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Abend- Ausgabe

Nr. 584 B 284 49. Jahrg.

Redaktion und Berlagi Berlin   SW 68, Lindenstr. 3 Fermiprecher 7 Amt Donhoff 292 bis 297 Telegrammabreffe: Sozialbemokrat Berlin

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BERLINER

VOLKSBLATT

MONTAG

12. Dezember 1932

Jn Groß Berlin   10 Pf. Auswärts..... 10 Pf.

Bezugsbedingungen und Anzeigenpretje fiche Morgenausgabe

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Gleichberechtigung

Die Konkordienformel von Genf  

In Genf   ist die sogenannte Fünfmächte­konferenz, die Deutschlands   Rückkehr zur Abrüstungskonferenz ermöglichen sollte, zu einem befriedigenden Abschluß gekommen. Papen   hatte die Abrüstungskonferenz ver­tassen, weil sie nicht von vornherein Deutsch­ lands   Gleichberechtigung in der von Deutsch­ land   gewünschten Eindeutigkeit anerkennen wollte. Schleicher fehrt nun zurüd, nachdem eine den deutschen   Wünschen ge­nügende Gleichberechtigungsformel gefunden worden ist.

Wir Sozialdemokraten sind selbstverständ­lich für Gleichberechtigung, und wir sind ebenso selbstverständlich für Deutschlands  Rüdkehr zur Abrüftungskonferenz. Das Ergebnis der Fünfmächtekonferenz kann uns darum nur willkommen sein. Jede Verminderung der internationalen Span= nungen, insbesondere zwischen Deutschland  und Frankreich  , erschwert das Handwerk der nationalistischen Bölkerverhegung und wird deshalb von uns begrüßt.

Eine andere Frage ist es, ob das Sieges­geschrei berechtigt ist, das die Schleicher­Bresse über das Ergebnis der Fünf­mächtefonferenz anstimmt. Früher wurde Don Frankreich die Gleichberechtigung als 3iel" der Abrüstungskonferenz anerkannt. Wenn man jezt dazu gekommen ist, fie als Grundjag" zu respektieren, so ist der Unterschieb vielleicht doch nicht ganz so groß. wie manche Offiziäse es wahrhaben wollen. Unbedingt falsch ist es, wenn Uebereifrige die Dinge so darstellen, als ob Deutschland  und seine ehemaligen Verbündeten jetzt schon aller besonderen Vertragspflichten ledig wären und rüsten fönnten, wie sie wollen. An dem geltenden Völkerrecht hat die Fünf­mächtekonferenz nichts geändert, sie hat nur für die Abrüstungskonferenz Ziele aufgestellt und Grundsäße entwickelt. Einst­weilen bleibt es, wie es bisher gewesen: Zu einer ernsten Aufrüstung fehlt dem einen das Geld und den anderen fehlt jede Luft, aus geringen Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung der Abrüstungsbestim­mungen einen großen Konflikt zu machen.

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Ueber die Bedeutung der Beschlüsse der Fünfmächtekonferenz wird man sich nun auf der Abrüstungstonferenz ausführlich unter­halten können, insbesondere über die Frage, wie die von Deutschland   verlangte unbedingte Gleichberechtigung" mit der ,, Sicherheit", die Frankreichs   Herzens­wunsch ist, vereinbart werden kann. Es ist in Aussicht genommen, den Kriegs­verzicht der Vertragsteilnehmer noch einmal feierlich zu bekräftigen aber dieser Kriegs­verzicht ist schon so oft erklärt worden, daß eine Wiederholung nicht mehr als Bekräfti­gung wirten fann. Mit allgemeinen For= meln ist auf diesem Gebiet ein Fortschritt überhaupt nicht möglich; erst wenn die Ver­hältnisse zwischen Deutschland   und Frankreich   so geordnet sein werden, daß jeder Gedanke an Krieg auf beiden Seiten völlig verschwunden ist, erst dann wird ein neuer entscheidender Schritt zur Sicherung des Friedens getan sein.

Das ist das Ziel der Sozialisten hüben und drüben. Der Frieden wird nicht durch beschriebenes Papier gesichert, sondern nur durch den Geist des demokrati­fchen Sozialismus.

