Einzelbild herunterladen
 

BEILAGE

Vorwärts

F812387

DIENSTAG, 13. DEZ. 1932

Gertrud Bäumer  

. Die Familie in der Krise

Mit Erlaubnis des Verlags für Standes­amtswesen G. m. b. H., Berlin   SW 61. entnehmen wir die nachfolgende Dar­stellung der in Kürze erscheinenden Schrift Familien- Politik  " von Gertrud Bäumer.  ( 2,20 M.) Die Autorität des arbeitslosen Baters als des Familienerhalters ist erschüttert. Er sieht sich von der Erfüllung von Verpflichtungen aus­gesperrt, die eine jahrtausendealte Gattungsent midlung in ihm gefestigt hat. Er sieht den riesent­lichen Teil seiner Baterschaft, die Fürsorge für die Seinigen, die Verantwortung für ihr Schick­fal, durch seine wirtschaftliche Entwaffnung aus­gehöhlt. Er sieht sich aus seiner sittlichen Funktion in der Ordnung der Familie vertrieben. Viele werden mit der darin liegenden De= mütigung innerlich nicht fertig. Sie verlieren, wenn ihnen Tag für Tag die lleber­flüssigkeit ihres Daseins und die Wertlosigkeit ihres Könnens auf dem vergeblichen Wege zum Arbeitsamt bewiesen wird, oft genug die Selbst­achtung, auf der ihre Autorität beruht. Sie wer­den sich selbst und ihrer Familie, wie man immer mieder beobachten kann, in einer erschütternden Weise zur Verlegenheit, um so mehr, je tüchtiger und geachteter sie waren und je tiefer der Sturz ihres Selbstgefühls gewesen ist. Das nagende Un­behagen eines Alltags ohne irgendwelche innere Ordnung, ohne den Halt und Rhythmus der ge­wohnten Arbeit, zerstört das Zusammen­leben von Menschen, die nun in dieser dauern­den ziellosen Spannung in überfüllten Woh­mungen immer wieder angesichts des Bildes ihres fozialen Zerfalls aufeinander angewiesen find. Es ist gar nicht erstaunlich, daß das Bedürfnis nach Betäubung, sei es im Alkoholismus, sei es aber auch in der Ueberreizung des Seruallebens, aus folcher feelischen Berfassung entsteht. Die tat­fächliche Zerrüttung von Ehen tritt in den Ehe­fcheidungen, trotzdem sie in den Krisenjahren ange­stiegen sind, doch kaum hervor. Es ist fraglich, ob dieser Anstieg sich in den arbeitslosen Familien vollzogen hat oder anderswo. Aus den Vereinig­ ten Staaten   wird das Gegenteil von einer Ab­nahme der Ehescheidungen in den arbeitslosen Schichten berichtet, und das scheint begreiflich. Denn ein getrenntes Leben ist unter diesen Umständen in der Mehrzahl der Fälle wirt= schaftlich schwerer zu führen als ein ge­meinsames. Man fann einfach nicht auseinander. Es ist aber auch wahrscheinlich, daß man trotz allem im legten Grunde nicht will und daß trog der gegenseitigen Quälerei unter dem Druck un­tragbarer Schicksale der Zusammenhalt der Fa= milie sich tragisch befestigt. Darauf deuten die Beobachtungen der heimlofen egmittier= ten Familien, über die eine Studie von Dr. Hanna Meuter   vorliegt und die dar­legen, daß selbst wenn die Not nun auch das Heim selbst fortgenommen hat, der Blutzuſammen­hang und die Schicksalsgemeinschaft sich trotz allem und zum Teil um so heftiger erhält. Die Familie leidet unter der Unnatur sozialer Schicksale, aber fie löst sich nicht widerstandslos auf.

Diefer Vorgang fann überall beobachtet werden. Er ist soziologisch beschrieben, insbesondere in den Borberichten für den Frankfurter   Kongreß. Aeußerlich feststellbare Wirkungen sind in Deutsch­ land   erfaßt worden in einem Bericht des Preußi­fchen Ministeriums für Boltswohlfahrt über den Ernährungszustand der Kinder. Sicher ist dieser Bericht heute schon weit überholt, und sicher er­faßt die medizinische Feststellung der Unter­ernährung bei weitem nicht den ganzen Umfang förperlicher und vor allen Dingen auch seelischer Schädigungen der Kinder.

