Nr. 214.

=

Erscheint täglich außer Montags. Abonnements Preis pränum.: Vierteljährlich 3,30 Mt., monatlich 1,10 Mart, wöchentlich 28 Pfg. fret ins Haus. Einzelne Nummer 5 Pfg., Sonntags Nummer mit illuftrirter Sonntags- Beilage ,, Die Neue Welt" 10 Pfg. Post- Abonnement: 3,30 Mt. pro Quartal. Unter Kreuzband für Deutschland n. Desterreich Ungarn 2 Mart, für das übrige Ausland 3 Mart pro Monat. Eingetragen in der Post Beitungs- Preisliste für 1896 unter Nr. 7277.

Vorwärts

13. Jahra.

H

Insertions Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pfg., für Vereins- und Versammlungs- Anzeigen 20 Pfg. Inserate für die nächste Nummer müssen bis 4 Uhr nachmittags in der Erpedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochentagen bis 7 Uhr abends, an Sonn- und Fest­tagen bis 9 Uhr vormittags geöffnet. Hernsprecher: Amt I, nr. 1508, Telegramm Adresse: " Sozialdemokrat Berlin".

Berliner Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Die politische Erffarrung in Italien .

Von Professor Enrico Ferri . 11.

Sonnabend, den 12. September 1896. Expedition: SW. 19, Benth- Straße 3:

"

