom geschichtlichen Ablauf; aber nicht mehr als nur diesen Rahmen. Denn nun hängt alles davon ab, wie man für eine bestimmte ge= schichtliche Situation in der Epoche der Bourgeoisie den Klassengegensatz Bourgeoisie- Proletariat ge= schichtet sieht. Bourgeoisie und Proletariat find gleichsam nur in der geschichtsphilosophischen Ber­spektive in sich einheitliche Größen. In näher man einer geschichtlichen Situation steht, je tiefer man in ihre Analyse eindringt, um so weniger zeigt sich das Bürgertum als eine reaktionäre Masse", um so mehr wird das Studium der proletarischen Schichtung zur unabdingbaren foziologischen Aufgabe. Marr selbst hat in seinem ,, Achtzehnten Brumaire" ein Muster­beispiel einer solchen die Massengegensäge flar­legenden Analyse gegeben, die man heute mehr denn je beachten muß, wenn man nicht der Gefahr erliegen mill, die gegenwärtige geschicht­liche Situation in unzulässiger Vereinfachung zu fehen.