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Abend- Ausgabe Nr. 32 B 16 50. Jahrg.

Rebattton und Berlag, Berlin SW 68, Lindenstr. 3

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Vorwärts

BERLINER

VOLKSBLATT

DONNERSTAG

19. Januar 1933

Jn Groß Berlin 10 Pf. Auswärts...... 10 Pf. Bezugsbedingungen und Anzeigenpreise fiehe Morgenausgabe

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Noch zu links!

Klausener und die Junkerdiktatur Der stramm deutschnationale Kurs in Kommissar- Preußen sucht sich jetzt seine Opfer unter den Beamten, die dem Zentrum nahestehen. Vor einiger Zeit hat die deutsch nationale Landtagsfrak­tion die Kommissare heruntergeputzt, weil sie nicht genügend Raum für deutschnationale Parteibuchbeamte geschaffen haben und weil es in Preußen immer noch Beamte gibt, die dem Zentrum nahestehen. Die Herren Kom­missare haben diesen öffentlichen Parole­befehl stillschweigend geschluckt, obwohl er in der Tonart nicht hinter den be­kannten Veröffentlichungen des Landbundes zurückstand. Sie haben nicht gemuckst, und jetzt wird der deutschnationale Befehl aus­geführt.

Als Opfer ist Herr Klausener aus­ersehen, bisher Ministerialdirektor im preu­Bischen Innenministerium und Leiter der Polizeiabteilung. Herr Klausener ist Zen­trumsmann. Er steht in seiner Partei rechts, sehr rechts. Aber seine Hinneigung zur Reak­tion schützt ihn nicht, da er nicht zur richtig abgestempelten deutschnationalen Reaktion gehört, er muß Play machen. Es war beabsichtigt, ihn auf das Reichsverkehrs­ministerium abzuschieben.

Nun teilt die ,, Germania " mit, daß Herr Klausener im Reichsverkehrsministerium nicht unterfommen fann, da diese

Behörde seiner llebernahme die größten Schwierigkeiten entgegensetzt und dabei mit dem Argument operiert, es wünsche feine politischen Beamten! Das ist ein entzückendes Argument für ein Mini­sterium, an dessen Spize der Freiherr Elz von Rübena ch steht, der Mann, dessen Bruder nationalsozialistischer Landtagsabge­ordneter ist, und der selbst nur in eine deutsche Reichsregierung geraten ist, weil er politisch abgestempelt ist! Es ist erst recht wunderbar, wenn man bedenkt, daß die gegen­wärtigen Machthaber ihren Beruf darin er­blicken, deutschnationale Futterkrippenbeamte nach dem Vorbild der vorrevolutionären Re­aftion in Massen zu schaffen!

So wandert Herr Klausen er zwischen den Ministerien hin und her und kann kein Unterkommen finden. Aus der Polizei ab­geschoben, im Verkehr nicht beliebt, als Aus­schußware behandelt und grämlich angesehen! Der neue Kurs verträgt nicht einmal ihn, woraus hervorgeht, wie wir es in Preußen herrlich weit gebracht haben! In den Glanz­zeiten der Junkerreaktion in Preußen war es in Ostelbien nicht statthaft, daß ein Beamter nationalliberale Gesinnung zeigte oder auch nur nationalliberaler Sympathien verdächtig war. Heute genügt es, daß einer rechtsstehender Zentrumsmann mit starker Neigung zum Konservatismus ist, um ihn auf die schwarze Liste neupreußischer Per­fonalpolitik zu bringen.

Deutschnational ist Trumpf! Im Reiche geben die Junker den Ton an, in Preußen wird ihnen die Verwaltung Punkt für Punkt ausgeliefert! Dafür erhalten sie aber auch Osthilfe millionen...

Dampfer ausgebrannt

Katastrophe im Roten Meer Wie aus Lille gemeldet wird, ist an Bord des norwegischen 15 000- Tonnen Dampfers Taronga" mit 12 000 Ballen australischer Wolle im Roten Meer bei Verim Feuer ausgebrochen. Während die Besazung gerettet werden konnte, soll der Dampfer vollständig verbrannt und untergegangen sein.

Die Nationalsozialisten provozieren

Der Berliner Polizeipräsident genehmigt die Demonstration

Der Polizeipräsident Melcher hat die Demonstration der Nationalsozia­

listen auf dem Bülowplak ,, Front Karl­Liebknecht- Haus" genehmigt.

Der Polizeipräsident Melcher hat die Demonstration der Kommunisten auf dem Bülowplatz vor ihrem Parteihaus

verboten.

Die Demonstration der Nationalsozia: listen ist eine schwere Provoka= tion. Das Verhalten des Polizeipräsi­deten ist eine zweite Provokation.

Der Polizeipräsident begründet seine Haltung damit, daß der Friedhof am Prenzlauer Berg nur 200 Meter vom Bülowplat entfernt liege. Als ob die

Polizeipräsident Melcher, der die Hakenkreuzprovokation am

Bülowplatz genehmigle, im Kreise von Papen und Hohenzollern­Sprößlingen bei einer Stahlhelmkundgebung am Mittwoch

Hinter den Kuliffen

Techtelmechtel Hugenberg- Papen- Hitler

Techtelmechtel Hugenberg- Papen - Hitler- Was wird mit dem Reichstag? Was wird mit dem Reichstag?

