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BEILAGE

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Feuerschutz auf Ozeanriefen

Automatische Feuermelder und-bekämpfer/ Von Ing. Christoph Carlowitz

Auch die fortgeschrittene Technik tann das Aus­brechen von Feuer auf Schiffen nicht unterbinden, wohl aber dafür sorgen, daß ein ausgebrochenes Feuer bald nach dem Entstehen automatisch dem wachthabenden Offizier gemeldet wird. Die Mehr zahl aller Schiffsbrände könnte ohne Schwierig feiten gelöscht werden, wenn sie gleich nach dem Ausbruch bemerkt würden, da in solchen Fällen meist die vorhandenen Raß und Trockenlöscher oder schon einige Eimer Wasser hinreichend sind, um die noch kleinen Flammen zu verlöschen. Konnte jedoch ein Feuer geraume Zeit um sich greifen ohne bemerkt zu werden, dann gestaltet sich seine Löschung um so schwieriger, je mehr brennbare Stoffe von den Flammen ergriffen wurden, und je unzugänglicher der Brandherd ist.

Der zeitgemäße Feuerschutz an Bord großer Ozeanschiffe umfaßt deshalb nicht nur alle Maß­nahmen zur Verhütung und Bekämpfung von Bränden, sondern er erstreckt sich auch auf die rechtzeitige und selbsttätige Feuermeldung. Die selbsttätigen Feuermelder haben eine verschieden fonstruktive Durchbildung erfahren Ihre Wirk­samkeit kann entweder auf der bei jedem Brande auftretenden Temperatursteigerung oder auf der Rauchentwicklung beruhen.

Einer der gebräuchlichsten Temperatur melder benutzt einen U förmig geboge= nen Blechstreifen, der aus zwei verschie denen, miteinander verlöteten Metallen besteht, zur Betätigung einer elektrischen Alarmvorrichtung. Sobald nämlich eine gewisse Temperatursteigerung auf den Blechstreifen einwirft, biegt er sich in­folge der ungleichen Ausdehnung der beiden Me­talle auf. Der U- förmige Bügel ist mit einem Schentel an einem Isolierkörper befestigt, wäh rend der zweite Schenkel frei beweglich mit einem Platinkontakt gegen einen verstellbaren zweiten Kontakt ruht. Die Temperatur, auf die der Melder ansprechen soll, läßt sich zuvor einstellen. Die Melder reagieren mit einer Sicherheit von ein bis zwei Grad über oder unter der eingestellten Temperatur.

Ein anderer selbsttätiger Feuermelder ist der Schmelzlotmelder. Mit einem Lot, das bereits bei etwa 75 Grad schmilzt, werden zwei federnde Blechstreifen zusammengelötet. Die Schmelzstelle wird von wärmeleitenden Körpern meist weit entfernt gelegt; eine kurze Hizewelle genügt zu ihrer Deffnung.

Ein weiterer selbsttätiger Feuermelder ist der neuartige Rauchmelder. Da schwelendes Brandgut immer mit Rauchentwicklung verbunden ist, die Raumtemperatur nach dem Ausbruch eines Feuers jedoch in manchen Fällen erst in verhältnismäßig längerer Zeit eine solche Er­höhung erfährt, daß die Temperaturmelder aus­gelöst werden, so vermag ein Rauchmelder einen beginnenden Brand wohl stets noch früher zu melden als ein Temperaturmelder. Die Rauch­melder dürften deshalb noch zu großer Bedeutung gelangen. Ihre Wirksamkeit beruht auf der Aus­nuzung des sogenannten Tyndall- Effektes. Dieser macht sich den Umstand zunuze, daß ein normalerweise unsichtbarer Lichtkegel beim Auf­treten von Rauch zu einer leuchtenden Erscheinung wird. Jeder zu schützende Raum wird mit dem Rauchmelder durch eine Rohrleitung verbunden. Ein Bentilator saugt durch diese Rohre dauernd Luft aus jedem Raum zum Rauchmelder. Alle Rohrleitungen münden radial in einen gemein­samen Beobachtungszylinder, in dessen Hinter­grund durch eine faft punktförmige Lichtquelle ein ganz scharfer Lichtstrahl unterhalten wird, der mit der Geschwindigkeit einer hörbaren Tonschwingung schwingt.

