Abend- Ausgabe
Nr. 34 B 17 50. Jahrg.
Rebattion und Berlagi Berlin SW 68, Lindenstr. 3
Serafprecher 7 Amt Donhoff 292 bis 297
Telegrammabreffe: Sozialdemokrat Berite
Vorwärts
BERLINER
VOLKSBLATT
FREITAG
20. Januar 1933
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Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands
Aufreizende Tatsachen
Wahrheit über die Osthilfe!
Das Reich hat fast 200 Großagrarier aus öffentlichen Mitteln subventioniert. Jeder diefer Großagrarier hat im Durchschnitt 160 000 Marf erhalten. Einzelne von ihnen haben noch erheblich höhere Beträge erhalten, und zwar geschenkt! Nicht als Darlehen, sondern ohne jede Verpflichtung zur Zurückzahlung. Man spricht dabei von Einzelfällen, in denen Beträge von einer halben Million bis zu zwei Millionen Mart in Frage kommen.
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von
Der zuständige Reichsminister Braun hat bisher über diese Dinge den Schleier des Geheimnisses gebreitet. Trog stärkster Pression wollte er sich zu keinen genaueren Angaben verstehen. Man hat ihm mit einem Untersuchungsausschuß gedroht. Darauf hat er sich heute bereit erklärt, Ausfunft zu geben aber nur vertraulich! Das ganze Bolt hat ein Recht zu erfahren, was mit den Osthilfemitteln geschehen ist. Ein Untersuchungsausschuß scheint uns deshalb nach wie vor ein guter Gedanke zu sein! Es müßte für das Volk, namentlich für die Erwerbslosen, ein lehrreiches Schauspiel sein, die glücklichen Empfänger dieser Geschenke vor den Schranken eines Untersuchungsausschusses in voller Deffentlichkeit kennenzulernen und Einblick in ihre Verhältnisse zu gewinnen!
Diese notleidenden Großagrarier sind so hilfsbedürftig, einige von ihnen haben liebgewonnene Gewohnheiten so lange entbehren müssen, daß sie gleich nach Empfang der Osthilfegelder Luxusautos kaufen und damit zur Erholung an die Riviera fahren mußten. Für unser Geld!
Im Haushaltsausschuß des Reichstags ist von einem Panama gesprochen worden. Auf diesen außerordentlich scharfen Ausdruck ist bisher mit Schweig en reagiert worden. Das spricht dafür, daß die Beteiligten sich der Ungeheuerlichkeit und Gefährlichkeit dieser Osthilfeoperationen wohl bewußt sind!
In der Tat ist die sogenannte Osthilfe in dieser Form eine der schwersten sozialen Provokationen des Volkes durch das autoritäre System!
Ueber jeden Wohlfahrtserwerbs= losen werden umfangreiche Akten angelegt. Darin steht angeordnet, wieviel er an Unterstützung erhalten hat; denn nach wie vor besteht ein Rechtsanspruch auf die zurückzahlung der empfangenen Wohlfahrtsunterstützung gegen die Erwerbslosen. Die Herren Großagrarier aber erhalten ihre geschenkt!
Wohlfahrtsunterstützung"
Nach dem Gerefe- Plan- ein Plan mehr, aber wo bleibt die Arbeit? sollen die
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Städte zur Arbeitsbeschaffung Darlehen zu drückenden Bedingungen aufnehmen, obwohl Arbeiten im öffentlichen Interesse ausgeführt werden sollen. Den Städten Dar= lehen zu drückenden Bedingungen, den Großagrariern Geschenke!
Das sind aufreizende Tatsachen! Die Empfänger der Geschenke aber wollen obendrein noch Deutschland zu einem neuen Feudalstaat machen!
Harzburg Nr. 2 gescheitert
Die Verhandlungen zwischen Hitler und Hugenberg über die Erneuerung der Harzburger Front sind ergebnislos abge= brochen worden. Die Herren konnten sich über die Berteilung des Fells des Bären nicht einigen, vor allem nicht über die Forderung Hitlers , daß die SA. in die staatliche Organisation eingebaut werden solle.