Denn auch die Mutter, die nach allen Berichten in dieser Volksfrisis noch ganz besonders zum Halt der Familie geworden ist, wird in die Angst und Unruhe des Eristenzkampfes hineingezogen. So grundlegend hat sich die natürliche Ordnung der Dinge verkehrt, daß die Frau an Stelle des Mannes Arbeit nicht nur sucht, sondern auch findet. Die Bemühungen der Industrie um die Senkung der Produktionskosten haben nicht selten dazu geführt, die Frauenarbeit auf Kosten der Männer auszudehnen. Aber auch wo nicht gerade dies geschehen ist: Was bleibt der Mutter notleidender Kinder auch anderes übrig, als ihrer­seits auf die Arbeitsuche zu gehen? Ihr Schicksal ist dann vor allem die Gelegenheitsarbeit mit ihrer Unbeständigkeit, mit dem immer wieder neu

erforderlichen Aufwand der Arbeitssuche, der Un­regelmäßigkeit und Unübersehbarkeit von Ein­nahmen und häuslicher Ordnung. Man spricht in den Kreisen der Deutschen   Schule von Kinder= Neurosen, die unter dem Druck dieser häus lichen Atmosphäre entstehen, und noch stärker zeigen sich die Wirkungen, wie Nervenärzte be= richten, bei den Jugendlichen in schweren De­pressionen. Da nun schon an sich nach den Dent­schriften des Reichsgesundheitsamtes über den Ge­sundheitszustand des deutschen   Volkes in den letzten Jahren die Neurosen in auffallendem Tempo angestiegen sind, so müssen diese Beob=

achtungen an Kindern und Jugendlichen doppelt ernst genommen werden.

Die Wirtschaftskrisis und die Arbeitslosigkeit hat die Gefahren, denen die Familie in unserer Wirt­schafts- und Lebensordnung ausgesezt ist, auf die Spize getrieben. Sie führt daher zu tieferer und radikalerer Erkenntnis sowohl der Werte, die ver­loren zu gehen drohen, wie der Ursachen, die sie gefährden. Unter diesem Eindruck muß das ganze Problem der Familie im heutigen Volksleben als eine Frage nicht nur der Bevölkerungspolitif, son­dern einer wirtschaftlichen, sozialen und seelischen Volkspolitik gesehen werden.

Robert Breuer Kinderfibel 1932

Der Krieg, die Zeit danach, die Arbeitslosigkeit: noch immer haben nicht alle begriffen, welche Vernichtung sich vollzog, wie eigentlich erst jetzt die Ausrottung besten Mannestums, die Lahm­legung der Familienväter, die Zerschlagung der Hausgemeinschaft, der Raub an den Jugendlichen sich auswirken. Breite Massen, auch Zahllose, die sich gestern noch für etwas Besseres hielten, sinten ab, versinken in einem Brei menschlichen Abfalls. Es entsteht Volk im Volk", im Proletariat jene Fäulnis, die gedankenlose Oberflächlichkeit als ,, Lumpenproletariat" stigmatisiert. Die breite Deffentlichkeit, die sogenannten Verantwortlichen, die Regierenden, die Parlamente, selbst die Klassengenossen und Notgefährten dieser Ver­sintenden wissen nicht genug von den Gefahren, in denen sich Generationen des Volkes förperlich wie seelisch befinden.

"

Auf eine der verderblichsten Ursachen solcher Volksgefährdung verwies hier fürzlich Dr. Alice Salomon, als sie die grausamste Wirkung übervölkerter Wohnungen in Erinnerung brachte: 40-50 Pro3. aller proletarischen Jugendlichen haben kein eigenes Bett. Dieser barbarische Tat­bestand steigert nicht nur die Erkrankungsziffer, im besonderen die der Tuberkulose, er bedroht nicht minder die seelische Entwicklung der heran­wachsenden Generationen. Unterernährung ist nicht nur Abmagerung zum Stelett." Es gibt auch eine Unterernährung des Geistes; von dieser, wie überhaupt von den sittlichen und seelischen Gefahren, denen täglich ungezählte Kinder und Jugendliche durch die Begleiterschei­mungen der Krise und den Arbeitslosigkeit ve fallen, berichtet ein mehr als 300 Seiten starkes, von Ruth Fischer   und Dr. Franz Heimann( im Verlag von Rowohlt, Berlin  ) herausgege: enes Buch Deutsche Kinder= fibel" Atten, amtliche Aufzeichnungen und statische Feststellungen, auch Bekenntnisse von der Art der neulich von uns veröffentlichten Kinder­aufsäze", find aneinandergereiht: Geschichten, als hätte der Teufel sie sich ausgedacht". Der wüsteſte Kolportageroman könnte Elend und Verbrechen nicht so häufen, wie es die Wirklichkeit täglich tut. Antike Tragödien sind erhabener, aber diese Alltagstragödien unserer Zeit sind uns näher"; sie sollten es jedenfalls sein, und darum muß, wer soziales Gewissen und den Willen zur rettenden Tat hat, in dieser Deutschen Kinderfibel" lesen: Wie das permanente Elend die Erwachsenen zu Tieren, Kinder zu Nervenkranten macht; wie durch das offenbare Auseinanderklaffen DON Moralforderungen und Wirklichkeit, durch den Mangel aller, selbst palliativer Heilungsmöglich­feiten, Zustände geschaffen werden, die das Fun­dament der Gesellschaft aushöhlen, die aber auch aller Patentlösungen und dilettantisch improvisier ter Rettungsrezepte spotten."