Auswärtiger Ausschuß. Der Borsigende des Auswärtigen Ausschusses des Reichs­tags, Abg. Dr. Frid. hat den Ausschuß für Freitag, den 16. d. M., einberufen. Auf der Tagesordnung der Sigung steht ein Bericht des Reichsaußenministers über die außenpolitische

Lage

Politische Einigung in Genf  

Gleichberechtigung- Abrüstung- Revision des Vertrages

Am Sonntagmittag ist die Fünf mächte konferenz in Genf   mit der Unterzeichnung einer Schlußzerklä= rung beendet worden. In der Erklärung wird die Gleichberechtigungs- und sicherheitsfrage geregelt, so dan Deutschland   sofort in die Ab. rüstungskonferenz zurückkehrt. Der deutsche   Tegt der Vereinbarungen hat folgenden Wortlaut:

1. Die Regierungen des Vereinigten Königreiches  , Frankreichs   und Italiens  haben erklärt, daß einer der Grund­sätze, die die Konferenz leiten sollen, darin bestehen muß, Deutschland   und den anderen durch Vertrag abgerüsteten Staaten die Gleichberechtigung zu gewähren in einem System, das allen Nationen Sicherheit bietet, und daß dieser Grundsay in dem Abkommen, das die Beschlüsse der Abrüstungskonferenz ent­hält, verkörpert werden soll.

Diese Erklärung schließt in sich, daß die Rüstungsbeschränkungen für alle Staaten in dem in Aussicht genommenen Abrüstungsabkom. men enthalten sein müssen. Es besteht. Einigkeit darüber, daß die Art und Weise der Anwendung dieser Gleichberech tigung auf der Konferenz erörtert werden wird..

2. Auf der Grundlage dieser Erklärung hat Deutschland   seine Bereitwilligkeit ausgesprochen, an der Abrüstungs­fonferenz wieder teilzu nehmen.

3. Die Regierungen des Vereinigten aönigreiches, Frankreichs  , Deutschlands  und Italiens   sind bereit, gemeinsam mit allen anderen europäischen   Staaten feierlich noch einmal zu bestätigen, da s

sie unter feinen Umständen versuchen werden, gegenwärtige oder fünftige Streitfragen zwischen den Unterzeichnern mit Gewalt zu lösen. Dies soll einer näheren Erörterung der Frage der Sicherheit nicht vorgreifen.

4. Die fünf Regierungen der Vereinigten Staaten  , des Vereinigten Königreiches  , Frankreichs  , Deutschlands  und Italiens   erklären, daß sie ent. schlossen sind, auf der Konferenz ge­meinsam mit den anderen dort vertretenen Staaten darauf hinzutvirken, daß under­züglich ein Abkommen ausgearbeitet wird, das eine wesentliche Herabsehung und eine Begrenzung der Rüstun­gen herbeiführt und gleichzeitig eine fünftige Revision zum Zwecke der weiteren Herabjehung vorsicht.

Genf  , den 11. Dezember 1932. gez.: J. Ramsay Macdonald  , Vorsitzender,

Norman H. Davis  , John Simon  , J. P. Boncour, C. von Neurath, Alvisi.

Schleicher- Kabinett einverstanden

Die Reichsregierung hatte in den frühen Morgenstunden des Sonntags dem in Genf   wellenden Reichsaußen. minister mitgeteilt, daß das Kabi. nett die am Sonnabend in der Be­sprechung der fünf Großmächte ausge arbeitete neue Regelung für die Gleich­arbeitete neue Regelung für die Gleich berechtigungsfrage annimmt und damit Deutschlands   Rückkehr in die Ab. rüstungskonferenz erklärt.

Frankreich   einverstanden Aus Paris   verlautet, daß das französische  Kabinett ebenfalls vor Unterzeichnung der

Die Internationale in Berlin  

Im Parteihaus der deutschen   Sozialdemokratie in Berlin   begann Sonntag eine auf zwei Tage anberaumte Beratung des Büros der Sozialisti­schen Arbeiter- Internationale unter dem Vorsitz von de Brouckère( Belgien  ), der den an der Teil­nahme an der Sigung verhinderten ständigen Borsitzenden Bandervelde erjezte. An der Sizung nahmen teil: de Brouckère( Belgien  ), Andersen ( Dänemark  ), Breitscheid  , Crispien, Hilferding  , Wels( Deutschland  ), Blum( Frankreich  ), Gillies ( Großbritannien  ), Wibaut( Holland  ). Bauer ( Desterreid), Abramowitsch( Rußland  ), Grimm ( Schweiz  ), Soukup( Tsched oflowafei), van Roos­broed als Raffierer( Belgien  ), Adler als Sekretär ( Zürich  ).

In der Sonntagsfigung wurde eine General bebatte über die allgemeine politische Lage geführt,

an der fast alle Mitglieder des Büros teilnahmen. Die Debatte betraf insbesondere die Probleme der Abrüstungstonferenz und des fran­ zösischen   Abrüftungsplans.