Agrarierfurcht vor Oeffentlichkeit
Minister von Braun will Auskunft geben aber nur vertraulich!
Der Reichsernährungsminister von Braun hatte sich über Nacht bejounen. Heute erklärte er im Haushaltsausschuß des Reichstags, er werde auch über jeden Einzelfall der Osthilfe alle geforderte Auskunft geben. Er bitte aber für diese Erörterungen um vertrau liche Beratung. Der Haushaltsausschuß nahm diese Erklärung vorerst debattelos zur Kenntnis.
Der Minister erklärte weiter, daß die auch in einem sozialdemokratischen Antrag geforderte Sicherung der rückständigen Lohnforderungen von Landarbeiternjejt durchgeführt werde. Das gleiche gelte für die Sicherung und Auszahlung der Sonderkredite in allen Fällen der Osthilfesanierung.
Der Ofthilfeapparat umfaßt an Personal in der Zentrale, den Abteilungen und der Industriebank rund 1600 personen. Dazu kommt eine„ gute feldmarschmäßige Division" von 8000 bis 9000 Treuhändern.
Der Leiter der Osthilfe, Ministerial. direktor Reichardt erklärte, er werde dem Haushaltsausschuß jede gewünschte Aus. funft geben. Entschuldungsverfahren haben über 72 000 Betriebe beantragt, über 20 000 davon sind als nicht fanierungsfähig und aus anderen Gründen abgelehnt worden. Rund 12 000 Betriebe
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sind bisher entschuldet worden, davon aber erst 4700 endgültig mit rund 40 Millionen Mart.
Insgesamt würden sicher 600 Millionen gebraucht werden, also das ge
Daher der Name...
... autoritäre Regierung!
Der Vorwärts" hat Deffentlichkeit und Reichsregierung gezwungen, dem schandvollen Borgehen der schwerindustriellen Unternehmer im Siegerland durch Aussperrung einen neuen Abbau der heutigen hungerlöhne herbeizuführen, ihre Aufmerksamkeit zuzuwenden. Reichsarbeitsminister und Schlichtungsinstanzen sahen sich zum Eingreifen veranlaßt, da auch das Bürgertum und die Siegerländer Behörden sich auf die Seite der durch Sympathiedemonstrationen der übrigen Arbeiterschaft unterstützten Ausgesperrten stellten.
Der Abwehrkampf ist jetzt gewonnen,
die Unternehmer haben dem von ihnen abge= lehnten, vom Schlichter daraufhin nicht verbindlich erklärten Spruch der Schlichterkammer zugestimmt und die Aussperrung, die einen Abbau von 3 Pf. erzwingen wollte, zurückgenommen.
Mit welcher Rücksichtslosigkeit die hinter den Siegener Werken stehenden Ruhrherren weiterzufämpfen gedachten, zeigt die Meldung aus Dortmund , daß der Hörder Verein ( Vereinigte Stahlwerte!) 3000 Mann mit der Begründung entlassen wollte, daß die Siegerländer Bestellungen durch den Widerstand der Arbeiter gegen den dortigen Lohnabbau nicht abgeführt werden könnten!
Ueber die letzten Berhandlungen liegt folgende Meldung vor:
Die Verhandlungen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer in der Siegerländer Metallindustrie haben in den späten Nachtstunden zu folgender Vereinbarung geführt:
Der Spigentariflohn für die Sieger länder Metallarbeiter wird ab 15. Januar 1933 auf 57 Pfennig je Stunde festgesetzt. Die anderen Säge der Lohnordnung ändern sich entsprechend Die Kinderzulage von 1 Pfennig je Stunde wird nach der bisherigen Vereinbarung gezahlt, jedoch erst vom zweiten Rinde ab. Diese Regelung gilt bis auf weiteres und tann mit einmonatiger Frist zum Ende des Monats gekündigt werden.