Sobald in einem der angeschlossenen Räume Feuer ausbricht und die damit unvermeidliche Rauchentwicklung beginnt, wird ein Teil dieses Rauches durch den Ventilator auch zum Rauch melder gesaugt. Tritt dieser angesaugte Rauch in den Lichtstrahl, so werden seine Partikelchen im Tonrhythmus beleuchtet. Diese werfen das auf­fallende Licht auf eine lichtempfindliche Zelle zu­rück, die in bekannter Weise die Lichtschwingungen in elektrische Schwingungen umwandelt. Nach entsprechender Verstärkung sind die elektrischen Schwingungen imstande, ein I aut vernehm= bares Feueralarmsignal zu geben. Im normalen Zustand gibt der Eignalgeber nur einen leisen Ueberwachungston von sich. Der Wächter weiß damit, daß die Rauchmeldeanlage in Ord­mung und meldebereit ist.

Neben den selbsttätigen Feuermeldern hat die noch selbsttätige Feuerschutztechnik auch Feuerlöschgeräte geschaffen. Eines davon ist die Sprinkler Brause. Ihr wichtigster Teil, die Brause, wird durch eine mehrteilige, mittels eines besonderen Schmelzlotes zu einem Stüd vereinigter Verschlußstütze und einem Glas­tegel dicht abgeschloffen. Das Ventil ist so fon­struiert, daß der Wasserdruck im Rohrnez zur voll­tommenen Abdichtung mitwirkt und Druckschwan­tungen im Rohrnet auf ein Undichtwerden des Verschlusses keinen Einfluß haben. Ein der Wasser­austrittsöffnung am Brausekörper gegenüber an­geordneter gezahnter Sprühteller bewirkt eine gleichmäßige Verteilung des austretenden Waffer­strahles nach allen Richtungen. Die selbsttätige

Sprinkler- Brause tritt in Tätigkeit, sobald ein aus­brechendes Feuer das Schmelzlot von einer oder von mehreren Brausen auf eine bestimmte Tem­peratur erwärmt. Dann bricht nämlich die Ver­schlußstütze der Brause in sich zusammen und wird mitsamt dem Glasverschluß fortgeschleudert. Der Apparat wird vervollkommnet durch eine Alarmeinrichtung, die nach dem Deffnen

einer einzigen Brause automatisch in Tätigkeit tritt. Ein selbsttätiges Feuermelde- und Löschgerät, das nach Art eines Rauchmelders ein ausgebroche= nes Feuer sogleich meldet und außerdem auch noch Kohlensäure in den gefährdeten Raum strömen läßt, wurde kürzlich auf einem englischen Kreuzer vorgeführt. Sämtliche aus den ange­schlossenen Räumen fommenden Rohrleitungen

MONTAG, 9. JANUAR 1933

führen zu einem Berteiler, mit dem sie der Reihe nach durch mechanisch gesteuerte Ventile ab= wechselnd verbunden werden. Die aus den Räumen angesaugte Luft strömt durch eine Anzeigevorrich­tung ins Freie. Sobald jedoch nach Entstehung eines Brandes rauchige Luft in die Vorrichtung tritt, so meldet der Rauchmelder in der bereits geschilderten Weise das Feuer. Gleichzeitig wird das Gebläse und die Steuerung abgeschaltet und dafür ein Ventil geöffnet, aus dem Kohlensäure in die betreffende Leitung und damit auch in den gefährdeten Raum strömt Da Kohlensäure ein vorzügliches Feuerbekämpfungsmittel ist, so ver= förpert ein solches selbsttätiges Feuermelde- und Löschgerät den idealsten Feuerschutz, über den die Technik zur Zeit verfügt.

Glückstage"

Neuroder Panorama/ Von Reinhold Zimmer

Es geht den frierenden Menschen nicht besser, wenn dicker Nebel den größten Teil des Tages verhüllt und sein spärliches Grauen einem frühen Abend Platz macht. Jeder Tag schreit die Nöte der Zeit hundertfältig hinaus. Da tann Kunzen dorf bald feine Wohlfahrtsunterstützung mehr zahlen, nur der äußerste Druck auf die übergeord­nete Behörde kann das einigermaßen Notwendige immer noch einmal erreichen 600 Bergarbeiter ohne Arbeit. Fleisch und Brotaufstrich sind nicht mehr bekannt. Die typischen Zeichen des Hungers tragen die Kinder im Gesicht. 276 haben gar kein oder nur sehr schlechtes Schuhwerk, 112 Kinder feine Winterstrümpfe, 39 nur ein Hemd, 185 feine Unterhosen zum Wechseln, die Oberkleidung ist bei allen dürftig, 86 Kinder haben bei dem in 500 bis 700 Meter Höhe sehr strengen Winter feine Mäntel. Und den Erwachsenen geht es nicht besser; die Löhne waren immer zu schlecht, als daß irgendwelche Reserven vorhanden sein könnten.