Es wurde beschloffen, mit dem Internationalen Gewerkschaftsbund in Verbindung zu treten, um die Gemeinsame Abrüstungskommission zu einem möglichst nahen Termin zu einer Tagung einzuberufen.

Blum und Gillies erstatteten Bericht über die Frage der interallierten Kriegsschulden. Breit­ scheid   und Bauer legten die politische Lage in Deutschland   und Desterreich dar. Wibaut gab einige Anregungen über wirtschaftspolitische Fragen

Die Beratung wird heute zu Ende geführt.

Genfer   Schlußerklärung sein Einverständnis zum Ausdruck gebracht hat. Ebenso wie Neurath  mit seiner Regierung hatte der französische  Delegierte mit Herriot   vor der Unter­zeichnung eine lange telephonische Unter­haltung.

Sozialistische Offenheit

Paris  , 12. Dezember.

Zu der Genfer   Einigung findet der sozialistische Populaire" es bedauerlich, daß der Wortlaut der gemeinsamen Erklärung auf die Sicher­heit" hinweise, hinter der sich der französische  Plan verstecke. Dieser Plan sei jedoch nicht ge­eignet, die Abrüstungsarbeiten zu fördern; es sei im Gegenteil zu befürchten, daß er ein unüber. windliches hindernis für jeden ernſten Bersuch einer Abrüstung darstellte. Man dürfe jedoch die Hoffnung nicht aufgeben, daß bis zum Beginn der Abrüstungsbesprechungen die Regie­rung Herriot   oder diejenige, die ihr folgen werde, endlich zu verstehen beginne, daß die wahre Sicherheit nur in der allgemeinen und ton­trollierten Abrüstung bestehe.

Polen   beunruhigt

Warschau  , 12. Dezember. Die gesamte polnische Preffe bringt lange Mel­dungen aus Genf  , in denen festgestellt wird, daß Deutschland   die Gleichberechtigung errungen hat. Kurjer Warszawska" unter* streicht, daß die Gleichberechtigung Deutschland   in einer vollkommen fonkreten und definitiven Form zugesprochen worden sei, während die Sicherheits­frage erst in einem gemeinsamen System berüc sichtigt werden soll, das in der kommenden Ab­rüftungstonvention Ausdrud finden werde. Darin liege ein entschiedenes 3ugeständnis zugunsten der deutschen   These. Herr von Neurath  so schließt das Blatt habe in Genf   einen vollen Erfolg davongetragen.

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Pariser Krise

Schuldenfalle für Herriot

Paris, 12. Dezember. Bisher ist in Frankreich   eine Einigung zwischen Regierung und Parlament über die Frage der Schuldenzahlung an Amerika   nicht zustande gekommen. Der Ministerrat ist zu Beschlüssen gelangt, die den von den kam- merausschüssen gestellten ultimativen For­derungen nicht entsprechen. Unter diesen Um­ständen kann die Kammerdebatte am Montag einen sehr ernsten Berlauf nehmen, und es besteht die Möglichkeit, daß sie mit dem Rüd­fritt des kabinetts Herriot   endet.

Genf   treibt Kurse hoch

Fester Aktien- und Rentenmarkt

Die Einigung in Genf   hatte zum Wochenbeginn eine sehr feste Börsenstimmung hervor gerufen. Sowohl auf dem Aktien wie auch auf dem Rentenmarkt waren durchweg Kurssteige­rungen zu verzeichnen. Auch die Tatsache, baß England und Frankreich   am 15. Dezember die fälligen Kriegsschuldenraten zahlen werden und daß damit für eine fünftige Kriegsschuldenkonferenz gemiffe Borbedingungen erfüllt sind, wirtten an­regend.

Auf dem Aktienmartte fiel besonders die Kurssteigerung bei den schweren Werten" ins Gewicht. IG.- Farben konnten ihren Kursstand Don 97%, bis auf 99 erhöhen, der Siemens- Kurs sprang um 4 Punkte von 121% auf 125%. Auch Montanwerte waren bei steigenden Kursen ge­fragt. Harpener Bergbau hörte man um 21 Uhr mit 85 gegen 83/ s; auch Mannesmann und Gelsen­firchen lagen fest.

Am Rentenmarkt herrschte gleichfalls eine recht freundliche Tendenz vor, wobei auch neue Bubfifumsaufträge in Erscheinung traten. Ja Durchschnitt erhöhten sich die Kurse der festverzins­lichen Werte um etwa ein halbes Prozent.