-

Idem auch sei, die Prophezeiung der sozialistischen Bartei| Es ist seit langem üblich, daß die Kronprinzen von hat sich unglücklicherweise auch hier erfüllt. Wir hatten der offiziellen und offiziösen Presse als Muster liberaler, aus den Gründen, die in meinem Briefe an fortschrittlicher und wahrhaft moderner Gesinnung gepriesen den Vorwärts" vom 9. März zusammengefaßt werden...; ist es doch gar zu wichtig, die Sympathie und die sind, stets die völlige Aufgabe der Erithräischen Aufmerksamkeit des Volkes für den künftigen Herrscher zu Von entscheidender Wichtigkeit für das politische Leben Kolonie gefordert, da wir voraussahen, daß sich gewinnen! So hat man denn nicht versäumt, von dem er habe Italiens ist weiterhin die Frage des Militäretats, der tag- anderenfalls fortwährend Anlaß oder Vorwand zur italienischen Kronprinzen zu berichten, täglich für Armee und Kriegsmarine eine volle Million Fortführung einer Unternehmung finden würde, die den übrigens ganz insgeheim und ohne jegliche Rundgebung nach Franks verschlingt und eine der Hauptursachen der wirth- militärischen Ehrgeiz einer Monarchie zu sehr tigelt, um außen seinen Einfluß dahin geltend gemacht, Crispi nach schaftlichen Erschöpfung Italiens bildet. Nach dem Sturze selbst dann aufgegeben werden zu können, wenn sie als der Niederlage von Abba Carima zur Verabschiedung zu des Ministeriums Crispi wurde dem General Ricotti die Handelsunternehmung ihre gänzliche Aussichtslosigkeit und zwingen. Bildung des neuen Ministeriums übertragen, dessen Vorsiz Unfruchtbarkeit erwiesen hat. Wenn man indessen von allem mehr oder minder Rudini erhielt. Ricotti, der sich das Kriegsministerium Aus alledem ergiebt sich, daß die Dinge je mehr sie höfischen Geklatsch absieht, zeigt sich der italienische Kron vorbehalten, machte einige Reformvorschläge bezüglich der wechseln, desto weniger sich verändern"; und daß dieser Zu- prinz, der bei seinen 27 Jahren noch nicht die geringste Militärorganisation, die eine große Opposition im Senate stand andauern wird, bis die sozialen Zustände Europa's und öffentliche Bethätigung von belang zu verzeichnen hat, als hervorriefen, da sie der herrschenden Feindschaft gegen die politische Organisation des internationalen Proletariats eine das Mittelmaß in keiner Hinsicht überragende jede politische Fortentwickelung zuwider liefen und ihn die historische Reife gewonnen haben und auch Italien auf Persönlichkeit. zum Rücktritt zwangen, bevor seine Vorschläge in eine neue Bahn neue Bahn wirthschaftlicher und gesellschaftlicher Das Ergebniß unserer Ausführungen ist, daß wir der Kammer der Abgeordneten überhaupt nur diskutirt Wiedergeburt führen. angesichts des konservativen Geistes, welcher trotz aller worden waren. und aller Lehren ber Er Und diese ministerielle Krise, welche trotz Die politische Bewegungslosigkeit, welche ich oben Ministerwechsel durch kein Votum der Kammer hervorgerufen war, und durch einige besonders schlagende Beispiele illustrirt habe, fahrung jede Monarchie beherrscht, und angesichts welche mit dem General Ricotti auch die Minister ist indeß in letzter Zeit nicht ohne eine scheinbare Ausnahme der Aussichten auf die Zukunft keinen Anlaß haben, der Finanzen und der öffentlichen Arbeiten, die einer Politik geblieben: ich meine die Verlobung des Kronprinzen von anzunehmen, daß die politische Bewegungslosigkeit durch der Sammlung und der Sparsamkeit zugeneigt waren, talien mit der Prinzessin Helene von Montenegro, welche die herrschende Klasse oder durch die Leiter des ihres Portefeuilles beraubt hatte, ist gleichfalls eines Thatsache eine gewisse Bedeutung erlangt durch das jüngst