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Abend-Ausgabe Nr. 14 B 7 50. Jahrg.

Rebattton und Berlag, Berlin SW 68, Lindenstr. 3 Fernsprecher A7 Amt Dönhoff 292 bis 297 Telegrammabresse: Sozialdemokrat Berlin

Vorwärts

BERLINER

VOLKSBLATT

MONTAG

9. Januar 1933

B

In Groß Berlin 10 Pf. Auswärts.. 10 Pf.

Bezugsbedingungen und Anzeigenpreise fiehe Morgenausgabe

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Die Komplizen

Schulbeispiel für Solidarität

Spaltenlange Berichte findet man in der bürgerlichen Rechtspresse über die Bestattung eines im Streit mit Kommunisten getöteten Hitler - Jungen. Appell an die Tränendrüsen der Spießerwelt das ist der Zweck der Uebung.

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Aber von den Mordtaten der SA. und der mit ihr verbündeten Hitler - Buben erfährt man in den gleichen Spalten nichts. Nichts von dem schwerverlegten Reichsbannermann, der in Lichtenrade von Nationalsozia­listen massakriert wurde, nichts von dem am gleichen Ort ermordeten jugendlichen Kom­munisten, nichts von der Bluttat in Breslau , bei der der hoffnungsvolle Sproß einer Beamtenfamilie den jungen Arbeiter Hanisch nach allen Regeln der Kunst niederstach und dann von der Justiz wieder enthaftet wurde, nachdem er behauptet, er habe bei dem Ueberfall auf das Heim der Gewerkschafts­jugend in Notwehr" gehandelt! Nur ein dürftiger Polizeibericht findet möglicherweise feinen Weg in diese Organe der ,, öffentlichen Meinung".

Die Praris des vornehmen Verschweigens der hakenkreuzlerischen Heldentaten kommt einer moralischen Begünstigung verzweifelt nahe. Mit einiger Spannung durfte man trog allem der Behandlung der sensationellen Tatsache ent­gegensehen, daß der Silvesterraub. mord an dem deutschnationalen Kreisführer und Stahlhelmmann Stei nite im Kreise Random von den gleichen SA. Leuten verübt wurde, die auch das Bombenattentat auf den Stettiner Boltsboten" auf dem Gewissen haben.

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Der ,,, Vorwärts hat in seiner Sonnabend Abendausgabe als einziges Blatt Berlins ausführlich über die polizeilichen Festellun­gen berichtet. Wer aber in der bürgerlichen also Rechtspresse vom Sonntagmorgen mindestens zwölf Stunden später- über die über die Mörder des Deutschnationalen Näheres erwartete, wurde schmählich ent­täuscht. Das offizielle Hugenberg- Blatt ,, Lokal- Anzeiger" begnügt sich auch hier mit der Wiedergabe eines furzen Polizeiberichts, wonach die Raubmörder den Stettiner Stürmen 11 und 24 angehören. Gleichzeitig aber fügt das Blatt Hugenbergs eine lange Erklärung der Stettiner Gauleitung der Hitler Partei an, in der nicht mehr und nicht weniger behauptet wird, als daß die Stürmer" der Partei nicht mehr" angehören und daß der Raubmord ,, eine von politischen Gegnern der NSDAP . ange zettelte politische Provokation" sei! Die ,, Deutsche Zeitung" zu 90 Broz. national­sozialistisch vervollständigt diese faule Ausrede, indem sie ihrem knappen Bericht schon die Ueberschrift gibt: Eine Tat roter Spigel in der NSDAP !"

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Hier handelt es sich schon nicht mehr um journalistisches Ungeschick und unvermögen. Hier liegt ganz flar eine politische Begünstigung Don ordinären Schwerverbrechern vor, die so lange als deutsche nationale Jugend" gefeiert wurden, bis man sie als Banden­räuber und Mörder entlarvte. Jezt plötzlich sollen sie ,, rote Spizel" sein!

Man nennt im juristischen Sprachgebrauch die Teilnehmer Verbrechen Kom­plizen Wir stellen fest, daß ein Teil der bürgerlichen Presse sich offen zur Begün stigung politischer Berbrecher, alfo als ihre Rompligen befennt!

