Landtagsunluft der Nazis
Ueber Kirchen- und Schulfragen soll im Landtag nicht geredet werden
Auf gutes Zureden hat der Landtags. präsident Kerri sich dazu verstanden, menigstens am Donnerstag den eltestenrat zusammenzuberufen. Dabei ist denn auch flargeworden, warum er damit gezögert hat. Es stedten feine hochpolitischen Gründe dahinter: die Nationalsozialisten beabsichtigten, am Abend des Donnerstags in einer größeren Weihnachtsfeier ihren politischen und agitatorischen Kummer zu vergessen und wollten deshalb am Donnerstag nur bis 5 Uhr und am Freitag erst ab 1 Uhr tagen. ( Sie sagten, sie hätten am Freitagvormittag eine außerordentlich wichtige Fraftionssigung.) Der dadurch beengten Zeit wegen haben sie die An= träge zu Kirchen und Schulfragen im Einverständnis mit dem Zentrum von der Beratung in diesem Tagungsabschnitt ausge schlossen. Worauf denn der Kommunist Rasper hinter diesem Berzicht( mit Rücksicht auf die Weihnachtsfeier) eine neue Teilaktion der Regierungsbildung witterte: die Absetzung der Kirchen und Schulfragen beweise klar, daß die Nationalsozialisten sich bereits völlig unter Zentrumsdiftat gebeugt hätten. Die Nationalfozialisten zogen es vor, auf diesen Vorwurf nicht au antworten, dieweil sie feinen Wert darauf legten, den wirklichen Zusammenhang näher zu erläutern. Aber sie nahmen die Anklagen Kaspers mit um so verständnisinnigerer Heiterkeit auf, als sie nach dem neuesten Korb von Hugenberg mit ihren Regierungsverhandlungsfünften mieder einmal völlig am Ende sind.
In der somit nicht allzu lang ausgedehnten Donnerstagfizung fam es zunächst zu einer Debatte über Bergmertsstillegungen.
Genoffe Bogt- Bochum zeigte an dem BeiIpiel der Zeche Sachsen bei Hamm , wie wenig die kapitalistische Zerstörungswut gegenüber wertvollen Produktionsanlagen und Arbeitsplätzen mit Produktivität und Rentabilität zu tun hat.
Lediglich die Augenspekulation zwischen der Mansfeld A.-G., Otto Wolff und der Familie Haniel haben zu dem Plan geführt, die Quote dieser technisch und wirtschaftlich gleich hervorragenden Zeche auf die Hanielschen Befizungen am Niederrhein zu übertragen. Mit Dollem Recht legte der Landtag dagegen Verwahrung ein.
Das nächste Verhandlungsthema war eine von der Sozialdemokratie beantragte ilfsaftion
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für die Privatschiffer auf der Ober. Sie gab dem Nazi Germanen Adam. czyt Veranlassung, eine Nazimusteragitations. rede Schema F zu halten: 13 Jahre lang habe die Sozialdemokratie regiert, habe liberalistischtapitalistisch die Wirtschaft ruiniert und jetzt be
recht mit der Bemerkung, daß es völlig ausfichtslos ist, einen dieser geiffig minderwertigen Naziagitatoren mit ihren einstudierten Hezphrasen über die Zusammenhänge der wirtschaftlichen Wirklichkeit aufklären zu wollen. So beschränkte sich Genosse Simon auf eine mirtungsvolle Zusammenstellung dessen, was in den Jahren sozialdemokratischer Mitregierung gerade auch für die Oberschiffahrt ge= leistet ist, von der großen Odertalsperre bei Ottmachau an bis zur neuen Oderbrüde bei Neusalz .
Ein gleiches Maß von Unwissenheit wie hier die Nazis, mußten bei dem nächsten Tagesordnungsgegenstand die Kommunisten an den Tag legen. In Ostfriesland bestehen seit Jahrhunderten uralte, völlig überholte, sehr verwickelte Pachtverhältnisse. Wiederholt hat der Landtag eingegriffen, den Bachtbauern zu helfen, aber die Verschlechterung der allgemeinen Wirtschaftslage hat sie in immer neue Nöte gestürzt. Nun tamen die Retter: Am 28. November nahmen Nazi und Kozi im Landtag ein Gesez an, das alle rüdständigen Pachtzinsen einfach strich. Herrliche Radikalfur! Nur nußt sie den Pachtbauern nichts, weil ein solches preußisches Gefezz gegen Reichsverfassung und Reichsrecht verstößt!
Die Nazis hatten das inzwischen fapiert und fich vor Erlaß auf die juristisch mögliche und durchfegbare Stundung zurüdgezogen. Aber die Kommunisten tobten weiter und beschimpften alle wegen Feigheit und Verrat, die nicht nach ihrem Willen ein neues ungültiges Gesek ber schließen wollten. Gerade in diesem ungültigen Gesetz fand der Kommunist Rau einen Bemeis der wachsenden revolutionären Kraft des Proletariats,
während Genoffe Bubert in einer ausgezeichnet flaren Rede das Fassen ungültiger und tech'sunwirksamer Beschlüffe vielmehr für einen Beweis der geifflofen und leichtfertigen Schluderarbeit der Hakenkreuz- Sowjefftern- Mehrheit anjah.