,, So sieht es bei uns aus!" ruft das benach­barte Ludwigsdorf in einem Flugblatt der Winterhilfe" die allgemeine Mildtätigkeit an. Und dann folgen seine Elendszahlen: Fast 4000 Menschen im Ort. Davon haben Beschäftigung 59 Arbeiter des Elektrizitätswerks, die 121 Ange­hörige ernähren müssen, 50 Beamte mit 87 Ange­hörigen, 75 Landwirte, die 182 Röpfe erhalten müssen und auf dürren steinigen Hängen höchsten 15 Morgen Acker haben; selbst kaum das nötigste haben 69 ungelernte Arbeiter und Gehilfen, 54 jugendliche Arbeiter und Lehrlinge, 45 Dienst­mädchen 40 selbständige Berufe mit 40 Ange: hörigen, 15 Kaufleute mit 40 Angehörigen und 51 Handwerker mit 78 Angehörigen schinden sich so durch. Alles andere ist brotlos und hat meist noch eine Fülle von Angehörigen mit durch­zuschleppen. Zwei Jahre ist das so, seit die Grube zum Stilliegen kam, die jezt nicht einmal in der Versteigerung einen Abnehmer findet. 599 Kinder ein Drittel davon unterernährt;

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Schulen filmen

Ein neuer forvjetrusfischer Plan/ Von Nathan Gurdus

In der Sowjetunion hat man seit längerer Zeit den Film in den Schulunterricht eingeführt. Man beschränkte sich nicht nur auf rein geographische Filme, sondern zeigte auch oft Spielfilme aus Westeuropa , um den Schülern einen optischen Be= griff vom Leben in fremden Ländern zu geben. Bei dem letzten Kongreß der Sowjetpädagogen in Moskau faßte man darüber hinaus den Entschluß, nicht nur den Film auch in anderen Schulfächern einzuführen, sondern auch von den Schulen felbst Tonfilme für den Schulgebrauch drehen zu lassen. In jeder Stadt soll eine Filmstelle der Schulen gebildet werden, die unter Mitwirkung der Lehrer und Schüler in eigenen Ateliers Lehrtonfilme für alle Schulfächer herstellt. Die Sowjetregierung verhielt sich zunächst aus Angst vor den Kosten zurückhaltend. Die Schulen forderten nämlich eigene Filmateliers, einen eigenen technischen Ton­filmbetrieb und eigene Filmtheater. Nun ist aber gerade der Mangel an Tonfilmapparaturen in der Sowjetunion einer der hemmenden Faktoren. Da aber die Schulen 50 Proz. der Mittel selbst auf­brachten, entschloß sich schließlich das Unterrichts­kommissariat, den Rest zu bewilligen, und so ver­öffentlicht denn jetzt Moskau den Produktionsplan dieser neuesten Filmindustrie Rußlands unter dem Titel ,, Die Filmindustrie der Schulen". In einem Moskauer Atelier sind bereits 24 Kurztonfilme der Schulen in Arbeit. Es handelt sich dabei um eine Serie von Tonfilmen, die im Sprachunterricht der Sowjetschulen Verwendung finden sollen. Die Filme werden in englischer, deutscher und franzö­fischer Sprache unter Mitwirkung der Kinder und Lehrer hergestellt. In allen diesen Filmen bringt man eine kurze Spielhandlung, um das Interesse der Kinder am Film und dadurch auch an dem im Film gesprochenen fremden Tert zu wecken. Um eine lebenswahre Aussprache zu erzielen, hat man bei der Herstellung in Moskau wohnende Aus­länder und Kinder der in Moskau arbeitenden ausländischen Experten hinzugezogen. Die Filme werden in Kopien über das Land verbreitet. Die Provinzschulen sind schon jetzt bemüht, an be­stimmten Tagen Tonfilmtheater zu bekommen. In Moskau ist ein Kinotheater von dem Filmausschuß der Schulen erworben worden und schon jetzt steht in vielen Moskauer Schulplänen der Satz: Der Sprachunterricht findet im Kino statt!" Natürlich beschränkt man sich nicht auf den Sprachunterricht durch den Tonfilm, er ist nur seine Ergänzung.

