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ZWEITE BEILAGE

SCHICKSAL

39]

Vorwärts

MASCHINE

ROMAN VON STEFAN POLLATSCHEK

( Schluß.)

( Copyright Saturn- Verlag.)

Wollen Sie uns nicht endlich sagen, wessen Sie uns für fähig halten und welche Lumperei Sie uns zumuten; um etwas an­deres wird es sich doch kaum handeln."

,, Wenn Sie sich nicht sofort anderer Ma­nieren bedienen, laß ich Sie prügeln", schrie der Kanzler mit sich überschlagender Stimme.

,, Ich möchte doch sehen, ob Sie es wagen, einen Gewählten des Volkes zu prügeln." ,, Sehen Sie, ich wage es", lachte der Kanzler und hieb mit der Reitgerte dem alten Manne einen nicht allzu heftigen nicht allzu heftigen Schlag über die Beine. Ich möchte wissen, wer uns das untersagen könnte. Wir werden bald mehr wagen, Ihr werdet staunen! Ja, jezt haben wir die Macht in Händen, wir find festen Willens, von ihr den Gebrauch zu machen, der uns beliebt. Seht Ihr nun, wie das ist, wenn man die Macht hat? Hättet Ihr sie, dann ließet Ihr uns henten. So müssen wir es tun, wenn wir nicht wollen, daß Ihr uns morgen auffnüpft."

,, Also schön, in Gottes Namen, lassen Sie uns endlich ermorden", warf einer der sozialistischen   Führer ein, aber schenken Sie sich und uns Ihre Fibelsprüche."

,, Noch sind wir nicht so weit, meine Herren! Noch gibt es ein Mittel, um Ihr Los erträglicher zu gestalten. Sie haben beschlossen, morgen früh einen Demonstra tionszug der gesamten Partei zu veran stalten?"

Ja!"

,, Sagen Sie ihn ab, und Sie sind alle frei, sofort. Ich laffe Sie noch heute nacht über die Grenze schaffen und von dort aus tönnen Sie dann gegen mich hezzen, solange Sie wollen und Lust haben.

"

,, Der Demonstrationszug findet statt." ,, So? Auch für diesen Fall habe ich meine Vorkehrungen getroffen. Erstens wird keiner von Ihnen, meine Herren, diesen Morgen. überleben. Sie kommen in einer Stunde vor das Standgericht, sind in zwei Stunden ver urteilt und in drei Stunden in einer anderen Welt."

Das sind gewiß feine angenehmen Aus­fichten", sagte ein junger, langmähniger Mensch, und Weltlins Herz schlug freudig, daß es nicht sein Sohn war, der so sprach. ,, Das sind sicherlich feine angenehmen Aus­sichten, aber der Demonstrationszug findet auch dann statt, wenn wir tot sind, Herr Kanzler."

Auch dann, wenn ich allen Unterführern ein ähnliches Ende bereite?"

Auch dann, denn wir waren auch nicht ganz blind und haben Vorkehrungen ge­troffen."

,, Schön", sagte der Kanzler,., aber darf ich fragen, was Sie eigentlich mit dieser De­monstration bezwecken? Militär und Polizei ist fest in unserer Hand, die Leute werden fich ja taum fammeln fönnen, ehe sie noch zu einander stoßen, werden sie schon ver­nichtet sein."

Hm, hm", schmunzelte der Langmähnige. ,, Warum liegt Ihnen denn dann so sehr daran, daß dieser Zug verhindert wird?"

,, Das will ich Ihnen sagen. Es wäre mir angenehmer, dem Ausland zu zeigen, daß die Machtergreifung durch uns unblutig ver­lief. Ferner weiß ich wohl, daß Ihre Leute gut bewaffnet find. Wenn wir auch spielend mit ihnen fertig werden, es wird doch viele Tote auf unserer Seite geben. Das wollen wir vermeiden. Darum schenke ich Ihnen die Freiheit, obwohl ich Sie lieber bau­meln sähe."

,, Nichts wird Sie an dieser Freude hin­dern Keiner von uns wird die Felonie be­gehen, die Sie von uns fordern."