öffentlichen Lebens Modifikationen erfahren werde. Werden der Symptome jener greisenhaften Lähmung der italienischen aufgetauchte Gerücht, demzufolge der König Humbert im dahinwirkende Einflüsse in näherer oder fernerer Zukunft von Politit, durch welche sie jegliche Fähigkeit zu einer Aenderung Begriff gewesen sein soll, abzudanken, um nicht den Frieden der Arbeiterklasse, vom Bolte selbst ausgehen? ihrer Richtung verloren hat, und schließlich an gänzlicher mit König Menelik unterzeichnen zu müssen, ein Gerücht, Die Beantwortung dieser Frage wollen wir einem anderen anämischer Erschöpfung zu grunde gehen muß. Sie hatte zur welchem zwar das Dementi auf dem Fuße folgte, das Artikel vorbehalten, welcher die Bedeutung einiger im Folge, daß das Ministerium sich noch mehr der extremen Rechten aber das Sprichwort: Wo Rauch ist, da ist auch Feuer," italienischen Boltsleben auftauchender Symptome era näherte, d. h. der konservativen und selbst reaktionären bestätigen dürfte. örtern soll. Großgrundbesitzer- Partei. Das neue Kriegsministerium steht Die Heirath eines Kronprinzen hat ihre private Seite nunmehr im Begriff, eine Vermehrung des Militäretats und ihre Gefühlsseite: mit diesen will ich mich selbstver­vorzuschlagen, während der Finanzminister neue Steuern ständlich nicht beschäftigen. Sie hat aber auch ihre Berlin , 11. September. ankündigt, stets wieder das nämliche Allerwelts Heil- politische Seite. Sie berührt die öffentlichen Inter - Zum Untergang des Iltis". Alle mögliche Mühe mittel, durch das man die Erschöpfungskrise, welche essen, welche bie internationale Preffe in den haben sich die offiziösen Federn gegeben, um glaubhaft zu in Italien wie in den anderen europäischen Staaten letzten Tagen eingehend erörtert hat, eingehend erörtert hat, als sie die machen, daß der Iltis" ein vollkommen seetüchtiges Schiff müthet, die aber in Italien eine weit geringere Wider Beziehungen zwischen Montenegro und Rußland gegenüber gewesen sei und somit die Marineverwaltung nicht die ge standskraft vorfindet, heilen zu können glaubt. Italien und dem Dreibund behandelte. Indessen hat ringste Schuld am Untergang des Schiffes und der zahl­Was weiterhin die afrikanische Frage angeht, der das diese Art von Ereignissen nach Anschauung der zeit- reichen Menschenleben, die ihm anvertraut wurden, treffe. Ministerium Rudini seine Existenz verdankt, so beginnt genössischen Presse an Wichtigkeit viel verloren; man Nunmehr hat aber die„ Deutsche Warte" aus dem Buche man schon die alte Politik ganz unverhohlen wieder auf ist zu der Erkenntniß gekommen, daß die Ge Weltreise" des Generals v. Korff eine Stelle aus zunehmen oder vielmehr fortzusehen, ohne aus der jüngsten schicke der Völker weder durch den individuellen gegraben, die mit diesen offiziösen Versicherungen bedenklich Vergangenheit die schrecklich ernsten Lehren zu ziehen. Seit Willen der Herrscher noch durch ihre Familienverhältnisse tollidirt. Herr v. Korff schreibt im zweiten Bande Japan , einiger Beit gehen neue Truppensendungen in die afrikanische bestimmt werden, und so erklärt es sich, daß das italienische China ", G. 43/44 folgendes unterm 9. August 1893, also Rolonie; gerüchtweise verlautet, es handle sich hier um Spezial- Volt sich für jene Verlobung wenig interesfirt, die nur in der fast genau drei Jahre vor der Ratastrophe: truppen, die zum Versuche der Bildung eines Kolonialhe eres italienischen und außeritalienischen offiziellen Welt einiges" Ich machte dem Fltis" meinen Besuch und fand dort den oder aber zum Bau einer Eisenbahn bestimmt seien. Wie Aufsehen erregt. Kommandanten der österreichischen Fregatte, der in großer Gala