Am Mittwoch haben Papen , das Mitglied des Herrenklubs von Alvensleben, vergeb­lich den Versuch gemacht, eine Unterredung zwischen Hitler und dem Reichskanzler von Schleicher zustande zu bringen. Die Versuche sollen heute fortgesetzt werden. Nach der Deut­schen Allgemeinen Zeitung" wird allerdings eine derartige Zusammenkunft in Regierungsfreisen auch für heute als unwahrscheinlich" hingestellt. Angeblich hält der Reichskanzler eine Besprechung mit Hitler nach dem, was über

W

Beim Geldsack

Hitler speiste am Mittwoch mit dem Schwerindustriellen Fritz Thyssen .

100000

,, Laß du mich nicht im Stich, sonst verläßt mich alles."

dessen Auffassung bekannt geworden ist, für zwecklos".

Die D23." teilt aus den Kulissengeheimnissen weiter mit: Von den mannigfachen Möglich­feiten, die sich nach einer Einberujung des Reichs tags ergeben, wird die vorbeugende Auf= lösung des Reichstags jetzt als die wahr­scheinlichste bezeichnet, während die äußerste andere Eventualität, wonach die Regierung nach einem Sturz geschäftsführend im Amt bleiten würde, sehr unwahrscheinlich sei. Sogar mit der Idee, das Kabinett tönne bereits umgebildet vor den Reichstag treten, wird erneut gespielt, obwohl die Voraussetzungen für eine Umbildung recht schwankend geworden find. Von nationalsozialistischer Seite werden in­zwischen Gedanken entwickelt, die auf eine Neu­bildung des Rabinetts unter der Parole Wiederaufrichtung der Harzburger

Nationalsozialisten deswegen ihre SA. auf dem Bülowplak, Front Karl- Lieb­Diese knecht- Haus aufstellen wollen! fadenscheinige Begründung vermag nicht zu verdecken, daß mit polizeilicher Ge­nehmigung am Sonntag eine schwere faschistische Provokation vor sich gehen soll!

Diese Provokation erfolgt in einer Zeit stärkster Spannung, in der Hitlers braune Banden wieder begonnen haben, hem­mungslos mit Pistole und Messer zu arbeiten. Sie kann, wenn die Provokation auf Unbesonnenheit auf der anderen Seite stößt, die schwersten Folgen nach sich ziehen! Wir erheben laut Ein= spruch dagegen, daß der Berliner Polizeipräsident dies Spiel mit dem Feuer zuläßt, wir weisen von vornherein auf seine Verantwortlichkeit für alle Folgen hin.

Der Polizeipräsident ist vor einer Gegenprobe auf seine Unparteilichkeit durch den Zufall geschützt, daß das Ver­liner Hitler- Haus innerhalb der Bann­meile liegt. Aber dieser Zufall schützt ihn nicht vor der Gewissensfrage, ob er eine fommunistische Demonstration vor dem Parteihaus der Nationalsozialisten, mitten im Viertel der feinen Leute, nicht als schwerste Provokation ansehen würde!

Front" abzielen. Es wird fogar behauptet, zwischen Geheimrat Hugenberg und Adolf Hitler sei es bei dem ausführlichen Meinungs­austausch am Dienstag zu einer weitgehenden An­näherung gekommen und die Bildung einer ge­meinsamen Regierung sei durchaus möglich. Eine solche

Regierung der Harzburger Truppen,

die man dem Reichspräsidenten an Stelle der Re­gierung Schleicher anbieten wolle, werde unter nationalsozialistischer Führung stehen, doch würden auch die Deutschnationalen daran maßgebend be teiligt sein. Ueber eine parlamentarische Mehrheit würde die Regierung der Harzbur ger Truppen natürlich nicht verfügen; es wird dements rechend angekündigt, man werde ohne Reichstag regieren.

Von den Kombinationen, die das Industriellen­blatt hier verzeichnet, trifft die letzte den gegen= wärtigen Stand des Kulissenspiels, das wieder zwischen Hitler und den ,, feinen Leuten" um Hugenberg im Gange ist, am besten. Es läuft darauf hinaus, Hitler mit Hilfe der Harzburger Front doch noch an die Macht zu bringen, und zwar unter Ausschaltung des

Eine Lehre aus Lübeck

Arbeiterschaft erzwang Umfall der KPD .

Eigener Bericht des. ,, Vorwärts"

Cübed, 19. Januar.

Am Mittwochabend lehnte die Lübecker Bürger­schaft nach langer Debatte den nationalsozia­listischen Mißtrauensantrag gegen den jozialdemokratischen Senat in der zweiten Lefung ab.

Nach der Lübecker Verfassung muß ein Miß trauensantrag durch zwei Lesungen gehen und braucht die Unterstützung der Mehrheit aller Mitglieder, also 41 von 80 Stimmen. In der ersten Lesung bildeten die Kommunisten mit allen Rechtsparteien eine Einheitsfront und stimmten für den Antrag.

In gewaltigen Rundgebungen de

monstrierte die Lübecker Arbeiter= schaft gegen diesen kommunistischen Verrat, der den Weg zu einem Nazi- Senat freigemacht hätte. Kommunistische Arbeiter nahmen an diesen Kundgebungen teil, während die Gegen­versammlungen der Kommunisten leer waren. Die tommunistische Parteileitung fonnte sich unter diesen Umständen dem Drud ihrer eigenen Anhänger nicht entziehen und befahl am Mittwoch den kommunistischen Bürgerschafts­mitgliedern, umzufallen und sich der Stimme zu enthalten. Damit war die notwendige Mehrheit für den Antrag der Nazis nicht mehr vorhanden.

Der unter sozialdemokratischer Führung stehende Senat bleibt also im Amt.