Auch für andere Schulfächer sind Tonfilme im Entstehen. Physik, Naturkunde usw. bekommen eine ganze Reihe von Lehrfilmen, die unter Beaufsichti­gung von Wissenschaftlern hergestellt werden Inter­essant ist es, daß man versucht, auch einen Film für den mathematischen Unterricht zu drehen. Zu einem Konflikt zwischen den Lehrern der Sowjetschulen und der Sowjetregierung ist es bei der Herstellung eines historischen Schul. films gefommen! Die Sowjetregierung befahl. die Herstellung eines Tonfilmes von der russi

jchen Revolution 1905. Die Lehrer schufen unter Mitwirkung Moskauer Professoren einen Filmentwurf, der von den Behörden schroff abgelehnt wurde, weil er gegen die, historisch­politische Auffassung" der Partei verstoße. Die Moskauer Lehrer erwiderten, daß sie vor ihren Schülern die Verpflichtung der historischen Wahr­heit hätten. Die Behörden bezichtigten die Lehrer darauf einer allzu demokratischen Auffassung".

In einem Jahr sollen die Lehrersowjets vor dem pädagogischen Ausschuß in Moskau Bericht er­statten über die Wirkung, die der Versuch auf den Unterricht gehabt hat.

Eine Frau im rolen Alllag

Unter dem Titel ,, Eine Frau erlebt den roten Alltag" hat Lili Körber im Berlag Ernst Romohlt, Berlin , ein symphatisches Buch über ihre Erlebnisse in Leningrad veröffentlicht. In ungezwungenen romanartigen Tagebuchaufzeich­nungen wird die neue russische Lebensform ein­gefangen. Lili Körber ist im Gegensatz zu vielen anderen reisenden Schriftstellern als Ar= beiterin in den Putilommerten tätig gewesen. Mit offenen Augen hat sie den Ablauf des tolschewistischen Alltags in sich aufgenommen. Dieser Alltag ist vielseitig, da ist das Leben in der Fabrik, das von innen her gezeigt wird. Ge= spräche mit Arbeitskollegen und-kolleginnen, die oft mehr enthalten als nüchterne Produktions­ziffern; fleine Betriebserlebnisse, die nicht nur für die Butilowmerke typisch sind. Um dieses Werk, das schon lange vor dem Krieg eine revolutionäre Tradition besaß gruppiert sich in dem leichten Fluß des Buches das vielseitige Leben der großen Stadt.. Wir durchwandern Straßen, essen in Restaurants, wo das neue Leben diskutiert wird, besuchen mit Lili Körber eine Entbindungsanftalt, nehmen teil an Gerichtsverhandlungen, furzum, die Durch­schnittlichkeit des Alltags wird zur klaren An­schauung gebraucht.

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Lili Körber denkt auch nicht daran, die großen Schwierigkeiten, die mit dem russischen Aufbau verbunden sind, zu überglätten oder gar zu verdecken. Maschinen stehen still, weil für den Arbeitsprozeß notwendige Materialien fehlen; die Decke im Fabriksaal läßt den Regen durch. bleibt ungewiß, ob bewußte Schädlingsarbeit oder nur Schlamperei vorliegt. Die Westeuropäerin fügt sich nicht leicht in die strenge Arbeitsver­fassung des großen Betriebes ein. Die Verfasserin verschweigt uns ihre Stimmungen nicht, jie be­bekämpft sie aber mannhaft, nein fraulich natürlich. und arbeitet zwei Schichten hintereinander, um das Vertrauen ihrer Arbeitskollegen wiederzu­erobern. Vielleicht war es nicht notwendig, in den bolschewistischen Alltag eine überflüssige senti­mentale Liebesgeschichte hineinzumeben, in deren Verlauf heroisch verzichtet und teusch irgendme ein blondes Haar gefügt wird. J.P.M.

Kartoffeln, Brot und Margarine find Haupt­nahrung. In feiner Familie war an die Be­schaffung notwendigsten Winterbedarfs zu denken. 181 Kinder haben kaum Winterschuhwerk ,, 55 keine ordentlichen Wintersachen, 107 feine warmen Hemden, 173 keine Unterbeinkleider, 197 mangel­hafte oder gar keine Winterstrümpfe.