Aber nachdem heute ein kommunistischer Abgeordneter der Welt verkündet hat, Marrismus sei, daß die Arbeiter raubten und plünderten, was ihnen fehlt, darf man sich ja wohl über nichts mehr wundern.
Am Freitag stehen die Kulturanträge auf der Tagesordnung, soweit sie sich auf Theater, Rundfunt und allgemeine Fragen beziehen. Dann will der Landtag bis zum 17. Januar in die Weihnachtsferien gehen.
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Reichsrat ohne Amnestie Stellvertretungsgesetz rechtskräftig
Die Bollfizung des Reichsrats am Donnerstagabend leitete zum ersten Male der neue Reichsinnenminister Dr. Bracht. Er stellte sich dem Reichsrat mit einer furzen Ansprache vor, auf die Ministerialdirektor Dr. Brecht ermiderte.
Der Reichsrat beschäftigte sich dann mit dem Dom Reichstag beschlossenen Stellper tretungsgesetz. Wie der Berichterstatter, der preußische Ministerialbirettor Dr. Babt mitteilte, mar schon vorher in den Ausschüssen der Vorteil der neuen Regelung gegenüber dem früheren Zustand eingehend erörtert worden: früher mar der Reichstanzler Stellvertreter des
fchmare fie fich noch über die Folgen ihrer eigenen Schmähung einer Toten Reichspräsenten und bei längerer Berhinderung
absoluten Untätigkeit. Dem guten bamcanf paffierte dabei in feiner völligen Ahnungslosigkeit das Malheur, daß er die Sozialdemokratie per antwortlich macht für das Großwerden jüdischer Kohlenhandelsfirmen wie Cäsar Wollheim . Das ist ungefähr so gescheut, mie wenn man be. haupten wollte, die Sozialdemokratie habe Bleichröder großgemacht; denn die Glanzzeit von Bleichröder und Cäsar Bollheim fällt genau in die gleiche Zeit, in den Anfang der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts, in die ersten Gründerjahre des geeinten Deutschland .
Uber Genoffe Simon- neufalz und der Zentrumsabgeordnete Sawahfi hatten schon
Wir veröffentlichten gestern einen Brief, ben der Reichstagsabgeordnete Genoffe Wilhelm Ditt mann an die..Dammert- Korrespondenz"( Deutscher Presseverlag Dr. R. Dammert) gerichtet hat. Herr Dr. Rudolf Dammert bittet uns, festzustellen, daß die Serie, die die Berleumdung unferer verstorbenen Genossin Luise Zieg enthält, nicht in den von ihm herausgegebenen Pressediensten erschienen ist, sondern in dem von Herrn Dr. Hugo Buschmann geleiteten De utschen Presseverlag Dr. R. Dammert", mit dem Herr Dr. Rudolf Dammert nichts zu tun hat.
mar ein Reichsgefes notwendig. Es habe also Die Gefahr bestanden, daß in einem Augenblid, wo der Reichstag nicht persammelt war, eine Notverordnung hätte gemacht werden müssen. Jegt sei für alle Fälle vorgesorgt, indem der Präsident des Reichsgerichts als Stellpertreter eingesetzt sei. Gegen menige Stimmen beschloß der Reichsrat, gegen dieses Initiatingefez teinen Einspruch zu erheben.
Auch das vom Reichstag beschlossene Gesetz, das die sozialpolitische Ermächtigung ber Reichsregierung in der Rotverordnung vom 4. September wieder aufhebt, wurde mit der Maßgabe vom Reichsrat endgültig verabschiedet,
daß das Gesetz mit dem Tage der Verkündung in Kraft treten soll.
Weiter nahm der Reichsrat eine neue Finanzgerichtsordnung an. Ein Entmurf dafür mar schon am 1. Februar vorgelegt worden. Inzwischen hatte sich jedoch die Not menbigkeit herausgestellt, die Reichsabgabenorbnung in einigen Punkten zu ändern. Die Be fegung der Bewertungsausschuüsse mit sieben Mitgliedern, und zwar zwei Reichsbeamten, einem Landesbeamten und vier ehrenamtlichen Mitgliedern, hatte zur Bildung zu großer Ausschüsse geführt. Jegt wird die Möglichkeit geschaffen, die Zahl der Ausschußmitglieder auf fünf herab. zusetzen.
Unveränderte Annahme fand auch eine Verordnung über die Zerlegung der Einheitsmerte und über die Verlängerung der Geltungsdauer Don Vorschriften des alten Reichsbewertungs. gefeges.
Zum Schluß fündigte Minister Dr. Bracht die nächste Bollfigung des Reichsrats für Dienstag nachmittag 5 Uhr an. Er fügte hinzu, er nehme an, daß bis dahin die Frage des Amnestie geseges innerhalb des Reichsrats geflärt fei.
Ein Fahnenflüchtiger. Nach einer Mitteilung an die Presse hat der Landrat des Kreises Bun z Iau, Köhne, seinen Austritt aus der Sozial. demokratischen Partei erklärt.
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