"

Da ist der Knabe Horst, der zuviel ge­sehen hat" und frühzeitig sich in Schweinereien verstrickt. ,, Die Eltern und Großeltern der Knaben Horst, Kurt, Friz, Albert, Kuno und wie, sie sonst heißen mögen, haben vielleicht noch Brot und manchmal sogar noch Kuchen, aber sie haben feine Wohnungen, in denen die Kinder vom eigentlichen Familienlaboratorium at getrennt wer­den können." Da ist die dreizehnjährige Elti, die in drei Jahren dreizehnmal die Pflegestellen" wechseln mußte. Da ist der Für forgezögling Hans:" Der Junge war vierzehn Jahre alt, als er seine Berufschance verlor. Die Mutter konnte ihn nicht erziehen, die Mutter konnte auch nicht mehr für seine Er­nährung sorgen. Die Mutter war nicht gesünder geworden mit der Zeit und nicht kräftiger. Was

"

sollte man mit dem Jungen anfangen?" Da ist aus zehntausend gleich oder ähnlich lautenden Aftenbündeln die ganz triviale Geschichte" des Kampfes einer Arbeiterin aus dem Wedding   um ihr uneheliches Kind, das in Fürsorge­erziehung gebracht wurde, weil es ein Viertel­pfund 3uder gestohlen haben soll". Da sind die zehntausend, die hunderttausend Kinder und Jugendlichen mit Akten"; da sind die Millionen Väter und Mütter, die sich in wirrem, under­standenem Handgemenge mit automatisch funk­fionierenden Behörden, mit fangeisigen Paragra phen herumschlagen müssen, die oft ganze Tage bei den Fleischbänken", bei irgendeiner billigen Gelegenheit" anstehen, um Abfall, Schund, Bro­samen zu schnappen".

So vollzieht sich die seelische Zermürbung eines ganzen Volkes-; nicht eines ganzen, nur die des armen Volkes. Mit allen guten Gründen erinnert die Kinderfibel" an die psychologische Analyse und Rechtfertigung, die der Sohn eines Schriftstellers, mit Kinderstube und sorgsamer Er

ziehung, der Schilderung systematischer Diebstähle voranschickt, die er in halbflügger Jugend ver übte: Ich muß, damit wir nicht gar zu finster dastehen, nochmals betonen, daß wir gleichsam doppelt entschuldigt waren: nicht nur durch die biologische Krise unseres Alters, sondern mehr noch durch die Krise des Landes und des Erdteils, dessen Kinder wir waren."

Die Seele von Generationen ist bedroht. Einen tiefen Schachtblic in Abgründe, in Sehnsüchte, in Schreie der Not und des Widerstandes gewährt auch ein schmales( in der Hanseatischen Berlags­anstalt, Hamburg  , erschienenes) Bändchen: Stempelchronif". Bruno Relissen Hafen hat Schicksale von Arbeitslosen steno­graphiert, auf inappste Formeln gebracht: ,, Jmmer wieder solche, die mit sich selbst reden, auf der Straße. Das Leben aber geht seinen Gang weiter.. Um Gotteswillen, nur nicht den Zu­fammenhang verlieren!... In den Parks fizen Arbeitslose, den ganzen Tag und spielen Glücks­spiele zu Hause sind jetzt: der Vater, die Mutter, zwei Brüder, eine Tochter. Vom Auf­stehen über die Mahlzeiten weg bis zum Schlafen­gehen sind sie jezt nebeneinander. Jedes Gefühl, das in ihnen ist, erzeugt Ablehnung, Streit bis zum Haß.. Viele merden sich fremd durch das zu nahe Kennenlernen." Nach dieser Weise: einige hundert winzige und doch gigantische Lebensbilder.

Als Ergebnis dieses endlosen Leidensmarsches ergibt sich für Hafen eine graujame Voraussage: ,, Die heute Fünfjährigen werden ihre ersten, be wußten Eindrüde auch nicht überwunden haben, wenn sie fünfzehn und fünfundzwanzig Jahre alt geworden sind. Die heute Fünfzehn- bis Fünf­undzwanzigjährigen werden auch mit vierzig Jahren das gleiche Niveau haben wie jetzt. Vom Schicksal dieser wenigen Jahre wird auch unsere nächste und übernächste Generation abgestempelt; trauriges Wortspiel, aber traurige Wahrheit."

