Abend- Ausgabe
Nr. 598 B 291 49. Jahrg.
Redaktion und Berlaga Berlin SW 68, Lindenstr. 3 Fernsprecher 7 Amt Donhoff 292 bts 207 Telegrammabreffe: Sozialbemotrat Berlin
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BERLINER
VOLKSBLATT
DIENSTAG
20. Dezember 1932
Jn Groß Berlin 10 Pf. Auswärts...... 10 Pf. Bezugsbedingungen und Anzeigenpreise fiehe Morgenausgabe
Abbau
verschwunden
Die neue politische Notverordnung des Kabinetts Schleicher ist heute mittag veröffentlicht worden. Sie räumt zunächst einmal die vorhergehenden Notverordnungen beiseite und ersetzt sie durch eine einheitliche Notverordnung. Das ist ein formaler Fortschritt. Aufgehoben sind damit: die Bestimmungen über die Auflösung von Versammlungen, die Ermächtigung für den Reichsinnenminister zur Einschränkung der Demonstrationsfreiheit, die Bestimmungen über Zeitungsverbote, Auflagenachrichten, militärähnliche Verbände, die Kannbestimmung über beschränkte Uniformverbote. Aufgehoben ist die Notverordnung über die Sondergerichte mit ihren drakonischen Strasbestimmungen.
Damit find wesentliche Requisiten des Bapen- Kurses und des fommissarischen Regiments in Preußen zur Bedrückung des öffentlichen Lebens beseitigt. Größere Freiheit von Versammlung und Presse, Auf hebung der Sondergerichte das ist das wesentlichste.
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Es handelt sich jedoch nicht um die völlige Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Freiheiten. Die neue Verordnung enthält Fußangeln gegen das Vereinsrecht und die Pressefreiheit, die in der Hand der Verwaltung bleiben. Die obersten Landesbehörden erhalten das Recht, Vereine aufzulösen, deren Zweck den Hochvorratsparagraphen des Strafgesetzbuches oder den Bestimmungen gegen Geheimbündelei zuwiderläuft. Zeitungsver= bote sind fünftig zulässig bei Hochverrat oder Landesverrat.
Man muß in diesen Bestimmungen eine Auswirkung der Drohung erblicken, die Herr von Schleicher gegen die KPD. gerichtet. Es ift fein Zweifel, daß mit Hilfe dieser Be= stimmungen und der Rechtsprechung des Reichsgerichts die kommunistische Presse und Organisation ganz der Willkür der Bermalfung ausgeliefert werden könnte. Selbstverständlich gelten diese Bestimmungen allgemein, also auch für die Nationalsozialisten - aber die beschwören bekanntlich ihre Legalität, troẞ Handgranaten, Sprengbomben und Tränengas.
Gleichzeitig mit der Bekanntgabe dieser neuen Notverordnung wird darauf hingewiesen, daß eine weitere politische Notverordnung mit drakonischen, in ihrer Lückenlosigkeit unübertreffbaren Beftimmungen fertig in der Schublade Schleichers liege. Im Gegensatz zu der Schubladengeschichte Hitlers ist diese unverhohlene Drohung ernsthaft. Die Aufhebung der bisherigen Notverordnungen und die neue Notverordnung darf daher nicht ge= wertet werden als Willensausfluß einer demokratischen Regierung, die restlos zu den verfassungsmäßigen Freiheiten zurückkehren mill, sondern als eine neue These präsidialer Dittatur. Sie gibt nicht Freiheit schlechthin, sondern Freiheit mit drohend gezücktem Revolver.
Es steht dahinter der Gedanke: was helfen Paragraphen? Wo die Macht ist, da kann jederzeit ein Höchstmaß staatlicher Repression eingesetzt werden gegen alle, die der Macht unbequem werden.
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Aufhebung der Sondergerichte, Lockerung des Presse- und Versammlungsknebels aber wir warten ab, wie die Pragis. aussehen wird! Denn die Braftifer der Berwaltung, ganz besonders jetzt in Breußen, find für uns nicht vertrauensmürdig!