Also Kampf?" fragte leichthin der Kanzler und zündete eine Zigarette an. Halt", rief Weltlin und drängte sich nach

vorn, so daß er dem jugendlichen Kanzler nunmehr fnapp gegenüberstand. ,, Halt! Glauben Sie nicht, daß es sich uns um unser Leben handelt. Aber Sie selbst sagten vor­hin, daß auch auf Ihrer Seite Menschen fallen werden, wir wissen das gleiche. Muß das sein?"

,, Sie veranstalten den Umzug und nicht wir."

,, Gewiß, weil Sie ungefeßlich die Macht an sich gerissen haben. Legt sie zurück, stüßt euch auf das Parlament und wir werden euch gehorchen. solange ihr die Mehr­heit habt."

,, Hören Sie doch mit dem alten Dred auf, Herr Weltlin! Ueber solche Dinge spricht doch kein vernünftiger Mensch mehr. Wir haben die Macht und damit basta! Wollt Ihr parieren oder nicht?"

,, Nein, tausendmal nein, wir wollen nicht als Knechte sterben."

,, Gut, meine Herren, wird zur Kenntnis

genommen. Sie werden also in wenigen Stunden als freie Männer gehenkt sein und morgen um diese Zeit dürften einige Tau­sende Ihrer Anhänger faum mehr am Leben sein."

,, Aber auch von Ihnen werden viele ihr Heim nicht mehr sehen können, und wie der Kampf ausgeht, das ist noch ganz ungewiß."

,, Aber, meine Herren", rief noch einmal Weltlin ,,, es geht ja nicht um uns, bedenken Sie doch, daß viele Menschen getötet wer­den sollen!! Und wir stehen hier und dulden das?"

,, Was wollen Sie dagegen tun, Bater Weltlin?" sagte gütig der Mähnige und hatte Mühe, den alten Mann abseits zu führen.

"

, Sie laden diese Blutschuld auf sich." ,, Wir haben uns zu verteidigen. Sie sind der angreifende Teil."

,, Nein, Sie greifen uns an."

Wir haben unsere Kultur, unsere Nation, unser Jahrhundert zu verteidigen." ,, Und wir haben die Menschheit, die ganze. große Menschheit vor Ihnen zu schüßen." ,, Noch einmal warne ich Sie, noch einmal, ehe es zu spät ist."

"

,, Wir wollen dies Blutmeer nicht, feier­lich erkläre ich. daß wir daran unschuldig find."

,, Ihre feierliche Erklärung wird Ihnen verdammt wenig helfen, weil Ihre Worte nicht mehr vernommen werden. Aber im Namen meiner Partei, im Namen des Volkes und der Nation erkläre ich, daß wir

Marie Antoinette  

Stefan Zweig   als Bildnismaler

Wenn Marie Antoinette  , geboren am 2. November 1755 zu Schönbrunn   und am 16. Oftober 1793 vom Pariser Revolutionstribunal auf die Guillotine geschickt, bis heute den Royalisten vielfach als Märtyrin, ja, als Heilige, den Jakobinern aber als Messaline und als Aus bund aller Laster und Verbrechen erscheint, fand schon Marime de la Rocheterie die geschichte liche Wahrheit irgendwo zwischen den beiden Er­tremen, der Legende und dem Pamphlet. Diese Meinung teilt Stefan 3 weig in seiner soeben erschienenen Biographie der Königin( ,, Marie Antoinette  . Bildnis eines mittleren Charaf ters." Mit zehn Bildtafeln. Im Insel- Verlag zu Leipzig  ), nur daß, im Gegensatz zu dem franzö sischen Historiker, der deutsche Dichter mit Recht die Wahrheit nicht in zu großer Nähe der Legende sucht. In der Tochter der Kaiserin Maria Theresia   sieht er das leichtköpfige und hem­mungslose Geschöpf", das sie in der Tat war; ste ist ihm eine laue Seele, ein mittlerer Cha rafter und, historisch gesehen, anfangs nur Sta­tiftenfigur". Diese durchaus mittlere und poli tisch engstirnige Frau" entwickelt sich als Kronprinzessin und Königin von Frankreich   taum und wenn, dann nicht zum Guten. Alles, was gründliches Ueberlegen oder systematisches Nach­denken erfordert, langweilt sie, die nie ein Buch zu Ende liest und jedem eindringlichen Gespräch auszuweiden weiß, unaussprechlich; sie hat nur für eines Sinn: ihr Bergnügen; Königin sein heißt für sie ausschließlich: als die eleganteste, die foketteste, die bestangezogene, verwöhnteste und

vor allem die vergnügtefte Frau

des Hofes bewundert zu werden". Ihr Leben ist ,, ein ewiges, um das eigene Ich freisendes Be­wußtsein, das, feinem äußeren oder inneren Ziel zugewandt, menschlich und politisch einen völligen Leerlauf ergibt".