Rienzi.

71] Der letzte der römischen Volkstribunen. Roman von Edward Lytton Bulwer .

Politische Webersicht.

es unmöglich zu sagen, in wiefern er der sich selbst Täuschende Charaktere oder der bedeutsamen Wichtigkeit ihres Berufes war, oder in wiefern er zu Zeiten andere zu täuschen wagte. in Einklang bringen läßt. Dieses war auch ein Zug in In seinen Zeremonien und Aufzügen, selbst an seiner dem Temperament Rienzi's. Er überließ sich ihm in Als wolle er beweisen, daß er nicht blos die niederen Kleidung, erschienen fortwährend mystische Insignien und seinen Erholungsstunden, und er trug allerdings mit zu irdischen Leidenschaften zu befriedigen trachte, behauptete der Zeichen. In Zeiten der Gefahr erklärte er öffentlich, durch jener wunderbaren Gewandtheit bei, mit der er sich in alle Tribun mitten in dieser Pracht, wenn die Tafel sich beugte überirdische Eingebungen ermuthigt und geleitet worden zu Stimmungen und in alle Menschen zu finden wußte. Oft unter den Leckerbissen aus allen Ländern, wenn der Wein sein, und da bei vielen Gelegenheiten die prophetischen ging er von seinem strengen Gerichtshofe als ein ganz an am reichlichsten strömte, eine mäßige und selbst strenge Warnungen, die er verkündigte, auf wunderbare Weise durch derer Mann an eine gesellige Tafel, und selbst die stolzen Enthaltsamkeit. Während die Staatszimmer und die den Erfolg bestätigt wurden, so ward sein Einfluß auf das Barone, die bisweilen widerstrebend seinen Festen beis Wohnung seiner Gemahlin reich geschmückt waren, hatte er Volk noch vermehrt durch den Glauben an die Gunst und wohnten, vergaßen seine öffentliche Stellung in den Ers in feinen eigenen Zimmern denselben Hausrath bringen die Offenbarung des Himmels, deren er gewürdigt werde. güssen seines unterhaltenden Wizes, wenn dieser auch sich Lassen, an den er in seinem frühern Leben sich gewöhnt. So mochte wohl Selbsttäuschung ihn verführen und ver- nicht immer enthalten konnte, seinen Gegenstand in der Die Bücher, die Büsten, die Antiken, die Waffen, die ihn anlassen, auch andere zu täuschen; und er machte sich viel Demüthigung seiner darniedergebeugten Feinde zu suchen, früher mit den Bisionen der Vergangenheit begeisterten, leicht kein Gewissen daraus, den Vortheil, wenn er sich ein Vergnügen, welches er sich zu versagen weiser und edels waren mit Erinnerungen verknüpft, die er sich bewahren barbot, zu benußen, um das zu scheinen, wofür er sich müthiger gehandelt haben würde. Vielleicht war es auch wollte. selbst wirklich hielt. Diese berauschende Leichtgläubigkeit theilweise das Hingeben an diesen sarkastischen und unges Aber was den sonderbarsten Zug in seinem Charakter jedoch veranlaßte ihn zu überspannten Handlungen, die zügelten Humor, welches ihn oft eben so sehr wünschen bildet und noch jetzt alles um ihn her in ein gewisses eines vernünftigen Geistes unwürdig sind, die in einem ließ, andere in Erstaunen zu sehen, als ihnen Ehrfurcht Dunkel hüllt, war seine religiöse Begeisterung. Die kühnen, seltsamen Gegensatz zu seinem sonstigen ruhigen Benehmen zu gebieten. Aber selbst diese Lustigkeit, wenn sie so ges aber wilden Lehrfäße des Arnold von Brescia , der mehrere standen, und ihn seine geringen Mittel in der kühnen Vor- nannt werden kann, trug viel dazu bei, indem sie ihm den Jahre zuvor eine Reformation, mit Mystizismus verseßt, aussehung überschätzen ließen, daß, wenn sie nicht mehr aus Schein vertraulicher Offenheit gab, ihn bei den untern gepredigt hatte, hafteten noch in Rom und hatten auf Rienzi reichten, Gott selbst als Bermittler eintreten werde. Cola di Volksklassen beliebt zu machen, und wenn man sie als einen in seiner Jugend großen Eindruck gemacht, und feine Neigung Rienzi war fein fehlerloser Romanheld. In ihm lagen Fehler des Oberhauptes rügen mußte, so war sie eine zu träumerischem Nachdenken, der unglückliche Tod seines die reichsten und die widersprechendsten Elemente des Tugend des Demagogen. Bruders, sein eigenes wandelbares Schicksal, alles dieses hatte Charakters. Nüchternen Verstand, Aberglauben, eine Bes Zu diesen verschiedenen, jetzt vollständig entwickelten der muß Leser noch einen dazu beigetragen, die religiöse Stimmung des merkwürdigen rebtsamkeit und eine Thatkraft, die alle besiegte, welche sich Eigenschaften hinzufügen, der der er­Mannes zu nähren. Sein Glaube hatte, wie der des ihm nahten, ein blinder Enthusiasmus, der ihn selbst oft kühnen Unternehmungsgeist und verbunden war mit Arnold von Brescia , große Aehnlichkeit mit dem Fanatismus überwältigte; Lurus und Enthaltsamkeit, Kälte und habensten Pläne fähig unserer Puritaner in den bürgerlichen Kriegen, als ob Empfänglichkeit, Stolz gegen die Großen, Demuth gegen jener praktischen Fähigkeit, welche die Einzelheiten übersieht, ähnliche politische Verhältnisse ähnliche religiöse Ge die Geringen, religiöse Ge die Geringen, der hingebendste Patriotismus und die Er hatte allerdings Fehler, aber es ist noch zu beweisen, finnungen herbeiführten. Er hielt sich selbst für begünstigt heftigste Begierde nach persönlicher Macht. Wie überhaupt ob diese oder der Geisteszustand des Volkes feinen Sturz durch den geheimnißvollen Umgang mit Wesen aus einer wenige Menschen große und verzweifelte Unternehmungen vorbereiteten. Durch einen unzufriedenen Adel und ein bessern Welt. Heilige und Engel erfüllten seine Träume ohne eine träftige physische Natur vollenden, so wird man entartetes Volt gedrängt, theilweise verblendet durch seine und ohne diesen, seine tiefere und heiligere Begeisterung auch bemerken, daß viele von denen, die sich über die Menge scheinbare Macht nach Außen, theilweise angetrieben durch würde er vielleicht nie durch blos menschlichen Patriotis erhoben haben, zu Beiten eine gewisse wilde Munterfeit die Besorgniß der inneren Schwäche des Staates, ermuthigt mus zu seiner beispiellosen Unternehmung sich hin und eine Wandelbarkeit der Stimmung gezeigt haben, durch sein Genie und seinen Fanatismus und durch die reichend ermuthigt und angetrieben gefühlt haben; es war welche oft nüchterne und sich stets gleich bleibende Gemüther überspannten Erwartungen und Ansprüche der Menge, das Geheimniß eines Theils seiner Größe und vieler in Erstaunen sezen. Der theatralischen Großartigkeit warf er sich in den Abgrund der dahin rauschenden Zeit, seiner Frrthümer und Fehlgriffe. Wie aller Männer, die sich Napoleon's, der strengen Würde Cromwell's stand durch und überließ seinen hochstrebenden Geist keiner anderen so durch einen inhaltslosen Aberglauben selbst täuschen und eine seltsame, oft unzeitige Neigung zum niedrig Romischen Leitung, als dem Bewußtsein seiner inneren Kraft und seines damit Ehrgeiz vereinigen, das Urtheil sehr erschweren, ist gegenüber, welche sich schwer mit dem Ideal ihrer erhabenen Rieles. ( Fortsetzung folgt.)

10