Die politische Notverordnung, durch die die Notverordnungen gegen politische Ausschreitungen vom 15. und 28. Juni, sowie die Notverordnung über Sicherung des inneren Friedens vom 9. August, sowie die zugehörige Ausführungsverordnung abgeändert werden, sowie die Bestimmungen, die an Stelle des abgelaufenen Republikschuhgesetzes treten, wurde am Dienstag veröffentlicht. Die Notverordnung heißt:
Verordnung des Reichspräsidenten zur Erhaltung des inneren Friedens
vom 19. Dezember 1932.
Sie regelt in 19 Paragraphen die gesamte Materie neu. Gleichzeitig mit der Notverordnung, die im Reichsgesehblatt zweieinhalb Seiten umfaßt, veröffentlicht die Reichsregierung eine Ertlärung, in der sie darauf hinweist, daß die Milderung der politischen Ausnahmebestimmungen ihren Zweck verfehlen würde, wenn nunmehr die Hetze und die Gewalfatte andauern sollten. Für diesen Fall werden neue Maßnahmen angekündigt. Die Notverordnung stellt die politischen Freiheiten nur zum Teil wieder her. Sie enthält eine Reihe von Uebergangsbestimmungen, durch die festgelegt wird, wie mit Personen zu verfahren ist, die nach den alten Bestimmungen bestraft worden sind usw.
Als wichtigste neue Bestimmung bringt die Notverordnung einen verstärkten Schuh der Persönlichkeit des Reichspräfidenten. Außerdem werden die Bestimmungen gegen die Verächtlichmachung des Reiches, der Länder, der Staatsform, der Flaggen übernommen, sowie neu ein besonderer Schuh der Wehrmacht eingeführt.
Weiter fallen die Sondergerichte fort. Die Versammlungs- und Pressefrei
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Das Hakenkreuzbanner mit ,, Laial fann man in der Friedrichstraße sehen, und zwar gerade an dem Hause, in dem sich die Reichspropagandaftelle der NSDAP . befindet.
heit wird wieder hergestellt. Als Berbotsgründe für Zeitungen bleiben aber Hochverrat und Landesverrat bestehen. Die Polizei darf fünftig ouch weiter polifische Beauftragte in Bersammlungen entsenden. Bestehen bleibt weiter das Recht der zuständigen Stellen, hochverräferische Vereine und Organisationen aufzulösen.
Der Wortlaut
Die neue Verordnung des Reichspräsidenten zur Erhaltung des inneren Friedens hat folgenden Wortlaut:
Auf Grund des Artikels 48 Abs. 2 wird folgendes verordnet:
Abschnitt I. Aufhebung von Vorschriften gegen politische Ausschreitungen.
§ 1.
Folgende Vorschriften treten außer Kraft: 1. Die Verordnung des Reichspräsidenten gegen
fösung einer Versammlung nicht sofort entfernt, wird mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark bestraft.
§ 3.
1. Sofern der 3 med eines Vereins den §§ 81 bis 86, 127 bis 129 des Strafgesetzbuches zuwiderläuft, sind für seine nach§ 2 Abs. 1 des Reichsvereinsgesetzes zulässige Auflösung die obersten Landesbehörden oder die von ihnen bestimmten Stellen zuständig.
2. Gegen die Anordnung der Auflösung eines Vereins ist binnen zwei Wochen vom Tage der Zustellung oder Veröffentlichung ab die Be= schwerde an einen vom Präsidenten zu bestimmenden Senat des Reichsgerichts gegeben. Die Einlegung der Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung.
3. Die Beschwerde ist bei der Stelle einzureichen, gegen deren Anordnung sie gerichtet ist. Diese hat sie unverzüglich der obersten Landesbehörde vorzulegen. Hilst diese der Beschwerde nicht ab, so hat sie fie unverzüglich an den Reichsminister des Innern weiterzuleiten. Der Reichsminister des Innern kann der Beschwerde abhelfen; anderenfalls hat er sie unverzüglich dem
In der verfassungsrechtlichen Streit tages gegen den Preußischen Landtag , angestrengt sache der sozialdemokratischen Fraktion gegen den Präsiden= ten des Preußischen Landtags Landtags verkündete
Reichsgerichtspräsident Dr. Bumke namens des Staatsgerichtshofes für das Deutsche Reich am Dienstagmittag folgende Entscheidung:
,, Nach Artikel 17, Absatz 3 Sat 2 der preußischen Verfassung durfte der Präsident des Preußischen Landtages auf Verlangen der sozialdemokratischen Fraktion vom 3. August 1932 den Landtag nicht erst am 30. August einberufen."