Wirtschaftskrieg im Kabinett

Papen bei Schleicher Kalckreuth droht der Regierung

Das Fortbestehen schärfster Gegensäge zwi­schen dem Reichswirtschaftsminister Warmbold und dem Reichsernährungsminister Freiherrn v. Braun, von dem wir vor einigen Tagen berichten konnten, wird durch eine offiziöse Mit­teilung bestätigt: Am Sonnabend fand zwischen dem Reichskanzler v. Schleicher , dem Reichs­wirtschaftsminister und dem Reichsernährungs­minister eine längere Besprechung statt, in der die Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden Ministern erörtert wurden. Wie schon bei dem berühmten Konklave zwischen Warmbold und v. Braun unmittelbar vor der Bildung des Schleicher - Kabinetts, so heißt es auch jeßt, daß eine Berständigung zwischen dem Reichswirtschafts­minister und dem Reichsernährnugsminister her­beigeführt worden sei. Aus der Tatsache, daß der Reichstanzler die Initiative ergreifen. mußte, mag die Schärfe der Gegensäge ermessen werden, die zwischen den beiden Ressortministern besteht.

Gegenstand des Kampfes ist natürlich die H an delspolitik, deren bisherige Gesamtstruktur durch die Absichten des Reichsernährungsminiffers durch die Absichten des Reichsernährungsministers von Grund auf gefährdet ist. Es er­scheint uns höchst zweifelhaft, daß ein Ausgleich der Gegensätze amischen der von der Industrie ge­mollten exportfördernden Politik und der

exportzerstörenden Agrarpolifit des Herrn v. Braun

überhaupt erreichbar ist. Die Lage wird durch eine Rede des Landbund präsidenten Graf Kaldreuth gefennzeichnet, die gestern in Frankfurt a. d. Oder gehalten wurde. Der Butterbeimischungszwang, so sagte Graf Kaldreuth, sei wirkungslos, wenn nicht auch eine Kontingentierung der Marga­rineproduktion erfolge. rineproduktion erfolge.( Vor wenigen Tagen hat Kaldreuth außerdem ein Butter­einfuhrverbot verlangt!) Bei den bevor­stehenden Handelsvertragsverhandlungen müßten autonome 3ölle eingeführt werden, was praktisch heißt, daß der Landbund das Ziel des

Zollfrieges Deutschlands gegen alle verfolgt. Raldreuth sprach auch eine massive Drohung gegen das Schleicher - ka­

Alter Trick!

F

Zum Kölner Gespräch Hitler - Papen

Gw.

v. Papen : Es bleibt bei der be­währten Methode, Herr Hitler : Sie halten Ihren breiten Rücken hin, und ich klettre darauf empor in die Amt­lichkeit."

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binett aus. Wenn die Reichsregierung den Weg des Landbundes und des Deutschen Land­wirtschaftsrates gehe, so sei das der Weg zur Rettung. Gehe sie aber einen anderen Weg, so werde sie ihn ohne den Ernährungs= minister von Braun gehen müssen..

Wir glauben, der deutschen Gesamtwirtschaft würde ein sehr großer Dienst geleistet, wenn die Reichsregierung in der Handelspolitik so verführe, daß Herr von Braun nach dem Willen des Grafen Kaldreuth gehen müßte. Da der Reichsernäh­rungsminister von Braun aber keine andere Politik als die des Landbundes und des Reichswirtschafts­rates machen darf, ergibt sich auch aus den Aus­führungen Kaldreuths nur der Schluß, daß die Gegenfäßlichkeit der Auffassungen im Reichs­tabinett auf einem Höhepunkt angelangt ist.

Papen bei Schleicher

Herr von Papen hat heute mittag nach seiner Rückkehr aus Westdeutschland seinen Nachfolger, den Reichskanzler von Schleicher, aufgesucht.

Ueber die Unterredung wird, wie man von zu­ständiger Seite erfährt, feine amtliche Mit­teilung erfolgen.

Papen hat Schleicher über sein Kölner Gespräch

berichtet. Hat er ihm dabei über alles be= richtet, was dort besprochen wurde? Das ist es, was man bezweifeln muß.