Um das Bild dieses erlauchten Drohnendaseins festzuhalten, entfaltet 3 weig alle bewährte Meisterschaft seiner großen Porträtierkunst; welche Farben, welche Uebergänge, welche Töne, welche Zusammenflänge! Ebenso wird unter seinem Pinsel Marie Antoinettes   stumpfer Batte ganz plastisch, ein bescheidener Tropf, ein geistiger Kleinbürger, von Natur aus etwa zu einem ver­läßlichen Zollrevisor oder Kanzleibeamten, mur nicht zum Herrscher bestimmt. Dazu ist Lud. wig XVI. mit dem Verhängnis geschlagen, daß er Blei im Blut hat und jeder Entschlußkraft

ermangelt. In allem Wesentlichen bilden die Partner dieser Ehe einen schreienden Gegensatz: ,, er schwer, sie leicht, er plump, sie biegsam, er stodig, sie moussierend, er nervenſtumpf, sie fladerig nervös".

Daß 3weig, in psychologischen Deutungen wie nur ein hellfeherischer Dichter bewandert, zur Erklärung dieser beiden Menschen und ihres Schicksals

das Geheimnis des Alfovens"

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über Gebühr heranziehe, wurde ihm hier und da verdacht, aber schon als 1874 der Briefwechsel zwischen Maria Theresia   und ihrem Bot­schafter in Versailles  , Mercy Argenteau  , erschien, ein Wert, dessen drei Bände noch heute die wesentlichste und ergiebigste Quelle für die intime Kenntnis Marie Antoinettes   sind, hoben bei aller Zurückhaltung die Herausgeber in der Einleitung hervor, mie start es auf den Charakter der Kronprinzessin und Königin eingewirkt habe, daß sich ihr Gatte, durch ein leichtes förperliches Hemmnis behindert, sieben Jahre vergeblich neben ihr abmühte, sie von ihrer Jungfräulichkeit zu erlösen. Erst ein kleiner ärztlicher Eingriff es handelte sich um eine einfache Phimose setzte ihn in den stolzen Stand, allen Ansprüchen zu genügen, die eine Frau an einen Mann stellen darf. Doch wenn 3 weig diese sieben Jahre des Versagens" auf dem Umweg über ihren Ein­fluß auf das Gemüt der Königin und auch des Königs mit weitreichenden politischen Folgen ver fnüpft, überschätzt er wohl diese Bettvorgänge. Daß der Bourbone von Geblüt ein Gehemmter, ein Willensschwächling war, zeigt schon sein Zurückscheuen vor der völlig gefahrlosen Operation, die ihn zum Mann machen sollte, und daß der Habsburgerin eine böse Fee die Bergnügungswut in die Wiege gelegt hatte, ward durch ihre Ver= stridung in bedenkliche Streiche gerade nach ihrer ersten Mutterschaft erwiesen.

Ihre tiefere Schuld leugnet denn 3 weig leineswegs: ihren Leichtsinn ohnegleichen, der fie vergessen ließ, daß hinter den vergoldeten Gittern ihrer eigenen winzigen Welt ein Millionenvolt arbeitete, hungerte und hoffte. ,, Aber

eine Königin, die ihr Bolt vergißt, wagt hohes Spiel. Eine Frage hätte Marie Antoinette   die Welt aufgetan, aber sie wollte nicht fragen. Ein Blick in die Zeit und

SONNABEND, 10. DEZ. 1932

nur in Notwehr handeln, um uns, unser Leben und das unserer Kinder zu schützen. Gott   helfe uns."