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politische Ausschreitungen vom 14. Juni 1932 ( Reichsgesetzblatt I S. 297) mit Ausnahme der §§ 22 bis 26.
2. Die zweite Verordnung des Reichspräsidenten gegen politische Ausschreitungen vom 28. Juni 1932 ( Reichsgejezblatt I S. 339).
3. Die Verordnung des Reichspräsidenten gegen politischen Terror vom 9. August 1932( Reichsgesetzblatt I S. 403).
4.§ 2 der Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung des inneren Friedens vom 2. November 1932( Reichsgesetzblatt I S. 517).
Abschnitt I!
Vereine und Versammlungen.
§ 2.
1. Die Polizeibehörde ist befugt, in jede öffentliche Versammlung Beauftragte zu entsenden.
2. Die Beauftragten haben sich unter Kundgebung ihrer Eigenschaft dem Leiter oder, solange dieser nicht bestellt ist, dem Veranstalter der Verjammlung zu erkennen zu geben.
3. Den Beauftragten rauß ein angemessener Blaz eingeräumt werden.
4. Wird die Zulassung der Beauftragten verweigert, fo fann die Versammlung für aufgelöst erklärt werden.
5. Wer als Beranstalter oder Leiter einer VerSammlung den Beauftragten der Polizeibehörde die Einräumung eines angemessenen Blazes ver meigert oder mer fich nach Erklärung der Auf
mit dem Ziele, die erfolgte Umgestaltung des§ 20 der Geschäftsordnung des Preußischen Landtags ( Wahl des Ministerpräsidenten betreffend) für verfassungswidrig
erflären, verändete Reichsgerichtspräsident Dr. Bumle namens des Staatsgerichtshofes für das Deutige Reich am Dienstag folgende Entscheidung: Die Anträge werden zurückgeniejen!
Die Abänderung des 2. Satzes des Absages 2 des§ 20 der Geschäftsordnung des Preußischen Landtages , wonach eine Stichwahl bei der Wahl des Ministerpräsidenten nicht mehr zulässig ist, ist demnach vom Staatsgerichtshof als der Verfassung entsprechend bezeichnet worden.
Senat des Reichsgerichts zur Entscheidung vorzulegen. Gegen eine Entscheidung des Reichsministers des Innern, die der Beschwerde abhilft, tann die oberste Landesbehörde die Entscheidung des Senats des Reichsgerichts anrufen.
4. Der Reichsminister des Innern kann die oberste Landesbehörde um die Auflösung ersuchen. Glaubt die oberste Landesbehörde einem solchen Ersuchen nicht entsprechen zu können, so teilt sie dies unverzüglich, spätestens aber am zweiten Tage nach Empfang des Ersuchens, dem Reichsminister des Jr.nern mit und ruft innerhalb der= selben Frist die Entscheidung des Senats des Reichsgerichts an. Erklärt dieser das Verbot für zulässig, so hat die oberste Landesbehörde dem Ersuchen sofort zu entsprechen. Einer Beschwerde gegen eine auf Ersuchen des Reichsministers des Innern angeordnete Auflösung kann die oberste Landesbehörde nicht abhelfen.
§ 4.
1. Wird ein Verein, weil sein Zweck den§§ 81 bis 86, 127 bis 129 des Strafgesetzbuches zu= widerläuft, aufgelöst, so kann sein Vermögen zugunsten des Landes beschlagr.ahmt und eingezogen werden.
2. Zur Vermeidung von Härten kann das Land aus dem eingezogenen Vereinsvermögen Gläu biger des Vereins befriedigen.
§ 5.
Wer sich an einem Verein, der megen eines den§§ 81 bis 86, 127 bis 129 des Strafgesetz