Mit dieser Vereinbarung ist die Aussperrung in der Siegerländer Metallindustrie beendet. Die
Arbeit wird sofort wieder aufgenommen. Maßregelungen finden nicht statt, und das Arbeitsverhältnis gilt als nicht unterbrochen.
Ein König“ lernt
Der Sohn des legten österreichischen Kaisers, Otto Habsburg , der von der ungarischen Adelskafte immer noch als König von Ungarn angesehen wird, ist so vernünftig, seine Jugend wenigstens zum Lernen zu verwenden. Er hält sich gegenwärtig unter fremdem Namen in Berlin auf, um internationales Recht zu studieren. Die Kamera des Photomannes ,, schnappte" ihn, als er mit Büchern beladen gerade die Wohnung verläßt.
famte für diese 3wede festgelegte Auftommen der Industrieabgabe.
Dazu hat man, wie von sozialdemokratischer Seite schon behauptet worden war, aus dem sogenannten Betriebssicherungsfonds( Reich se mittel) zwischen 50 und 60 Millionen für die Osthilfe genommen.
von Sybel, Landbundführer und nationalsozialistischer Reichstagsabgeordneter, erklärt, daß er und seine Freunde zu 100 Prozent anderer Meinung seien, als der Wirtschaftsminister Warmbold, der vor einigen Tagen im Haushaltsausschuß seinen agrarwissenschaftlichen Standpunkt dargelegt habe.
Die Sozialdemokraten haben zur Klärung der Osthilfe zwei Anträge eingebracht. Der erste verlangt, dem Haushaltsausschuß umgehend eine Uebersicht über die bis zum 31. Dezember 1932 in der Osthilfe vorhandenen 722 Entschuldeten innerhalb der Betriebsgrößenklaffen von 100 bis 500 Hektar und über 500 Hektar nach einem bestimmten Fragebogen vorzulegen; Der zweite verlangt eine fofortige allgemeine Prüfung aller Osthilfemitfel durch den Rechnungshof des deutschen Reiches und beschleunigten Sonderbericht an den Haushaltsausschuß.
Das Ergebnis ist eine völlige NiederTage der Unternehmer. Die Arbeiterschaft hat daraus zu lernen, daß sie heute jeden Lohnabbau abzuwehren in der Lage ist. Die Oeffentlichkeit duldet keinen Lohnabbau mehr und unterstützt die Abwehr der Arbeiterschaft.
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In der französischen Kammer erklärte der Arbeitsminister am Donnerstag im Berlauf einer kurzen Debatte über die 40- Stunden- Woche, daß der fransösische Vertreter in Genf angewiesen jei, sich mit aller Entschiedenheit für die 40- Stunden- Woche einzusetzen. Die Kammer entsprach dann dem Antrag des Arbeitsministers und vertagte die Debatte über die 40- StundenWoche.
Heute Weltestenrat
Gerüchte der letzten Stunde
Gegen 1 Uhr mittags verlaufete, daß die Sitzung des Aeltestenrats„ aus technischen Gründen" um eine oder mehrere Stunden verschoben werden würde.
Gleichzeitig wurde versichert, daß eine Berschiebung der Plenarsihung des Reichstags um eine Woche oder gar bis zum 15. Februar nicht unwahrscheinlich sei. Man fcheint in Regierungsfreifen anzunehmen, daß die Nationalsozialisten Zeit gewinnen wollen, weil sie sich noch nicht schlüffig geworden sind.
Krach bei der Beret Aufsichtsratssitzung aufgeflogen
Im Aufsichtsrat der Bere f" wurden heute vormittag von Sozialdemokraten und Kommunisten heftige Angriffe gegen die Leitung des Unternehmens gerichtet, weil die Berek das Anschlagen sozialdemokratischer und kommunistischer Plakate, die sich gegen die Nazis richteten, verweigert hatte. Bei dem sozialdemokratischen Plakat handelt es sich um die Veröffentlichung der Traueranzeige, die die Mutter des von den SA.- Leuten ermordeten Hitlermannes Hentsch aufgegeben hat und die in fast allen Zeitungen Sachfens und vielen Berliner Blättern, so auch im