Helfen Sie uns bitte- so fleht Ludwigsdorf. Die Last der Sorgen nimmt nicht ab. Der Ma­gistrat Neuro de teilt den Eltern mit, daß die Eltern alle Hoffnung, ihre schulentlassenen Kinder bei einer kleinstädtischen Verwaltung unter­zubringen, fahren lassen müssen. Nur Versor= gungsanwärter fommen für Einstellungen in Be­tracht; für alles andere besteht nicht die geringste Aussicht.

In dieser Troftlosigkeit werden ,, Glückstage" veranstaltet. Irgendein findiger Kopf in Schlesien hat damit begonnen. Es sind Sondereinkaufstage, bei denen man auf jede Mark Einkauf einen Gut­schein erhält. Er wird in ein Los umgetauscht und mit dem Kauf ist so eine Gewinnchance ver= bunden, die jeder gern ausnutzen möchte. Dazu wird für einige Tage in der Kreisstadt künstlich für Leben" gesorgt: Männer und Kinderchöre, Blastonzert vom Rathaus und auf verschiedenen Bläzen, Fahnen und Wimpel in den weißroten Stadtfarben Musik und Tanz in allen Lokalen, lebhafter Andrang überall.

Der Chef der Stadtverwaltung äußert sich optimistisch zur Eröffnung: Die Glidstage find nicht nur azu bestimmt, den Geschäftsleuten er­höhten Umsatz und erhöhten Gewinn zu bringen, nein, die Glückstage sollen überhaupt wieder Mut und Lust in das Publikum hineinbringen, sie sollen den Optimismus wieder in der Bevölke­rung beleben, damit das Volk wieder zu sich selbst Bertrauen gewinnt und dadurch die Gesamtwirt­schaft wieder belebt. Wenn die Lager unserer Ge­werbetreibenden nach Beendigung der Glückstage gelichtet sind, so bekommen die Produzenten neue Aufträge, und wenn das überall so ist, so müssen die Fabriken und Werkstätten neue Arbeitskräfte einstellen, das eingerostete Rad der deutschen Wirtschaft setzt sich knarrend wieder in Bewegung, immer schneller, bis der Gang wieder normal und ruhig ist."

Die Rechnung hat nur einen Denkfehler: Wo nehmen die Mutigen und Kauflustigen immer wieder das Geld her, diesen Kreislauf nicht erlahmen zu lassen?!

Schattenseiten genug zeigen die Glückstage auch. Die draußen auf den Dörfern sehen das letzte Restchen Kundschaft in die Stadt strömen. Sie wehren sich heftig, mehr oder weniger offen. In den Gasthäusern des Kreises herrscht während der Glückstage Totenstille. Aber selbst in der Kreisstadt zeigt sich so gut vor wie nach dieser Zu sammenballung der Kauftraft auf wenige Tage eine geschäftliche Lähmung. Zuerst hält alles zurück: Die Gutscheine locken! Und nachher ist die Kaufkraft erschöpft. Man hat seinen Bedarf in der Zeit gedeckt, die eine zusäßliche Möglichkeit, die Aussicht auf einen Gewinn bot.

Jeder Geschäftsmann hat die Gutscheine mit einem geringen Betrage bezahlen müssen; aus diesen Pfennigen entstand ein Werbefonds für die Pressereklame, für Ausschmückung, zur Ge­winnbeschaffung, soweit es sich nicht um Spenden handelte usm.

Das bleibt letztes und erfreulichstes Ergebnis der Glückstage, daß die Winterhilfe den Ueber­schuß mit 1500 Mark für sich buchen kann und daß ihr auch alle nicht abgeholten und ausgelosten Ge­minne in Gestalt von Lebensmitteln und Klei­dungsstücken zukommen.

Auch wer seine Schulden bezahlte, durfte für diese Beträge ein Los ziehen; also wurden eine Woche vorher ausreichend Schulden gemacht. Wer bei dieser Sachlage oder beim Ausgleich sehr alter Verpflichtungen dann ein Los zog, das einen ansehnlichen Gewinn ausmies, der hatte wirklich Glückstage". Die übrigen hatten einige Tage tostenlosen Echauens; einige Geschäftsinhaber aus der Textilbranche dürfen sagen, daß sie zufrieden feien.

Der Trubel ist vorbei. Die Illusion vom Glüc ist zerstoben, das Losfieber verging. Uebrig bleiben die harten Tatsachen eines unvergleich. lichen Notwinters.