Käte Trümpener: Dein Fuß

Fußbeschwerden und Fußschmerzen mindern unser Gesamtbefinden und unsere Leistungsfähigkeit herab. Die Elastizität und Be­meglichkeit des ganzen Körpers hängt starf vom Zustand der Füße ab. Die Fußnerven find sehr empfindlich und stehen besonders in Beziehung zu den Kopfnerven.

Passendes Schuh werf( feine spige Form Schuhwert da diese die Blutzirkulation, besonders der Zehen unterbindet) ist gerade für den empfindlichen Fuß unbedingtes Erfordernis.

Der hohe Absa z legt nicht nur in besonders starkem Maße die Beweglichkeit des Fußes still, sondern er verschiebt auch den Schwerpunkt des Körpers nach vorn. Dadurch wird die Haltung im Streben nach Ausgleich häßlich und unnatürlich: die Knie werden nicht durchgedrückt, der Ober­förper hängt nach vorn über. Durch die Muskeln und Bänder der Unterleibsorgane entstehen Schädigungen, die die Gesundheit der Frau erheblich beeinträchtigen fönnen.

Was ist nun zur unmittelbaren Pflege und Stärkung des Fußes notwendig, besonders, wenn der Beruf( z. B. Straßenbahnführer, sehr viele Arbeitende im Fabritbetriebe usw.) durch langes Stehenmüssen Fuß- und Beinschmächen begünstigt? Achte darauf, daß du den Fuß richtig be= lastest: das Gewicht soll auf dem Ballen ruhen, besonders der Innenrand des Fußes darf nicht überlastet werden.

Denke daran, die Füße während deines Tage werks öfter einmal im Schuh zu bewegen. Wenn du sitt, überkreuze die Füße, um sie wirf­lich auszuruhen, und setze die Außenkante auf.

Wenn du gehst, so versuche, den Fuß auch wirf lich abrollen zu lassen. Geh nicht nur aus dem Knie heraus, sondern laß das ganze Bein von der Hüfte an an der Gehbewegung teil­nehmen. Je mehr du die Sehnen und Muskeln bewegst, um so fräftiger und leistungsfähiger werden sie.

Die Erfahrung lehrt, daß der Fuß gymnastisch sehr gut zu beeinflussen ist. Schmerzen und schnelles Ermüden lassen sich auf dem Wege der Uebung sehr wohl beheben; Fuß fehler- wie Platt, Spreiz- und Knidfuß und ihre milderen Formen wesentlich verbessern.

1. Uebung zur Kräftigung des ganzen Fußes und gegen Plattfußbeschwerden:

Stelle im Sigen die nackten Füße nebenein­ander auf den Boden, mölbe den Fuß rüden hoch und strede ihn wieder Wenn du die gleiche Uebung stehend und auch gehend ausführst, fo wird die Wirkung erhöht. Ein durch kräftige Muskeln und Sehnen gestütztes fo wird die skeln die Birkung erhöht.

Fußgewölbe kann ohne Beschwerden die Last des ganzen Körpers tragen Auch ein Gehen auf dem äußeren Fußrand ist zu emfehlen.

2. Uebung für Fuß und Fußgelenk:

a) Stelle die Ferse auf und ziehe mit den 3ehen kräftig zum Schienbein hin, dann wechseln: Ferse hochziehen, mit den 3ehen( Füßfpiße) energisch zum Boden streben.

b) Bewege die Fußspize start nach links und rechts; beschreibe alsdann kleine Kreise nach innen und außen.

Wenn lebung a) und b) im Liegen mit fent­recht aufgerichteten Beinen ausgeführt werden, so erstreckt sich die Wirkung auch auf die Bein­muskulatur.

Beachte bei allen llebungen: Füße wechseln, Dauer allmählich steigern, gewissenhaft üben, aber nicht übertreiben! Regelmäßige An= wendung Don nur einer dieser lebungen ist schon von Nugen.( Ent­spanne die Füße nach dem leben durch lockeres Schütteln.)

Greifübungen mit den Zehen, Klopfen des Fußes und besonders des Zehansazes mit der Faust( aus loderen Armgelenten), Reiben der Füße zwischen den Händen bewirken Abhärtung, eine gesunde Durchblutung und Belebung der Fußnerven.

-

Bei Fußwaschungen wende man ab und zu Wechselbäder( bis über die Knöchel gehend) an: 3 Minuten heiß ½ Minute talt, talt ab= schließen. Zusaz von Kochsalz( etwa ½ Tassen­topf auf 5 Liter) oder etwas Soda belebt und fräftigt und entzieht dem Fuß die Säuren, die die lästige Hornhautbildung verursachen. Ab­schließend vergiß nicht, die Füße einzuölen.

DER QUALITÄTS- STRUMPF DER

SALAMANDER A.G.  

Der Strumpf, der nur in erster Wahl verkauft wird!

Also fehlerfrei, eine Masche wie die andere,

besonders haltbar, elastisch und dabei sehr billig!