Eher dürfte Papen seine Kölner und auch feine darauffolgenden Dortmunder Verhand lungen dem Obersten von Neidenburg ausführlich geschildert haben. Wie man eine hört, ist Unterredung Schleichers mit Hitler für Ende dieser Woche vorgesehen.

Papen in Dortmund

Herr von Papen ist nach seiner Unterredung mit Hitler in Köln von den Führern der Schwer­industrie Vögler und Springsrum nach Dortmund zitiert worden. In diesen Kreisen ist man verschnupft, weil die Unterredung zwischen Hitler und Papen ohne vorherige Unterhaltung von Springsrum, Bögler und Co. zustandege­kommen ist. Die Kölner Unterredung soll von den Kreisen um Otto Wolff arrangiert worden sein. Die Schwerindustriellen vom Industrierevier sehen diese politische Aktivität der Kreise um Otto Wolff mit Mißbehagen. Sie haben sich bei Papen be­schmert, so daß Herr von Papen eine Art von Bittgang zu ihnen antreten mußte.

Verbrechen am Aler

Kassenbote niedergeschossen

Ein schweres Verbrechen wurde heute mittag in der Alexanderstraße ver­übt. Gegen 12.30 Uhr hatte der 28jährige Lagerverwalter Fritz Schnell, der in einer Zigarettenfabrik in der Alexander­straße 22 beschäftigt ist, den Auftrag er­halten, auf der Filiale der Deutschen Bank und Disconto- Gesellschaft in der Alex­anderstraße 4000 Mark einzuzahlen.

Als der Angestellte im Begriff war, das Büro zu verlassen, traten ihm plöklich zwei Männer entgegen und ohne ein Wort zu sagen, streckten sie ihn durch meh. rere Schüsse zu Boden. Die Kugeln trafen in die Brust und in den Ober­schenkel. Trotz seiner schweren Verletzun gen besaß Schnell noch die Geistesgegen wart, die Aktentasche mit den 4000 Mark durch die offenstehende Tür in das Büro zu werfen.

Die Täter, zwei Männer im Alter von 25 bis 28 Jahren, ergriffen die Flucht. Sie bestiegen in der Wallnertheaterstraße eine Autodroschke und entfamen.

Ehetragödie

Durch Gas vergiftet aufgefunden

In der Bernauer Straße im Norden Berlins wurde gestern eine Ehetragödie entdeckt. In ihrer Wohnung wurden dort der 35 Jahre alte

Bäder Willibald Blume und seine 33jährige Frau Elfe leblos aufgefunden.

Hausbewohner waren durch Gasgeruch aufmerf­fam geworden und hatten die Feuerwehr alarmiert. Als die Beamten in die Wohnung eindrangen, fanden sie die Lebensmüden in dem gaserfüllten Schlafzimmer regungslos auf. Die langwierigen Wiederbelebungsversuche waren ohne Erfolg. Die Leichen sind beschlagnahmt worden. Die Kriminalpolizei ist bemüht, die Gründe zu dem gemeinsamen Verzweiflungsschritt zu klären.

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In der Misdroyer Straße erhängte sich in seiner Wohnung der 26 Jahre alte Ver­waltungsbeamte Alfred J. Angehörige fanden ihn bereits tot auf. Durch Gas schied der 30 Jahre alte Kaufmann Hans Joachim H. in der Neuen Winterfeldtstraße aus dem Leben. In

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der Bischofstraße 4 sprang eine Frau aus dem Fenster ihrer im dritten Stockwerf gelegenen Wohnung auf die Straße hinab. Mit lebens­gefährlichen Verlegungen wurde die Frau ins Krankenhausgebracht.

Haftbefehl gegen Baumgart

Der Bernehmungsrichter hat heute mittag gegen den 24jährigen Nationalsozialisten karl Baumgart, der am Neujahrsmorgen die Arbeiterin Martha Künstler in der Ackerstraße niederschoß, Haftbefehl erlaffen.

Heute Protestkundgebung

Im großen Saal des Saalbaus Friedrichshain . Beginn Rednerin: Mathilde Wurm . Eintritt frei.

19.30 Uhr.

Gegen Margarinekrieg!