Ihre Erklärung ist Lug und Trug. Auch wenn man Ihre Worte hört und unsere nicht, weil Sie uns den Atem ausblasen, ehe wir sie noch gesprochen haben, wird eine spätere Zeit uns hören. Es ist unwahr, daß Sie sich zu verteidigen haben. Sie sind es, die die Gewalt in die Welt gesezt haben. Sie trachten uns nach Brot, Freiheit und Leben! Sie sind es, die die Menschheit schändende Ausbeutung verewigen wollen, und wir sind es, die wir uns wehren müssen! Ich fan nicht wie Sie Gott an rufen, aber wenn es einen gibt, er wird uns hören und zu uns stehen."

,, Genug", sagte der Kanzler ,,, ist es Ihr legtes Wort? Ich lasse Ihnen genau zwei Minuten Zeit." Er war zur Seite getreten und betrachtete das Häuflein Männer über­legen und ein wenig höhnisch.

Weltlin war es, der vortrat, und ein junger, mähniger Mensch hielt den alten Mann vorsichtig umfaßt, und eine milde leise Stimme sprach: Der Demonstrations­zug findet statt."

Der Kanzler schlug die Hacken zusammen: Adieu, meine Heren", gab einen leisen Be­fehl und die Männer wurden aus dem Saal geführt. Es war Nacht geworden. Von weitem dämmerte es bereits, ein neuer Tag brach an.

Der Tag bricht an, der Kampf beginnt!

fie hätte begriffen, aber sie wollte nicht be greifen." Erst recht wollte sie nichts von der Revolution begreifen, die 1789 mit den Fäusten ungeberdig an die Tore des Königsschlosses zu hämmern begann.

Ja, fie, die mit turmhohem Toupet So stolz fich fonnte gebaren. Die Tochter Maria Theresias,

Die Enfelin deutscher Cäsaren betrachtete von vornherein jeden Rechtsanspruch der Nation als eine ungebührliche Auflehnung des Pöbels", und glaubte sich befugt, als der Frühling 1792 den Krieg zunächst mit Desterreich und Preußen gebracht hatte, alles zu tun, um die Niederlage Frankreichs   zu beschleunigen und den Sieg der Feinde zu befördern. Zweig macht fein Hehl daraus, daß das was Marie Antoinette   betrieb, vollendeter und

offener Hoch- und Landesverrat hieß. Daß die Königin eben in dynastischen Be­griffen eingefangen war und dem nationalen Gedanken fremd und befremdet gegenüberstand, gestattet mohl zubilligung mildernder Umstände, nicht aber. Freispruch, und auch daß dem Revolu tionstribunal jene unzweifelhaften Beweise für die Verbrechen der Desterreicherin" fehlten, über die wir in Fülle verfügen, rührt nicht an den Kern der Sache.

Aber so glänzend das Werk ist, wo es um das Individualpsychologische geht, so wenig befriedigt es dort, wo es große historische Zusammenhänge zu erfassen sucht. 3 weig ist ganz auf die individualistische Geschichtsbe. trachtung eingeschworen; er erörtert sogar einmal die Möglichkeit, daß es

gar feine französische   Revolution gegeben hätte, wenn Marte Antoinette nicht Königin von Frankreich   geworden wäre! Daß es sich bei der Revolution um eine Umwälzung der Gesellschaftsordnung handelte, hinter der der Geschichte eh'rnes Muß" stand, tommt denn nir­gends zum Ausdruck, und das Weiterrollen, das Weitertreiben der Bewegung entspringt bei ihm nicht objektiven Ursachen: dem Krieg und der durch ihn bedingten Lebensmittelteuerung und Hungersnot, durch die die für die Landesverteidi­gung so wichtigen Boltsmaffen immer rabiater wurden, sondern einer rätselhaften Furcht aller, als gemäßigt zu gelten". Mangelt es nicht an ähnlichen Mißgriffen, so soll man doch nicht ungerecht sein. 3weig ist Porträtist, nicht Historiker. Er wollte teine Geschichte der Revolu tion geben, sondern das Bildnis eines Charakters, und das ist ihm treffender und eindringlicher, farbiger und lebendiger gelungen als allen Hof malern Marie Antoinettes   zusammenge­Hermann Wendel..

nommen.

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